Jassys POV

Ich hatte keine Ahnung, wo er mich hin brachte, aber ich genoss es, endlich wieder alleine mit ihm zu sein. Schweigend betraten wir die Straße und folgten ihr einige hundert Meter, Straßenlaternen wurden immer seltener und die Häuser standen in immer größeren Abständen zu einander. Vereinzelte standen Bäume am Straßenrand und ich begann zu frösteln.

Ich war es nicht gewöhnt nur im Pullover in irgendwelche Wälder zu gehen, um dort was auch immer zu machen. „Du hast Gänsehaut", mit diesen Worten reichte er mir einen weiteren seiner Pullover (wie viele Pullover besaß so ein Junge nur?). Wir gingen noch weiter, nun war es stockdunkel und wir befanden uns bereits am Rande eines kleinen Waldes.

Ich vertraute ihm voll und ganz, ganz sicher wäre ich nicht jedem mitten in der Nacht in einen Wald gefolgt, aber Ross war anders als die Jungen, die ich kannte. Eigentlich war es seltsam, so zu denken, wir kannten uns doch erst seit Kurzem! Trotzdem waren da Gefühle für ihn.

War das normal, sich so schnell zu verlieben? Davon hatte ich um ehrlich zu sein keinerlei Ahnung, deshalb verließ ich mich einfach auf mein Gefühl und das war gut. Auf einer kleinen Lichtung machten wir Halt. „Schau!", er zeigte nach oben in den wolkenlosen Nachthimmel. Die Sterne funkelten weit über uns. Der Anblick erinnerte mich so dermaßen an Zuhause, dass ich Heimweh bekam.

Oft war ich einem kleinen Waldweg gefolgt, um stundenlang in die Sterne zu starren. Eine einzelne Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel, er wischte sie vorsichtig fort. Er fragte nicht danach und zog mich neben sich auf einen Baumstumpf. „Es ist wunderschön!", sagte ich mit tränenerfüllter Stimme.

Daheim war es auch wunderschön, mit all den Menschen um mich herum, die ich so unendlich liebte. „Nicht so schön wie du." Damit küsste er mich. Und auch wenn es kitschiger war, als alle Liebesfilme zusammen, konnte es nicht besser sein.

Ein Gefühl der Schwerelosigkeit machte sich in mir breit und die Tränen begannen meine Wangen hinunter zu rollen. Als er bemerkte, dass ich weinte -ob aus Freude oder aus Trauer, wusste ich selbst nicht- begann er die Tränen von meinen Wangen zu küssen.

Jede Berührung seiner Lippen kitzelte und ich begann zu kichern, aber irgendwie passte mein Gekicher nicht so recht zu der allgemeinen Stille, also hörte ich auf. Jetzt war ich einmal dran mit Küssen. Ich hielt den Augenkontakt möglichst lange, weil ich diese wunderschönen, braunen Augen sehen wollte, doch letztendlich schloss ich die Augen doch.

Seine Lippen schmeckten salzig, nach meinen Tränen und ich wünschte mir so sehr, die Zeit anhalten zu können. Wir saßen lange dort, jeder konnte die Gedanken des anderen lesen, aber keiner sagte etwas. Als das Licht der Sterne langsam von dem der aufgehenden Sonne überstrahlt wurde und der Himmel sich orange färbte, fragte er mich mit brüchiger Stimme, vermutlich weil wir seit Ewigkeiten nicht gesprochen hatten: „Willst du meine Freundin sein?"

Irgendwie war es kindisch, doch es fühlte sich gut an, zu wissen, dass wir jetzt fest zusammen waren. Mit ebenso brüchiger Stimme Antwortete ich ihm: „Ja, natürlich." Er stand auf, griff unter den Baumstumpf und zog seine Gitarre hervor.

Neckisch grinste er: „Es hat noch nie ein Mädchen den Klängen einer Gitarre widerstehen können." Er fing an zu spielen und ich erkannte das Lied sofort. Zuerst sangen wir beide nur sehr leise, doch wir wurden immer lauter.

„Living a dream, nothing's like it seems to be,

Flying away, on top of the sky,

It's just too unreal, a feeling you would never feel.

And when the morning comes,

It's clear where memories belong.

Lock them up in your mind,

Never let them go.

Deep in your heart you know that it is wrong,

But never dreams have been that strong.

Take my hand and make me real,

I've never learned how to feel.

Now everything changed,

With the warmth of your face."