20 - setback
Sobald ich nach dem Telefonat mit dem Polizisten von der Metropolitan Police wieder im Bett lag, bekam ich kein Auge mehr zu. Man hatte meiner Mutter den Alkohol im Blut nachweisen können und hätten sie auch noch Tests gemacht, um mit Hilfe der Enzyme herauszufinden, ob meine Mutter schon länger regelmäßig Alkohol trinkt, hätte das durchaus in die Hose gehen können. Man konnte echt von Glück sagen, dass sie das nicht getan hatten, sondern mich einfach gefragt hatten und auf meine Antworten vertrauten. Ich vertraute der Polizei nämlich wiederum nicht und hätte ich die Wahrheit gesagt, ich will mir die schrecklichen Szenarien eigentlich gar nicht ausmalen, die dadurch zu Stande hätten kommen können.
Anstatt zu schlafen lauschte ich Zayns regelmäßiger Atmung, die mich unheimlich beruhigte. Er war durch das Telefonat zum Glück nicht aufgewacht, sobald mein Wecker klingeln und er dadurch aufwachen würde, würde ich ihm davon aber natürlich erzählen. Wenn ich nichts vor ihm geheim hielt, hatte ich das Gefühl, etwas Last loszuwerden und das war ein ziemlich gutes Gefühl. Außerdem war er mein bester Freund, er verstand mich und meine Gedankengänge so, wie niemand sonst es jemals tun würde, dementsprechend war er auch immer die verständnisvollste und größte Hilfe, die ich kriegen konnte. Mal abgesehen davon, dass ich auch gar keine andere Hilfe wollte.
Eine halbe Stunde, bevor mein Wecker sich melden würde, hielt ich das liegen bleiben nicht mehr aus und stand auf. Leise schlich ich mich aus meinem Zimmer, schloss die Tür und schaute nach, ob bei meiner Mutter auch alles in Ordnung war. Diese schlief tief und fest, sie hatte sich nicht erbrochen und auch sonst schien es, als wäre alles okay, was mich unheimlich beruhigte. Wenn sie schlief, sah sie so friedlich aus, als hätte sie noch nie einen Tropfen Alkohol gekostet, als wäre die ganze Sache mit meinem Vater nicht passiert. Und ich wünschte auch, dass das nicht passiert wäre, ich wünschte, das er noch hier wäre, um mir und Gemma durchs Leben zu helfen, aber das war leider ein Ding der Unmöglichkeit, es würde niemals mehr so sein wie früher.
Sobald meine Mutter aufwachen würde, könnte es sogar sein, dass sie das erste Mal so richtig nüchtern ist und eigentlich sollte sie das auch bleiben, so lange sie die Verletzungen hat, aber das war ihr höchstwahrscheinlich egal. Bevor ich meine Mutter noch wecken würde, schloss ich die Tür zu ihrem Schlafzimmer wieder und ging stattdessen in die Küche, um schon einmal Gemmas Brot für die Schule zu schmieren und danach Frühstück für Zayn, Gemma und mich zu machen. Während ich einen Pancake in der Pfanne schwenkte, legten sich plötzlich zwei Hände auf meine Schultern und erschrocken zuckte ich zusammen. ,,Guten Morgen", Zayn grinste mich an und bekam von mir einen Schlag auf den Oberarm.
,,Nicht lustig, ich hab mich total erschrocken", ich schob die Unterlippe vor und wurde von Zayn nur weiter angegrinst. ,,Hab ich gemerkt. Wieso bist du jetzt schon wach? Dein Wecker hat doch noch gar nicht geklingelt." ,,Wenn du weiterhin so dämlich grinst, werfe ich dir gleich den Pancake ins Gesicht", sagte ich vorerst, ohne auf Zayns Fragen einzugehen, was ihn zum Lachen brachte. ,,Dann warte Mal ab, wie ich mich rächen werde", gab Zayn geheimnisvoll zurück und ließ mich lachend die Augen verdrehen. Eigentlich wollte ich diese schöne, amüsante Stimmung am Morgen auch gar nicht ruinieren, aber leider musste es sein, denn seine Frage wartete noch auf eine Antwort.
,,Ich bin schon wach, weil die Polizei mich aus dem Bett geklingelt hat. Sie haben meiner Mutter natürlich Blut abgenommen und darin Alkohol festgestellt. Der Polizist am Telefon wollte dann wissen, ob meine Mutter regelmäßig Alkohol konsumiert, wenn ja, wie viel oder ob das jetzt nur eine Ausnahme war, all so ein Kram." Zayn zog scharf die Luft ein. ,,Und was hast du geantwortet?" Ihm war klar, dass ich sicher nicht die Wahrheit gesagt, sondern mir irgendeine Lüge aus den Fingern gesaugt hatte. ,,Ich hab gesagt, dass sie bei einem Brunch war und es da wahrscheinlich ein paar Gläser Sekt gab. Der Mann, der meine Mutter angefahren hat, möchte aber zum Glück weiterhin die Kosten übernehmen, wahrscheinlich aus Schuldgefühlen, aber ich bin jetzt einfach nur unheimlich erleichtert." Zayn seufzte und nickte, aber ich merkte ihm an, dass etwas nicht in Ordnung war.
,,Was ist los?", fragte ich, ich nahm den fertigen Pancake aus der Pfanne und widmete mich dann vollständig meinem besten Freund. ,,Nichts", murmelte er, ,,es ist nur..klar dieses Problem hast du jetzt gelöst, es hätte aber auch eine Lösung für dein viel größeres Problem sein können. Denn das ist noch nicht gelöst und dafür eine Lösung zu finden ist auch nicht ganz so leicht." ,,Zayn", ich verstand die Sorgen meines besten Freundes, ich hätte natürlich auch gern eine Lösung, aber das war nun einmal nicht ganz so einfach. ,,Ich weiß schon was du meinst, aber früher oder später wird sich eine Lösung finden, okay? Vielleicht trifft meine Mutter auch eine Eingebung oder irgendwie sowas, solange ich bis dahin nicht erwischt werde, ist alles in Ordnung", gab ich zur Antwort, was ich eigentlich immer als Antwort nutzte und was Zayn auch nicht wirklich abstreiten konnte.
,,Wenn du das sagst, ich hoffe einfach nur, dass das nicht schief geht", sagte der Pakistani und setzte sich dann an den Esstisch, um ein paar der Pancakes zu essen, bevor sie kalt werden würden. Nachdem auch ich gefrühstückt hatte, machte ich meiner kleinen Schwester ebenfalls ein paar frische Pancakes, während Zayn Gemma derweil aufweckte. Verschlafen kam sie in ihrem blauen Schlafanzug, mit Nemo aus dem Disneyfilm darauf, in die Küche, ließ sich auf einen Stuhl plumpsen und nahm dankbar das Frühstück entgegen. Ich packte die Brotdose zusammen mit einer Trinkflasche schon einmal in ihren Schulranzen und während Zayn in der Küche blieb und auf Gemma aufpasste, machte ich mich im Bad fertig, zog mich an und packte meinen Rucksack für die Schule, in welchem bis gerade noch das Brettspiel gelegen hatte, das ich nun in meinem Kleiderschrank unter einem Haufen Klamotten versteckte.
Als ich fertig war, war Gemma auch schon dabei, die Klamotten anzuziehen, die ich ihr herausgelegt hatte. Zayn hatte nach dem Frühstück aufgepasst, dass sie sich ordentlich die Zähne geputzt hatte und er hatte ihr zwei Zöpfe geflochten, sowie damals seinen Schwestern, zu welchen er nun keinen Kontakt mehr hatte. Auf dem Weg zur Schule verabschiedeten wir uns auf halber Strecke von Zayn, ich bedankte mich noch einmal bei ihm für seine wahnsinnig gute Hilfe und wünschte ihm viel Glück, denn gleich würde ein Kunde ein paar seiner Gemälde begutachten und diese vielleicht sogar kaufen. Das Geld könnte Zayn auf jeden Fall gebrauchen.
Sobald ich Gemma bei der Grundschule absetzte, wartete auf dem Schulhof tatsächlich Henry schon auf sie und nachdem ich eine kurze Umarmung zum Abschied bekommen hatte, lief sie zu ihm, um mit ihm gemeinsam in den Klassenraum zu gehen. Mit einem leichten Lächeln setzte ich meinen Weg durch den Schnee zur Schule fort und war froh, wenn ich diesen Ort nie wieder betreten müsste. Man sollte meinen, ich hätte mich an diese Blicke der Mitschüler gewöhnt, doch dem war nicht so. So abwertend angeschaut zu werden, tat natürlich weh, aber ich hatte das Glück, das man mich immerhin in Ruhe ließ, bei anderen war das nicht der Fall. Ich fand das grausam, schließlich steckte in einem Menschen so viel mehr als das, was er in der Schule zeigte. Man hatte eine Geschichte, Träume und Ziele und solche Leute zerstörten das einfach.
Als der Schultag endlich vorbei war, war ich unheimlich froh. Viel wurde sowieso nicht mehr getan, in etwas mehr als einer Woche waren Winterferien, dementsprechend war die Konzentration bei dem überwiegenden Teil der Schüler nicht mehr vorhanden. Gemma hatte noch etwas länger Schule, beziehungsweise war sie einer AG beigetreten, in der gebastelt wurde, weshalb ich sie später abholen würde. Das gute daran war, dass die Kinder dadurch Mittags von der Schule verpflegt wurden, heute musste ich mich also nur noch um das Abendessen kümmern. Doch als ich nach Hause kam, da wartete noch viel mehr Arbeit auf mich, als in ein paar Stunden das Abendessen. Die Vase, die im Flur gestanden hatte, war ein Scherbenhaufen, in der Küche war ein Saustall und ich ahnte übles, als ich die Tür zum Schlafzimmer meiner Mutter öffnete.
Diese saß auf dem Bett, in der Hand hielt sie eine Flasche Whiskey, wo auch immer sie die herbekommen hatte. ,,Hallo Harry, komm her", freudig klopfte sie neben sich auf das Bett, doch schleunigst schüttelte ich den Kopf. ,,Ich wollte gerade gehen. Gemma und ich schlafen heute bei Zayn", war das einzige was mir über die Lippen kam, ehe ich die Tür wieder schloss. Ich konnte diesen Anblick nicht ertragen, wie sie sich ruinierte und ich nichts dagegen tun konnte. So schnell wie ich konnte, packte ich für Gemma und mich Schlafsachen ein, beseitigte das Chaos im Flur und verließ dann wieder die Wohnung, denn das sollte Gemma wirklich nicht sehen und ich wollte es im Moment einfach nicht sehen, das war zu viel. Bis meine Mutter ihren Rausch wieder ausgeschlafen hatte, würden Stunden vergehen und vielleicht konnte ich ihr dann noch einmal ins Gewissen reden, zumindest auf ihre eigene Gesundheit zu achten.
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Bisher hat Harrys Mutter also leider keine Eingebung gekriegt, ob Harry ihr dennoch noch irgendwie ins Gewissen reden kann..? Und ob es eine gute Idee ist, sie in diesen Zustand allein zu lassen? ._.
Schon Kapitel 20, danke für die Unterstützung durch Votes und Kommentare bisher!❤
All the love xx
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