Nelphae-a-toloth ◇ Calad Fain Fangorn
Fangorns weißes Licht
Langsam schritten wir Gimli hinterher, bis Aragorn die Führung übernahm, doch er fand nicht viele Spuren, denn der Boden war trocken und überall lag Laub. Aus diesem Grund ging der Mensch zum Flussufer, denn er glaubte, dass sich unsere Freunde, oder nur einer von ihnen, nah am Wasser gehalten hätte. Kurz darauf kamen wir zum Ufer und in der Tat waren Spuren zu sehen.
»Frohe Kunde!«, rief Aragorn aus, da es sich um die Spuren von Merry und Pippin handelte. Die Spuren waren jedoch um die zwei Tage alt und verschwanden in den Wald, wo es beinahe unmöglich wäre, sie zu verfolgen. Zu viel neues Laub lag herum und der Boden war viel zu hart.
Gimli äußerte Bedenken, dass wir sowie die Hobbits fast keine Vorräte mehr hatten. Wenn wir die wackeren kleinen Burschen nicht bald finden würden, dann könnten wir uns nur mehr zu ihnen setzen und gemeinsam einen Hungertod sterben. Aragorn wandte jedoch ein, dass wir es trotzdem wagen müssten.
Ebendeswegen wanderten wir weiter in den Wald hinein und kamen zu einer felsigeren Gegend. An einer Wand waren treppenähnliche Stufen. Die Sonnenstrahlen brachen durch die Wolken. Der Wald sah nun weniger grau und finster aus.
Wir stiegen die Treppen hinauf.
»Ich bin fast sicher, dass die Hobbits hier hinaufgestiegen sind, doch da sind noch andere Abdrücke, sehr eigenartige, aus denen ich nicht klug werde. Ich bin gespannt, ob von oben etwas sehen können, das uns einen Hinweis auf die Richtung gibt, in der sie weitergegangen sind«, sprach Aragorn, der als letzter die Treppen hinaufgekommen war, dann gesellte er sich zu uns. Nach Osten war der Blick frei, doch auf der Steinplatte gab es keine Hinweise, die uns weiterhelfen konnten.
»Wir haben einen großen Umweg gemacht. Bequemer wären wir hierhergelangt, hätten wir den Großen Strom am zweiten oder dritten Tag verlassen und uns nach Westen aufgemacht«, meinte Legolas und blickte über die Baumgipfel.
»Wir haben aber nicht ahnen können, dass uns unser Weg hierherführt«, wandte ich ein, spähte ebenfalls in die Weite.
»Ja, zum Fangornwald wollten wir gar nicht«, Gimli klang grimmig.
»Und doch sind wir jetzt hier, sind ihm glatt ins Netz gegangen«, bemerkte Legolas an.
Meine Augen erblickten etwas, was ihnen nicht gefiel.
Was...?
»Seht!«, sprach ich alarmierend und entdeckte den alten Mann von gestern, wie er in grauen Lumpen seinen Weg ging.
»Wo? Ich habe keine Elbenaugen«, beklagte Gimli.
»Psst! Sprich leiser!«, warnte Legolas und zeigte hin, da er den Mann auch entdeckt hatte.
»Ja, jetzt seh' ich«, flüsterte Gimli scheu und war Legolas' Finger gefolgt. Unten ging der Alte, und zwar genau den gleichen Weg, den wir genommen hatten.
Ich rief Aragorn zu uns, dann standen wir allesamt versammelt. Wir musterten die geneigte Gestalt. Sie kam immer näher.
Der Mann stützte sich mit einem Stock und sah einem Bettler zum Verwechseln ähnlich. Ein mulmiges Gefühl machte sich in meiner Magengrube breit. Gimli schien dieses zu teilen.
»Deinen Bogen, Legolas! Spann' ihn! Mach' dich bereit! Das ist Saruman. Lass ihn nicht erst zu Wort kommen oder einen Bann auf uns legen! Schieße zuerst!«, der Zwerg klang hysterisch.
Legolas nahm langsam seinen Bogen vom Rücken. Nicht so schnell wie immer, auch legte er keinen Pfeil auf die Sehne.
»Worauf wartest du? Was ist los mit dir?«, fragte der Zwerg mit zischendem Flüsterton.
»Legolas hat recht«, sagte Aragorn ruhig, »Wir können nicht einfach aus dem Hinterhalt einen alten Mann erschießen, was immer wir für einen Verdacht haben. Wartet ab und passt auf!«
Als wäre dies ein Signal gewesen, beschleunigte der alte Mann seine Schritte. Im nächsten Moment war er am Fuß der Felswand angekommen. Reglos stand er da, blickte zu uns nach oben. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, da seine Kapuze und Hut es verdeckten. Nur seine Nasenspitze schaute hinaus.
Ist dies wirklich Saruman?
Hat Gimli recht?
Als die Spannung schon fast unerträglich geworden war, erhob der Mann seine Stimme: »Einen Gruß, Freunde! Ich möchte mit euch reden. Wollt ihr herunterkommen, oder soll ich hinaufsteigen?«, seine Stimme klang sanft, doch ohne eine Antwort von uns zu erwarten, stieg er die Treppe hinauf.
Sofort ging meine Hand zu meinem Messer. Die Hand fest um den Griff eines Wurfmessers geschlossen, stand ich da. Auch wenn Legolas seinen Bogen hielt, vertraute ich keinem Mann, der Sarumans Macht entsprungen sein könnte. Er könnte den blondhaarigen Elben verzaubern.
»Schieß, Legolas!«, drängte Gimli weiter, seine Knöchel traten weiß hervor; fest hielt er seine Axt in der rechten Hand und seine dunklen Augen blitzten.
»Sagte ich nicht, ich will mit euch reden? Leg' den Bogen weg, Herr Elb!«, sprach der Mann.
Bogen und Pfeil fielen Legolas plötzlich aus den Händen. Seine Arme hingen schlaff neben seinem Körper und ich riss meine Augen auf.
»Und du, Meister Zwerg, nimm bitte die Hand vom Axtgriff, bis ich oben bin! Solche Argumente wirst du nicht brauchen. Dasselbe gilt übrigens für die Elbin.«
Gimli zuckte zusammen. Ich fühlte mich so, als ob meine Finger sich am Griff meines Messers verbrannten. Verbrannt, ohne, dass ich eine Hitze gespürt hatte. Meine Hand ließ den Griff los, ein Zischen verließ meinen Mund.
Mein Körper sträubte sich gegen meinen Kopf. Ich fühlte mich aber nicht verändert. Kein Zauber schien auf mir zu liegen, trotzdem strahlte der Mann eine Macht aus, die Magie widerspiegelte.
Schneller, als man von ihm vermutet hätte, stand der Mann vor uns und musterte uns. Abermals grüßte er, danach fragte er, was unsere sonderbare Gruppe im Fangorn zu suchen hätte. Sonderbar und dass sich dahinter eine Geschichte verbergen müsste. Im Anschluss darauf führte er mit Aragorn ein oberflächliches Gespräch über den Fangorn, bis es dem Menschen zu bunt wurde.
»Dürften wir nun deinen Namen erfahren und hören, was du uns zu sagen hast?«, fragte Aragorn. Sein Gesicht war von strenger Miene.
»Was ich euch sagen wollte, hab' ich schon gesagt: Was sucht ihr hier, und was für eine Geschichte habt ihr über euch zu erzählen? Und was meinen Namen angeht?«, der Fremde machte eine lange Pause. Die folgende Stille war undurchdringbar. Erdrückend, doch nicht mit Schrecken gefüllt.
»Mein Name?«, wiederholte der alte Mann, »Habt ihr ihn denn noch nicht erraten? Ich glaube, ihr habt ihn schon oft gehört. Ja, ihr habt ihn schon gehört. Aber nun, was ist mit eurer Geschichte?«
Natürlich schwiegen wir, folglich setzte er fort: »Manchem könnten hier Zweifel kommen, ob euer Geschäft wohl verträgt, dass man darüber spricht. Zum Glück aber weiß ich schon einiges: Ich glaube, ihr folgt den Fußspuren zweier junger Hobbits. Ja, Hobbits! Glotzt nicht so, als würdet ihr das Wort nicht kennen! Ihr kennt es, und ich kenn' es auch. Jedenfalls, sie sind vorgestern hier heraufgestiegen und jemandem begegnet, den sie nicht erwartet hatten. Beruhigt euch das? Und nun wüsstet ihr gern, wohin sie gebracht wurden? Schön, schön, vielleicht kann ich euch Auskunft geben. Doch warum reden wir im Stehen? Wie ihr seht, ist euer Geschäft nicht länger so dringend, wie ihr glaubtet. Machen wir es uns bequem und setzen wir uns!«
Der Alte drehte sich um, kehrte uns seinen Rücken zu. Sofort spürte ich, wie der Bann von meinen Schultern fiel und mein Körper wieder mir gehörte. Sogleich zog ich mein Schwert.
Auch die anderen griffen nach ihren Waffen. Aragorns und mein Schwert klirrten zusammen. Uns allen schien nicht zu gefallen, dass der alte Mann die Kontrolle über uns gehabt hatte.
Uns verzaubert hat!
Den Alten kümmerte es nicht, dass wir nach unseren Waffen griffen. Ruhig bückte er sich und setzte sich auf einen niedrigen, flachen Stein. Dabei ging sein grauer Mantel auf. Darunter kam eine weiße Robe zum Vorschein.
»Saruman!«, brüllte Gimli und stürmte mit der Axt auf ihn los, »Sprich! Sage uns, wo du unsere Freunde versteckt hältst. Was hast du mit ihnen gemacht? Sprich, oder ich hacke dir einen Riss in den Hut, den auch ein Zauberer nicht so leicht wieder flicken kann!«
Doch bevor der Zwerg den Mann erreichen konnte, stand er auf und überragte uns. Seine graue Robe fiel beiseite, dann hob er seinen Stock. Gimlis Axt fiel klirrend zu Boden.
Aragorns Hand mit dem Schwert erstarrte und die Klinge leuchtete jäh auf. Ich spürte, wie meine Hand verkrampfte, dann fiel mein Schwert klirrend zu Boden. Legolas' Pfeil flog hoch in die Luft, wo er sich in einen flammenden Blitz auflöste. Auch der Zauberer blickte in den Himmel. Plötzlich erkannte man sein Gesicht.
»Mithrandir!«, rief Legolas aus, glaubte seinen Augen nicht. Auch ich konnte ihnen nicht trauen und schaute perplex zu unserem Gegenüber. Ein Gegenüber, das in der Tat Gandalf war.
»Mithrandir...«, murmelte ich mehr recht und vergaß, dass mein Schwert zu meinen Füßen lag.
Wie...?
»Gruß an euch, Legolas und Lithil«, sprach Mithrandir.
Immer noch starrte ich ihn an. Sein Haar war weiß wie Schnee, sowie sein Gewand. Die Augen unter seinen dichten Brauen waren scharf, wie eh und je. Sie funkelten wie Sonnenschein. Seine Augen musterten uns, wie wir schockiert und erfreut zugleich vor ihm standen.
Aragorn fasste sich als Erster wieder und erhob seine Stimme: »Gandalf! Unverhofft bist du wieder da in der Not! Was hatte ich für Schuppen vor den Augen?«
Gimli neben ihm sagte nichts. Die Worte schienen ihm zu fehlen und er starrte auf den Boden.
»Gandalf?«, sprach der Zauberer. Er dachte über den Namen nach, »Ja, dies war der Name, den ich gebraucht habe.«
Er vom Felsblock herunter und warf sich seinen grauen Mantel wieder um die Schulter, »Ja, ihr könnt immer noch Gandalf zu mir sagen. Blicke auf, mein guter Gimli! Kein Vorwurf trifft dich und mir ist ja auch nichts geschehen. Überhaupt, Freunde, keiner von euch hat eine Waffe, die mich verwunden könnte. Kopf hoch! So treffen wir uns wieder - jetzt, wo das Blatt sich wendet. Der große Sturm kommt noch, aber das Blatt wendet sich schon.«
Mithrandir legte Gimli die Hand auf die Schulter. Der Zwerg schaute auf und musste plötzlich lachen.
»Gandalf!«, sagte er, »Aber du bist ja ganz in Weiß!«
»Ja, ich bin jetzt weiß. Ich bin tatsächlich Saruman, könnte man fast sagen. Saruman, so wie er hätte sein sollen. Aber los, nun erzählt mir von euch! Ich bin durch Feuer und tiefes Wasser gegangen, seit wir uns trennen mussten. Vieles von dem, was ich zu wissen glaubte, hab' ich vergessen und vieles neu erfahren, das ich vergessen habe. Vieles, das in weiter Ferne liegt, kann ich sehen und vieles, das zum Greifen nahe ist, kann ich nicht sehen. Erzählt mir von euch!«, verlangte er und mir kam es so vor, als ob Gandalf an einem Ort gewesen war, den ich mir nicht vorzustellen vermochte.
Aragorn fragte, was Gandalf wissen wollte. Der Magier wollte alles wissen. Natürlich wäre die ganze Geschichte zu lange gewesen, weswegen Aragorn zuerst nach den Hobbits fragte, ob Mithrandir sie gefunden hatte.
»Ich habe sie nicht gefunden. Über den Tälern der Emyn Muil lag eine Dunkelheit und von ihrer Gefangenschaft erfuhr ich erst durch den Adler.«
»Wir haben einen Adler gesehen«, erhob ich meine Stimme, »Das letzte Mal vor drei Tagen, über den Emyn Muil.«
»Ja, das war Gwaihir, der Windfürst, der mich vom Orthanc gerettet hat. Ich schickte ihn voraus; er sollte den Strom überwachen und mir Nachrichten bringen. Sein Auge ist scharf, doch nicht alles kann er sehen, was unter Berg und Baum geschieht. Manches hat er gesehen und anderes habe ich selbst gesehen. Der Ring ist nun außer Reichweite meiner Hilfe, und auch kein anderer der Gefährten, die mit uns von Bruchtal auf die Reise gegangen sind, kann etwas für ihn tun. Um ein Haar wäre er dem Feind enthüllt worden, aber er ist entkommen. Ich hatte Anteil daran, denn ich befand mich an einem hohen Ort und stritt mit dem Dunklen Turm. Dann war ich entsetzlich müde und lief lange umher, in finstere Gedanken versunken«, erklärte Gandalf, doch er wusste ebenso wenig von Frodo wie wir. Er wusste nur, dass er allein nach Mordor ging, doch Legolas erwiderte, dass Sam mit ihm gegangen war. Diese Nachricht erfreute den Zauberer.
»Das müsst ihr mir noch ausführlicher erzählen. Kommt, setzt euch zu mir und berichtet mir von eurer Fahrt!«
Wir ließen uns nieder. Zuvor verstauten wir unsere Waffen, darauf erzählte Aragorn unsere Geschichte.
Gandalf sagte zu Anfang nichts. Er hatte seine Hände ruhig auf seinen Beinen liegen. Er nickte gelegentlich, blickte uns aus weisen Augen an. Infolgedessen erhob er das Wort und erzählte, dass er von Galadriel erfahren hatte, dass Boromir in Gefahr gewesen war. Auch sagte er, dass die beiden Hobbits im Fangorn wären und zu Saruman, dass er nicht nahe seiner Burg erwischt werden sollte, wenn die Dämme brechen. Was er damit meinte, erklärte er nicht.
»In einem hast du dich nicht verändert, lieber Freund. Noch immer sprichst du in Rätseln.«, Aragorn sah Gandalf an.
»Was soll ich also sagen? In aller Kürze, um dir möglichst deutlich zu machen, wie ich die Dinge sehe, die Lage ist so: Der Feind weiß natürlich schon lange, dass der Ring unterwegs ist und dass ein Hobbit ihn trägt. Er kennt nun die Zahl der Gefährten, mit denen wir von Bruchtal aufgebrochen sind, und weiß, welcher Art jeder von uns ist. Aber unsere Absicht hat er noch nicht klar erkannt. Er nimmt an, dass wir alle nach Minas Tirith gehen, denn das täte er an unserer Stelle. Und nach allem, was er weiß, wäre dies ein schwerer Schlag für ihn. Ja, er ist in höchster Besorgnis, denn er weiß nicht, welcher Mächtige plötzlich auftreten, den Ring gegen ihn gebrauchen und ihn bekriegen könnte, mit der Absicht, ihn niederzuwerfen und seinen Platz einzunehmen. Dass wir die Absicht haben könnten, ihn niederzuwerfen und niemanden an seinen Platz zu setzen, ist ein Gedanke, der nicht in seinen Kopf geht. Und dass wir versuchen könnten, den Ring zu vernichten, fällt ihm in seinen bösesten Träumen nicht ein. Woran ihr sehen werdet, welch ein Glück wir haben und welche Hoffnung. Denn da er Krieg erwartet, hat er den Krieg gleich selbst entfesselt, in dem Glauben, er habe keine Zeit zu verlieren, denn wer den ersten Schlag führt, braucht vielleicht, wenn der Schlag hart genug ist, keinen zweiten mehr zu führen. Also setzt er nun die Streitkräfte, die er seit langem aufstellt, früher als beabsichtigt in Marsch. Der Narr!«, dann erklärte er, dass, wenn Sauron seine ganzen Streitkräfte für Mordor benutzen würde, wir keine Chance hätten, Frodo keine Chance hätte.
Saurons Blick geht nach Minas Tirith.
»Ist denn Saruman kein Verräter?«, fragte Gimli.
»Doch«, erwiderte Gandalf, »und sogar ein doppelter. Und ist es nicht seltsam? Nichts, das wir in letzter Zeit erleiden mussten, hat uns schmerzlicher getroffen als Isengards Verrat. Selbst als Fürst und Kriegsherr ist Saruman inzwischen sehr stark. Er bedroht die Menschen von Rohan, sodass sie Minas Tirith nicht zu Hilfe kommen können, wenn der Hauptschlag von Osten näher rückt. Aber Verrat ist eine gefährliche Waffe - auch für die Hand, die sie führt. Saruman hatte im Sinn, den Ring für den eigenen Gebrauch an sich zu bringen oder wenigstens ein paar Hobbits in die Hände zu bekommen, die zu seinen üblen Absichten dienlich sein könnten. So haben unsere Feinde zusammen nur erreicht, dass Merry und Pippin mit unglaublicher Schnelligkeit und genau im rechten Augenblick zum Fangorn befördert wurden, wo sie sonst nie hingekommen wären. Außerdem sind die Feinde nun voller Zweifel, die ihre Pläne stören. Von der Schlacht hier wird keine Nachricht nach Mordor gelangen, dank den Reitern von Rohan, doch weiß der Dunkle Herrscher, dass zwei Hobbits in den Emyn Muil gefangen genommen und gegen den Willen seiner Diener nach Isengard verschleppt wurden. Er hat nun Isengard ebenso wie Minas Tirith zu fürchten. Wenn Minas Tirith fällt, wird es Saruman übel ergehen.«
Mun verstand ich, dass die Entführung der Hobbits doch eine gute Seite hatte, wenn man von den Schrecken absah.
Gandalf erzählte weiter, dass Saruman so sehr einen Angriff von Rohan befürchtete, dass er vergaß, dass im Osten die Gefahr wuchs. Auch lüftete der Zauberer das Rätsel über das Flugtier, welches Legolas am Großen Strom abgeschossen hatte. Es war ein Nazgûl gewesen, doch der Elb hatte nur das Reittier und nicht den Ringgeist abgeschossen.
»Er hat auch Baumbart vergessen«, meinte Gandalf. Ich hob meine Brauen.
Baumgart?
»Jetzt sprichst du wieder mit dir selbst«, erwiderte Aragorn lächelnd, »Einen Baumbart kenne ich nicht. Und worin Sarumans doppelter Verrat besteht, habe ich nun halbwegs begriffen, nicht aber, wozu es gut sein soll, dass die zwei Hobbits in den Fangornwald kamen, abgesehen von der langen und ergebnislosen Hetzjagd, zu der es uns gezwungen hat.«
»Moment 'mal!«, rief Gimli, »Da ist noch etwas, das ich gern wüsste. Warst du es, Gandalf, oder war es Saruman, den wir gestern Nacht gesehen haben?«
»Mich habt ihr mit Sicherheit nicht gesehen, also muss ich annehmen, dass es Saruman war. Offenbar sehen wir uns so ähnlich, dass deine böse Absicht, mir den Hut zu zerfetzen, entschuldigt werden muss.«
»Schon gut!«, Gimli zuckte mit den Schultern, »Ich bin nur froh, dass du es nicht warst.«
»Ja, mein lieber Zwerg, es ist doch ein Trost, sich nicht in jeder Hinsicht geirrt zu haben. Als ob ich selbst das nicht allzu gut wüsste! Aber natürlich hab' ich dir die Art deiner Begrüßung nicht übelgenommen. Wie könnte ich, da ich doch so oft meinen Freunden empfohlen habe, selbst der eigenen Hand nicht zu trauen, wenn sie mit dem Feind zu tun haben. Gelobt sollst du sein, Gimli Glóinssohn! Vielleicht siehst du Saruman und mich eines Tages zusammen und kannst uns dann unterscheiden.«
»Aber was ist nun mit den Hobbits?«, unterbrach Legolas die beiden.
»Sie sind bei Baumbart und den Ents«, antwortete Gandalf.
»Den Ents!«, Aragorn war überrascht, »Also ist etwas Wahres an den alten Sagen von den riesenhaften Baumhirten, die tief in den Wäldern wohnen? Gibt es noch Ents auf der Welt? Ich dachte, sie seien nur noch eine Erinnerung aus alten Zeiten, wenn nicht überhaupt nur eine Sage aus Rohan.«
»Keine Sage aus Rohan«, unterbrach ich Aragorn, »Das Elbenvolk im Wilderland hat schon viele Lieder über die alten Onodrim und ihren langen Kummer gesungen. Für uns Elben sind sie aber auch nur mehr eine Erinnerung. Baumbart bedeutet übersetzt nur Fangorn, doch es scheint mir, als ob er ein richtiges Wesen wäre, wie du von ihm sprichst, Gandalf«, endete ich und der Zauberer lachte.
»Viel willst du wissen, Lithil. Das Wenige, was ich dir über seine lange und langatmige Geschichte erzählen kann, erfordert schon mehr Zeit, als wir jetzt haben. Baumbart ist Fangorn, der Hüter des Waldes. Er ist der älteste der Ents, das älteste Lebewesen, das in Mittelerde noch unter der Sonne wandelt. Merry und Pippin sind ihm begegnet, und zwar hier, wo wir nun sitzen. Vor zwei Tagen ist er hierhergekommen und hat sie davongetragen zu seiner Halle, weit von hier, am Fuß des Gebirges. Vor vier Tagen hab' ich ihn gesehen, wie er durch den Wald ging und ich glaube, er hat auch mich gesehen, denn er ist stehengeblieben, aber ich habe nichts gesagt, denn ich war in Gedanken und noch müde von meinem Kampf mit dem Auge von Mordor. Er hat auch nichts gesagt und mich nicht beim Namen gerufen.«
Gimli warf ein, dass Baumbart vielleicht auch gedacht hatte, dass es Saruman war. Gandalf sagte darauf nichts und antwortete auf Gimlis nächste Frage, ob Baumbart gefährlich war, dass jeder gefährlich sein könnte, alle, sogar wir, die hier saßen. Infolgedessen sagte er, dass Fangorn von Zorn erfüllt war.
Ein Zorn, welcher bald überbrodeln wird.
»Etwas wird geschehen, das es seit den Ältesten Tagen nicht mehr gegeben hat: Die Ents werden erwachen und merken, wie stark sie sind«, meinte der Zauberer und machte eine ausschweifende Handbewegung. Immer noch saßen wir hier. Die Sonne stand hoch am Himmel.
»Was werden sie tun?«, fragte Legolas und seine blauen Augen wirkten neugierig.
»Ich weiß es nicht. Ich glaube, sie wissen es selbst nicht. Ich bin gespannt«, antwortete der Zauberer, dann schwieg er und senkte nachdenklich den Kopf. Einige Atemzüge vergingen, bis er wieder aufblickte und, ohne zu blinzeln, in die Sonne starrte, »Es geht schon auf Mittag zu. Wir müssen bald fort.«
Aragorn fragte, ob wir die Hobbits abholen würden.
»Nein. Das ist nicht der Weg, den ihr zunächst einschlagen müsst. Ich habe von Hoffnung gesprochen, aber nur von Hoffnung. Hoffnung ist nicht der Sieg. Uns allen steht Krieg bevor, ein Krieg, in dem nur der Gebrauch des Rings uns die Gewissheit geben könnte zu siegen. Es schmerzt und ängstigt mich sehr, denn vieles wird darin zunichtewerden und vielleicht geht alles verloren. Ich bin Gandalf, Gandalf der Weiße, aber noch ist der Schwarze mächtiger.«
Nach seiner Ansprache, die nur Wahrheit beinhaltete, stand er auf und blickte nach Osten.
»Komm, Aragorn, Arathorns Sohn! Bereue nicht, wofür du dich in den Emyn Muil entschieden hast und sprich nicht mehr von einer vergeblichen Hetzjagd. In Ungewissheit, welcher Weg der richtige sei, musstest du wählen, und deine Wahl war gut und hat ihren Lohn gefunden. Denn so sind wir uns rechtzeitig begegnet und nicht erst, wenn es vielleicht zu spät wäre. Doch die Fahrt ist nun vorüber und die Gefährten sind zerstreut. Deinen nächsten Weg zeigt dir das gegebene Wort. Du musst nach Edoras gehen und Théoden in seiner Halle aufsuchen, denn du wirst gebraucht. Andúril muss jetzt in den Schlachten leuchten, auf die es so lange gewartet hat. In Rohan ist Krieg und was noch schlimmer ist: Es steht nicht gut um Théoden.«
»Also werden wir die Hobbits nicht wiedersehen?«, fragte Legolas. Sein Haar schimmerte golden in der Mittagssonne.
»Das hab' ich nicht gesagt. Wer weiß? Habt Geduld! Geht den Weg, den ihr geh'n müsst und verliert nicht die Hoffnung! Nach Edoras! Dorthin gehe auch ich«, war die Antwort des Zauberers.
Immer noch konnte ich nicht glauben, dass er wahrhaftig vor uns stand.
»Das ist ein weiter Weg, der zu Fuß geht. Ich fürchte, die Schlacht wird längst aus sein, bevor ich da bin«, sprach Aragorn seine Bedenken aus, da unsere Pferde fortgelaufen waren.
»Werden wir seh'n, werden wir seh'n«, Gandalfs Stimme klang geheimnisvoll, »Wollt ihr nun mit mir kommen?«
»Ja, wir brechen zusammen auf«, sagte Aragorn, »Doch habe ich keinen Zweifel, dass du vor mir dort sein kannst, wenn du es willst.«, danach stand er auf und sah Gandalf lange an. Ich betrachtete die beiden, wie sie sich gegenüberstanden: Aragorn, Arathorns Sohn, groß und streng, wie eine Statue der Könige, und vor ihm stand ein alter Mann, weiß schimmernd, wie von einem inneren Licht ausgehend. Zwar trug der Zauberer eine Macht inne, die die eines Königs um Längen überstieg, trotzdem waren die beiden wie Tag und Nacht.
»Wir alle werden dir folgen«, sprach Legolas bestimmt, erhob sich. Auch ich stand auf, darauf setzte der Elb fort: »Doch vorerst, Gandalf, würde es mich erleichtern zu erfahren, was dir in Moria zugestoßen ist. Willst du es uns nicht erzählen? Kannst du nicht wenigstens lange genug bleiben, um deinen Freunden zu berichten, wie du gerettet wurdest?«
»Ich habe mich schon zu lange aufgehalten. Die Zeit ist knapp, aber selbst, wenn wir ein Jahr Zeit hätten, würde ich euch nicht alles erzählen.«, Gandalf sah Legolas ruhig entgegen.
»Dann erzähle, was dir beliebt und was die Zeit erlaubt!«, meinte Gimli und war nun ebenfalls auf seinen kurzen Beinen, »Komm, Gandalf, wie ist es dir mit dem Balrog ergangen?«
»Nenne das Unding nicht beim Namen!«, fuhr er in die Höhe, über sein Gesicht zogen dunkle Schatten. Die Erinnerung an die dunkle Zeit schien über ihn einzubrechen, dann sprach er weiter: »Lange bin ich gestürzt und es stürzte mit mir. Sein Feuer war um mich und sengte mich, dann fielen wir ins tiefe Wasser und alles war dunkel. Kalt war es wie der Tod, sodass mir fast das Herz stehenblieb.«
»Tief ist der Abgrund, den Durins Brücke überspannt, und niemand hat ihn je ausgemessen«, erklärte Gimli.
»Und doch hat er einen Grund, jenseits allen Lichts und Wissens, und dort kam ich schließlich an. Es war noch immer bei mir, sein Feuer war erstickt, doch nun war es ein schleimiges Untier, stärker als eine Würgeschlange. Dort, tief unter der belebten Erde, wo die Zeit nicht gezählt wird, kämpften wir miteinander. Immer wieder umklammerte es mich und immer wieder hieb ich auf es ein, bis es schließlich in dunkle Stollen entfloh. Meine einzige Hoffnung in dieser verzweifelten Lage war das Unwesen, und ihm blieb ich auf den Fersen. So brachte es mich schließlich wieder in die geheimen Gänge von Khazad-dûm. Immer weiter hinauf kamen wir, bis an die endlose Treppe. Vom tiefsten Verlies führt sie zum höchsten Gipfel hinauf und oben sah ich ein einsames Fenster in den Schnee hinaus. Davor lag ein schmaler Sims, ein Adlerhorst, doch lange blieb mir keine Zeit, es mir anzusehen. Das Unwesen kam und wir lieferten uns einen Kampf, dass die Wolken in den Höhen blitzten. Donner und Lichter schossen umher, folgend gelang es mir, das Unwesen zu Fall zu bringen. Es stürzte hinab und ich wurde müde. Danach begann eine Zeit, in der ich hier war und wieder nicht. Neu geboren wurde und als ich mich selbst wiederfand, eher hat mich Gwaihir, der Windfürst, gefunden. Er hob mich auf und trug mich davon. 'Schon wieder muss ich dir zur Last fallen, mein Freund in der Not', sagte ich.«
Dann erzählte Mithrandir, dass sein Weg ihn nach Lórien geführt, er dort etwas verweilt hatte. Kurz darauf endete er mit seiner Geschichte, »Kommt nun! Ein Wiedersehen unter Freunden, die lange getrennt waren, ist schön, aber zeitraubend. Nun ist Eile geboten.«
Mithrandir schlang seinen grauen Mantel enger um sich und wanderte los.
Rasch stiegen wir von der Felsplatte. Zusammen marschierten wir durch den Wald zurück zum Ufer der Entwasser. Wir kamen auf die Wiese am Waldsaum, aber von unseren Pferden war nichts zu sehen.
»Sie sind nicht zurückgekommen. Das wird ein langer Marsch«, beklagte der Elb neben mir. Ich konnte nur zustimmen.
»Ich gehe nicht zu Fuß, die Zeit drängt«, erwiderte der Zauberer, dann stieß er einen langen Pfiff aus. Dreimal pfiff er, folglich hörte man von weither ein Wiehern.
»Es kommt nicht nur ein Pferd«, sagte Aragorn, der mit dem Ohr am Boden horchte.
»Selbstverständlich«, lachte Gandalf, »Eines könnte nicht uns alle tragen.«
»Es sind vier«, meinte Legolas und spähte über die Ebene, »Seht nur, wie sie rennen! Da ist Hasufel, Maiden und neben ihnen mein Freund Arod! Doch ihnen voraus kommt ein anderes, ein sehr großes Pferd. Nie hab' ich seinesgleichen gesehen!«
Meine Augen musterten das weiße Pferd mit Erstaunen. Majestätisch galoppierte es voran.
Das ist zweifelsohne das Pferd des Weißen.
Kurz darauf kam der große Hengst den Hang heraufgetrabt; sein Fell glänzte, und seine Mähne wehte im Gegenwind. Die anderen Pferde folgten ihm, und als der Hengst Gandalf sah, fiel er in langsameren Trab und wieherte erfreut. Er schritt zu ihm heran. Der Zauberer klopfte ihm gegen den Hals, was dem Pferd zu gefallen schien.
»Das war ein weiter Weg von Bruchtal, mein Freund, doch du bist ja ein kluges und schnelles Tier und kommst, wenn man dich braucht. Weit werden wir nun zusammen gehen und uns in dieser Welt nicht mehr trennen«, im nächsten Augenblick kamen die anderen Pferde heran, »Wir müssen sofort nach Meduseld, zur Halle Théodens, eures Herrn«, erklärte Gandalf den Pferden und diese neigten die Köpfe, »Die Zeit drängt, darum, wenn ihr gestattet, Freunde, werden wir reiten. Bitte, lauft so schnell ihr könnt! Hasufel soll Aragorn tragen, Arod trägt Legolas und Maiden Lithil. Gimli setzt sich vor mich, wenn Schattenfell so gut sein will, uns beide zu tragen.«
»Zum Teil versteh' ich nun das Rätsel von letzter Nacht«, merkte Legolas an, als er gewandt auf Arods Rücken sprang. Ich saß auf Maiden und musterte meinen Freund neben mir.
»Ob die Pferde nun zuerst vor Angst geflohen waren oder nicht, jedenfalls sind unsere Pferde dann Schattenfell, ihrem Häuptling, begegnet und haben ihn freudig begrüßt«, sprach er weiter und blickte zu Gandalf, »Wusstest du, dass er in der Nähe war, Gandalf?«
»Ja, ich wusste es. Ich hatte meinen Sinn nach ihm ausgestreckt und ihn gebeten, sich zu beeilen, denn gestern war er noch weit im Süden des Landes. Schnell wird er mich wieder dort hintragen.«
Anschließend sprach Mithrandir zu Schattenfell. Dieser trabte los. Es war ein flotter Trab, aber die anderen Pferde konnten problemlos mithalten.
Nach kurzer Zeit bog er zur Seite ab, durchwatete den Fluss und führte uns nach Süden in die weite Ebene hinein. In Wellen wehte der Wind über die endlosen Wiesen hinweg und die Wolken hatten sich am Himmel aufgetan.
»Schattenfell hält geradewegs auf Théodens Hallen am Fuß des Weißen Gebirges zu. So kommen wir am schnellsten hin.«
Viele Stunden ritten wir durchs Land. Oft stand das Gras so hoch, dass es uns bis zu den Knien reichte. Wir kamen an vielen Tümpeln vorbei und an weiten Feldern, doch Schattenfell fand immer einen Weg. Langsam ging die Sonne im Westen unter; der rote Feuerball sank ins endlose Gras.
»Dort liegt die Pforte von Rohan. Nun fast genau westlich von uns. In der Richtung liegt Isengard.«
»Dort ist eine große Rauchwolke«, bemerkte ich an, »Was mag das sein?«
»Kampf und Krieg!«, sagte Gandalf bedacht, »Reitet zu!«
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