19
Ich falle.
Ich falle in die Schlucht, die mir die Erde anbietet.
Ich falle in die Schlucht, die meine Welt durch zwei teilt.
Ich falle in die Schlucht eines Schmerzens. Einer Erinnerung, die sich in meinem Herzen quält, genau wie dieses Bild vor meinen Augen.
Ich sehe es wieder, wie ein Flashback vor meinen Augen. Ich spüre wieder diesen Schmerz, der nichts zu Vergleich einer Wunde ist.
Diesen Schmerz, den ich erst neu wieder in den Griff bekommen habe. Den ich erst neu unterdrücken und vergessen konnte.
Es scheint, als würden alle Narben wieder aufreißen. All die Narben, bei denen er mir geholfen hat, sie zu flicken. Und nun reißt er sie wieder auf.
Ungewollt.
Unschuldig.
Ich höre nichts mehr.
Die Schüsse und Stimmen dringen gedämpft zu mir durch. Nur das Hallen dieses Schuss' schwirrt in meinen Ohren und scheint immer wieder mein Herz zu treffen.
Als würde ich seinen Schrei hören. Als würde ich das Geräusch hören, wie er auf den staubigen Boden fällt und Blut aus seinem Kopf fließt.
Und genau wie das Blut, fließen die Bilder vor meinen Augen.
Wie er mir geholfen hat, eine Sandburg zu bauen, mir mit Dad das Fahrradfahren beigebracht hat, in der
Highschool die nervenden Typen mir vom Hals gehalten und mich ständig bis zu unserem jetzigen Lebensjahr mit Streichen und sarkastischen, aber lustigen Kommentaren geärgert hat.
Wie wir zusammen über dumme Witze oder über seine Exfreundinnen lachten.
Doch er wird nie wieder lachen.
Nie wieder.
Und mit einem Mal scheint mich die Welle der Realität wieder einzuholen.
Sie überkommt mich, wie eine Flut und all die Geräusche schmerzen in meinen Ohren, während meine Augen vor Tränen anfangen zu brennen.
Ich will aufstehen, zu ihm rennen, doch ich schaffe es nicht. Nicht das Zerren an meinen Armen, das Gebrüll neben mir, ist das, was mich davon abhält.
Sondern ein Schrei, der aus tiefster Seele, aus schmerzendem Herzen kommt und wahrscheinlich jedes Glas zerspringen lässt.
Ein Schrei, der befreit und schmerzt gleichzeitig.
Ein Schrei, der sich für alle gleich anhört, aber für mich tausend von Worten ausdrückt.
Worte, die ich nicht beschreiben kann und auch nach Jahren nicht schaffen werde, sie über meine Lippen zu bringen.
Doch egal wie laut ich schreie, mich hört niemand.
Auch er, Dave, nicht.
Und als ich durch die Tränen ein graues Tuch vor meinen Augen sehe und schwer nach Luft schnappe, merke ich, dass auch ich nichts mehr höre.
Denn ich habe aufgehört zu schreien.
_
Ich blinzele ein paar Mal mit meinen Augen, bevor ich sie langsam ganz öffne. Ich brauche etwas Zeit, um zu realisieren, dass ich sehr unbequem liege oder eher sitze. Und als ich merke, dass sich irgendetwas bewegt, setze ich mich urplötzlich aufrecht hin, was ich jedoch hätte besser sein lassen sollen.
Mein ganzer Rücken und Nacken schmerzen höllisch.
Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich in einem Auto sitze und wir auf der Autobahn rasendschnell fahren. Und mit wir, meine ich Harry und mich.
"Auch mal wach", grummelt Harry und als ich ihn anschaue, sehe ich, wie er hinter dem Lenkrad sitzt und stur gerade aus sieht. Doch meine Aufmerksamkeit bekommen seine Schwurfwunden an den Armen und Händen und der Dreck in seinem Gesicht.
Und dann sehe ich an mit hinunter. Als ich die Wunden und den Dreck sehe, erscheint ein Bild vor meinen Augen.
Wie ich zu Boden falle.
Schreie.
Um mich schlage.
Wie Dave vor meinen Augen erschossen wurde. Wie ich ihn verloren habe.
"Erinnerst du dich? Wir haben uns etwas versprochen. Wir lassen uns nie allein."
Seine Worte.
Und es erschüttet mich. Es greift mich an, nimmt mir die Luft zum Atmen. Es dringt in mein Kopf, zeigt mir das Geschehene nochmal.
Immer und immer wieder.
Dieser Schmerz lässt nicht nach. Nein, nun ist es stärker.
Schlimmer.
Vorallem, als ich erst jetzt realisiere, dass man mich mit einem Tuch ruhig gestellt hat. Mich von ihm entfernt hat.
Ohne, dass ich mich verabschieden konnte.
Und es passiert wieder.
Die Tränen brennen in meinen Augen, fließen heiß meine Wangen hinunter, während ich anfange zu schreien.
"Lass mich raus! Sofort! Ich muss zu ihm! Ich muss zu ihm!"
Ich schreie und öffne meinen Gurt. Wie eine Verrückte versuche ich die Tür zu öffnen, doch natürlich ist sie verschlossen.
"Ich sagte, ich will hier raus!"
Als ich keinen Ausweg sehe, fange ich plötzlich an, mich Harry zu zuwenden, und schreiend und die Sicht von Tränen verschleiert, zerre ich an seinen Armen, damit er anhält und mich rauslässt.
"Alter, hör fucking nochmal auf damit! Ava!"
Doch es ist mir egal, dass wir uns mitten auf einer Autobahn befinden und das Auto vielleicht ins Schleudern geraten könnte.
Deswegen halten mich auch Harry's Gebrüll und seine Arme, die versuchen mich abzuwehren, nicht auf und ich schreie und schlage weiter um mich.
Was würde es für einen Unterschied machen, wenn ich sterbe?
Dave ist gestorben.
Ich habe keinen mehr. Ich könnte ihm folgen.
Und dann werde ich urplötzlich nach vorne gestoßen und hätte ich mich mit meinen Händen nicht abgestützt, würde ich jetzt wahrscheinlich an der Windschutzscheibe kleben.
Harry ist stehengeblieben. Mitten auf der Autobahn.
Panisch schaue ich um mich, doch kein anderes Auto ist zu sehen. Wir sind alleine.
"Halt jetzt deine verdammte Schnauze!"
Wütend schlägt er gegen das Lenkrad und es ist mucksmäusschenstill im Wagen. Bis ich plötzlich mit meinen Tränen die Stille breche. Doch ich kann nichts dafür, ich habe keinen Einfluss darauf.
Ich schluchze und weine und will einfach nur, dass jemand mich in den Arm nimmt und mich tröstet, doch es gibt keinen.
Keiner ist da.
Und Harry würde dies niemals tun.
Sein Brustkorb senkt sich auf und ab und ich höre ihn schnauben. Dank den Tränen kann ich nichts genau sehen, aber ich bin mir sicher, dass seine Muskeln angespannt sind und er sich wahrscheinlich überlegt, was er mit mir anfangen soll.
Warum bin ich überhaupt hier, wenn er mich eh nicht bei sich haben will?
"Du hörst jetzt, verdammte Scheiße noch mal, auf zu flennen! Und-"
"Lass mich raus", unterbreche ich ihn und meine Stimme ist nichts mehr als ein Flüstern.
Als er nicht antwortet, wische ich mir über meine Augen und sehe, wie er mich wütend anfunkelt. Sein Kiefer ist angespannt und seine Handknöchel schon fast weiß.
Ich greife nach dem Türgriff, doch die Tür öffnet sich nicht. Wir stehen mitten auf einer Autobahn und ich möchte einfach aussteigen.
Zwar weiß ich nicht wohin, aber weg von hier.
"Nein."
Als er antwortet, drehe ich meinen Kopf schnell zu ihm.
"Ich will aber raus."
Ich versuche meine Stimme fest und sicher klingen zu lassen, doch an Harry's Blick weiß ich, dass ich scheitere.
"Das ist mir scheißegal. Du bleibst in diesem fucking Wagen und wir werden jetzt, scheiße noch mal, weiterfahren."
Plötzlich werde ich wütend.
"Nein, werden wir nicht! Ich werde nicht mit dir weiterfahren!"
Ich schreie ihm ins Gesicht und versuche die Tränen zurück zu halten.
Er hat keine Ahnung, wie ich mich fühle. Und Mitgefühl scheint er nicht zu kennen. Was will er also dann mit mir?
Er könnte mich doch einfach gehen lassen.
"Du wirst mitfahren, also geh mir verdammte Scheiße nicht auf die Eier! Ansonsten kannst du hier draußen warten, bis dich irgendein Wichser überfährt!"
Nun scheint er auf hundertachtzig zu sein und sein Brüllen dröhnt durch den Innenraum. Wir funkeln uns beide an und ich bin mir sicher, wenn Blicke töten könnten, weiß ich nicht, wer als erstes dran wäre.
"Na und! Was macht das noch für einen Unterschied!"
Und gerade, als diese Worte meine Lippen verlassen, lässt uns ein Hupen nach hinten blicken und mein Atem verschnellert sich, als ich sehe, wie ein LKW rasendschnell auf uns zufährt.
Panisch sehe ich zu Harry, der sich auch wieder mir wendet. Dank dem Dreck und der Farbe in seinem Gesicht, scheinen seine Augen noch leuchtender zu strahlen, als sonst.
Doch ich kann mich nicht lange darauf konzentrieren, da mich die Angst überkommt.
"Harry..", flehe ich, "es fährt auf uns zu! Los, fahr!"
Während ich panisch hin und her sehe, zuckt er nicht einmal mit der Wimper und starrt mich nur durchdringend an.
"Ich dachte, es macht keinen Unterschied."
Es scheint, als würde sich das Tempo meines Herzschlags' mit dem näherkommenden Hupen verschnellern und verzweifelt sehe ich Harry an.
Der LKW kommt immer näher.
"Du hast kein fucking Bock zu fahren. Gut. Dann fahren wir halt zusammen in die Hölle."
Er lehnt sich seelenruhig zurück und nimmt sich eine Zigarette aus seiner Zigarettenschachtel."
"Dort werde ich schon lange erwartet."
ALS ALLERERSTES;
Es tut mir Leid, dass ich so lange gebraucht habe, aber die letzten Tage war viel los, obwohl es meist gar nicht um mich ging, aber was will man machen.
ABER MIR GEHT ES GUT.
(An alle die es interessiert haha)
Avarry's Zeit beginnt ab jetzt, also fiebert mit und versucht noch etwas Loaded Harold zu ertragen ;D
Ansonsten danke für die ganzen süßen Kommentare.
You're all are the cutest!
❤️
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro