West Coast Cookies
Eine Szene zu „Vegas, Baby"
Der Bass wummert in meiner Brust, als ich auf der Tanzfläche meine Hüften schwingen lasse. Auf der Bühne steht ein DJ mit seinem aufgebauten Set und legt einen Hit nach dem anderen auf. Trotz der großen Halle, in der wir uns befinden, schafft die Stimmung der anderen Party-Menschen um mich herum eine Atmosphäre wie in einem Club. Glücklicherweise sind die Skater heute nicht aktiv, sodass auch keine unpassenden Geräusche aus dem Rest des Skateparks die Geräuschkulisse stören.
Schwer atmend kämpfe ich mich durch die überschaubare Menge meiner Mitstudenten zur Bar, wo Malik gerade eine neue Runde Kurzer auf einem Tablett vorbereitet. Vorhin ist bereits jemand herumgelaufen und hat den Honig-Whiskey kostenlos verteilt. Er schmeckt zwar bescheiden und brennt sehr im Rachen, aber seine Wirkung auf meinen Körper verfehlt er nicht. Ich fühle mich richtig gut.
„Darf ich mir einen nehmen?", frage ich und zwinkere dem süßen Barkeeper mit den kurzen schwarzen Haaren zu. Ich deute auf einen der Shots und Malik nickt.
Ich setze den Whiskey an meine Lippen und lege den Kopf in den Nacken. Brennend sucht sich die Flüssigkeit ihren Weg hinab in meinen Magen und treibt mir für eine Sekunde die Tränen in die Augen. Ich verziehe das Gesicht.
„Schmeckt ja offenbar sehr gut", höre ich von der Seite jemanden sagen und drehe meinen Kopf neugierig nach links. Zwei Plätze weiter sitzt der Center unserer Football-Mannschaft Cyrus Ward an der Bar und beobachtet mich mit einem halben Grinsen.
„Das Zeug schmeckt besser, als es riecht", erwidere ich schulterzuckend und er wendet sich wieder seinem Handy zu, das er vor sich auf dem Tresen hält.Ich drehe mich weg von der Bar und laufe los, um Meghan zu suchen, mit der ich zusammen hierher gekommen bin.
Normalerweise würde ich jetzt Thanksgiving mit meiner Familie in Chicago, San Francisco oder Salt Lake City verbringen – je nach dem, wo Daddy momentan die dringendsten Geschäfte zu erledigen hat –, doch dieses Jahr mussten wir ein wenig umplanen, denn ein besonders heikler Fall beschäftigt ihn in Europa.
Bei meiner Suche nach Meghan verlasse ich die Halle, um zu schauen, ob sie vielleicht jemandem zum Rauchen hinaus gefolgt ist. Die kalte Herbstluft Montanas erwartet mich vor den Türen der Skaterhalle und ich beginne augenblicklich zu frösteln. Ich trage zwar Jeans und einen schönen Wollpullover, der eine Schulter komplett unbedeckt lässt, trotzdem merkt man langsam den nahenden Winter mit seinen frostigen Temperaturen. Da wir später eh den Campus-Shuttle für den Rückweg zum Wohnheim rufen wollen, habe ich meine Jacke heute gar nicht mitgenommen. Vielleicht wird sich das noch als Fehler herausstellen – vielleicht lässt es sich aber auch mit noch etwas mehr Alkohol dagegen anarbeiten.
Ein kleines Grüppchen steht um einen Typen versammelt, der mit leuchtenden Ringen jongliert. Es gibt echt komische Typen hier in der Gegend.
„Betty?"
Ich wirble herum, um zu sehen, wer meinen Namen gesagt hat, und erkenne meinen Kommilitonen Landon, der in der Nähe der Raucherecke herumlümmelt. Er kommt mit einem breiten Grinsen auf mich zu und ich erwidere es, auch wenn meine Zähne dabei leicht aufeinanderklappern.
„Suchst du jemanden?", fragt er.
Ich nicke und hole mein Handy aus der hinteren Hosentasche.
„Hast du Meghan irgendwo gesehen?"
„Leider nicht", antwortet er. „Aber wenn ich dich schon hier antreffe: Ich hab neuen Stoff geliefert bekommen."
Neugierig schaue ich auf. Landon sieht kurz zur Seite, während er eine kleine Plastiktüte aus seiner Jackentasche zieht.
Meine Augenbrauen ziehen sich skeptisch zusammen. „Ich weiß nicht", sage ich langsam. „An Halloween ging es mir nach den komischen Pillen, die du mir gegeben hast, nicht besonders gut ..."
Landon hält seine Hände in einer abwehrenden Position vor die Brust. „Nein, nein, das ist etwas ganz anderes. Die hatte mir ein Kumpel aus New York mitgebracht und da war ich auch nicht so überzeugt von. Dieses Zeug hier ist um einiges besser – es hebt einfach nur deine Laune und hat ansonsten keinerlei Nebenwirkungen. Man nennt sie Cookies."
Ich schaue ihn erstaunt an. „Wirklich? Wow. Wo hast du es denn her. Nein, warte! Ich möchte raten. Ostküste?"
Landon grinst und schüttelt den Kopf. „Eiskalt", sagt er als Tipp.
„Westküste?"
„Schon wärmer."
Ich tippe nachdenklich auf mein Kinn. „Los Angeles?"
„Kalt. Aber Kalifornien ist richtig."
„Große Stadt?"
Landon nickt.
„San Francisco?"
„Falsche Richtung."
Ich überlege und lasse meinen Blick über die Studenten schweifen, die immer noch bei dem jonglierenden Typen stehen, als ich eine ganz bestimmte Person sehe und mir plötzlich eine Idee kommt.
Ich laufe los und grabsche mir einen der Ringe, die der Kerl neben einer Tasche ein paar Schritte von sich entfernt liegen hat. Kichernd stelle ich mich neben Diego Ramirez, dem Captain unserer Footballmannschaft, der sich gerade eine Zigarette genehmigt und mich mit einer hochgezogenen Augenbraue fragend anschaut. Ich drehe mich zu Landon, der mir gefolgt ist. Das Tütchen mit den Pillen ist wieder in seiner Jackentasche verschwunden.
Mit einem breiten Grinsen halte ich den gelb leuchtenden Jonglierring wie einen Heiligenschein über den Kopf von Ramirez und schaue Landon erwartungsvoll an.
„San Diego!", sage ich selbstsicher und Landon hält sich lachend eine Hand gegen das Gesicht, während er nickt.
Ramirez schaut indessen von mir, zu Landon sowie nach oben auf den Ring und wieder zurück. In seinem Blick liegt eindeutig die Aussage, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe, doch das ist mir egal.
„Ich nehme zwei Stück", sage ich zu Landon, packe den Ring zurück und lasse Ramirez kommentarlos stehen. Ich glaube zwar nicht, dass meine Laune noch besser werden kann, aber wenn das Zeug eh keine Nebenwirkungen hat, dann kann man es ja auf den Versuch ankommen lassen. Es sind ja nur Cookies.
© Miss Impression, 2020
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