Flower in the sky
Eine Szene zu Two Faces
Voller Vorfreude fahre ich mir vor der Tür zu Anas Wohnung stehend durch die Haare und begutachte den Strauß in meiner Hand. Die Floristin hat mir statt dem klassischen Rosenstrauß ein Arrangement aus Chrysanthemen und Anemonen gebunden, die genauso wunderschön und einzigartig sind wie die Frau, die diesen Strauß gleich überreicht bekommt. Ich fische den Zweitschlüssel aus meiner Jackentasche, stecke ihn in das Schloss und verstecke den Strauß hinter meinem Rücken, als ich eintrete. Aus der Küche tönt leise Radiomusik, während meine wunderschöne Freundin am Tisch steht und Cocktailtomaten viertelt. Auf dem Herd steht ein Topf mit kochendem Wasser, direkt daneben liegt eine angebrochene Packung Nudeln.
„Du bist ja früh vom Training zurück", sagt sie überrascht und lehnt sich nach vorne, um mir einen Kuss auf die Lippen zu hauchen. „Ich mache Spaghetti mit Garnelen, ich hoffe du hast Hunger."
„Bärenhunger", bestätige ich nickend. „Aber zuerst ..." Ich hole die Blumen hinter meinem Rücken hervor und beobachte zufrieden, wie ihre Augen sich überrascht weiten, als sie danach greift.
„Oh, Diego, die sind wunderschön", murmelt Ana und vergräbt ihre Nase in den bunten Blüten. Aber der leichte Bruch in ihrer Stimme macht mich stutzig, und als sie wieder nach oben blickt, merke ich, dass ihre Augen leicht glasig geworden sind.
„Ist alles in Ordnung?", frage ich, um sicherzugehen, dass ich mir diesen Stimmungswechsel nicht einbilde.
„Ja, alles gut, es ist nur ..." Sie nimmt einen tiefen Atemzug und legt den Strauß vorsichtig auf dem Esstisch ab. „Lana hat Chrysanthemen geliebt. Auf diese plötzliche Erinnerung an sie war ich nicht vorbereitet."
Mitfühlend lege ich die Hand an Anas Wange, denn ich weiß, wie sie sich fühlt, und es bedeutet mir viel, dass sie mich mittlerweile daran teilhaben lässt. Mir kommt eine Idee, wie ich ihr diese Situation leichter machen könnte, und picke mir eine der bunten Blumen aus dem Strauß.
„Warte kurz hier", sage ich und laufe ins Wohnzimmer, um den heliumgefüllten Ballon loszubinden, der mit einer Schnur am Griff der Vitrine angebracht ist. Er ist ein Geschenk von Nika und Darcy, die Ana zu der Veröffentlichung von einem ihrer Artikel in der lokalen Presse beglückwünscht haben. Ich löse den Knoten und binde stattdessen die Blume daran fest, bevor ich in die Küche zurückkehre.
Ana rührt gerade die Nudeln im Topf um und beobachtet neugierig, wie ich ans Fenster trete und es öffne.
„Was hast du vor?", fragt sie und greift nach meinem Arm, während ich mit kühler Luft auf dem Gesicht den Ballon nach draußen halte und loslasse. Durch die Wirkung des Heliums und mit Dezemberwind als Verstärkung verschwindet der Ballon mit der Chrysantheme nach nur wenigen Minuten zwischen den dichten Wolken in eine andere Sphäre.
Ana schaut mich indes mit großen, runden Augen an.
„Jetzt hat deine Schwester auch eine Blume bekommen."
Sie öffnet den Mund und schließt ihn wieder mehrmals hintereinander, als würden ihr die Worte fehlen, und blickt gen Himmel.
„Also wäre ich dir nicht gnadenlos verfallen, dann wäre ich es spätestens jetzt", sagt sie schließlich, schlingt ihre Arme um meinen Oberkörper und presst ihr Ohr an meine Brust.
„Ich bin froh, dass ich derjenige war, der die Chance bekommen hat, dich zu retten. Dabei hast du eher mich gerettet."
„Wir haben uns gegenseitig gerettet", widerspricht sie kopfschüttelnd und hebt den Kopf, um ihre Lippen auf meine zu legen.
© Crys Kay, 2020
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