*5*
Ehe ich durch die Tür treten konnte, ertönte hinter mir eine kreischende und kitschige Stimme. Diese Stimme würde ich kilometerweit erkennen können. Ohne Frage, es war Rosalie.. Ich fragte mich jedes Mal, wie es alle neben ihr aushielten, denn allein schon ihre Stimme bereitete mir Ohrenschmerzen. Und das in Kombination mit ihren stets kompetenten Aussagen brachte mir Kopfschmerzen... Und wenn man dann auch noch das sehr dezente Parfüm roch, dann fühlte man sich wie im Paradies. Ne Spaß, dann würde man sich am liebsten einen Kopfschuss geben. Also in allem in allem, eine sehr miese Kombi.
"Wohin des Weges, Emily? So jemand hässliches wie du hat doch bestimmt nichts mit seinem Leben anzufangen. Ich meine, wer würde es schon mit dir aushalten? Selbst dein Vater hat dich nicht ausgehalten." Eigentlich hatte mich noch nie gestört, was Rosalie oder sonst ein anderes Mädchen zu mir gesagt hat.. Aber das mit meinem Vater, das ging zu weit.. Diese Worte, es waren zwar nicht viele, aber sie waren dazu in der Lage mein ganzes Leben zu zerstören. Ja, ich hatte immer versucht, mich nicht fertig machen zu lassen, aber selbst ich war an manchen Stellen verletzbar. Und eine davon, nein eigentlich die schlimmste, hatten sie getroffen. Diese Worte waren der Anfang von einer Zeit voller Finsternis. Aber ich konnte ja noch nicht ahnen, dass ab diesem Zeitpunkt alles nur noch schlimmer werden würde..
Das Lachen von einzelnen Personen über meine Reaktion brachte mich wieder ins hier und jetzt. Langsam fing ich an zu realisieren, was gerade passiert war. Wie in Trance verlies ich den Raum, so als ob ich alles ungeschehen machen würde, wenn ich mich davor versteckte. Verstecken machte zwar alles nur noch schlimmer, aber zu etwas anderem war ich gerade einfach nicht in der Lage. Im Vorbeigehen guckte ich einmal in seine eiskalten Augen, die mich schon seit einer Weile fixiert hatten. Der Junge, der mein schlimmstes Geheimnis allen verraten hatte, und somit einfach so nebenbei mein ganzes Leben zerstörte, lächelte mir spöttisch zu. Bis jetzt hatte er das mit meinem Vater immer für sich behalten. Ihm schien es gereicht zu haben, dass er mich damit verletzen konnte. Aber anscheinend reichte ihm das jetzt nicht mehr. Wahrscheinlich wusste dank ihm nun die ganze Schule davon. Er war bereit gewesen, mein Leben zu zerstören. Ich war so naiv gewesen, dass ich ihm mein größtes und schlimmstes Geheimnis anvertraut hatte. Generell war es naiv, irgendjemandem außer sich selbst zu vertrauen.
Als ich von der Pausenhalle zu dem Schulhof lief, starrte mich wirklich jeder an. Alle Gespräche wurden unterbrochen und alle Schüler wandten ihre komplette Aufmerksamkeit mir zu.. Ihre Blicke durchbohrten mich geradezu. Wie in einem schlechten Film. Nur das es kein schlechter Film sondern verdammt nochmal mein Leben war..
Anscheinend hatten die ganzen Leute alle kein eigenes Leben, um das sie sich kümmern konnten.. Oder ein sehr uninteressantes... Die meisten der Blicke waren spöttisch und ich sah einige Schüler, die sich über mich lustig machten. Ich meine, vorher hatten sich auch schon viele über mich lustig gemacht, aber nicht alle gleichzeitig. Das hier gerade war sogar für mich zu viel.. Ich hatte also Recht gehabt, er hatte es wirklich der ganzen Schule erzählt. Wobei, es hat ja auch gereicht, es Rosalie zu erzählen.. Die konnte kein einziges Wort für sich behalten..
Da ich mich unter den vielen Blicken der Masse unwohl fühlte, lief ich schneller in Richtung Bushaltestelle. Aber auch außerhalb des Schulgeländes wurde ich wirklich von jedem angestarrt. Vermutlich war ich gerade das Gesprächsthema Nummer 1. Man brauchte wahrscheinlich gar nicht erst erwähnen, wie sehr ich Aufmerksamkeit doch hasste.
Mutlos und wenig erwartungsvoll starrte ich die lange Straße an, bis mein müder Blick an der Stelle stehen blieb, aus der der Bus kommen würde. Doch der Bus ließ sich mal wieder Zeit, und nach und nach fuhren Busse zu den anderen Haltestellen neben uns, bis unsere Haltestelle die einzig gefüllte war. Leichte Verärgerung sowie Ungeduld verbreiteten sich schnell innerhalb des Gedränges, und drohten die Masse noch größer und gefährlicher werden zu lassen, sodass ich schon fast freiwillig einen größeren Jungen durchlies, nachdem er mich mehrmals anstieß.
Mir entging leider nicht, dass ich auch hier von jedem angestarrt wurde und die meisten über mich tuschelten. Ich versuchte sie alle einfach bestmöglich auszublenden. Das war leichter gesagt, als getan, wenn man von allen Seiten angestarrt wurde.. Das wiederum bedeutete ich konnte nur noch hoffen, dass der Bus bald kommen würde. Mit einem kurzen Blick auf die Straße konnte ich unseren Bus sehen, wie er da so langsam über die Straße kroch, als ich plötzlich zur Seite gegen ein Gitter gestoßen wurde und eine Reihe an Schülern sich an mir vorbeidrängte. Hektisch versuchte ich mich in die Reihe einzuordnen, was mir auch nach kurzer Zeit gelang. Als nächstes spürte ich nur noch wie ich nach vorne in den Bus hinein geschoben wurde und hob eilig den Fuß um vom Bürgersteig in den Bus zu gelangen. Ein wenig erleichterter suchte ich erst gar nicht nach einem Sitzplatz, sondern nach einem Platz am Fenster. Vergeblich. Nun musste ich mich hilflos und ungeschützt in die Mitte stellen, und der einzige Ort, an dem ich mich festhalten konnte, war eine Stange, an der schon drei weitere verschwitzte Hände prangten. Schließlich entschied ich mich aber für die Stange, wobei ich eigentlich keine richtige Wahl gehabt hatte.. Andernfalls wäre ich nämlich kreuz und quer durch den Bus geflogen.. Während ich mich, vorsichtig darauf bedacht keine Hände zu streifen, an der Stange festhielt, wurden die Türen geschlossen und der Bus setzte sich langsam in Bewegung.
Auch hier entging mir nicht das Getuschel der Schüler, aber ich wollte erst gar nicht wissen, was sie über mich redeten, deshalb hörte ich so gut es ging weg. Es war aber so gut wie unmöglich, alles zu überhören.. Aus jeder Ecke hörte man „Die hässliche.." „Also wenn ich ihr Vater wäre hätte ich mich direkt umgebracht.." Und jede einzelne Aussage traf mich. Sie stachen so tief, dass es so wirkte, als würde sich ein echter Dolch in meine Brust bohren.. Aber ich hatte gelernt, mit Schmerz umzugehen, weshalb ich es schaffte, meine Maske weiter auf zu erhalten. Aber in mir drin, da spürte ich den ganzen Schmerz. Ich bemerkte, wie es mich von innen zerfraß.. Wie es mich langsam und qualvoll zerstörte. Und ich wusste, ich würde nicht lange stark bleiben können..
Die stickige Luft im Bus half mir nicht gerade, mich darauf zu konzentrieren, meine Emotionen zu kontrollieren .. Die zwei einzigen kleinen Fenster waren geschlossen, sodass sich zusätzlich ein unangenehmer Geruch quer durch den Bus verteilte. Meine einzige Hoffnung war nun, dass der Bus mit jeder kommenden Haltestelle leerer werden würde. Dann würden auch die ganzen Stimmen, die mich angriffen, endlich weg sein. Aber in mir wusste ich, dass ab dem heutigen Tag, immer diese Stimmen um mich herum sein würden... Und dieser Gedanke machte mir Angst..
Nachdrei Haltestellen bekam ich endlich einen Sitzplatz, was die Zeit etwasschneller vergingen lies. Nun wurde der Bus mit jeder Haltestelle leerer undzugleich gab es immer weniger Schüler, die über mich redeten. Deshalb beruhigteich mich etwas.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro