35 - musing
Ich kam keine Sekunde zu spät nach Hause, denn gerade nachdem ich die Wohnungstür geschlossen hatte, hörte ich in Gemmas Zimmer die Bettdecke rascheln und kurz darauf stand sie vor mir im Flur. ,,Guten Morgen Hazza, ich hab vom Weihnachtsmann geträumt, ich durfte in seinem Schlitten fliegen, Geschenke verteilen und habe Rudolph kennengelernt", erzählte Gemma fröhlich, als wäre das alles Realität und es machte mich persönlich glücklich, dass sie noch an den Weihnachtsmann glaubte. ,,Das klingt doch toll, Gems." ,,Ja! Meinst du, der Weihnachtsmann hat mir den Traum vielleicht sogar geschickt?" Ich lächelte und streichelte ihr durch die Haare. ,,Möglich wäre das eindeutig. Ich mache dir Frühstück, okay? Machst du dich währenddessen fertig? Dann können wir direkt danach zu Zayn und Kekse backen."
Gemma nickte und wollte sich schon umdrehen, doch dann blieb sie noch einmal stehen. ,,Ist Mama zu Weihnachten wieder da? Wir wollten doch Zuhause mit ihr feiern und jetzt haben wir noch gar nichts geschmückt. Wir haben hier nicht einmal einen Weihnachtsbaum", Gemma sah sich in dem kahlen Flur um, der einzig und allein durch ihre gemalten Bilder an den Wänden geschmückt wurde. ,,Es tut mir schrecklich leid, Mama hat so viel auf der Arbeit zu tun, deshalb werden wir dieses Jahr wieder Weihnachten bei Zayn feiern. Ich wollte es dir schon eher sagen Gems, aber ich wollte auch nicht, dass du enttäuscht bist." ,,Ich bin nicht enttäuscht", gab Gemma zurück, ,,mit Zayn Weihnachten zu feiern ist auch jedes Jahr total. Vielleicht klappt es mit Mama nächstes Jahr."
Ich lächelte erleichtert, war froh, dass Gemma das so gut auffasste und nickte. ,,Ja, vielleicht klappt es nächstes Jahr", antwortete ich möglichst hoffnungsvoll, in einem Jahr könnte viel passieren, ich hoffte das irgendwas passieren würde. Etwas, was die ganze Situation verbessern und nicht noch weiter in den Abgrund reißen würde. Irgendeine Lösung würde hoffentlich gefunden werden, ich wünschte es mir zumindest für Gemma, sie hatte etwas besseres verdient, mehr als ich ihr bieten könnte und früher oder später sollte sie hier wirklich rauskommen. Ich wusste sie war dazu bestimmt, eine atemberaubende Karriere hinzulegen.
Während meine kleine Schwester sich in ihrem Zimmer anzog, war ich in der Küche und bereitete das Frühstück für sie zu. Ein Brötchen, welches Grace mir noch mitgegeben hatte, mit Gemmas liebster Erdbeermarmelade. Die ganze Situation mit Louis heute Morgen lenkte mich so sehr ab, dass ich mir beim Aufschneiden des Brötchens sogar beinahe in den Finger geschnitten hätte und das hätte mir jetzt gerade noch gefehlt. Ich konnte es mir nicht erklären, aber wenn Louis nicht als Polizist unterwegs war, nicht in seiner Uniform, dann war er so nett, herzlich, hilfsbereit und wirklich ein toller Mensch, auf den ich mich allzu gerne einlassen würde. Doch dann schimmerte wieder durch, welchen Beruf er ausübte und das durfte ich einfach nicht vergessen.
Ich tat mich allgemein schwer damit, Menschen in mein Leben zu lassen, deshalb gab es ja auch nur Zayn und ihm konnte ich vertrauen, weil er in einer ähnlich beschissenen Situation steckte, wie ich. Leben am Existensminimum, von der Familie verstoßen und nur mit etwas Glück mal ein kleines Lebenszeichen von ihnen. Louis hatte seine Mutter verloren, auch das war unfassbar schlimm, aber auch das änderte nichts an seinem Job, mit dem Ziel, Menschen wie mich hinter Gitter zu bringen. Bisher hatte Louis mich jedes Mal beschützt, verteidigt und mir den größten Schwachsinn abgekauft, aber weder wusste ich, ob er das auch weiterhin tun würde, noch wusste ich, ob er das wirklich aus seiner Neugier heraus tat oder doch allein, um so viel wie möglich über mich herauszufinden um mich dann mit handfesten Beweisen ins Gefängnis zu bringen. So lange ich Louis Absichten nicht hundertprozentig bestätigt hatte, würde ich mich niemals auf ihn einlassen können.
Aber das heute in der Bäckerei, ich musste zugeben, es war schön und beinahe schon angenehm gewesen, sich so lustig mit Louis zu unterhalten. Sein Durchhaltevermögen war schon bemerkenswert und ich war gespannt, wie lange er noch durchhalten würde, bevor mein Fall für ihn nicht mehr interessant sein würde. Auch das Treffen im Café, seine menschliche Seite zu sehen, war großartig gewesen, doch ich wollte nicht schwärmen, so lange ich nicht wusste, auf welcher Seite er stand und was seine Absichten waren. Es war alles so schwer, ich war müde, doch ich durfte die Augen nicht schließen, ich musste stets wachsam sein.
Vielleicht hatte Zayn auch Recht, vielleicht sollte ich mich wirklich noch einmal mit Louis treffen. Allem Anschein nach begegnete ich Louis wirklich tatsächlich immer wieder, dachte im Nachhinein darüber nach, nur um mir den Kopf zu zerbrechen. Wenn ich wirklich wissen wollte, was Louis von mir wollte, dann müsste ich das wohl oder übel selbst herausfinden, denn all die Grübelei würde mich auch nicht weiterbringen. Andererseits würde ich Louis mit einem weiteren Treffen auch weiter in mein Leben lassen und dabei wollte ich genaus das vermeiden. Doch vielleicht musste ich das Risiko eingehen, um nicht weiter in ständiger Panik zu leben, von Louis verknackt werden zu können. Wenn Louis und ich uns noch einmal über den Weg laufen und er mich dann nach einem Treffen fragen würde, dann würde ich vielleicht Ja sagen. Auch wenn ich Zayn gesagt hatte, dass es kein weiteres Treffen geben würde, vielleicht führte daran kein Weg vorbei, vielleicht musste ich über meinen eigenen Schatten springen, um Gewissheit zu erhalten und meine Schwester am Leben zu erhalten.
,,Harry", Gemma die plötzlich neben mir stand, riss mich aus meinen tiefen, verworrenen Gedankengängen, vor welchen ich am liebsten davonlaufen würde. Sie hatte schon eine Brötchenhälfte in der Hand. ,,Tut mir leid, ich hab ein wenig nachgedacht, was hast du gesagt?" ,,Ich hab nur gefragt, ob der Weihnachtsmann wissen wird, wo ich bin, wenn wir bei Zayn schlafen. Wegen der Geschenke..", Gemma schaute auf den Boden und brachte mich zum Lächeln. Solche Probleme hätte ich auch gerne, aber es zeigte mir, dass ich bei Gemma alles richtig gemacht hatte. Wenn das ihre größten Sorgen waren, dann hatte ich zum Glück nicht versagt. ,,Der Weihnachtsmann, seine Elfen und seine Rentiere wissen immer, wo wir sind, da musst du dir wirklich keine Sorgen machen", beruhigte ich sie und nachdem sie das Brötchen aufgegessen und sie sich ihre Zähne geputzt hatte, liefen wir zu Zayn.
Dieser hatte schon auf uns gewartet und alles dafür vorbereitet, dass wir die Kekse backen könnten. Er hatte Ausstechformen, zwei Backbleche und die Fertigmischung mit den Zutaten für den Teig schon bereitliegen. ,,Fröhliche Weihnachten ihr beiden. Ich hoffe ihr habt einiges an Lust und Laune mitgebracht, dieses Jahr wird ein großartiges Fest", der Duft nach Weihnachten hatte sich in Zayns Wohnung ausgebreitet, während er überschwänglich Weihnachtsstimmung verstreute. Ich musste dringend mit ihm darüber reden, was heute Morgen passiert war, denn auch wenn ich Louis an Weihnachten eigentlich vergessen und keinen Gedanken an ihn verschwenden wollte, ich wollte von meinem besten Freund hören, was ihn so davon überzeugte, das Louis gut für mich sein könnte und er nichts böses im Schilde führte.
Ich verstand weiterhin nicht, was da in der Bäckerei passiert war, als hätte mein Verstand kurzzeitig ausgeschaltet und dabei hatte ich diesen eigentlich sehr gerne, schließlich bewahrte er mich vor dummen Entscheidungen. Zum Beispiel solch eine, wie mit einem Polizisten zu quatschen, als wäre er ein guter Freund und über Mistelzweige zu scherzen. Das wäre mir nie in den Sinn gekommen und doch war es jetzt heute Morgen passiert. Doch zuerst ging es ans Backen, zuerst sollte Gemma eine wundervolle Weihnachtszeit gewährt werden und dafür half ich ihr, die Backmischung mit Butter und einem Ei zu vermengen. Ihre kleinen Hände bekamen es nicht wirklich hin, den Teig zu kneten, weshalb ich ihr zur Hand ging und nachdem der Teig ausgerollt war, stachen wir die Kekse mit den Förmchen aus.
Sobald das fertig und die Kekse im Ofen waren, wollte Gemma ihrem Schneemann draußen einen besten Freund bauen und natürlich schlug ich ihr auch diesen Wunsch nicht aus. Während Zayn auf die Kekse achtete, rollten Gemma und ich aus dem Schnee drei Kugeln, um damit einen weiteren Schneemann zu schaffen. Dafür war ich umso glücklicher als es wieder reinging. Meine Nase lief, meine Hände waren erfroren und ich freute mich auf die heiße Tasse Kakao, die dank Zayn schon auf uns wartete. Während wir sie tranken und die fertigen Kekse aus dem Ofen holten, um sie abkühlen zu lassen, spielte Zayn uns auf seiner Gitarre Weihnachtslieder vor. Endlich konnte ich mal kurz von Louis abschalten, ich fühlte mich bei Zayn geborgen und in seiner Wohnung Zuhause. Er hatte Recht, ein besseres Fest konnte man kaum zusammen verbringen.
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Harry denkt doch tatsächlich darüber nach, einem Treffen mit Louis zuzustimmen, um seine Absichten herauszufinden..ob er das auch wirklich machen wird? Oder ist ihm das Risiko am Ende doch zu groß? ._.
All the love xx
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