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"Hurt me with the truth, but never comfort me with a lie."
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Der Raum war weißgestrichen, die Farbe blätterte bereits ab. Die Wände waren kahl und es gab keine Fenster. War dies real oder nur ein Traum? Ich lag auf einem Gitterbett und mehrere Schläuche führten in meine Arme. Da sie in der Hölle vermutlich nicht versuchen würden, mir zu helfen, musste ich irgendwo anders sein. Wobei, wurde mir hier eigentlich geholfen?
Ich hörte, wie schwere Schritte näher kamen und versuchte, von dem Bett zu kommen, aber ich war zu schwach. Die Schläuche schnitten in meine Hand. Und dann wurde die Tür schwungvoll geöffnet. Es war zu spät. Dort stand ein Mann mit einem verstörenden Lächeln. Er bewegte sich direkt auf mich zu. Ich versuchte bestmöglich zurückzuweichen, aber versagte. Ungefähr einen Meter vor mir blieb er stehen. Er streckte seinen Arm in meine Richtung und ich schüttelte ängstlich seine Hand.
„Hallo Miss Miller. Ich bin Herr Professor Dr. Dr. Schmidt. Es freut mich sehr, sie endlich wiederzusehen, obwohl ich gehofft hatte, dies würde unter erfreulicheren Umständen geschehen. Wie geht es ihnen denn? Haben sie akute Schmerzen?" Ich antwortete: „Wo bin ich hier?" „Wir befinden uns zurzeit im Klinikum Westphalen-Lippe. Haben sie Schmerzen?" Ich war verwirrt. Wie war ich hier hergekommen? Lebte ich noch? Ja, denn ich hatte Schmerzen. Ein Pochen, wie ein Messer, das im Sekundentakt in meine Haut gestoßen wurde. Höllische Schmerzen. Aber wenn alles weh tat, wie sollte man dann sagen wo es schmerzte? Ich versuchte es: "Mein Kopf tut ein bisschen weh und ich spüre meine Beine und Arme nicht mehr." Ein bisschen war dabei die Untertreibung schlechthin. Es tat verdammt weh. Aber gegenüber diesem Mann fühlte ich mich ohnehin schon schwach und wollte nicht noch schwächer wirken. Er antwortete: „ Körperlich geht es ihnen den Umständen entsprechend gut. Sie stehen zurzeit aber unter enormem Schock." Ich hakte müde nach: "Den Umständen entsprechend?" „Sie haben eine Nacht mit T-Shirt auf einem Wanderweg verbracht. Es hat gestürmt und gewittert. Mehrere Bäume sind neben ihnen heruntergefallen und kleinere Äste auf sie. Sie waren eingeklemmt und bewusstlos. Die Ufer des Sees sind übergeschwappt und wenn sie noch wenige Stunden länger dort gewesen wären, wären sie jetzt tot."
Alles was ich dazu herausbrachte war ein: "Oh." Herr Schmidt fragte weiter: "An welchen letzten zeitlichen Punkt an diesem Abend können sie sich erinnern?" „Ich bin um etwa vier Uhr am Park angekommen. Da war dieser See, aber der hatte noch kein Hochwasser. Dann bin ich zusammengebrochen. Ich bin immer mal wieder aufgewacht. Mal war da Wind, mal Regen, aber immer nur Bruchstücke." „Interessant. Also sind sie gar nicht durch den Sturm oder das Wasser ohnmächtig geworden. Was könnten sie sich denn als Grund vorstellen?". „Ich weiß nicht. Vielleicht Erschöpfung. Und manchmal habe ich auch so Panikattacken.", stotterte ich. „Fühlen sie sich denn jetzt schon besser?". „Ja. Wissen sie, wo Benjamin ist?"„Natürlich. Ich werde ihn gleich zu ihnen schicken. Aber ruhen sie sich jetzt erst einmal aus.". „Aber ich bin bereits ausgeruht. Ich möchte Benjamin jetzt sehen." „Haben sie etwas Geduld, Miss Miller. Alles wird gut.", sagte er noch, ehe er den Raum mit einem ebenso verstörendem Lächeln verlies, wie er ihn betreten hatte. Vielleicht war das ein Tick von ihm. Konnte ja sein, dass er immer sein Lächeln aufsetzte, wenn er durch eine Tür lief. Wahrscheinlich hatte ihm wohl noch niemand gesagt, wie scheiße er damit aussah..
Aber ich hatte gerade größere Probleme als die Ticks von Herrn Schmidt.. Ich war anscheinend mitten auf einem Parkweg ohnmächtig geworden. Nicht gerade ein Lebensziel.. Zumindest glaube ich nicht, dass man sowas auf seine To-Do-List schreibt.. Würde jetzt jeder denken ich wäre labil? Und seit wann entschied jemand anderes als ich selbst darüber, was gut für mich war? Zugegebenermaßen war mir dieser Herr Schmidt von Anfang an nicht richtig sympathisch gewesen. „Es freut mich sehr, sie endlich wiederzusehen.", sagte er das bei jedem Patienten oder was war anders an mir? Woher wusste er überhaupt, wer ich war? Ich war mir ziemlich sicher, mich nicht vorgestellt zu haben. Das war gruselig. Sehr gruselig. Aber was um alles auf der Welt bedeutete gleich? Gleich in fünf Minuten, einer halben Stunde, drei Stunden, in einem Tag oder einer Woche? Wobei durfte man überhaupt eine Woche lang in einem Krankenhaus bleiben? GEGEN SEINEN WILLEN!!! Ich blickte mich in jenem weißgestrichenem Raum um. An einer Seitenwand hing eine Uhr. Es war 16Uhr. Was sprach dagegen, Benjamin an einem gewöhnlichen Nachmittag zu sehen? Ich setzte mich auf und entfernte vorsichtig die Schläuche. Ich verstand sowieso nicht, was die sollten.. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser komische Typ mir helfen wollte war nämlich sehr klein.
Zum Glück hatte ich endlich wieder etwas Kraft in meinen Armen. Ich stieg langsam aus dem Bett und schwankte herüber zur Tür. Mir ging es wohl immer noch nicht zu 100% gut, aber das musste Herr Schmidt ja nicht erfahren..
Ich drückte vorsichtig die Türklinke herunter, aber nichts geschah. Ich war eingesperrt. Dieser Idiot hatte mich doch ernsthaft in einem Krankenhauszimmer eingesperrt. Machte er das auch bei all seinen Patienten so? Fluchend setzte ich mich wieder in mein Bett. Es würde wahrscheinlich sehr viel Zeit vergehen ehe ich Benjamin endlich zu Gesicht bekommen würde. Sehr, sehr viel Zeit, die ich eingeschlossen in einem Krankenhauszimmer ohne Fenster verbringen würde. Der Raum war etwa so groß wie eine Abstellkammer, sodass nur ein Bett und ein kleiner Tisch in ihm Platz fanden. Es wirkte so, als würde dieser Raum für den normalen Dienst nicht genutzt werden, da auf dem Nachtschrank eine dünne Staubschicht lag. Die Frage an dieser Stelle war aber, warum ich dann in diesem Raum war... Ich war schließlich eine normale Patientin also was sprach dagegen mich in einen normalen Raum zu verlegen? Dieser Raum hier war nämlich alles andere als normal.
Trotzdem würde es ja nicht schaden, wenn ich mich mal ein bisschen in diesem Raum umsehen würde. Okay, wirklich viel zu sehen gab es nicht, aber sonst würde ich vor Langeweile noch umkommen.. Der Nachttisch hatte zwei Schubladen und ich öffnete vorsichtig die obere: Sie war komplett leer und auf ihrem Boden befand sich eine so dicke Staubschicht, dass ich aus Angst, gleich niesen zu müssen die Schublade schnell wieder schloss. Neugierig öffnete ich das untere Fach, in dem ein Buch lag. Seltsamerweise war es mit keinem Staub bedeckt, also musste es vor kurzer Zeit dort hineingelegt worden sein. Irgendetwas an diesem Buch kam mit beunruhigender Weise ziemlich bekannt vor. Auf dem Cover befand sich ein schwarzer Baum, der vom Wind gezwungen wurde, sich zu neigen. Der Baum war erschreckend kahl und hatte kein einziges Blatt mehr.. Der Titel des Buchs laute : Verloren.
Schaudernd öffnete ich das Buch. Auf der ersten Seite stand eine handschriftliche Widmung: „Ich hoffe du kannst mir irgendwann verzeihen." Ich kannte diese Schrift irgendwoher, genauso wie ich dieses Buch irgendwoher kannte. Nur wusste ich nicht, woher..
Für die verlassene Tochter
Kapitel 1: Der Aufstieg lockt wie der Abstieg lockte.
In jedem und allem steckt das Böse, denn es ist so viel mächtiger als das Gute. Eine böse Tat kann hunderte Gute zunichte machen aber eine gute Tat kann nicht hundert böse Taten ausgleichen. Jeder Mensch, jedes Tier, alles Leben hat eine böse Seite voll Hass, Egoismus und Neid. Meistens wird diese Seite verlogen, aber früh oder später kommt sie bei jedem ans Licht, denn verbergen lässt sie sich nicht.
Ich legte das Buch schnell zur Seite. Ich kannte das Buch, beziehungsweise das Cover des Buches. Ich hatte es versteckt in einer unteren Schublade des Schrankes in dem Schlafzimmer meiner Mutter gefunden. Sie hatte mir immer verboten in diesem Schrank zu suchen. Natürlich war ich deswegen als Kind umso neugieriger gewesen. Nun ja, anscheinend hätte ich wirklich besser auf meine Mutter hören sollen... Aber das Buch von damals handelte von dem Guten und wie man es schaffte, die bösere Seite zu überwinden. Genau das Gegenteil dieses Buches. Und in dem Buch über das Gute war keine Widmung gewesen. Zumindest war mir keine aufgefallen. Das war alles ziemlich merkwürdig.
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