Kälte
Jassys POV
Ich war mir fast sicher, dass er mich nicht so leicht davonkommen lassen würde. Auch dass er plötzlich abgewinkt hatte, sprach mehr als dafür. Innerlich war ich für seine Rache ziemlich gut gewappnet. Zumindest hoffte ich das.
Es würde mich nicht wundern, wenn er plötzlich etwas aus dem Hut zaubern würde, das mich total überraschen würde. Aber es hatte trotz allem viel zu viel Spaß gemacht, ihn so zu ärgern.
Es war genau diese Mischung zwischen „Hör auf" und „Mach weiter", die in seinen Augen zu sehen gewesen war, die es für mich so spannend gemacht hatte. Ich wollte wissen, ob er mich machen lassen würde und das hatte er getan.
Aber sein Gesichtsausdruck, als ich aufgehört hatte, war einfach unbezahlbar gewesen. Es war ein gewisser Nervenkitzel gewesen, ihn so herauszufordern und ich wusste, dass er die Herausforderung angenommen hatte.
In den nächsten Tagen würde ich mich vor ihm in Acht nehmen müssen. Wahrscheinlich würde er es mir genau so heimzahlen, wie ich es bei ihm gemacht hatte. Hoffentlich würde er es nicht übertreiben. Als wir am Strand ankamen, war dieser so gut wie leer.
Offensichtlich waren nicht wirklich viele Leute davon überzeugt, dass man bei diesem Wetter surfen konnte. Die Sonne schien zwar, aber es war nicht übermäßig warm. Von selbst wäre ich wahrscheinlich auch nicht auf diese Idee gekommen.
Aber hier war ich jetzt, und stand vor dem Meer, über das einige Wellen tanzten. Zum Glück waren sie nicht übermäßig hoch, was mich für meine späteren Versuche recht zuversichtlich stimmte.
Ross holte schon mal unsere Neoprenanzüge und die Boards, in einem nahegelegenen Verleih, während ich austestete, ob das Wasser wenigstens warm war. Zu meinem Missfallen, war es das nicht.
Ich konnte nicht mal meinen ganzen Fuß hineinhalten, ohne zurückzuschrecken. Ross war doch lebensmüde, wenn er auch nur dachte, ich würde da rein gehen. Unschlüssig wartete ich auf ihn.
„Das Wasser ist aber ziemlich kalt", informierte ich ihn und hoffte, er würde den Wink verstehen. Da hatte ich leider falsch gedacht, denn seine Rache stand ja immer noch aus. Jetzt verfluchte ich mich dafür, ihn vorhin so geärgert zu haben.
Wenn ich deshalb jetzt erfrieren müsste, wäre ich wohl selbst schuld. „Deshalb trägst du ja den Anzug." Er drückte ihn mir in die Hand und zeigte auf einige Umkleidekabinen in Strandnähe.
Seufzend machte ich mich auf den Weg, mir diese zweite Haut anzuziehen. Hoffentlich würde sie wenigstens tatsächlich warmhalten. Sonst würde ich noch wirklich erfrieren müssen.
Weigern würde ich mich nicht, immerhin war es das erste Unternehmen seit langem, das wir gemeinsam bestritten und das würde ich nicht so leichtfertig kaputt machen.
Ich fühlte mich ziemlich unwohl, in dem engen Neopren. Es war viel zu anliegend, für meinen Geschmack. Mit verschränkten Armen verließ ich die Umkleide wieder.
Im Wasser würde man ja zum Glück nicht mehr meinen ganzen Körper sehen, deshalb war ich dann doch recht schnell bis zur Hüfte darin verschwunden. Es war zwar immer noch total kalt, aber ich hatte die Augen und Zähne fest zusammengekniffen.
Jedes Mal, wenn eine Welle gegen mich traf, machte ich einen erschrockenen Satz. „Siehst du, ist doch gar nicht so kalt", sagte Ross, als er mich kurz darauf einholte.
Ich hatte dafür nicht einmal ein sarkastisches Lachen übrig. Er hielt mir mein Board hin und ich griff zitternd danach. Vielleicht sollte ich mich mehr bewegen, damit mir warm werden würde.
Ich warf Ross einen kurzen Blick zu und bemerkte, dass er sein Board gar nicht dabei hatte. „Worauf willst du surfen, wenn dein Board draußen steht?", fragte ich verwirrt. „Erst mal sollten wir schauen, dass du auch darauf stehen kannst.
Danach können wir vielleicht wirklich surfen." Oh je, das klang noch einer Menge Arbeit. „Ich würde sagen, hier können wir beginnen." Das Wasser reichte mir inzwischen bis zum Bauchnabel. Offensichtlich war ich nicht sonderlich weit gekommen.
„Du versuchst, dich auf das Board zu stellen, während ich es festhalte." Selten hatte ich mich bei etwas so dermaßen dumm angestellt. Nicht einmal aufs Board schaffte ich es, ohne mich vorher total zu blamieren.
Es war wie verflucht, aber immer wenn ich glaubte, endlich sicher zu stehen, kippte das Brett um. Schon lange war ich komplett durchnässt und fror, aber jetzt wollte ich es doch noch schaffen. Als ich wieder einmal fiel, diesmal direkt auf Ross, gab ich es endlich auf.
„Deine Lippen sind ganz blau", murmelte er leise, weil ich ihm ohnehin so nahe stand. Schnell legte er beide Arme um mich, was das ganze etwas besser machte. Trotzdem war mir noch kalt. „Lass uns rausgehen."
Dankbar nickte ich. Auf dem kompletten Weg ließ er mich nicht los, sogar als er ein Handtuch um mich wickelte, schaffte er es irgendwie noch, mich zu halten. Dann bugsierte er mich in eine freie Umkleide.
„Zieh die nassen Klamotten aus, dann trockne dich richtig ab." Ich traute mich nicht zu sprechen, da ich befürchtete, dass man über mein Zähneklappern ohnehin nichts verstehen könnte, deshalb nickte ich lediglich.
Ohne zu zögern schälte ich mich aus dem nassen Neopren. Ich wusste, dass Ross noch hinter mir stand, aber er hatte mich ja bereits in wesentlich weniger, als einem Bikini gesehen.
Außerdem gab es von hinten ohnehin nicht viel zu sehen. Schnell rieb ich meine Haut trocken. Sie hatte einen ungesunden, hellen Rotton angenommen. Schnell legte ich auch den Rest meiner Kleider ab und zog meine Unterwäsche an.
Zitternd warf ich mir mein Oberteil über den Kopf. Ich spürte den Stoff nicht, auf meiner tauben Haut. Auch meine Hose trug ich schon bald wieder, doch kalt war mir immer noch.
Als ich mich umdrehte, um die Kabine wieder zu verlassen, stellte ich fest, dass Ross wie angewurzelt im Türrahmen stand. „Du hättest warten können, bis ich gegangen war", flüsterte er mit belegter Stimme.
Er trug immer noch den Anzug und ihm musste ebenfalls kalt sein. „Zieh dich schnell um", bat ich ihn, bevor ich meine nassen Haare in ein Handtuch wickelte. Ich würde zwar wahrscheinlich trotzdem krank werden, aber einen Versuch war es ja wert.
Darauf anlegen wollte ich es nicht. Kurz darauf stand Ross oberkörperfrei vor mir und hielt mir sein Oberteil hin. „Du kannst doch jetzt nicht einfach nichts tragen, zieh es schon an."
Er schüttelte den Kopf und drückte es mir in die Hand. Seufzend zog ich es über. Mir war immer noch kalt. Im Wasser war es mir gar nicht so aufgefallen. Aber jetzt fühlte sich alles taub und stumpf an.
„Lass uns nachhause gehen, dann kannst du dich aufwärmen." Es war noch nicht spät, unser Tag hatte im Grunde gerade erst angefangen und ich sollte jetzt daran schuld sein, dass er jetzt schon zu Ende war?
Nein, danke.
„Geht schon wieder", log ich. Kritisch sah er mich an und berührte meinen Unterarm. „Du bist eiskalt, vergiss es einfach." „Aber das hier sollte unser Tag werden und ich will nicht, dass das jetzt schon vorbei ist", gab ich zu.
Er sah mich lieb an: „Das ist er nicht, keine Sorge."
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