*12*
Ich war nun endgültig verzweifelt, sodass ich gegen die Tür trat und hämmerte und schrie und weinte, bis ich keine Stimme mehr hatte. Irgendwann war ich einfach auf dem Boden zusammengesackt und schluchzte leise.. Ich hatte keine Hoffnung mehr, kein Licht mehr, da war nur noch dieser dunkle Raum ohne Ausgang... Auch die Zeit war verschwunden, ich wusste nicht wie lange ich schon hier saß..
Benjamin wartete wahrscheinlich schon seit Stunden auf mich. Der Gedanke daran ließ mich zusammenzucken. Die Vorstellung, wie er jetzt stundenlang auf mich wartete tat einfach viel zu sehr weh... Falsch Emily, er wird sein Leben lang auf dich warten, weil du hier nicht wieder herauskommst..
Als ein Licht anging, zuckte ich zusammen. Es kam vom anderen Ende des Raumes, und es bewegte sich direkt auf mich zu. Ich wollte eigentlich schnell wegkrabbeln, aber mein zitternder Körper wiedersetzte sich mir. So war ich also nur dazu in der Lage, zu warten. Und ich hasste Warten. Besonders wenn man etwas schlechtes zu erwarten hatte.
„Ach Emily, dachtest du wirklich es würde so einfach werden? Dachtest du wirklich, ich würde dich einfach so gehen lassen?" Ja, eigentlich hatte ich genau das gedacht. Aber ich war schon immer zu gutgläubig. Setzte zu viel Hoffnung in die gute Seite der Menschen. Vielleicht war es an der Zeit zu erkennen, dass diese gute Seite oft nicht existiert.... Eigentlich hätte ich das schon vor Jahren einsehen sollen. Besser spät als nie, sagt man doch immer.
„Nun ja, zurzeit ist es uns noch zu unsicher, dich frei zu lassen. Deswegen müssen wir noch ein paar Sicherheitsvorkehrungen treffen..."
Uns? Steckten hinter dieser ganzen Sache mehrere Personen?
"Aber ich soll doch schon die ganze Zeit von irgendwelchen Gestalten überwacht werden. Inwiefern ist das denn unsicher?" „Ach Emily, wir brauchen eine 100% Sicherheit. 100% Kontrolle. Und die haben wir noch nicht.", stellte er fest. „Aber wie wollen sie mich denn noch kontrollieren?", fragte ich erschöpft.
Ich dachte, es würde bei den Gestalten bleiben, die mich ständig verfolgen werden. Aber ich hatte mich erneut getäuscht. Ich wollte nicht, dass mein ganzes Leben verfolgt, kontrolliert und bewacht wurde. Es war schließlich mein Leben. NUR mein Leben. Und ich konnte nichts dafür, dass ich hier war. Ich habe mir das alles nicht ausgesucht. Und dennoch stand mir nun das alles und wahrscheinlich noch schlimmeres bevor.
„Ach Emily, ich könnte ganze Romane über Arten der Kontrolle schreiben. Aber zurück zum eigentlichen Thema. Ich habe mir da schon etwas Gutes ausgedacht. Vielleicht gefällt es dir sogar ein wenig..", meinte er, während er lachte. Sein Gesicht verzog sich dabei so merkwürdig, dass ich schnell wieder wegguckte.
Der Mann holte eine kleine Box hervor. Sie sah sehr schlicht aus und wirkte wie eine dieser Schachteln, in die man seine Ketten und Armbänder legt. Aber ich wusste nicht, was der Sinn hinter dieser Schachtel war. Ich meine, damit kann ich ja wohl kaum kontrolliert werden.
Der Mann öffnete die Schachtel behutsam, was ich seinen rauen Händen zunächst gar nicht zugetraut hätte. Und es befand sich tatsächlich eine Kette in dem Kästchen. Sie war sogar ziemlich schön, vorallem, da sie schwarz war.. Schwarz war schon immer meine Lieblingsfarbe gewesen. Selbst im Kindergarten. Und daran änderte auch die Tatsache, dass manche schwarz nicht als Farbe zählten, nichts.
Aber gegenüber diesem Mann würde ich unter keinen Umständen zugeben, dass die Kette gar nicht so schlimm aussah. „Nun ja, am besten erklär ich dir einmal, was es mit der Kette auf sich hat.. Meine Männer können dich in der Schule, beim Sport, beim Einkaufen, oder zusammengefasst an allen öffentlichen Orten beobachten. Aber an einen Ort können wir nich ran. An dein reizendes Haus. Oder sollte ich besser Villa sagen? Na ja, und da kommt dann diese Kette zum Einsatz. In dem Stein befindet sich ein Mikrofon, dass alles aufnimmt, was du oder jemand anderes sagt. Das Mikrofon ist mit mir verbunden und kann mir alle Medien senden. Somit könnten wir auch hören, wenn du beispielsweise deiner Mutter etwas erzählst. Generell würden wir alles hören können. Ich liebe es so sehr, die komplette Kontrolle zu haben.", schloss er.
„Nein, dass können sie doch nicht machen, dann habe ich ja gar keine Privatsphäre mehr. Sie können mich nicht rundum die Uhr abhören lassen.", stellte ich verzweifelt klar. „Ach, kann ich nicht. Davon wusste ich ja noch gar nichts. Dann werde ich dir wohl beweisen müssen, dass ich es kann.", meinte er gehässig. Er nahm die Kette, die ich mittlerweile nicht mal im Ansatz als schön betrachten würde.. Seine kalten Finger berührten meinen Nacken und hinterließen dort ein eisiges Zittern. Aber anstatt seine Finger wegzunehmen, ließ er sie länger als nötig an meinem Nacken. Diese Berührung war mehr als unangenehm und ich wäre am liebsten zurückgewichen. Aber ich beherrschte mich, ruhig zu bleiben. Ich durfte jetzt nicht die Kontrolle verlieren. Nicht hier..
Plötzlich spürte ich Wärme an meinem Ohr und eine Stimme flüsterte: „Komm ja nicht auf die Idee, die Kette ab zulegen, sie hat einen Sensor und wir würden es sofort wissen. Naja, und dann müsste jemand für deinen Fehler bezahlen. Und das wollen wir doch nicht.. Du gehörst jetzt mir. Für immer. Und du wirst schon bald von mir hören..." Mit diesen Worten drückte er einen Schalter, und eine Tür öffnete sich.
Ohne lang nachzudenken oder auf meine Schmerzen zu achten, rannte ich aus dem Gebäude. Die kalte Luft ließ mich zittern, aber ich lief dennoch weiter. Ich wusste, dass ich dem Mann nie entkommen könnte, aber ich wollte einfach nur nach Hause. Es war bereits später Abend und die Sonne würde jedem Moment untergehen. Ich blickte mich in der Gasse um. Und dort war eine Gestalt, von der ich bald wohl noch ein paar mehr zu Gesicht bekommen würde. Sie meinten es also ernst.
Ein kleiner Teil von mir hatte gehofft, dies alles wäre nur ein Scherz. Aber dem war wohl nicht so. Ich musterte die Gestalt genauer. Sie trug einen schwarzen langen Pullover und hatte sich die Kapuze weit unter das Gesicht gezogen. Die Gestalt hatte eine sportliche Figur und die Muskeln waren selbst durch den Pullover zu sehen. Diese Person war aber eindeutig jünger als der Mann von gerade..
Die Gestalt starrte mich nun schon die ganze Zeit über an, machte aber keine Anstalten, sich zu bewegen.
Ich riss mich von der Gestalt los und lief weiter die Straße entlang. Es war sehr unwahrscheinlich, dass Benjamin noch auf mich wartete, aber ich lief dennoch zur Kirche, so wie wir es zuvor abgesprochen hatten. Eine andere Wahl hatte ich auch nicht..
Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, was passieren würde, wenn Benjamin nicht mehr da wäre.. Ganz einfach. Du würdest eine Nacht auf der Straße verbringen. Aber darüber würde ich mir erst Gedanken machen, wenn es auch wirklich so kommt...
Erleichtert bemerkte ich den Kirchturm, der zwischen den Reihenhäusern aufragte. Ich beschleunigte meine Schritte, da ich möglichst schnell hier weg wollte. Dabei versuchte ich meinen Verfolger so gut es eben ging zu ignorieren. Ich hatte mich immer noch nicht an das Gefühl gewöhnt, ständig beobachtet zu werden. Sofern man sich überhaupt an so etwas gewöhnen kann. Die Kette drückte bei jedem Schritt schwer auf meine Haut. Ich hasste Ketten. Hatte sie schon immer gehasst. Aber diese Kette, auch wenn ich den Stein auf den ersten Blick schön fand, war einfach nur grässlich. Sie zeigte mir nämlich bei jedem Schritt, dass ich nicht allein war. Dass mir ständig jemand zu schaute. Und dass ständig jemand hinter mir war. Diese Kette symbolisierte sehr treffend, wie aussichtslos und düster meine Lage doch war. Beides tiefschwarz. Und genauso wenig wie ich die Kette loswerden konnte, würde ich auch aus dieser Lage herauskommen. Ich versuchte mich vorerst nicht von diesem Gedanken überwältigen zu lassen und lief auf den Kirchturm zu.
Hoffnungsvoll blickte ich die Straße hinab auf der Suche nach dem teuren Wagen, den Benjamin immer fuhr. Meine Mutter legte sehr viel, wirklich sehr viel Wert auf Statussymbole, aber ich verabscheute sie. Denn all dieses verschwendete Geld erinnerte mich ständig an meine Mutter, die lieber rund um die Uhr arbeitete um sich ein siebtes Auto zu holen, als bei mir zu sein.
Dennoch war ich aber sehr erleichtert, als ich den breiten SUV an der Straße parken sah. Wir hatten mittlerweile schon neun Uhr und es dämmerte bereits. Um diese Uhrzeit waren nur noch sehr wenige Menschen zu sehen, aber ich achtete längst nicht mehr auf mein Umfeld. Ich lief gerade auf den SUV zu, denn ich wollte diesen Ort, all die Menschen, nie wiedersehen.
Benjamin hielt mir bereits die Tür auf und ich lies mich erschöpft auf das weiche Leder des Sitzes fallen. Benjamin hatte noch nie viele Fragen gestellt und besonders in dieser Situation schätzte ich ihn sehr dafür. Er arbeitete schon seit meiner Geburt für meine Mutter und war wirklich eine der nettesten Personen, die ich kannte. Welche Personen kennst du denn noch, du hast ja schließlich keine Freunde.. Ich ließ mir von meinem Unterbewusstsein schon lange nicht mehr die Laune verderben, aber es war schon irgendwie lustig, dass alle mich verletzten und beleidigten, sogar ich mich selbst, wenn auch unbewusst.
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