*15*
Meine Atmung ging unregelmäßig und ich hatte das Bedürfnis, zurückzugehen und der Gestalt von eben ordentlich eins Auszuwischen, aber mein Unterbewusstsein hielt mich gerade noch davon ab.. Ich hätte sowieso kaum eine Chance gehabt, obwohl ich alles andere als schwach war.. Aber diese Gestalt war eins dieser ekligen Muskelpakete gewesen, die vermutlich ihr ganzes Leben im Gym verbrachten..
Langsam regte ich mich wieder etwas ab, da ich nicht zulassen wollte, dass jemand anderes als ich selbst meine Stimmung beeinflusste.. Das hatte ich mir geschworen an dem Tag, als ich die Kette bekam. An dem Tag, wo mein Leben in Freiheit beendet wurde.. Ich hasste es, dass seit diesem Tag jemand anderes als ich selbst über mich bestimmte. Es war schließlich mein Leben. NUR mein Leben. Aber ich hasste es noch mehr, dass ich ihren Befehlen gehorchen musste, da mir gar keine andere Wahl blieb..
Es schien so musste ich den Leuten an dieser Schule auf eine andere Weise klar machen, wer ich war und wie man mit mir umgehen sollte. Ich war nämlich auch sehr kreativ. Das hoffte ich zumindest..
Aber seit wann waren jene Gestalten gegen Gewalt? Das alles ergab überhaupt keinen Sinn.. Ich meine, war es nicht paradox, dass sie mich rundum gegen meinen Willen überwachen, aber etwas dagegen hatten, wenn ein kleines Kind leicht geschubst wird.. Okay, vielleicht war es nicht immer ein leichtes Schubsen gewesen, aber das änderte nicht wirklich etwas.. Aber wie konnten SIE mir verbieten, kleine Kinder zu schubsen? Was glaubten die eigentlich, wer sie sind?
Aber vermutlich sollte ich manche Dinge einfach akzeptieren und gar nicht erst versuchen, den Sinn dahinter zu verstehen.. Wenn es denn überhaupt einen Sinn gab.. Mir fiel es aber immer sehr schwer, Dinge zu akzeptieren und nicht zu hinterfragen.. Wahrscheinlich war das auch unmöglich zu übersehen, aber was soll's..
Da es bereits geklingelt hat betrat ich endlich den Klassenraum. Zum Glück saß ich allein, da wir eine ungerade Anzahl an Leuten in unserer Klasse hatten. Die Vorstellung, einen Sitznachbar zu haben war einfach nur grausam. Vor allem einer, der nicht aufhören würde, mich anzusprechen oder zu beleidigen..
Die Lehrerin fing mit ihrem Unterricht an und verlor schon in der ersten Minute einen Zuhörer. Mich.. Aber mal ernsthaft, Deutsch war sowieso schon nicht interessant, aber wenn man sogar merkte, dass selbst die Lehrerin keine Lust mehr hatte, dann lohnte es sich doch wirklich nicht mehr, zuzuhören..
Ich bemerkte, wie interessant doch die Vögel waren, die am Himmel entlang kreisten. Eigentlich waren die Vögel ja etwas alltägliches, nichts besonderes also, aber irgendwie faszinierten mich die Vögel dennoch.. Na ja und sie waren um ein Vielfaches spannender als der Unterricht..
Plötzlich wurde aber meine Aufmerksamkeit doch noch nach vorne gelenkt, da die Tür aufgemacht wurde. Da stand ein Junge, er hatte blonde Haare und sah nicht schlecht aus.. Er sah aber auch wie einer dieser arroganten Typen aus, die dachten, sie wären etwas besseres als der Rest von der Welt.. Wie er da stand, mit einem arroganten Grinsen auf seinem Gesicht, Hilfe, das war einfach nur lächerlich.. Aber sein „Plan" schien Erfolg zu haben, denn man erkannte bereits, dass alle Mädchen ihn geradezu anhimmelten. Außer natürlich ich. Aber ich würde mich sowieso nicht zu ihnen zählen und sie mich auch nicht zu sich, von daher konnte man eigentlich schon von allen Mädchen sprechen..
Dieser Typ und generell solche arroganten Menschen waren mir alles andere als sympathisch. Generell waren mir keine Menschen sympathisch, aber diese Sorte hasste ich besonders.. Also hörte ich erst gar nicht zu, wie sich der Junge vorstellte und beobachtete weiter die Vögel. Sie waren sowieso viel spannender...
Die Vögel kreisten nun schon seit einer Ewigkeit um einen Baum... Warum sie das wohl machten? Vielleicht mussten sie noch auf andere Vögel warten, oder sie suchten nach Nahrung auf dem Baum oder ihnen war einfach langweilig, so wie mir.. So langweilig, dass man anfängt zu überlegen, warum Vögel um einen Baum fliegen.. Ja, mir war wirklich sehr langweilig, aber das war ja schließlich eine wichtige Frage.. Wichtig? Anscheinend hast du eine sehr komische Ansicht in Bezug auf wichtige Fragen.. Ja, aber da ich generell komisch war, passte diese Frage ja ausgezeichnet zu mir. Die Frage, auf die ich nie eine Antwort erhalten würde... Genauso wenig werde ich jemals so frei sein wie die Vögel. Mein Blick schweifte auf die Kette. Ich würde immer beobachtet und abgehört werden, aber damit habe ich mich ja bereits abgefunden. Dachte ich zumindest. Aber ein Teil von mir sehnte sich auf eine gefährliche Weise nach der Freiheit, die ich früher immer besessen hatte. Als alles noch normal war und ich nicht diese Kette tragen musste. Wobei ich wohl noch nie wirklich normal gewesen war... Aber damals war das Leben einfacher und unbeschwerter gewesen. Ich hatte meine Freiheit früher niemals wirklich geschätzt und immer als selbstverständlich betrachtet. Und das konnte mir nur bewusst werden, indem mir jegliche Freiheit genommen wurde... Wie ironisch das Leben doch war..
Die Vögel flogen weiter, sodass ich sie nicht mehr sehen konnte. Sie waren frei und konnten entscheiden, wohin sie fliegen wollten. Eine einsame Träne rannte über mein Gesicht. Ich war sehr überrascht davon, denn ich hatte lange nicht mehr geweint.. Eigentlich schon mehrere Monate nicht mehr..
Anscheinend begann ich gerade wieder, Gefühle aufzubauen. Aber das würde mich wieder verletzbar machen. Und sie könnten hören, wie ich weinte. Und ich hatte mir geschworen, dass dies niemals passieren durfte.. Ich würde also kalt bleiben. Nie mehr weinen.. Ich musste es einfach.. Sofern meine Psyche da mitspielte...
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