21 - checking
Auch wenn ich wusste, dass es die richtige Entscheidung war, die Sachen zu packen und zu Zayn zu gehen, machte ich mir dennoch Sorgen um meine Mutter. Ich wollte sie nicht allein lassen, ich fühlte mich schuldig und schlecht, auf der anderen Seite hatte ich aber auch irgendwie keine Wahl gehabt. Das Versprechen, das ich dem Sanitäter gegeben hatte, auf sie zu achten, hatte ich damit gebrochen, aber lieber war mir das, als Gemma dieser Situation auszusetzen, die sie für den Rest ihres Lebens prägen würde. Doch ich war mir auch noch nicht sicher, ob die Schmerzmittel, die meine Mutter gestern direkt nach dem Unfall bekommen hatte, den Blutkreislauf schon wieder verlassen hatten. Wenn nicht, dann war das in Verbindung mit dem Alkohol eine ziemlich gefährliche Mischung und das sie es nicht bis in die Bar geschafft hatte, sondern zu Hause trank, sagte eigentlich so ziemlich alles über die Schwierigkeit der Situation aus.
Bei Zayn angekommen, empfing dieser mich zum Glück mit offenen Armen und als er die zwei Taschen sah, die ich in meinen Händen trug, sagte er auch nichts weiter dazu, sondern holte schon einmal extra Bettwäsche für Gemma aus seinem Schrank. Nachdem ich ihm den Grund für meinen plötzlichen Überfall nannte, hielt er mich einfach nur fest, wodurch ich mich nicht mehr allein fühlte. Ich wollte nicht weiter über das Thema reden, gedanklich machte mich das schon genug fertig und zum Glück merkte Zayn das auch. Stattdessen erzählt er mir von dem Besuch des Kunden, der tatsächlich gleich drei Gemälde für gutes Geld gekauft hatte und seinen Kollegen und Geschäftspartnern ebenfalls von Zayns atemberaubender Kunst erzählen wollte.
So oder so war ich unheimlich stolz auf meinen besten Freund, es war schön zu sehen, wenn seine Kunst so gewürdigt wurde und er langsam tatsächlich die Anerkennung bekam, die er auch verdiente. Bis es Zeit wurde, Gemma von ihrer AG abzuholen, spielte Zayn mir auch noch etwas auf der Gitarre vor, um mich auf andere Gedanken zu bringen und es half. Ich dachte darüber nach, wie talentiert Zayn eigentlich war und das er anstatt auf der Straße eigentlich in ausverkauften Stadien spielen sollte. Natürlich war das nur Wunschdenken, wir beide hatten sehr wenig Mittel zur Verfügung, damit irgendwie an die Spitze zu gelangen war schwierig, aber träumen war ja nicht verboten. Es half einem, morgens aus dem Bett aufzustehen und einen neuen Tag zu beginnen.
Zayn und ich holten Gemma zusammen aus der Schule ab und nachdem sie sich darüber gefreut hatte, dass wir bei Zayn übernachteten, schwärmte sie von ihrer AG und das sie heute aus Transparentpapier Schmuck für die Fenster der Schule gebastelt hatten. Dies erinnerte mich an meine Kindheit früher, auch wir hatten das gemacht, die Schmuckstücke stolz unseren Eltern gezeigt und hatten uns dafür loben lassen. Es tat mir leid für Gemma, dass sie diesen Teil der Kindheit nicht hatte, aber ich versuchte, dies so gut wie möglich zu ersetzen und der beste große Bruder der Welt zu sein. Natürlich versagte ich in einigen Dingen, nichts und niemand war perfekt, doch solange meine kleine Schwester ihr Lächeln nicht verlor, versuchte ich auch meins nicht zu verlieren.
Wieder bei Zayn ging dieser kurz einkaufen, um uns dreien etwas zu Essen zu kochen und währenddessen machte ich mit Gemma ihre Hausaufgaben, die für sie aber auch keine große Herausforderung waren. Als sie fragte, weshalb wir mitten in der Woche genau bei Zayn schliefen, sagte ich ihr, dass unsere Mutter mehr Ruhe bräuchte als gedacht und wir hier deshalb besser aufgehoben waren. Gemma war hier bei Zayn tatsächlich besser aufgehoben, ihr das aber jemals zu erklären, würde mich wohl viel Kraft kosten oder sogar unmöglich sein, also mal sehen, wann und ob ich das jemals tun würde. Zum Schlafen gehen bekam Gemma eine Luftmatratze in Zayns Atelier gelegt, sie liebte diese Matratzen und hatte mich tatsächlich schon einmal gefragt, ob wir nicht ihre normale Matratze auch gegen eine austauschen könnten, die mit Luft gefüllt war. Derweil schlief ich mit bei Zayn im Bett, auch wenn ich mich bei all den unruhigen Gedanken eher hin und her wälzte.
Für den nächsten Tag hatten wir abgemacht, dass Zayn meine kleine Schwester von der Schule abholen würde, während ich bei meiner Mutter nach dem Rechten sehen wollte. Ich hatte ein wenig Angst davor, was mich erwarten würde, was passiert war, nachdem ich gestern so einen schnellen Abgang gemacht hatte und was vielleicht passieren würde, sobald ich die Wohnung betreten musste. Schon in der Schule begannen meine Hände zu zittern, im Unterricht passte ich nicht wirklich auf, mein Blick haftete auf der Uhr und während ich auf der einen Seite kaum darauf warten konnte, dass der Schultag endlich rum war, wollte ich auf der anderen Seite am liebsten die Zeit anhalten.
Immerhin zu wissen, das Gemma bei Zayn in guten Händen sein würde, egal was in Zukunft noch alles passieren könnte, beruhigte mich sehr. Allein dieser Gedanke gab mir letztendlich nach der letzten Unterrichtsstunde genug Kraft, um einen Fuß vor den anderen zu setzen und nach Hause zu laufen. Meine Gedanken kreisten dabei die ganze Zeit um meine Mutter, ob es ihr gut ging, ob sie überhaupt realisiert hatte, dass Gemma und ich über Nacht nicht da gewesen waren, ob sie vielleicht etwas ausgenüchtert war seit gestern und ob ich vielleicht sogar vernünftig mit ihr reden könnte. Zumindest mein Traum, dass sie durch den Unfall gelernt hatte, was der ganze Alkohol mit ihr anrichtete, war leider nicht in Erfüllung gegangen und auch wenn ich schon damit gerechnet hatte, ein wenig Hoffnung hatte ich mir schon gemacht und dementsprechend war die Enttäuschung jetzt nur noch größer.
Ich wusste auch nicht, ob es gut gewesen war, sie jetzt einfach allein zu lassen, wo der Sanitäter doch gesagt hatte, dass ich sie und ihre Verletzungen beobachten sollte. Doch ich hatte einfach nicht mehr gekonnt. Erst das ganze Drama mit den Polizisten, die ständige Angst beim Diebstahl erwischt zu werden, dann der Verkehrsunfall, das Telefonat mit der Polizei, die beinahe alles herausgefunden hätte und nach nicht einmal vierundzwanzig Stunden die Rückkehr zum Alkohol, das war einfach zu viel gewesen. Zumindest war es zu viel für diesen einen Moment, ich hatte eine Zeit lang gebraucht, um alles zu verarbeiten und auch wenn ich noch immer dabei war, das meiste davon runterzuschlucken, es durfte mich nicht daran hindern, nach meiner Mutter zu sehen und ob es ihr gut ging.
Zuhause angekommen schloss ich leise die Wohnung auf, im Flur war dieses Mal zum Glück kein Chaos vorzufinden, dafür war die Küche immer noch ein Saustall und allein aus der Angst heraus, gleich nach meiner Mutter zu sehen, räumte ich erst einmal die komplette Küche auf, um mich abzulenken. Danach hatte ich aber keine Ausrede mehr, das alles noch weiter herauszuzögern und auf leisen Sohlen ging ich zum Schlafzimmer meiner Mutter, in dem alles dunkel war. Eine zur Hälfte geleerte Flasche Alkohol stand auf ihrem Nachtschrank, eine vollständig geleerte Flasche lag auf dem Boden und meine Mutter selbst schlief friedlich im Bett, auf der Seite, auf welcher sonst immer mein Vater geschlafen hatte. Mich erleichterte es einfach schon, sie wohlauf und atmend vorzufinden, ich hätte mir nicht verziehen, wenn durch die Verletzungen doch irgendwas passiert wäre oder durch den Alkohol in Verbindung mit dem Schmerzmittel.
Aufwecken wollte ich meine Mutter nicht. Auch wenn ich liebend gern mit ihr über die letzten Geschehnisse sprechen würde, solange sie nicht ihren Rausch ausgeschlafen hatte, würde das alles nichts bringen. Sie würde mir nicht zuhören, mir ins Wort fallen, ihre eigene Geschichte zusammen spinnen, bei der vielleicht am Ende nicht sie, sondern angeblich ich vom Auto angefahren worden sei. Wenn sie getrunken hatte, war alles möglich, dementsprechend wollte ich lieber einen Moment abpassen, bei dem eher weniger Alkohol in ihrem Blut vorhanden war.
Nachdem ich eine ganze Zeit lang an der Bettkante gesessen, über meine Kindheit und die alten, problemlosen Zeiten nachgedacht hatte, richtete ich noch einmal die Bettdecke meiner Mutter und verließ dann mit den zwei Flaschen Alkohol das Zimmer. Diese entsorgte ich, in der Hoffnung, den gesamten Alkoholvorrat zerstört zu haben, aber leider war ich mir ziemlich sicher, dass meine Mutter irgendwo noch mehr versteckt hatte. Ich hatte jetzt aber auch keine Zeit, diesen zu suchen. Erst einmal hatte ich Angst, zu laut zu sein und damit meine Mutter aufzuwecken und dann hatte ich auch gar keine Zeit, denn mich empfing eine Nachricht von Zayn, in welcher er mir schrieb, dass Gemma und er bald das Mittagessen fertig hatten. Allein das brachte mich zum Lächeln, dieses kleine Stück Normalität, welches gegeben war und mir half den Rest der grausamen Realität ein wenig auszublenden.
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Ein kleines Überbrückungskapitel, aber ich hoffe, es gefällt trotzdem x Ob Harry bald mit seiner Mutter ein Gespräch über den Unfall führen kann? Und was glaubt ihr eigentlich, wie Louis und Harry sich näher kommen werden? Das würde mich mal interessieren🌝
All the love xx
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