Freitag
Janes Sicht
Nachdem ich mich endlich wieder einigermaßen gefangen hatte, beschloss ich, meine Maske wieder aufzusetzen. Für Miri, Luke und Anabelle. Ich darf keine Schwäche zeigen. Nicht schon wieder. Wärend meine Gedanken immernoch in meiner Vergangenheit kreisten, klingelte es plötzlich an der Tür. Darauf vorbereitet, den Typen, der sich anscheinend so wichtig fand, dass er sich erlaubte, hier zu klingeln, anzuschnauzen, öffnete ich gelangweilt die Tür. Mein Gesicht wurde kreidebleich und meine Augen weiteten sich. Es war ein Postbote. Soweit nichts besonderes, doch der Brief in seiner Hand war es. Er war von Miri. Ich riss ihm den Brief aus der Hand und knackte schnell ein Fahrradschloss, um zur Schule zu kommen. Miri? Das kann nicht sein. Ich weiß doch, was damals passiert ist ... Und es ist Vergangenheit. Es geht mich nichts an. Man sollte seine Vergangenheit hinter sich lassen. In meinem Gedankenchaos gefangen, merke ich nicht, dass ich auf ein kleines Kind zugefahren komme. Selbst wenn ich es gewollt hätte, wäre es unmöglich gewesen, vorher zu bremsen. In dem Moment, als ich mit dem Kind zusammenstieß, war ich erst einmal geschockt, was ich aber eher darauf zurückführen kann, dass ich einfach aus meinen Gedanken gerissen wurde. Ich weiß, es war nur ein kleines Kind, aber mein verräterisches Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Oder wollte ich es vielleicht auch garnicht?
Weil mir nichts anderes übrig blieb, ging ich zu Fuß weiter, nachdem ich mich ein letztes mal umdrehte. Nach wenigen Minuten erreichte ich die Schule. Auch John und seine Gang ließen nicht lange auf sich warten. Ich zündete noch eine letzte Zigarette an, bevor ich mich genervt wegdrehte und mich auf zum Unterricht machte. Ich schlug die Tür auf und Miss Linkeln schaute über ihre Brille, die auf ihrer Nasenspitze saß. "Miss Blackwood! Wissen Sie eigentlich wie spät es ist? " fragte sie. "Nee, nicht wirklich, nur zu spät, das ist alles, was ich weiß." entgegnete ich. Beim Vorbeilaufen an den Tischen drehte ich mich nocheinmal um und meinte "Übrigens, die Idioten müssten dann auch gleich da sein." Ich setzte mich einfach auf dem nächsten Platz und holte ein paar Sachen aus meinem Rucksack. Zwischen den Büchern lag der Brief und meine Gedanken kreisten wieder. Nun kamen auch schon John und seine Gang. Sie setzten sich in die letzte Reihe und ich fühlte, wie sich Blicke wie Messer in meinen Rücken bohrten. Es war, als würde Blei auf meinen Schultern lasten. Plötzlich drehte ich mich um. "Ey ihr Pfosten, wenn ihr nicht sofort aufhört mich anzustarren, solltet ihr mir nach dem Unterricht nicht über den Weg laufen. Ich kann sonst für nichts garantieren." flüsterte ich ihnen zu, während ich mein nettestes und wahrscheinlich auch mein verstörendestes Lächeln aufsetzte. Als die Verwirrung in ihren Gesichtern zu erkennen war, drehte ich mich zufrieden um. Der Rest des Unterrichts war ganz okay. Naja, Langeweile und so. Aber sonst. Nachdem der Großteil den Raum verließ, erwachte auch ich aus meiner Trance. Welche Trance? Anscheinend habe ich wieder genau wie früher angefangen, zu zeichnen. Es war die Szene, die sich vor zwei Jahren abspielte ... wegen mir. Nun lag nur noch der Brief auf dem Tisch. Ich konnte ihn nicht öffnen. Ich riss die Zeichnung aus meinem Block, packte den Brief und schmiss beides in den Papierkorb. Gefühle haben in meinem Leben nichts zu suchen.
Johns Sicht
Ich beobachte sie, wie sie Minuten lang auf einen Brief starrte. Es war, als wäre sie garnicht anwesend. Sie nahm den Brief und ein Blatt karriertes Papier und warf beides in den Mülleimer. Alle packten ihre Sachen und verließen nach und nach den Raum. Auch Jane. Ryan, der Vollidiot, der sie anstarrte, als wäre sie ein Alien oder so, wollte gerade auch gehen, doch ich hielt ihn zurück. Zielstrebig lief ich auf den Papierkorb zu, obwohl ich nicht genau wusste, was ich mir erhoffte. Konzentriert durchwühlte ich den Müll und beachtete einfach nicht die Tatsache, dass die Spasten ihre Handys rausholten, um diesen Anblick festhalten zu können. "John, du bist heute vom Gaming-Tunier ausgeschlossen. Du packst mit deinen klebrigen Pfoten ganz bestimmt nicht die PlayStation an." rufte Ryan und ich verdrehte meine Augen, bevor ich endlich den Papierkram fand. "Wer zur Hölle ist Miri?" fragte ich lautstark. Ja genau das, war die Frage.
Wer ist Miri?
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