31.Logan
Sie war seine Gefährtin. Das musste ich mir immer wieder ins Gedächtnis rufen. Klar. Selina war nur ein Job für sie gewesen. Dennoch wusste ich nicht, wie ich damit umgehen sollte. Sie war in unser Territorium eingedrungen, wollte meine Schwester entführen, hatte meine Leute angegriffen und auch verletzt.
Selina kam heute zu mir und wollte nach mir sehen. Ich musste schmunzeln, denn eigentlich war sie die Leidtragende von uns. Sie wollte nicht, dass Samara bestraft wurde und bat mich um Gnade für sie.
Ich liebte dieses Mädchen. Trotz allem, was ihr passiert war, war sie immer noch fröhlich.
Ich gab Ash die Anweisung, Samara zu mir zubringen. Um ein Gespräch würde sie auf keinen Fall herumkommen, das hatte ich mir geschworen. Es klopfte und Ash kam zur Tür rein. Hinter ihm war Samara. Ihr Blick sagte mir alles. Sie hatte Angst. Angst, was jetzt auf sie zukam. Ich hatte sie nicht eingesperrt, dennoch war sie immer noch unter Beobachtung.
Ich deutete ihr an, sich zu setzen. Ash blieb stehen und lehnte sich gegen meinen Schreibtisch. Er sah angespannt aus.
Sie war eine Halbhexe und wir wussten nicht, wie viel sie drauf hatte. Ich war vorsichtig. Dieses Gebäude würde sie auf keinen Fall verlassen. Dafür hatte ich gesorgt. Brendan hatte mir zwar versichert, dass sie keinen Widerstand leisten würde, aber die Sicherheit meines Rudels hatte Vorrang.
Ich ließ sie warten und las noch etwas in meinen Unterlagen. Eigentlich wollte sich sehen, wie sie sich verhielt. Je länger ich sie warten ließ, umso nervöser wurde sie und ihr Herzschlag wurde sekündlich schneller.
Ash drehte sich halb zu mir um und sah mich fragend an.
"Du weißt, warum du hier sitzt!": sagte ich in einem Ton, den sie zusammen zucken ließ.
"Du bist in unser Territorium eingedrungen!
Du wolltest ein Mitglied meines Rudels entführen, die noch dazu meine Schwester ist!
Hast einige von uns verletzt und ein Wolf kam fast zu Tode!
Außerdem ist da noch das hier!": sagte ich wütend und legte ihre Waffe vor mich auf den Tisch.
Sie sah mich an. Ich konnte ihren Blick nicht so ganz deuten. Irgendetwas zwischen Wut, Reue und Verzweiflung.
Sie antwortete nicht.
Ich schlug mit der Faust auf den Tisch. Nicht nur sie zuckte zusammen, sondern auch Ash und er sah mich wütend an.
"Kannst du überhaupt sprechen?": fragte ich sie jetzt. Von Brendan wusste ich, dass sie es konnte.
"Du kannst auch gerne in die Arrestzelle gehen, da habe ich keine Probleme damit! Nur weil dein Gefährte ein guter Freund von mir ist, heißt das noch lange nicht, dass du ein Freifahrtschein hast!
Was ist mit der Waffe? Wie viele von uns hast du damit schon getötet?
LOS! ANTWORTE MIR!": brüllte ich jetzt. Ich war jetzt kurz vorm platzen.
Wenn sie kurz vorher noch wie ein scheues Reh ausgesehen hatte, änderte sich das in Sekundenschnelle.
Sie stand auf und sah mich giftig an. Ich konnte beobachten, wie sich ihre Augen veränderten.
"Ach ja! Gegenfrage! Wie viele habt ihr von uns getötet? Zum Beispiel mich dadurch zur Halbwaise werden lassen! Oder mich fast zu vergewaltigen! Ich war erst zehn Jahre alt! Meine Mutter hatte ihr Leben geopfert um mich vor euch zu retten! Und jetzt fragst du mich warum ich eine Waffe habe um mein Leben zu verteidigen?": brüllte sie mich an.
Ich war schockiert! Diese Aussage traf mich wirklich. Ich wollte gerade etwas sagen, als ich eine Veränderung spürte. Es wurde plötzlich kalt im Raum. Ich sah Ash an, ob er es auch spürte.
"Samara! Hör mir zu! Es tut mir leid! Das wusste ich nicht! Du musst dich beruhigen! Samara! Sieh mich an!": flehte ich sie an, doch sie hörte nicht mehr zu.
Die Spannung im Raum wurde immer größer. Das Haus fing an zu wackeln, als wäre ein Erdbeben zugange.
"Ash! Schnell! Hol Brendan! Beeil dich!": rief ich ihm zu und sah ihm nach, wie er verschwand. Die Spannung wurde immer größer und größer. Die Bilder an den Wänden begannen zu wackeln.
Samara stand immer noch vor mir und ich hatte den Eindruck, sie war nicht mehr anwesend. Als sie plötzlich ein Stück hoch schwebte, bekam ich eine Gänsehaut. Ich hatte vorher noch nichts mit Hexen zu tun und wusste auch nicht, wie ich mich verhalten sollte. Aber ich gab nicht auf.
"Samara! Hör mir zu! Bitte! Du musst dich beruhigen! Lass uns normal reden! Es tut mir leid, dass ich dich angebrüllt habe!": flehte ich. Doch vergebens.
Die Tür flog auf und Brendan kam mit Ash in mein Büro gerannt.
Gebannt blieb Brendan stehen, bis er wieder zur Besinnung kam.
Langsam kam er auf mich zu, drehte sich zu Samara um und blickte zu ihr auf. Vorsichtig griff er nach ihren Händen und zog sie nach unten. Ich beobachtete, wie er ihr Gesicht in seine Hände nahm und ihr die Tränen wegwischte.
"Samara! Bitte hör auf! Sieh mich an! Sieh mich bitte an!": flehte er und sah mich fragend an.
"Was habt ihr mir ihr gemacht?": fragte er mich vorwurfsvoll und sah wieder zu ihr.
Er zog sie zu sich und berührte sanft ihre Lippen, bevor er sie richtig küsste. Einen Moment standen sie so da, bis plötzlich der ganze Spuk vorbei war.
Brendan zog Samara an sich und ich hörte sie weinen und schluchzen.
"Samara! Was ist dir genau passiert?": fragte ich sie, als sie sich etwas beruhigt hatte.
"Ich war mit meiner Mutter im Wald, als uns plötzlich drei Rouges angegriffen hatten! Meine Mutter hatte alles gegeben! Als der eine auf mir lag, hatte sie ihre letzten Kräfte mobilisiert und alles in der Umgebung verbrannt! Die Verletzungen, die sie hatte, waren zu schwer und sie ist gestorben!": erzählte sie schniefend.
Mir kam die Geschichte irgendwie bekannt vor. Ich überlegte fieberhaft, bis es mir einfiel.
"Samara! Bist du die Tochter von Baron Gérad?": fragte ich sie und sie nickte vorsichtig.
"Oh meine Mondgöttin! Du bist es wirklich!": sagte ich und sah Ash an.
Er sah verwirrt aus, also musste ich ihm auf die Sprünge helfen.
"Ash! Erinnerst du dich an die Vampire, die da waren! Der eine hatte ein Mädchen auf dem Arm, wo wir uns noch lustig darüber gemacht hatten, dass sie viel zu alt wäre, um noch getragen zu werden?": erklärte ich und Ash nickte.
"Mein Dad war total sauer und hatte mich am nächsten Tag mit in den Wald genommen! Auf einer Lichtung waren alle Bäume verkohlt und es lag Schnee, obwohl es Sommer war! Auf dem Boden waren zwei verbrannte Umrisse von Wölfen! Überall war Gras nur da nicht! An einer Stelle war eine wunderschöne Blume! Dad hatte mir dann erzählt, dass sie einen Wolf suchen, der bei einem Überfall mit Todesfolge abgehauen ist! Sie wollten, dass wir ihnen helfen! Er erzählte auch, dass das Mädchen die Überlebende war und sich aber nicht traute selbst zu laufen, weil sie Angst hatte!": erklärte ich und sah Samara entschuldigend an.
Mir ging so vieles durch den Kopf. Ich wusste gar nicht, wohin mit meinen Gedanken. Baron Gérad war ein Verbündeter von uns und seine Tochter hatte schon so viel erlebt.
Da kam mir noch eine andere Frage in den Sinn.
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