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Weihnachtsgeister

Ich wünsche allen, die das hier lesen ganz frohe Weihnachten und einen  schönen Heiligabend!
Vielleicht habt ihr Freude an dieser kleinen weihnachtsgeschichte, die ich bereits vor einigen Jahren geschrieben habe.
Habt einen wundervollen Abend!

Es war der 24. Dezember und der eisige Wind trieb die wenigen Menschen, die heute nicht zusammen mit ihrer Familie oder Freunden Weihnachten feierten mit gesenkten Köpfen durch die glatten Straßen Berlins.
Geschneit hatte es nicht, nur ein paar bräunliche Haufen erinnerten noch an den Schnee der vergangenen Woche, aber dafür war es sehr kalt.

In einem baufälligen Haus am Ende der Straße, das wie eine alte Frau von einem Gerüst gestützt wurde stand Sophie hinter einem zerbrochenen Fenster und beobachtete mit müdem Blick die Straße. Das Dämmerlicht quoll wie graue Suppe in die Stadt und ließ die Konturen verschwimmen. Es war vier Uhr, aber obwohl die Sonne heute erst um acht aufgegangen war verschwand sie bereits wieder hinter den grauen Gebäuden. Sophie fröstelte und zog ihren Mantel enger um ihren leicht rundlichen Körper, der durch das viele Sitzen und die mangelnde Bewegung immer weicher und formloser wurde. Ihr rundes Gesicht das von dünnen, schwarz gefärbten Haaren umrahmt wurde war voll müder Schatten die sie alt wirken ließen, obwohl sie erst 20 war. Die schlammgrünen, Augen folgten den Menschen unten auf dem Bürgersteig, jedoch ohne sie richtig wahrzunehmen.

Sie war mit anderen Gedanken beschäftigt, Gedanken, die sie immer zu verdrängen versuchte, wenn sie in ihr Bewusstsein einfielen. Aber die melancholische und leicht depressive Stimmung,die der kahle, schmutzige, farblose Raum bei ihr hervorrief, waren ein gefundenes Fressen für ihre zu oft vernachlässigten Gefühle. Das Leben als Medizinstudentin war hart, stressig, anstrengend und leider auch ziemlich einsam. Und trotzdem suchte sie immer wieder verlassene, triste Orte auf obwohl sie wusste, dass es ihr nicht gerade zu guter Laune verhalf.

Auch heute war sie, nachdem sie ausgeschlafen und gemütlich gefrühstückt hatte, gleich hierher gefahren und hielt sich seitdem in diesem Raum auf. Sie hatte sich ein Polster mitgenommen, um sich halbwegs bequem hinsetzen und nachdenken zu können. Vielleicht war diese Kargheit, dieser Mangel an Ablenkung das, was sie an diesem Ort so reizte. Hier war genug freier Raum, um den Inhalt ihres Kopfes auszubreiten und systematisch durchzugehen. Denn sie hatte viel Stoff zum Nachdenken.

Zum Beispiel die Tatsache, dass sie anstatt mit anderen Menschen Heiligabend zu verbringen in einem halb abgerissenen Gebäude am Fenster stand und hinaus starrte. Sie würde Weihnachten das erste Mal in ihrem Leben vollkommen alleine sein, obwohl es doch eigentlich ein Fest der Gemeinschaft und Nächstenliebe war. Ihre Freunde waren alle bei ihren eigenen Familien, dort wo sie jetzt auch hätte sein sollen. Aber sie stand hier in einem alten Haus und stalkte fremde Menschen.

Seufzend wandte sich die junge Frau vom Fenster ab und ging in die Mitte des Raumes, wo sie ihr Kissen auf den staubigen Boden gelegt hatte. Sie ließ sich leise ächzend darauf nieder und versuchte innerlich zur Ruhe zu kommen, während in ihrem Kopf ein trauriger Gedanke den anderen jagte. Alleine, alleine an Weihnachten! Und ihre Familie... Das war eine Angelegenheit für sich.

Sie hatte den Kontakt am Anfang des Sommers, gleich nach ihrem Auszug abgebrochen. Denn ihre Eltern hatten ein Leben für sie vorgesehen, dass sie nicht leben wollte, nicht leben konnte. Aber sie war immer noch unsicher, ob sie sie nicht schon lange genug hatte schmoren lassen. Ob sie sich doch wieder versöhnen konnten?

Das Engelchen und das Teufelchen in ihrem Kopf hatten sich die ganze Zeit über ein unermüdliches Wortgefecht geliefert und bisher noch nicht damit aufgehört. „Es war ja nicht deine Schuld"  flüsterte das Teufelchen gerade. „Sie haben es sich selbst zuzuschreiben, sie haben dir damals nicht geholfen! Sie verdienen dich überhaupt nicht" Das Engelchen hingegen sagte sanft: „Sie haben vielleicht nicht ganz richtig gehandelt, aber jeder macht Fehler. Es tut ihnen sicher Leid. Gib ihnen eine Chance!" Aber darauf schoss das Teufelchen eine erneute Antwort und das ganz ging wieder von vorne los.

Sophie bemühte sich, sich nur auf ihren Atem zu konzentrieren, bemerke aber bald, dass alleine ruhig atmen wenig erfolgversprechend war. Also besann sie sich auf die Methoden, die sie irgendwann einmal in einer Zeitschrift gelesen hatte. Ruhig atmen. Okay,das tat sie bereits. Mit jedem Atemzug, entspannen sie ihren Körper. Nun gut. Also, die Arme locker auf den Schoß falten, die Beine im Schneidersitz, der Rücken gerade. Konzentrieren sie sich nur auf ihren Atem. Nehmen sie das Geräusch bewusst wahr. Fühlen sie die Stille. Sophie versuchte es wirklich. Sie bemühte sich mit aller Kraft nichts zu denken und einfach dem gleichmäßigen Geräusch zu lauschen welches sie, laut Zeitschrift, in einen tranceähnlichen Zustand absoluter Gedankenlosigkeit bringen sollte. Und das war vermutlich auch der Grund, warum es nicht funktionierte. Denn immer wenn sie  sich bewusst machte, dass sie die Gedanken einfach nicht beachten sollte, kamen immer mehr und mehr, als wollten sie sie provozieren. Und bei so einer Flut von Worten, Erinnerungen und Bildern nichts festzuhalten und alle einfach vorüberziehen zu lassen war für Sophie, die sowieso schon ein ungeduldiger Mensch war so gut wie unmöglich.

Nach fünf Minuten schlug sie die Augen entnervt wieder auf. Es hatte keinen Sinn. Sie konnte und würde es niemals schaffen, innerlich so weit zur Ruhe zu kommen, dass sie überhaupt nichts mehr dachte. Mit einem resignierten Seufzer erhob sie sich, sammelte das Kissen vom Boden auf und stopfte es, nachdem sie es gründlich abgeklopft hatte, in ihre Sporttasche.
Dann  verließ sie das Gebäude in welchem es mittlerweile sehr dunkel geworden war und trat auf einen kleinen Streifen Kies davor. Sie blickte sie hastig um, ob niemand sie dabei beobachtete, wie sie ein verbotenes Grundstück verließ, auch wenn es den Behörden ziemlich egal zu sein schien, wer ihre Gebäude betrat solange die Betreffenden nichts kaputt machten. Sie überquerte die nur spärlich beleuchtete Straße und setzte sich hinter das Steuer ihres kleinen, alten, aber treuen, dunkelblauen Golf.

Nachdem sie ihre Tasche neben sich auf den Beifahrersitz gelegt, eine CD gewählt und in den Player geschoben hatte, reihte sie sich in den spät–nachmittäglichen Verkehr ein. Obwohl sie sich beim Autofahren konzentrieren musste, schafften es dennoch kleine Bilder und Sätze durch die mentale Mauer zukommen, die sie in ihrem Geist aufgebaut hatte. Sophie fehlten langsam die Kraft und der Wille, sie noch länger aufrechtzuerhalten. Der Damm brach und Gedanken und Gefühle aus ihrer Kindheit erfüllten ihren ermüdeten Geist. Heute war Weihnachten, sie hatte ihre Familie seit dem Sommer nicht mehr gesehen und den Kontakt abgebrochen. Aber gerade jetzt musste sie an das Weihnachten denken, an dem sie sieben gewesen war.

☆▪☆▪☆

„Er wird zu einem Stern so weit, und strahlt in alle Ewigkeit." Mit einem lauten Knall schlägt der Vater das Notizbuch zu und sieht lächelnd, durch seine eckige Brille auf  die beiden Kinder herab, die sich vor ihm auf den Boden niedergelassen haben und bei dem Geräusch kurz zusammen gezuckt sind. Sie sehen ihn erwartungsvoll an, ein freudiges Strahlen in den rundlichen Gesichtern.

„Gibt es jetzt Bescherung?" Fragt das ältere der beiden, ein etwa siebenjähriges Mädchen mit heller Stimme.
„Oh ja, können wir jetzt runtergehen bitte?" fragte der Junge, dem es schon schwergefallen ist während der Geschichte still zu halten und der nun anfängt  auf seinen Füße hin- und her zu schaukeln. Plötzlich verliert er das Gleichgewicht und kippt auf seine Schwester, die erschrocken aufquiekt. Der Vater, ein großer, kräftiger Mann mit kurzem, braunen Haar, lacht und zieht seine Kinder zu sich auf den Schoß. Verschwörerisch flüstert er: „Ich weiß nicht ob das Christkind schon da war. Wir müssen jetzt ganz leise sein und horchen, dann hören wir es vielleicht. Und wenn ein Glöckchen klingelt, dann dürfen wir runter gehen. Okay?"

Die Kinder nicken mit ernster Miene und sitzen dann ganz steif da, um ja nichts zu überhören. Eine Weile ist es ganz still im Zimmer und man hört nur die Geräusche des Hauses. Doch dann dringt ein leises Rumpel und Rascheln aus dem Wohnzimmer nach oben in das Kinderzimmer. Das Mädchen Reißt überrascht die Augen auf. Staunend dreht sie sich zu ihrem Vater um.
„Papi, da ist was im Wohnzimmer!", flüstert sie ehrfürchtig und lauscht noch angestrengter. Ihr hübsches Kindergesicht legt sich dabei in konzentrierte Falten. Auch der Junge, ein kleiner Blondschopf von etwa drei Jahren, der die letzte halbe Stunde ununterbrochen herumgezappelt hat, hat sein Ohr auf den Teppichboden gepresst. Eine kleine Weile liegen, sitzen und knien die drei Personen in dem bunten Raum ohne sich zu rühren. Unten kann man weiter das Rumoren und nun auch Schritte hören. Aber dann... Das Glöckchen klingelt.

Der Junge kann nicht mehr an sich halten und springt auf. Er greift nach der Hand seines Vaters und versucht ihn hochzuziehen, indem er sich mit seinem gesamten Gewicht daran hängt. Auch das Mädchen  hüpft nun unruhig hin und her.
„Kinder", sagt der Vater lachend,"wir müssen doch erst mal auf eure Mutter warten! Die hat noch im Keller zu tun! Und dann können wir gehen, in Ordnung?" Der Junge und das Mädchen nicken, zappeln aber trotzdem unruhig herum. Sie müssen aber nicht lange warten, denn beinahe im gleichen Moment öffnet sich die Tür und eine junge Frau, die ihr braunes Haar zu einem dicken Zopf geflochten hat öffnet die Tür.

„Mama ist da", ruft das Mädchen, so als wollte es ganz sicher sein, dass auch wirklich jeder es mitbekommen hat. „Können wir jetzt endlich runtergehen?", Quengelt der Junge. „Titus! Wir gehen ja gleich. Hör bitte auf zu jammern, sonst darf Sophie ihre Geschenke zuerst auspacken!", mahnt die Mutter lächelnd, aber mit strengem Unterton. Titus verstummt, verzieht aber kurz das Gesicht. Der Vater hat sich mittlerweile erhoben, gibt seiner Frau einen flüchtigen Kuss und wendet sich dann an seine Kinder, die erwartungsvoll zu ihm aufblicken.
„Na, dann kommt ihr kleinen Quälgeister!", seufzt er schicksalsergeben, dann zwickt er seine Tochter liebevoll in die Seite. Sie quietscht auf und rennt lachend durch die Tür, die Treppe herunter, ihr Bruder dicht hinter ihr. Der Mann schenkt seiner Frau ein glückliches Lächeln, dann nimmt er ihre Hand und folgt seinen Kindern zum Wohnzimmer.

☆▪☆▪☆

Bei dieser Erinnerung gab es Sophie einen Stich. Ihre Familie fehlte ihr. Die Zeiten, in denen sie einfach gemeinsam um den Tisch gesessen und Scherze gemacht hatten, sich übereinander lustig gemacht oder über Gott und die Welt diskutiert hatten. Sie hatte die Gedichte ihres Vaters geliebt, die er ihr und ihrem vier Jahre jüngeren Bruder immer an Weihnachten oder abends zu Einschlafen vorgelesen hatte. Aber nicht alle seiner Verse waren für sie gewesen – er hatte auch ihrer Mutter eines geschrieben. Sophie hatte es eines Tages per Zufall in einem Block entdeckt. Es beschrieb die Geschichte ihrer Eltern in vereinfachter Form, aber eigentlich ging es um Vergebung. In ihrem Kopf entfalteten sich die Strophen, so wie sie damals das kleine Stück Papier auseinandergefaltet hatte.

Weihnachtsgeister

Wenn draußen der Himmel dunkelt
und drinnen die Kerzen glüh'n,
und wenn dann im Zimmer Vasen steh'n
in denen die Kirschzweige blüh'n

Wenn die junge Frau alleine isst
den kleinen Baum festlich geschmückt
dann späht er draußen durchs Fenster
das Gesicht an die Scheibe gedrückt.

Mit Haaren aus Liebe und Einsicht,
Vergebung im sanften Gesicht,
Respekt in jeder Hand tragend,
verborgen im goldenen Licht.

Blickt er ihr tief ins Herz,
von dunklen Wolken verhüllt
entdeckt den Mann darin
und sein Blick wird mild.

Der Weihnachtsgeist wirbelt davon
und folgt dem, was sie einst verband
findet ihn– auch einsam Zuhause
berührt sein Herz mit der Hand.

Der dunkle Blick beginnt zu leuchten
er spring tauf, voller Tatendrang,
fährt sofort los zu ihrem Haus,
steht vor der Tür – und zögert lang.

Der Weihnachtsgeist schiebt ihn,
er macht einen Schritt,
klingelt
und zieht sich dann wieder zurück.

Die Schwaden aus Liebe
beobachten stumm
wie sie die Tür öffnet
und fragt:„Warum?"

Er flüstert„Vergib mir"
Sie nennt ihm den Preis.
Er küsst sie.
Da lächelt der Weihnachtsgeist.

Sophie bewegte stumm die Lippen zum Klang der Worte in ihrem Kopf. Sie hatte das Gedicht nicht wieder zurückgelegt. Diese Vorstellung, dass vor ihr und ihrem Bruder etwas anderes gewesen war, dass ihr Eltern irgendwann einmal einfach ein gewöhnliches Paar gewesen waren, war seltsam und zugleich sehr schön.

Sophie war, als sie das Gedicht entdeckt hatte, erst zwölf gewesen. Dieses Bild von ihrer Mutter und ihrem Vater, wie sie im Winter auf der schwelle eines Hauses standen und sich küssten, dass sie trotz eines Streites ihre Liebe wiedergefunden hatten... Es hatte ihr auch später immer geholfen, wenn sie im Bett gelegen hatte und laute Stimmen aus der Küche zu ihrem Zimmer hinaufgedrungen waren, sie hatte immer fest daran geglaubt, dass die Liebe zwischen ihren Eltern stark genug war um so etwas zu überstehen. Und sie hatte bis heute Recht behalten.

Diese Gedanken ließen auch die Sehnsüchte der jungen Frau erneut aufleben. Sie liebte ihre Eltern und ihren Bruder. Und niemand war unfehlbar. Aber... Vielleicht war es ja tatsächlich ein Fehler gewesen einfach den Kontakt abzubrechen? Vielleicht sollte sie anrufen und...Nein.

Sophie schüttelte heftig den Kopf. Sie war eine starke, unabhängige Frau. Sie war besser dran ohne sie. Früher waren ihre Eltern noch andere Menschen gewesen. Sie hatten sich verändert. Aber sie auch. Sie löste eine Hand vom Lenkrad und rieb sich damit über das heiße Gesicht. Das musste endlich aufhören. Entschlossen, sich nicht mehr länger damit zu beschäftigen, schaltete sie den CD-Player aus und das Radio ein.

Augenblicklich erfüllte blecherne Weihnachtsmusik das kleine Auto. Die Melodie von „Winter Wonderland" begleitete die Fahrt ein paar Minuten, bevor sie von der künstlich fröhlichen Stimme eines Moderators abgelöst wurde.
„Und nun meine lieben Hörer, die heute mit mir Heiligabend verbringen, lassen sie mich nun wissen, warum ihre Wahl ausgerechnet auf mich gefallen ist. Oder möchten sie vielleicht noch einen Gruß an einen entfernten Freund richten, oder sich mit Poesie und weisen Sätzen zu diesem Tag der Liebe und Barmherzigkeit äußern? Lassen sie es mich und die andere Hörer wissen, rufen sie mich dazu einfach unter der Nummer an: 0856 123 123123."
Durch die Lautsprecher hörte man ein Telefon klingeln. Sophie hatte überlegt selbst anzurufen, aber es dann doch für interessanter befunden den anderen Menschen bei ihren Geschichten zu lauschen,  die der Moderator gerade ankündigte.

„Und unser erster Anrufer ist bereits in der Leitung! Radio Intocity, hallo?" Am anderen Ende der rauschenden Leitung meldete sich die Stimme eines Mannes. Sophies Herz setzte aus. Sie war so überrascht, nach einem halben Jahr seine Stimme zu hören, das sie beinahe gegen ein Straßenschild fuhr und deshalb am Rand parken musste. So bekam sie auch den Namen nicht mit, mit dem sich der Anrufer vorstellte. Aber sie wusste auch so wer es war. Denn sie kannte diese Stimme bereits seit dem ersten Tag ihres Lebens. Tränen füllten ihre grünen Augen.
„Papa!"

       

Während Sophies Gefühlsausbruch, hatten der Moderator und ihr Vater das Gespräch bereits fortgeführt. Der Vater erklärte gerade den Grund seines Anrufes. „Ich möchte gerne meine Tochter grüßen, die ich sehr... die ich sehr lange nicht mehr gesehen habe." Das kurze Stocken in seiner Stimme hatte ihn verraten. Er vermisste sie.
„Nun, ich weiß nicht ob sie gerade zuhört, aber... ich würde gerne ein Gedicht für sie vorlesen."
Er räusperte sich. „Das Gedicht ist schon älter und heißt: Weihnachstgeister."

Und dann folgte das, was sie schon so gut kannte, schon seit sie zwölf war. Sophie lauschte der belegten Stimme ihres Vaters. Und noch während Wort für Wort vorgelesen wurde, hatte sie das Gefühl, als würden ihr die Verse aus den Lautsprechern mitten ins Herz gehen. Am Anfang lief nur eine einzelne Träne ihre blasse Wange hinab, aber als ihr Vater bei der letzten Strophe angelangt war gab es kein Halten mehr für sie. Das Wasser floss in Sturzbächen über ihr Gesicht und Sophies Körper wurde von heftigen Schluchzern geschüttelt.

Wenn er sie so vermisste, warum hatte er sie dann so gedrängt? Sie so verletzt? Warum hatte er kein Verständnis für ihre Träume gehabt? Es war still geworden in der Leitung, Sophies Vater hatte geendet. Konnte sie ihm endlich vergeben? Aber fast im gleichen Moment realisierte sie, dass es ihr endlich gelungen war. Sie hatte ihm vergeben.

Ihr Vater wandte noch ein leises „Danke"an den Moderator, dann legte er auf. Sophie schaltete das Radio aus. Dann ließ sie sich tief in den Autositz sinken und saß einfach nur da. Was sollte sie jetzt tun? Aber noch während sie sich das fragte, wusste sie bereits die Antwort. Sie würde anrufen. Jetzt. Sie war nicht sicher, ob sie jemals wieder das alte Verhältnis zu ihren Eltern würde aufbauen können. Aber sie liebte sie. Und nur das zählte für den Moment. Sich die Tränen von den Wangen wischend zog sie ihr Handy aus der Tasche. Sie würden es endlich klären. Sie scrollte in den Kontakten zu „Mama & Papa". Es war soweit. Sophie lächelte. Dann drückte sie auf  "wählen".

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