
~17~
Das Wetter stand im starken Kontrast zur Stimmung der Ermittler als sie aus dem Streifenwagen stiegen. Der letzte Schnee war getaut und die Sonne liebkoste leicht und warm die aufblühenden Blumen und Pflanzen, die sorgfältig vor dem Eingang des St. Bartholom's Krankenhauses angepflanzt waren. Greg war angespannt und zugleich auch voller Zweifel über das Gespräch, das sie gleich mit Dr. Abel Sheridan führen würden. Der Mann hatte einfach kein richtiges Motiv, ihn und Mycroft auszuspionieren und das Video an seine Kollegen zu schicken. Dieser Akt war eher wie eine Art Rache mit dem Ziel, Greg bloßzustellen, vor den Menschen, die ihn als Chef respektierten und ihm vertraut hatten. Jedoch wollte er den Eifer seiner Begleiter nicht dämpfen, die mit vor Angriffslust funkelnden Augen mit ihm das Krankenhaus betraten; man konnte es als jugendlichen Leichtsinn sehen, einer recht offensichtlichen Spur so viel Glauben zu schenken, vielleicht hatte er selbst aber auch Unrecht, und die Sache war wirklich so einfach zu klären, wie sie aussah. Bei seinem Krankenhausaufenthalt hatte er andere Sorgen gehabt als sich mit dem jungen Arzt auseinander zu setzen, Angst um seine Beziehung zu Mycroft und der Lüftung ihres Geheimnisses hatten ihn zugegeben so beschäftigt, dass er wahrscheinlich blind für alles andere gewesen war. Sie näherten sich der Rezeption, die direkt neben dem Eingang lag, ein geschwungener zum Teil verglaster Bau in sterilem Weiß, hinter dem eine junge rothaarige Frau saß und an einem Computer herum tippte. Sally übernahm die Führung, trat näher heran und fragte schließlich:
»Hallo, wissen Sie, wo sich Doktor Abel Sheridan gerade aufhält? Wir sind von der Polizei und hätten einige Fragen an ihn.«
Souverän zeigte sie ihre Dienstmarke und die leicht verwundert wirkende Frau überlegte einen Moment.
»Ich denke, er dürfte gerade da sein, das ist seine Schicht. Wahrscheinlich macht er Visite, soll ich ihn ausrufen lassen?«
»Das wäre sehr freundlich. Hat er ein Büro, in dem wir auf ihn warten können?«
Die Rothaarige, dessen Namensschild sie als eine Emma Stephens verifizierte, wies ihnen den Weg zu einem kleinen Büroraum den Flur links runter, vor dem auf einer kleinen Plakette Sheridans Name stand. Er war anscheinend Leiter des Fachbereiches für Allgemeinmedizin. Der Arzt selbst ließ auch nicht lange auf sich warten und kam kurz darauf mit selbstsicherem Gang auf sie zu. Er wirkte relativ gelassen, wenn auch verwundert über den untypischen Besuch, besonders als er Greg wieder erkannte.
»Hallo, DI Lestrade. Was führt Sie denn hierher, Ihnen geht es doch hoffentlich wieder gut?«
»Ja, kein Grund zur Sorge«, antwortete der Polizist betroffen kühl und versuchte sich dabei vorzustellen, wie Sheridan bei ihnen einbrach und Kameras anbrachte, was ihm allerdings dank der Unklarheit eines möglichen Motives durchaus schwerfiel.
»Es gibt leider etwas anderes, über das meine Kollegen und ich mit ihnen reden müssen …«
»Wir sollten dazu wohl besser in Ihr Büro gehen«, setzte Seargent Bloumberg nach, die umsichtig ihren Laptop in der Hand hielt, und den Arzt kalt aber mit so einer offensichtlichen Feindseligkeit ansah, dass dessen Lächeln augenblicklich gefror. Verhalten räusperte er sich und öffnete dann die Tür des Büroraums.
»Natürlich, bitte kommen Sie doch herein. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, um was es geht, aber tun Sie sich keinen Zwang an.«
»Hach, dass ich mal erleben würde, wie Sie ihr Glück finden, das hätte ich kaum geglaubt. Aber DI Lestrade ist ein wundervoller Mensch, er hat sicher einem guten Einfluss auf Sie«, plapperte Mrs Hudson heiter vor sich hin, während sie den Herren fröhlich drei Stücken ihres frisch gebackenenen Schokokuchen servierte und ihnen zur Feier des Tages auch noch Tee einschenkte, diesmal ganz ohne die übliche Rüge, ja kein Hausmädchen zu sein und hier niemanden bedienen zu müssen. Und das alles nur, weil John nach seiner Arbeit ins Zimmer geplatzt war und Sherlock die frohen Neuigkeiten - die ja eigentlich gar nicht mehr so neu waren- nicht hatte für sich behalten können oder wollte. Ganz zufällig natürlich war auch die Vermieterin gerade auf dem Flur gewesen, um das Wasser einer Blumenvase zu wechseln und da waren sie nun.
»Sie übertreiben etwas, Mrs Hudson, zwar mag es vorkommen, das Eheleute sich in gewissem Maße beeinflussen, jedoch sind Greg und ich schon so lange zusammen, dass es Ihnen sicher aufgefallen wäre, hätte ich mich gravierend verändert«, antwortete der Politiker auf die Glückseligkeitstirade leicht zurückhaltend und nahm dennoch dankbar einen Schluck Tee, während innerlich Schmetterlinge in seinem Bauch zu tanzen schienen. Jetzt wussten es schon drei Leute und auch wenn Doktor Watson ihn noch etwas ungläubig anstarrte, war es in Ordnung und überhaupt nicht … schlimm. Zugegeben genierte er sich etwas, aber diesen Preis zu zahlen war es wert, wenn Gregs und sein Leben dann endlich so etwas wie Normalität erreichte.
»Ach, ich bin sicher, Sie werden noch strahlen wie ein Honigkuchenpferd, wenn Sie und der Inspektor zum ersten Mal auf ein Date gehen, ohne sich verstecken zu müssen. Aber wehe, es ist irgendwas unromantisches wie ein Museum, dann kriegen Sie Ärger mit mir.«
Die Vermieterin sah ihn kurz drohend mit zusammengekniffenen Augen an, strahlte dann aber wieder ungeniert, als sie auf eine bessere Idee kam:
»Wie wäre es, wenn sie demnächst Ihre Hochzeit nachfeiern? Das wäre wirklich mal ein schönes Ereignis und bestimmt zauberhaft, wenn es gut geplant wird.«
»Auf so eine Feier habe ich eh bestanden«, mischte sich da Sherlock ein, mit einem bübischen Grinsen auf den Lippen.
»Und ich werde auf jeden Fall Trauzeuge.«
»Na sowas.«
Doktor Watson warf Mycroft leicht fragend einen Blick zu, nach dem Motto »Sicher, dass das eine gute Idee ist?«. Doch Mycroft seufzte nur dezent resigniert; er hatte seinen Bruder solange belogen, ein bisschen Rache musste er da wohl einstecken können.
»Um eine vernünftige Hochzeitsfeier werden wir wohl nicht herum kommen, ich bin sicher, auch unsere Eltern werden darauf bestehen. Jedoch werden wir davor noch gemeinsam unsere Beziehung öffentlich machen, um keinem Skandal heraus zu beschwören. Darüber müssen wir jedoch nochmal in Ruhe reden.«
Mycroft wendete sich dem verführerisch duftendem Kuchen zu, dem er nicht mehr wiederstehen konnte und Mrs Hudson begann augenblicklich, von ihrer Hochzeit damals zu schwärmen, als plötzlich mehrmals Sherlocks Handy vibrierte. Unter einem warnenden Blick von John nahm der Detektiv es vom Beistelltisch und runzelte die Stirn als er etwas zu lesen schien. Dann sah er ernst auf und hielt das Smartphone seinem Bruder hin, der verwundert seine Gabel niederlegte, während Sherlock kreidebleich sagte:
»Ich glaube, ums öffentlich machen müsst ihr euch jetzt keine Sorgen mehr machen.«
Greg spürte, wie sein Handy beim Eintreten in Sheridans Büroraum vibrierte und holte es aus seiner Tasche. Der Name Mycroft Holmes leuchtete auf dem Bildschirm, doch schweren Herzens drückte er seinen Ehemann weg. Bestimmt wollte der Politiker nur wissen, wie weit sie mit ihren Ermittlungen waren, aber das konnte er ihm auch später erzählen - wenn sie ordentliche Ergebnisse vorzuweisen hatten.
»Ich würde Ihnen ja gerne ein paar Kekse anbieten«, weckte ihn in diesem Moment Doktor Sheridan aus seinen Gedanken, der sich gerade an seinen Schreibtisch setzte, »aber ich muss gestehen, in der letzten Nachtschicht meinen Vorrat restlos niedergemacht zu haben.«
Noch einmal versuchte der Arzt sich an seinem üblichen charmanten Lächeln, aber auf Gregs Kollegen hatte es keine Wirkung. Seargent Green hatte sich mit verschränkten Armen neben der Tür positioniert, wie um eine plötzliche Flucht verhindern zu wollen und Sally und Seargent Bloumberg flankierten Greg von jeweils einer Seite, als würden sie ihm Rückendeckung geben. Als wären sie drei Engel für Charlie, ging es ihm kurz durch den Kopf, bevor Seargent Bloumberg zu sprechen begann;
»Wir sind hier, weil wir Ihnen ein paar sehr wichtige Frage stellen müssen, aber das wissen Sie ja bereits. Es geht dabei um einen Einbruch, die Sache ist etwas kompliziert. Noch konnten wir leider nicht bestimmen, wann das Verbrechen stattgefunden hat, jedoch schickte der Täter heute früh Videoaufnahmen an uns, aufgenommen von Kameras, die er am Einbruchsort befestigt hat. Die Verfolgung des Signals führte uns unweigerlich zu einem ihrer privaten technischen Geräte. Ein Laptop, nehme ich an?«
Sheridans Miene hatte sich, während sie sprach, immer weiter verändert. Jedoch spiegelte sie Verwirrung wieder, anstatt Furcht oder Überraschung, wie Greg es gewohnt war. Dieser Mann sah für ihn einfach nicht wie der Täter aus.
»Nun, ja, ich besitze einen privaten Laptop, aber ich verstehe leider gar nicht, um was es hier geht. Wo wurde eingebrochen und was für Videoaufnahmen?«
»Wenn Sie nichts darüber wissen, würde es ihnen dann etwas ausmachen, uns kurz ihren Laptop zu überlassen? Sie haben ihn doch sicher hier«, mischte sich Sally etwas ungehalten ein. Ihr hatte es noch nie gefallen, so angeblich ratlosen Menschen zuzuhören, die ihre Verwirrung in den meisten Verhören sowieso nur spielten. Eine schnelle und ordentliche Lösung war immer ihr Ziel. Der Doktor zuckte mit den Schultern und begann, das Papierchaos auf seinem Schreibtisch zu durchsuchen.
»Warten Sie kurz, ich habe ihn hier irgendwo …«
Nachdem er auf dem Tisch nicht fündig geworden war, öffnete er arglos die Schreibtischschublade. Augenblicklich stockte er, was die Seargents Bloumberg und Donovan sofort veranlasste, einen Blick über den Tisch zu erhaschen, dessen Beispiel Greg folgte. Und was er sah gefiel ihm gar nicht. Zwar lag in der Schublade der wahrscheinlich gesuchte Laptop, grau und mit einem Oxford University-Aufkleber versehen, doch darüber lagen feinsäuberlich drei Minikameras inklusive Ladegerät.
»Sieh mal einer ein.«
Sally konnte ein siegessicheres Grinsen nicht unterdrücken.
»Ich glaube, das reicht an Indizien, um Sie mit aufs Revier zu nehmen, nachdem Seargent Bloumberg Ihren Laptop kurz überprüft hat. Ich bin jedoch sicher, dass wir dort fündig werden.«
Der Arzt schien immer noch höchst verwirrt und ratlos, während Bloumberg ihren Computer mithilfe eines Kabels mit seinem verband, bevor sie ebenfalls sehr zufrieden ihrer Arbeit nachging. Eigentlich gab es jetzt keinen Zweifel mehr; Sheridan musste schuldig sein, auch wenn Greg das nicht wahr haben wollte und er drückte Mycrofts erneuten Anruf gedankenverloren weg, im Gedanken, jetzt andere Sorgen zu haben. Jedoch hätte er das sicher nicht getan, hätte er gewusst, dass ihr kleines Sextape an alle Klatschzeitungen des Landes weitergeleitet worden war.
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