Zeit heilt alle Wunden?
Rylands POV
Wie sagte man einem Mädchen am besten, dass man die kleine Schwester ihrer besten Freundin geküsst hatte? Vor allem, wenn sie sich sowieso schon in einem ziemlich labilen Zustand befand und im Grunde eine tickende Zeitbombe war.
Natürlich war ich selbst schuld, was küsste ich Christin auch? Aber es wurde mir einfach zu viel! Meine Freundin, die ich nach Wochen endlich wiedersah, war völlig verschlossen und schottete sich langsam, aber sicher von der Welt ab.
Ich verzweifelte daran, wie schwierig es war, an sie ranzukommen und dennoch hatte ich gerade vor, ihr die Wahrheit zu sagen. Vielleicht würde es sie zurück in die Realität bringen, aber ich glaubte eigentlich weniger daran.
Ich war dabei sie zu verlieren und ich konnte nichts dagegen tun, außer zu hoffen. Wenn sie inzwischen tatsächlich so gefühlstaub war, wie ihr betreuender Psychologe fand, würde sie nicht einmal das Gesicht verziehen.
Zögerlich stieß ich die Tür zu ihrem Zimmer auf. Die Ärzte hatten sie immer noch nicht gehenlassen, doch körperlich war sie so gut wie genesen. Aber der Tod ihrer beiden Familienmitglieder schien schwer an ihr zu nagen.
Sie lächelte nicht mehr, sprach kaum noch und vernachlässigte ihre Grundbedürfnisse. Wie sehr ich ihr Lächeln doch vermisste, aber es war verschwunden. Es sah nicht einmal danach aus, dass ich es je wieder zu Gesicht bekommen würde.
„Hallo Ryland.“ Seit ich hier war und sie regelmäßig besuchte, begrüßte sie mich mit den immer gleichen Worten. Meinen Spitznamen benutzte sie auch nicht mehr, als ob sie niemandem zeigen wollte, dass wir uns mochten. Möglicherweise tat sie auch genau das nicht mehr.
Ansonsten würde sie mich doch nicht so abweisen, oder? Sie konnte mir alles erzählen und ich würde ihr immer helfen, selbst wenn sie jetzt mit mir Schluss machen würde. Sie war sowohl meine feste, als auch meine beste Freundin und ich wollte sie unter keinen Umständen verlieren.
Die Beweggründe für den Kuss mit Christi waren zwar wirklich schlecht, aber auf gewisse Weise vermisste ich die körperliche Nähe zu ihr auch. Eine Beziehung war nun einmal nicht rein gedanklich, sondern bezog auch Zärtlichkeit mit ein.
Ich war zwar ein Junge, aber das hieß nicht, dass ich besser damit klar kam, als Mädchen, wenn sich der Mensch, den ich mochte, vor mir verschloss. „Hey Emi, können wir reden?“
Sie nickte, aber wir taten ja auch sonst nie etwas anderes, als zu reden und uns noch länger anzuschweigen. Meistens redete eigentlich nur ich und erzählte ihr, was in der Welt um sie herum so passierte. Ich zog mir einen Stuhl heran und ließ mich langsam darauf sinken. Bevor ich überhaupt ansetzten konnte, stoppte ich mich schon wieder.
Was sollte ich sagen? In meiner Vorstellung war dieses Gespräch um einiges leichter gewesen. So gut es ging, ordnete ich meine Gedanken und sah ihr Ernst in die Augen. Ihr Gesichtsausdruck war eine emotionslose Maske, so wie immer in den letzten Wochen.
Wo war das lebensfrohe, immer gut gelaunte Mädchen hin, in das ich mich verliebt hatte? Früher hätte ich mich nun in ihren Augen verloren, doch heute waren sie so kalt, dass ich fast schon den Blick abwenden wollte.
Plötzlich kamen die Worte ganz einfach über meine Lippen: „Ich habe Jassys Schwester geküsst, aber du musst mir glauben, dass ich keine Gefühle für sie habe. Es war falsch und ich schäme mich dafür, sowohl dir, als auch ihr wehzutun, aber es war ein Fehler. Ein riesengroßer Fehler. Und ich bereue es! Du weißt, dass ich dich liebe, aber du bist so schrecklich anders, seit dem Unfall.“
Sie schwieg, noch immer war keine Emotion zu erkennen. Es stimmte. Seit dem Unfall war alles zwischen uns anders und auch wenn ich vielleicht nicht ganz unbeteiligt daran war, hatte sie sich verändert und nicht ich mich.
Stumm sah sie mich an und ich bekam allmählich Panik. Warum reagierte sie nicht? War ich ihr inzwischen wirklich so dermaßen egal? Flehend sah ich sie an und bat sie stumm um eine Antwort. Ich wusste genau, dass sie mir nicht verzeihen würde, aber ändern konnte ich es jetzt auch nicht mehr.
Auch meine Wortwahl war vielleicht nicht die passendste gewesen, aber es war die Wahrheit und ich wollte nicht weiter lügen. „Geh“, sagte sie schlichte, weder wütend, noch traurig oder enttäuscht. Nicht eine einzige Regung war in ihrem Gesicht zu erkennen.
„Nein, ich will, dass du mir zuhörst! Wo sind deine Gefühle hin? Ich möchte das Mädchen zurück, in das ich mich verliebt habe und nicht den gefühlslosen Menschen, der jetzt vor mir steht. Natürlich hast du Schlimmes durchgemacht, aber das Leben geht weiter und solltest langsam anfangen, wieder du selbst zu werden. Weißt du, ich vermisse die echte Emily, die Emily, die sich mit mir in LA verlaufen hat und der ich etwas bedeutet habe. Dir scheine ich allerdings völlig egal zu sein, denn du lässt mich dir nicht helfen.“
Es war die Wahrheit; ich konnte niemanden lieben, der mir keine Gründe dafür gab. Emilys Charakter hatte sich so sehr verändert und ich hatte versucht, meine Emi wiederzubekommen, doch ich war gescheitert.
Es tat weh, aber die Gewissheit war das aller schlimmste. Wie Eis kroch sie in meine Glieder und mein Körper kämpfte dagegen an, indem ich alle meine Muskeln anspannte.
„Dir ist nicht mehr zu helfen, richtig? Du fühlst nichts, oder? Alles was ich dir gerade sage, sticht wie ein Messer in dein Herz und dennoch fühlst du nichts.“
Es tat mir unendlich leid, aber irgendjemand musste ihr klarmachen, dass sie ein hoffnungsloser Fall war. Ich wollte sie nicht aufgeben, dafür bedeutete sie mir viel zu viel, aber so konnte das nicht weitergehen.
„Geh, bitte und komm nie wieder“, flüsterte Emily, bevor ich tatsächlich ging. Sie einfach so zurückzulassen war vielleicht nicht okay, aber sie wollte es so. Möglicherweise verhielt ich mich jetzt wie ein egoistisches kleines Kind, aber ich war genauso verletzt. Ich hatte Gefühle für sie und ich konnte sie nicht einfach so abstellen, selbst wenn ich wollte.
Allerdings heilte die Zeit Wunden und sie hatte bereits mit mir abgeschlossen.
---------------------------------------------------------------------------- Es wurde Zeit für dieses Kapitel, auch wenn Seker mehr Stimmen hatte :/ Aber Seker ist morgen dran, wenn ich es schaffe (was wahrscheinlich ist ;))
Wie seht ihr das, wird es ein Emiland Comeback geben, oder wird aus den Beiden nie wieder ein Paar? Danke, dass ihr so fleißig lest, votet und kommentiert :*
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