*22*
Mir wurde das Tuch endlich abgenommen.. Anscheinend wollten sie mich doch nicht umbringen. Oder noch nicht..
Es dauerte eine kurze Zeit, bis sich meine Augen wieder an das Licht gewöhnt hatten.. Was ich dann sah, gefiel mir gar nicht.. Ich befand mich in einer riesigen Halle und es war eingerichtet wie auf einer Trauerfeier.. Überall waren Menschen, die mich spöttisch anguckten.. Und sie alle trugen schwarze Sachen.. Ausnahmslos. Was sollte das? Das war doch keine Beerdigung.. Haben die sich etwa beim Dresscode vertan? Bis jetzt haben sie noch nie einen Fehler gemacht. In der Mitte standen sogar große Geschenke.. Auch sie waren in schwarz verpackt. Eigentlich war hier alles schwarz.. Ich wusste jetzt schon, das mir die Inhalte der Geschenke nicht gefallen würden.. Das all das hier mir nicht gefallen würde.. Aber ich musste da durch..
Jacob führte mich zu einem kleinen Holzstuhl. Während ich mich hinsetzte, hörte ich aus einer Ecke eine Stimme mit Mikrofon. „Schön, dass nun alle da sind. Ich werde euch heute durch den Abend führen. Ich wüsche allen jetzt schon mal viel Spaß, aber den werden wir haben. So viel kann ich euch schon mal versprechen..." Alle fingen an, laut zu klatschen. Außer ich. Ich wusste immer noch nicht, was das hier sollte, aber sie wollten wahrscheinlich eine Show oder ein Event aus meinem Leiden machen.. Wie ich sie doch alle hasste.. Jeden einzelnen von ihnen. Wie konnte man nur so sein? „So, bevor wir anfangen, bekommt der Ehrengast schon mal ein kleines Style update. Wir werden versuchen zu retten, was man noch retten kann." Die Masse verfiel erneut in einen Applaus und Gelächter verbreitete sich in der Halle.
Und ich war einfach nur überfordert.. Anscheinend war ich der Ehrengast ihres Spektakels. Und das unfreiwillig.. Aber vielleicht meinten sie auch jemand anderen. Sicherlich war es so. Ich meine, es war ja auch total lächerlich, mich als Ehrengast auszuwählen. Warum hat dich Jacob dann gerade Ehrengast genannt? Und warum wurdest du dann hier hin gebracht? Okay, es war schon sehr wahrscheinlich, dass sie mich meinten, aber es gab immer noch keine 100% Sicherheit. Na ja, aber spätestens als Jacob mich in die Richtung einer Art Kabine drängte, wusste ich, dass ich der Ehrengast war. Ich war also die Hauptrolle in ihrem Spektakel... Verwirrt lief ich in auf den ebenfalls schwarzen Vorhang zu. Meine Beine schwankten und meine Arme zitterten bedrohlich. Aber mein Gesicht war ausdruckslos. Verschlossen. Es war das einzige, was ich hier kontrollieren konnte. Alles andere lag nicht in meiner Macht. Und deswegen musste ich wenigstens mein Gesicht kontrollieren.. Sonst würde ich wohl komplett durchdrehen.. Was natürlich ein Fehler wäre.. Denn das konnte ich mir nicht erlauben. Insbesondere nicht hier..
Die Kabine, etwa vier Quadratmeter groß, wurde zugezogen und ich war allein mit einer weiteren Person. Wenig erfreut stellte ich fest, dass es sich bei dieser weiteren Person um niemanden anders als Rosalie handelte. Aber was hätte ich auch anderes erwarten sollen?
„Hallo Emily! Dieser Tag wird dein Ende! Du wirst mir gar nicht glauben, wie lange ich mich schon auf diesen Tag freue! Aber fangen wir an, heute wird noch ein langer Tag.", erklärte sie schwärmerisch. Da ich unfähig war zu antworten, fuhr Rosalie einfach fort: „Also mein Auftrag ist es, dich halbwegs vorzeigbar zu machen, das wird sehr schwierig, aber ich fühle mich der Herausforderung gewachsen.", meinte sie, ehe sie mir mit den Worten „Zieh das an!" ein viel zu kurzes schwarzes Kleid gab. Wie befohlen zog ich das Kleid an, aber als ich mich wenig später in einem Spiegel sah, hätte ich fast laut geschrien. Man sah wirklich alles! Das Kleid war viel zu kurz und bei jedem Schritt würde der Stoff hochrutschen und man könnte alles sehen. „So, so kann ich nicht raus gehen! Das Kleee..iiiddd papasst niiicht!", stotterte ich verzweifelt. „Es ist perfekt!", meinte Rosalie nur noch, bevor sie anfing, irgendetwas mit meinen Haaren zu veranstalten. Aber davon bekam ich nichts mit, da ich nicht mehr klar denken konnte.. Ich würde gleich mit so gut wie nichts bekleidet in eine Halle voller Menschen gehen, die mich hassten.. Ich hatte schon immer große Probleme damit gehabt, anderen Leuten meinen Körper zu zeigen. Deswegen ging ich so gut wie nie ins Schwimmbad und zog nur wenn's sein musste kurze Hosen an. Und das wusste er. Genau deswegen musste ich das hier ja auch machen... „So, fertig!", hörte ich nur noch Rosalies fröhliche Stimme, bevor der Vorhang geöffnet wurde. Hektisch zog ich das Kleid nach unten, aber anscheinend war ich nicht gerade erfolgreich, da die Masse erneut in Gelächter verfiel. Ich hörte Pfiffe und viele Leute zeigten auf mich. Wie auf ein Objekt. Aber genau das war ich ja anscheinend für sie- ein Objekt.
„Die Hände bleiben weg vom Kleid." Ich blickte mich um, ich wollte wissen, wo das Mikrofon stand und wer das hier von mir verlangte. In einer Ecke stand auf einer großen Bühne ein Junge mit Mikrofon. Er wank mir zu, anscheinend hatte er gesehen, dass ich ihn angestarrt hatte. Ich blickte schnell wieder weg, ich hasste solche Momente.. Immerhin stand nicht er am Mikrofon, obwohl das auch keinen großen Unterschied machte..
Mit zittrigen Händen lies ich also den Stoff los und spürte, wie das Kleid langsam etwas hoch rutschte. Man sah vermutlich nicht mehr, als man im Schwimmbad sehen würde, aber für mich war es eindeutig zu viel. Und auch die Masse, die jetzt noch lauter grölte und lachte machte die Sache kein bisschen besser.
„So, ich würde sagen mit diesem reizenden Outfit fangen wir direkt an. Dann darf jetzt unser Ehrengast das erste Geschenk aufmachen, würde ich sagen."
Mit wackligen Schritten lief ich auf die Geschenke zu. Ich ging langsam, weil ich nicht wollte, dass mein Kleid hochrutschte. Wirklich zu funktionieren schien mein Plan aber nicht.. Ich hörte ständig diese Pfiffe und das Gelächter und das verstärkte mein Zittern nur noch mehr.. Irgendwann hatte ich dann aber doch die Geschenke erreicht.
„Okay, unser Ehrengast hat endlich die Geschenke gefunden. Insgesamt gibt es 13 Pakete. Sie werden nach der Reihenfolge geöffnet. Dann let's goo." Wieder fingen alle an zu klatschen. Taten ihnen nicht die Hände weh? Ich meine, wie konnte man denn dauerhaft klatschen. Und dann auch noch an so unnötigen und unpassenden Stellen.. Aber ich hatte gerade größere Probleme. Ich wusste immer noch nicht, was sie von mir wollten.. Anscheinend waren die Pakete alle für mich.. Aber das ergab keinen Sinn.. Ich hatte keine Ahnung, was ich hier machen sollte.. „Such die 1." Wollte Jacob mir etwa helfen? Das ergab gar keinen Sinn, aber ich konnte nicht lange darüber nachdenken, da die Masse sehr ungeduldig wurde.. Einige starrten mich bereits wütend an, andere nur genervt. Da ich diese Blicke schon gewohnt war, wandte ich mich den Paketen zu. Einige waren wirklich riesig und andere so klein wie ein Buch... Ich wollte das Ganze schnell hinter mich bringen, weshalb ich mich beeilte, die eins zu finden.. Mein Körper hatte sich auch schon wieder etwas beruhigt. Na ja, zumindest zitterte ich nicht mehr am ganzen Körper, was das Suchen deutlich vereinfachte. Mittlerweile gab ich mir auch keine Mühe mehr, meine Haut zu verstecken, denn es würde sowieso nichts bringen. Außerdem fehlte mir die Kraft dazu.
Nach einer gefühlten Ewigkeit fand ich das Paket. Eigentlich war es mehr ein Briefcover, nur halt in schwarz. Jemand hatte mit einem weißen Stift eine 1 auf die Oberseite geschrieben. „So, da das erste Geschenk gefunden wurde, darf es geöffnet werden." Meine Nervosität kehrte schlagartig zurück. Ich wollte das nicht öffnen. Wow, hast du gedacht du sollst das Geschenk suchen und dann macht es jemand anderes auf? Ja, irgendwie schon. Genau das habe ich angenommen. Aber ich lag wohl falsch.. Zitternd öffnete ich den Cover und zog ein schweres Papier heraus.
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