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Der Geschmack einer verlorenen Liebe

Auf diese Geschichte bin ich besonders stolz, denn sie hat am 28. September 2023 den 2. Platz von 50 eingereichten Geschichten gewonnen. Sie wurde deshalb von einer Schauspielerin vorgelesen und wird evt. in einer Sammlung der Werke veröffentlicht. Ich hoffe, sie bringt euch zum Nachdenken...

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Es war ein kalter Sommertag im Jahr 2008 und eigentlich saß ich nur vor diesem Eisladen neben dem Stadtpark, um die vorbeigehenden Menschen zu beobachten. Um es klarzustellen, es handelte sich nicht um Stalking. Ich war kein psychopathischer Serienkiller, der seinen Opfern hinterherspionierte, nur eine jugendliche Autorin auf der Suche nach neuen Inspirationen für eine weitere Geschichte. Während ich einige Notizen in das orangefarbene Notizbuch in meinem Schoss kritzelte, setzten sich Menschen mit einer Kugel Eis in der Hand an die runden Tische, andere standen auf und gingen geradewegs in die Stadt. Hunde kläfften, Kinder kletterten lachend auf die Äste der Bäume und Erwachsene redeten so lange miteinander, bis ihnen die Sonne einen Strich durch die Rechnung machte und das Eis schmelzen ließ.

Ich konzentrierte mich auf einen älteren Mann, vielleicht Mitte achtzig. Seine Haare waren längst verschwunden und er brauchte eine kleine runde Lesebrille, um die Eissorten vor dem Laden zu entziffern. Er zog die Nase kraus, als er seine Bestellung aufgab. Kaum hatte er seine Eiswaffel in die Hand genommen, legte er einen Zehner auf den Tresen und drehte sich in meine Richtung. Unsere Augen trafen aufeinander. Für einen kurzen Moment fielen mir die Narben auf seiner Stirn auf, es hätten auch bloß Falten sein können. Dann blickte ich verlegen auf das Buch vor mir, um seinem Blick auszuweichen. Erst unsicher, ob ich den Kopf wieder heben sollte, entschied ich mich schließlich dafür.

Der Mann kam auf mich zu gehumpelt. Mein Herz schlug augenblicklich schneller, mein Atem ging flacher. Wollte er wirklich zu mir kommen? Wir kannten uns doch gar nicht. Mir fiel seine schräge Gangart auf. Sein rechtes Bein war nach außen gedreht und er benötigte einen Gehstock. Panisch versuchte ich nicht zu auffällig auf seine Anomalie zu achten und den Blick auf die Warteschlange vor dem Laden zu lenken.

„Hallo", sagte die tiefe Stimme direkt vor mir. Sie war nicht unhöflich, klang hingegen nur gebrochen und freundlich: „Darf ich?" Er deutete auf den Platz neben mir. Ich nickte stumm und rückte höflich ein Stückchen weiter.

„Was macht ein Mädchen wie du hier ganz allein vor einem Eisladen ohne Eis?", fragte er keine drei Sekunden später. Meine Augen wanderten zu seinen. Das Lächeln wirkte matt und müde. Zögernd antworte ich mit einem Schulterzucken: „Ich genieße nur das Wetter. Meine Freunde haben nur keine Zeit heute." „Alle?" Nickend drückten sich meine Hände in den Stoff meiner Jeans. „Wie schade. Das hätte es zu meiner Zeit nicht gegeben. Für ein Eisessen mit Freunden hätte jeder alles stehen und liegen gelassen." Um nicht abweisend zu wirken, erwiderte ich: „Sie sollten mit dem Essen beginnen, bevor es geschmolzen ist." Gesagt, getan. Er leckte an der Vanillekugel und schloss die Augen, um das Sonnenlicht einzufangen. „Mh. Köstlich", sprach er seine Gedanken laut aus und redete weiter, als würden wir uns schon jahrelang kennen: „Das Leben kann großartig sein. Das weiß deine Generation leider nicht mehr richtig zu schätzen. Tut mir leid, das sagen zu müssen, aber es ist so." Er machte eine Pause und fing meinen verwunderten Blick ein. Ich wusste nicht, ob ich wütend sein sollte oder dankbar für seine Weisheit. Dann dachte ich an Gleichaltrige aus meinem Umfeld. Den ganzen Tag vor dem PC zu kleben war sicherlich kein erfüllendes Tageserlebnis, dennoch gab es verschiedene Weisen, das Leben zu genießen und die Hauptsache war doch glücklich zu werden.

„Ich sehe Sie jeden Tag hier und täglich kaufen Sie nur Vanilleeis." „Oh ja. Vanilleeis ist toll", stellte er klar, als würde das alles erklären: „Meine Frau und ich wollten es immer essen, aber bis 1945 durfte ich es nicht auf der Zunge spüren." „Was ist mit Ihrer Frau?", hakte ich vorsichtig mit der Hoffnung nach, ihn damit nicht auf den Schlips getreten zu sein. Traurig blickte er zu Boden, bevor er sich wieder dem Eis widmete. „Sie lebt nicht mehr. Gestorben vor langer Zeit. Damals, es war der elfte Oktober 1944 und ich hatte gerade mein achtzehntes Lebensjahr erreicht, wurde ich in der Nähe von Weimar verhaftet, weil ich mich in einem Essay schlecht über den Nationalsozialismus geäußert hatte. Mit einem kleinen Koffer wurde ich in einen Waggon mit vielen anderen Häftlingen gesperrt. Ich hatte keine Ahnung, wo es hinging. Es war eine tagelange Fahrt durch kalte Gebiete. Nur durch die Körperwärme der anderen Menschen konnte ich die Fahrt überleben. Ich hatte so sehr Hunger und Durst. Ich dachte, ich wäre nun auf mich alleine gestellt - davor hatte ich mit meinen Eltern noch unter einem Dach gewohnt - aber ich war nicht allein. Ich hatte Lana. Sie war Jüdin und kam aus dem eingenommenen Gebiet Frankreichs. Über die Stunden hatten wir miteinander angefangen zu reden, um uns etwas von der Kälte abzulenken. Sie erzählte mir von ihrem bisherigen Leben. Von dem Hass und der Verachtung, die sie von den Nazis zu spüren bekommen hatte. Die Bloßstellung durch den Judenstern. Die Ausschließung aus dem öffentlichen Leben, das am meisten auf ihrem Herzen gelastet hatte. Ich hatte großes Mitleid mit ihr und war froh, dass es mir bis zu dem Tag meiner Verhaftung gut ergangen war."

Mit größter Ehrfurcht hörte ich dem Mann zu, der so vieles schon erlebt haben musste. Es war für mich unbegreiflich, dass es wirklich seine Geschichte war, die er da erzählte, und dass ich hier neben ihm saß.

Dann fragte ich: „Wieso wurden sie verhaftet?" „Ich habe das Regime kritisiert. Ich habe es hinterfragt und unter einem Pseudonym veröffentlicht, um die Menschen damit zu erreichen. Aber irgendwie haben sie mich erwischt. Ich wurde glücklicherweise nicht ganz so hart rangenommen wie Lana. Juden waren dem Regime ein Dorn im Auge, weshalb ich Lana und ihre Familie mit Sonderrationen in einem KZ versorgt hatte. Unsere Aufenthaltsbereiche waren eigentlich streng voneinander getrennt, weshalb es sehr riskant war, aber ich wusste, dass sie verhungern würde, hätte ich nicht geholfen und das konnte ich unmöglich zulassen. Wir sind uns zwischenzeitlich immer mal wieder begegnet, als wir die scheußliche und harte Arbeit für die Nationalsozialisten verrichten mussten." Mit dem Gehstock schlug er einige Male leicht gegen sein verletztes Bein. „Irgendwann im Frühjahr '45 habe ich mich dann heimlich rübergeschlichen und Lana in ihrer Baracke mit zwei Ringen aus Draht geheiratet. Von dem Augenblick an war mir klar, ich wollte den Rest meines Lebens mit ihr verbringen. Ich sah die Schönheit in ihr, nicht den Status, den sie in den Augen der Bevölkerung trug."

Ich schluckte schwer, als er hinzufügte: „Sie sprach immer von Vanilleeis, das sie seit zehn Jahren nicht mehr gegessen und sich so sehr gewünscht hatte. Ich konnte-", er räusperte sich schwer atmend: „Ich konnte ihr niemals diesen Wunsch erfüllen. Sie haben sie zusammen mit sechs Millionen anderen Juden ermordet und sie irgendwo in einem Massengrab vergessen. Ich weiß nicht einmal, wo sie jetzt liegt..." Gedankenversunken blickte er in die Ferne, während ich mir ans Herz fasste. Ich wollte gerne mein Beileid aussprechen, doch mein Hals fühlte sich ganz trocken an und die Stimme blieb mir in der Kehle stecken, so sehr erschüttert war ich. Dass hinter einem täglichen Vanilleeis eine Art des Erinnerns steckte, hatte ich nicht ahnen können.

Wortlos legte ich eine Hand auf seine. Sie war ganz kalt, zitterte und hielt nur noch einen kleinen Stumpf der Waffel. Die Augen des Mannes wanderten zu meinen und ich lächelte schwach. Er erwiderte es und schniefte einmal. „Ich rede nicht sehr oft über Lana. Nach Kriegsende habe ich meine jetzige Ehefrau kennengelernt. Meine Enkel haben anderes im Kopf, als sich meine Geschichte anzuhören. Es tut mir wirklich leid, dich damit belästigt zu haben." Ich winkte schnell ab und signalisierte ihm, dass mich jedes seiner Worte innerlich berührt hatte.

„Um ehrlich zu sein, ich bin eigentlich hier, um Inspirationen für eine Geschichte zu sammeln. Ich glaube, ich habe sie, wenn Sie damit einverstanden sind." Er nickte. „Das gefällt mir, danke. Wie wär's mit einem Eis?" Schmunzelnd folgte ich ihm Richtung Eisladen mit dem Gedanken an Lanas Wunsch im Hinterkopf.

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