Ich lehne mich auf das kalte Metall des Geländers und beobachte wie die Mannschaft, nach dem sie sich aufgewärmt hatte, sich in zwei Teams aufteilt um gegeneinander zu spielen.
Mein Blick ruht auf Clayton und verfolgt das Spiel aufmerksam.

Vielleicht sollte ich auch mal eine neue Sportart ausprobieren? Nun, diesen Gedanken hatte ich schon öfter und fand mich dann letztendlich doch in meinem Zimmer mit einem Bleistift und weißem Papier in der Hand wieder. Ich liebe es zu zeichnen, dadurch waren auch meine Zimmerwände voll mit irgendwelchen Zeichnungen oder Dekorationen.
Mit Sport werde ich mich wohl nie anfreunden, auch wenn ich es mir vornehme. Viel zu schnell bin ich außer Atem, dank mangelnder Kondition und lange durchhalten schaffe ich auch nicht. Aber Clayton hat Spaß daran, weswegen ich wenigstens bei Gesprächen darüber ausreichend Interesse zeige. Ich liebe es einfach ihm beim reden zuzuhören. Wenn er dabei ganz aufgeregt ist, dann wird seine Stimme heller und höher, seine Seelenspiegel haben ein kleines Leuchten in ihnen und er bewegt seine Hände sehr viel.
Ich wünschte manchmal er würde mich so ansehen, wie wenn er über Fußball spricht.

Der Blondschopf schießt ein Tor und automatisch rufe ich ihm ein Lob zu. Er sieht als Erstes zu mir mit einem breiten Lächeln, als würde er sichergehen wollen dass ich es gesehen habe und zeigt zwei Daumen nach oben, bevor er von seinen Teamkameraden einen Schulterklopfer bekommt.
Dieses Lächeln...ich spüre wie mein kompletter Bauch anfängt zu kribbeln, als hätte ich tausend Schmetterlinge verschluckt.

Immer weiter taumle ich zum Abgrund, bedrohlich nah und suche nach etwas an dem ich mich festhalten kann, sodass ich nicht hinabstürze.

Das Spiel geht weiter, weshalb ich schnell meine Aufmerksamkeit wieder darauf lege und versuche die Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben, die sich dort ungewollt gebildet hatten. Solche Gedanken sollte ich überhaupt nicht haben, er würde mich nie küssen.

Nachdem Training räumen die Spieler das Feld auf und Clayton kommt zu mir an das Geländer gelaufen. „Geh weg, du schwitzt!", rufe ich ihm mit einem frechen Unterton entgegen, als der Größere sich mit seinem Shirt Schweiß von der Stirn wischt.
„Ich kann dich auch in eine ganz feste Umarmung ziehen.", grinst dieser, breitet seine Arme aus und macht Andeutungen mir näherzukommen. Blitzschnell mache ich einen Satz nach hinten, gehe in Abwehrhaltung und schüttele meinen Kopf. „Erst duschen, dann bekommst du eine.", stelle ich meine Bedingung an ihn, bevor ich unter dem Geländer hindurch schlüpfe und neben ihm stehe.

Ich hätte ihn sehr gerne umarmt, egal ob er nassgeschwitzt ist oder nicht, aber das konnte ich ihm unmöglich sagen.
„Gut gespielt übrigens.", meine ich stattdessen als wir uns zu den Umkleiden bewegen, woraufhin Clayton lächelt und sich bedankt. „Es war wirklich super heute.", fängt er aufgeregt an zu sprechen und seine Hände bewegen sich von ganz allein, um mir Dinge zu verdeutlichen oder auf etwas zu zeigen. Ich höre ihm gespannt zu und nicke zwischendurch zur Bestätigung, dass ich alles verstanden habe was er mir gerade erzählt.

Er hört erst auf, als wir an dem Gebäude ankommen. „Ich beeile mich.", mit diesen Worten und einer Hand, die sich kurz auf meinen Kopf legt verschwindet er nach drinnen. Mein Herz macht einen Satz, wodurch sich meine Atmung ein wenig beschleunigt. Wie macht er das nur? Wie schafft er es mit einer kleinen Berührung mich so aus der Fassung zu bringen? Ich hole tief Luft, überprüfe mit meinen Handflächen meine Wangen nach einer verräterischen Wärme, bevor ich mein Smartphone aus meiner Hosentasche hole, um mich zu beschäftigen. Nebenbei bemerke ich im Augenwinkel die Mädchengruppe, welche bestimmt auf die restlichen Spieler wartet.
Mein Rücken lehnt an einer kühlen Hauswand und abwartend durchsuche ich ein paar Socialmedia-Seiten. Nach ungefähr einer Viertelstunde, die sich fast wie eine Ewigkeit angefühlt hat, höre ich die unverwechselbare Stimme meines besten Freundes näherkommen. Schnell lasse ich das Handy zurück in die Hosentasche gleiten und wollte gerade zu Clayton rüber gehen, als ich bemerke wie die Mädchen sich ebenfalls vorwärts bewegen.

Vorne ran eine sehr schmal gebaute Blondine, deren Haare bis zu ihrem Po gehen. Ihr Ansatz ist dunkler als der Rest ihrer Haare, weswegen ich davon ausgehe dass sie gefärbt sind. Sie hat kaum Kurven, aber dafür ein hübsches Gesicht, das es wieder wettmacht. Wenig Schminke und ein süßes Lächeln in Kombination mit wasserblauen Augen die aussehen als hätte man sie in eines der Florida Keys Meere getaucht. Für Jungs die auf weibliche Personen stehen ist sie es bestimmt wert, sie nach einem Date zu fragen und ein echter Hingucker.

Sie geht auf Clayton zu, ihr Zeigefinger wickelt eine lange hellblonde Strähne auf. Seine Teamkameraden werfen sich im Hintergrund vielsagende Blicke zu.
Ich habe dieses Mädchen vorher noch nie gesehen. Kennen sich die Beiden? Geht sie vielleicht auf unsere Schule und ich habe sie bloß bislang nie wahrgenommen?
Das Mädchen fängt an mit ihm zu reden, schüchtern wie ich oftmals bin halte ich mich lieber im Hintergrund und doch kommt Eifersucht in mir hoch gekrochen. Sie macht eindeutig Flirtversuche und das passt mir überhaupt nicht.
Ein paar Gesprächsfetzen kann ich aufsammeln und starre förmlich die Beiden währenddessen nieder.
„Hast du morgen schon etwas vor? Wir könnten zusammen einen Kaffee trinken gehen.", höre ich sie in einer zuckersüßek Stimme fragen und schnappe nach Luft.

Ich spüre innerlich, wie ich an dem Abgrund der Klippe stolpere, den Halt verliere und dort ist nichts das mich hält.
Sie fragt ihn wirklich nach einem Date. Gut, wer kann es ihr bei Clayton verübeln. Er ist einfach perfekt, in meinen Augen.

Mein Blick richtet sich verzweifelt auf den Blonden. Alles in mir schreit gerade danach ihn anzuflehen diese Frage abzulehnen.
„Klar, wieso nicht?", Clayton hat mit einem leichten Lächeln, dass seine Mundwinkel umspielt zugestimmt.
Dabei mag er nicht einmal Kaffee.

Meine Hoffnungen verfliegen, lösen sich auf als wären sie nie da gewesen.

Ich falle. Tief.