*32*
Mir wurde vorsichtig mein T-Shirt hoch gezogen, aber ich versuchte es wieder herunterzudrücken. Natürlich war ich zu schwach. „Was soll das?", fragte ich aufgebracht. „Wir müssen uns deine Wunden ansehen.", hörte ich die besorgte Stimme von Lucas. „Ihr müsst gar nichts! Lasst mich einfach in Ruhe.", fing ich an zu schreien. Okay, jetzt HIER auszurasten war wahrscheinlich nicht die beste Idee, aber das konnte ich nicht beeinflussen. Über meine Emotionen hatte ich komplett die Kontrolle verloren, leider. „Du hast hier nichts zu sagen. Ich dachte das hättest du verstanden?", fragte Simon spöttisch, was mich zusammenzucken lies. „Wenn nicht könnte ich dir das natürlich noch mal glas klar machen.", schlug er grinsend vor. Aber das würde er doch nicht machen, oder? „Nein, es ist bereits klar.", entgegnete ich schnell. Nochmal das Ganze durchzumachen wäre nun wirklich nicht das, was ich wollte. Ich merkte nur noch, wie mein T-Shirt hochgezogen wurde. Und ich konnte mich nicht einmal währen. Da saß ich nun weinend auf dem kalten Boden, nur in meinem BH und mit einer komplett angeschwollenen Seite. Meine ganze Haut war grün, blau gelb oder rot. Ich spürte all die Blicke der Menschen hier auf mir und das war mega unangenehm. Sie alle starrten mich an. Vor allem die Tatsache, dass Simon lachte machte mich einfach nur noch fertiger. Ein richtig ekliges Lachen. Er schien richtig stolz auf das zu sein, was er angerichtet hatte. Als man mir einen weißen Verband umwickelte, durchfuhr mich ein stechender Schmerz sodass ich zusammenzuckte. Das Pochen in meinem Kopf hatte auch noch nicht aufgehört. Warum hatte ich es soweit kommen lassen? Ich öffnete meinen Mund um etwas zu sagen, wahrscheinlich hätte ich ihn einfach geschlossen lassen sollen. Aber irgendwie machte ich an diesem Tag einfach gar nichts richtig, weshalb ich mit meiner brüchigen Stimme nur ein Wort sagte:" Warum?" Simons Blick verdunkelte sich erneut. Vielleicht hätte ich wirklich einmal meine Klappe halten sollen, aber meine Neugierde und meine Verzweiflung hatten gesiegt. Wenn sie schon mein Leben zerstörten, dann wollte ich wenigstens wissen warum. Dazu hatte ich doch ein Recht. Nur schien sich hier niemand für mich oder meine Rechte zu interessieren. „Ich dachte du hast endlich verstanden, dass du hier nichts zu sagen hast. Aber das scheint ja nicht ganz so zu sein. Da muss ich dir glaube ich nochmal auf die Sprünge helfen.", schrie Simon mich an. Erneut liefen Tränen aus meinen Augen, als er langsam auf mich zu lief. Ich konnte mich nicht bewegen, die Schmerzen verhinderten dies. So lief er nun Schritt für Schritt näher und in meinem Kopf spukte immer diese eine Frage herum. Warum?
Als Simon direkt vor mir stand sah er mir in die Augen. Er hatte blaue Augen und sie glitzerten nur so vor Vorfreude und Hass. Aber warum? Warum hasste er mich? Warum hassten alle mich? „Weil du es nicht anders verdient hast, du kleine Bitch.", zischte er mit so viel Hass in der Stimme, dass ich erneut zusammenzuckte. Ich hatte das also laut gesagt? Das musste aufhören! Ich konnte mir solche Fehler nicht erlauben.. Dann passierte nur sowas wie gerade, dass ich auf dem Boden liege und von jemandem geschlagen werde. Und darauf würde ich gerne verzichten. Aber egal wie sehr ich mich bemühte, dieses warum lies mich einfach nicht los. Immer und immer wieder murmelte ich es vor mir her. Warum? Warum ich? Warum das hier? Warum hassten sie mich? Warum? Auch als ich sah, wie Simon ausholte um mich erneut zu schlagen, unterbrach ich mich nicht. Selbst als ein heftiger Schmerz meine Wange durchzuckte, stoppte ich nicht. Immer wieder murmelte ich diese eine Frage. Ich brauchte eine Antwort. Alles andere war gerade nicht wichtig. Ich war wie in Trance. Da war nur noch diese eine Frage, vermischt mit den Schmerzen und meinen salzigen Tränen. Er schlug immer und immer wieder auf mich ein, ich hatte schon vergessen wie oft mein Kopf bereits zur Seite geflogen war. Irgendwann, als ich meinen Kopf nicht mehr spürte und meinen Mund nicht mehr öffnen konnte meinte Jacob,: „Es reicht jetzt. Bringen wir den Abend hinter uns." Dabei deutete er ein kleines Päckchen. Wobei, deutete er wirklich auf ein Päckchen? Ich sah alles nur in Verschwommen. Vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet. Das alles hier. Vielleicht war es nur ein Traum. Aber leider fügte sich das Verschwommene, erst langsam aber dann immer schneller, zu einem Päckchen zusammen.. Ich hatte es mir wohl doch nicht eingebildet. Aber Moment- was sollte dieses Päckchen? Wo war ich hier? Wer war ich? Wie war mein Name? -Lucy? Mia? Helena? Nein, das war alles nicht richtig. Wie war mein Name? Warum wusste ich nicht wie ich hieß? Wie konnte man denn sowas vergessen?
„Mach es auf.", sagte ein breit gebauter Junge wütend. War er es der mich geschlagen hatte? Er sah nämlich komplett wie diese Schläger-Typen aus. Oder hatte mich überhaupt jemand geschlagen? Aber woher sonst sollten all die Schmerzen und Verletzungen kommen? Das alles war einfach nur merkwürdig.
„Mach jetzt dieses Päckchen auf, ich wiederhole es nicht noch einmal.", warnte der Junge erneut. Und da es mir richtig erschien, seine Warnung ernst zu nehmen, robbte ich zu dem Päckchen. Laufen und Krabbeln wäre zu anstrengend gewesen. Und zu schmerzhaft. Dort fand ich eine schwarz verpackte Schachtel. Vorsichtig öffnete ich sie mit meinen zitternden verkratzten Händen und tastete etwas Metallisches. Als ich den Deckel anhob, sah ich eine Waffe und zuckte direkt zurück. „Was soll ich damit?", fragte ich zitternd. „Beende es. Alles ist vorbereitet. Hab keine Angst.", meinte ein anderer Junge. Aber ich verstand ihn nicht. Ich verstand gar nichts. „Ich.. ich verstehe nicht. Wo bin ich hier?", fragte ich, während ich mich panisch in einer großen Halle umsah. „War es wirklich nötig sie so oft zu schlagen?", fragte ein Junge genervt den anderen. Also hatte mich wirklich jemand von ihnen geschlagen. Und jetzt wusste ich nichts mehr. Super. „Ihr hättet mich ja auch aufhalten können.", entgegnete der andere sauer. „Wie wollen wir das jetzt wieder in Ordnung bringen?", fragte noch ein anderer. Was wollten sie wieder in Ordnung bringen? Mich? War es dafür nicht schon zu spät? „Nun ja Emily.", setzte einer von ihnen an. Ich hieß also Emily. Ein schöner Name. Leise murmelte ich ihn vor mich her. Mein Name war nun das Einzige, was ich über mich wusste. Ich hatte keine Ahnung wer meine Familie oder Freunde waren. Welche Hobbies ich machte und welche Talente ich hatte. Ich kannte nur diesen Namen. Wie wollten sie das nur wieder in Ordnung bringen? „Wir werden, wohl oder übel warten müssen, bis deine Erinnerungen zurückkehren.", erklärte einer von ihnen. Für mich sahen sie alle gleich aus. Alles sah gleich aus. Und kurze Zeit später war da nur noch eine Schwärze vor meinen Augen, während alles andere verschwand.
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