Kapitel 2
Livia hatte den Hügel bereit passiert, und folgte einem Pfad durch eine Wiese, der nur daran zu erkennen war, dass das Gras dort etwas dünner wuchs, und platt getreten war. Gleich folgten noch ein paar Bäume, danach würde sie direkt am Eingang vom Dorf stehen. Sie roch bereits dass Brot des Bäckers, das erste Haus, dass man passierte, wenn man von dem Hügel ins Dorf ging. Hier würde sie gleich ihr Brot kaufen, oder besser gesagt es abholen, und dafür dem Bäcker einen Gefallen erweisen. Manchmal bezahlte sie nicht mit Gold und Silber, sondern hielt ihre Hand über eine Pflanze und ließ sie wachsen, sodass sie viel mehr Früchte trug, oder einfach nur wieder viel grüner wurde, falls die Pflanze vor dem vertrocknen stand.
So etwas war normal für Livia, es gab einige Leute auf der Insel, die zaubern konnten, man sagte, Götter erwählten einige aus, die gesegnet wurden, um der Insel immer Nahrung und Heilmittel bereitstellen zu können. Sie musste sich stark konzentrieren, um diese Kraft einzusetzen, und weil sie sich danach mental erschöpft fühlte, als hätte sie den ganzen Tag gelesen, fand sie es gerecht, dafür Essen von den anderen anzunehmen. Da sie, wie jeden Morgen, Hunger hatte, rannte sie auf das Haus des Bäckers zu, sobald sie aus den Bäumen hervorkam. Das Haus des Bäckers war komplett aus Holz gebaut, es hatte ein rundliches Dach, dass an den Bug eines Schiffes erinnerte. In dem Haus wurde nur verkauft, gebacken wurde in dem Keller unter dem Haus. Da auf der Insel nicht viel Platz war, haben die meisten Menschen ihre Wohnungen in die Erde verlegt, sodass sie über ihrem Haus Pflanzen anbauen konnten. Häuser über der Erde waren immer Verkaufshäuser, um die Verkaufswaren vor jeglichem Wetter zu schützen, und es war Sitte, niemals einen Handel unter der Erde abzuwickeln, dafür verzichtete man auch auf wertvollen Boden.
Den Ursprung dieser Tradition hatte man längst vergessen, aber es hielten sich alle daran, als wäre es ein Gesetz der Natur, und diese stellte man nicht infrage. Nachdem sie ein Brot gekauft hatte, wollte sie noch einmal hinter den Hügel gehen, um dort weiter die Vögel zu beobachten, doch als sie sich vom Bäcker wegdrehte, standen plötzlich zwei fremdartig aussehende Gestalten vor ihr, sie sahen zwar menschlich aus, aber trugen Roben, und sogar Schwerter an ihren ebenfalls schwarzen Gürteln, dies hatte Livia noch nie gesehen. Macheten wurden hier nur als Werkzeuge eingesetzt, und ihr kam bisher nicht in den Sinn, dass diese auch als Waffen herhalten konnten.
Weitere Waffen gab es auf der Insel nicht, sie kannte diese nur aus Märchenbüchern, und obwohl sie Angst vor diesen Gestalten mit Schwertern hatte, entschied sie sich, ihrer Neugier Raum zu geben, und sprach die Menschen an:
„Wir sind gekommen, um das alte Schutzbündnis neu auszuhandeln. Wir sehen, euch geht es sehr gut hier, und wir möchten sicherstellen, dass es auch dabei bleibt. Ihr habt uns immer neue Getreidesamen geschickt, und wir wussten sie auch gut einzusetzen, aber nun braucht unser Land etwas anderes, und es wird nicht mit ein paar Säcken an Samen getan sein."
„Nun, womit könnten wir euch noch dienen? Viel mehr hat diese Insel nicht zu bieten".
Livia war verwundert. Zwar wusste sie, dass immer wieder mal ein Fischer Samen auf das Meer brachte, und dass sie als eine Art Opfergabe angesehen wurden, aber doch für die alten Götter und ihren Segen, und nicht für fremde Menschen?
„Wir haben gehört, dass ihr mittlerweile einige Gesegnete auf dieser Insel beherbergt. Wir müssen mit allen von ihnen reden, trefft uns mittags an der Küste hinter dem Hügel." So sprach einer der beiden, und beide kehrten um, und verschwanden zwischen den Bäumen, Livia und den Bäcker, außerdem ein paar Kunden des Bäckers verwirrt zurücklassend.
„Nun, jemand sollte den Fischern ein Signal geben"
Livia drehte sich zurück zum Bäcker.
„Das könnte ich auch eben machen. Ich wollte sowieso noch spazieren gehen, aber im Laufen kann ich so schlecht essen, dann lasse ich das Brot lieber hier liegen.", sagte Livia und rannte Richtung der Anlegestelle für die Fischer, die genau auf der anderen Seite der Insel lag.
Zehn Minuten später, sie lief zwar schnell, aber rannte nicht, kam sie bei der Anlegestelle an.
„Tjork, schick ein Boot raus und sag allen, dass sie sich am Dorfplatz sammeln sollen, es ist etwas passiert."
Ein stämmiger Mann, ungefähr Mitte vierzig, mit Tauen auf der Schulter, drehte sich zu ihr um und antwortete: „Ich denke nicht, dass das notwendig ist, die Boote kommen schon zurück, es wurde ein Schiff gesichtet..."
„Es sind Männer, mit Waffen. Sie sagen, sie wollen etwas neu verhandeln, und dass alle Gesegneten zu ihnen kommen sollen, bis zum Mittag."
„Ich werde allen Bescheid sagen, aber du kennt die Bäume am Hügel am Besten, kletter auf einen Baum, und sieh, ob du diese Männer beobachten kannst. Sag mir, wie viele es sind, und ob dir noch etwas auffällt."
Die letzten Worte hörte sie kaum noch, dass hier war für sie ein Abenteuer, und sie hatte nicht vor, das Abenteuer zu verpassen, weil sie zu lange auf einer Stelle stand. Als ob sie nicht sowieso diese fremden Menschen beobachten würde, sie brauchte niemanden, der ihr so etwas befahl.
Etwas komisch fand sie es aber schon, wie die Männer eine Forderung stellten, und die ganze Insel wie auf Befehl gehorchten, aber noch mehr trieb sie die Frage um, warum sich die Gesegneten den Fremden preisgeben sollten. Viele Märchen handelten davon, dass Fremde die Gesegneten töten wollten, um der Insel zu schaden, und sie nach dem nächsten harten Winter neu zu bevölkern. Momentan gab es auch nur noch sie, die den Segen der Götter besaß, und sie erschauderte bei dem Gedanken, den Gestalten alleine gegenüber zu stehen.
Die alten Männer berieten und berieten sich, und doch kamen sie nur zu einem Schluss, lieber würden sie die letzte Gesegnete der Gefahr aussetzen, als den Zorn der bewaffneten Männer zu riskieren. Man schickte einen Jungen los, um Livia zu sagen, dass sie sich zu den Fremden begeben sollte.
Livia ging es währenddessen immer schlechter. Sie saß auf einem Baum, der neben dem Hügel wuchs, und sah Männer und Frauen, alle bewaffnet. Viele davon trugen Rüstung, manche wiederum schwarzen Roben und Schmuck, den Livia noch nie gesehen hatte. Es waren Metalle, aber um den Finger gebogen, daran an Metallstück groß wie eine Münze befestigt, oder Metallstäbe ineinander gebogen, die um den Hals getragen wurden, aber vorne bis auf die Brust der Männer und Frauen fielen. Und dann gab es da noch 2 Holzkisten, die an den Strand geschleppt wurden, ohne, dass sie aufgemacht wurden, auch nicht, als alle Männer und Frauen am Strand versammelt waren.
Sie streckte die Hand aus, um noch ein paar Blätter von dem Baum abfallen zu lassen, die sie in ihrer Sicht behindert hatten, als sich unter sich einen Jungen sah. Es war der Junge, der selten sprach, und den sie deshalb nur wenig mochte. Wenn sie schon Kinder sehen musste, wollte sie zumindest mit ihnen reden können.
„Du sollst zu ihnen gehen.", sprach der Junge und rannte davon.
„Na toll", dachte sich Livia und blieb noch sitzen, als ihr langsam bewusst wurde, dass sie tatsächlich alleine war, und nun genau das tun sollte, was sie am wenigsten wollte. Als Bewohner der Insel hatte sie aber gelernt, dass man einen Beschluss der Gemeinschaft immer unterstützen sollte, damit alle friedlich miteinander leben konnten. Also kletterte sie den Baum hinunter und stieg den Hügel hinab, genau auf die dunkel gekleideten Menschen zu.
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