Nelphae-a-eneg ◇ Éomer, ion Éomund
Éomer, Éomunds Sohn
Erstaunlich schnell rissen die Reiter ihre Pferde herum und kamen in geordneten Reihen zurück. Ein paar von ihnen schienen erschrocken zu sein, doch ihre strengen Gesichter verdeckten dies allzu gut. Im im nächsten Moment entdeckten sie zu uns, ritten einen Kreis. Ein paar ritten auf den Hang hinter uns und zogen den Kreis fortlaufend enger zusammen, sodass wir näher zusammenrückten. Dass Gimli dies nicht gut fand, nun, es war offensichtlich. Aragorn stand jedoch nur schweigend in der Mitte, während ich mich fragte, wie das Ganze wohl ausgehen würde.
Ohne ein Kommando zu hören, hielten die Reiter plötzlich an. Ein Wall von Speeren starrte uns entgegen. Ein paar Reiter hatten ihren Bogen gespannt, bereits einen Pfeil auf der Sehne liegen. Alle Blicke lagen auf uns und ich vernahm jene als Drohungen.
Die Reiter, denen ich zurück in die Augen blickte, wandten den Blick nicht ab, obwohl ich ganz genau sah, dass sich einige wunderten, welche Konstellation unsere Gruppe hatte. Zwei Elben, ein Zwerg und ein Mensch, wobei viele von ihnen sicher noch keine Frau mit Waffen gesehen hatten. Beim Aufstehen hatte ich meine Kapuze zurückgeschlagen und frischer Wind wehte um meine Ohren, die mir von Sekunde zu Sekunde immer spitzer vorkamen.
Meine Augen sahen hin und her, Entkommen war aussichtslos. Von allen Seiten konnte ich die schönen Speerspitzen der Reiter bewundern, wenn ich auch in diesem Moment gerne auf dies Angebot verzichtet hätte.
Lange musste ich die Spitzen jedoch nicht mustern, denn im nächsten Augenblick kam ein Reiter aus den Reihen angeritten. Er war größer als die anderen und sein Pferd hatte einen weißen, langen Schweif. Ein Speer war gegen Aragorns Brust gerichtet. Einen Fuß vor dessen Brust hielt er an. Die Spitze funkelte vor ihm, doch Aragorn rührte sich noch immer nicht.
Ich bewundere seine Ruhe.
»Wer seid ihr und was treibt ihr in diesem Land?«, fragte der Reiter in der Gemeinsamen Sprache des Westens. Seine Aussprache und Redeweise waren ganz wie bei Boromir und den Menschen aus Gondor. Seine Stimme war laut, streng und aus hellen Augen sah er den Menschen vor ihm an.
»Man nennt mich Streicher«, erwiderte Aragorn ruhig, »Ich komme aus dem Norden. Ich jage Orks.«
Der Reiter stieg von seinem Pferd ab, überreichte seinen Speer einem von seinen Männern, der ebenfalls abgesessen war. Der Anführer zog sein Schwert, trat Aragorn gegenüber, dann musterte er ihn eingehend. Er war von Aragorns Auftreten absolut nicht beeindruckt.
Nach einer Weile erhob er seine Stimme: »Auf den ersten Blick dachte ich, dass ihr selbst Orks seid, doch jetzt sehe ich, dass dem wohl nicht so ist«, seine Augen verengten sich, »Ihr kennt die Orks sogar sehr schlecht, wenn ihr glaubt, sie auf dieser Weise jagen zu können. Sie waren fixe Burschen, gut bewaffnet und nicht wenige. Der Jäger wäre schnell zum Wild geworden, hättet ihr sie je eingeholt. Aber an euch ist etwas Fremdartiges, Streicher.«
Der Reiter begutachtete den Menschen vor ihm noch einmal und sprach fort: »Was für ein Name, so heißt doch kein Mensch! Und fremdartig ist auch eure Kleidung. Seid ihr plötzlich aus dem Boden gewachsen? Wie konntet ihr unseren Blicken entgehen? Seid Ihr vom Elbenvolk?«
»Nein«, erwiderte Aragorn ruhig, »Nur zwei von uns sind Elben, Legolas und Lithil aus dem Elbenreich im fernen Düsterwald.«
Aragorn deutete mit seinem Kopf in Legolas' und meine Richtung. Der Blick des Elbs war streng auf die Reiter gerichtet und in dem stand ich ihm in nichts nach. Ich sah dem Rohirrim entgegen, dessen Augen uns alle intensiv musterten.
»Aber wir sind durch Lothlórien gekommen und die Geschenke und die Gunst der Herrin begleiten uns«, erklärte Aragorn.
Der Anführer schien ein wenig erstaunt zu sein, doch seine Stimme klang weiterhin streng: »Also gibt es tatsächlich eine Herrin des Goldenen Waldes, wie in alten Geschichten berichtet wird. Wenige nur entkommen ihren Netzen, heißt es. Dies sind seltsame Zeiten! Aber wenn ihr bei der Herrin in Gunst steht, seid ihr vermutlich ebenfalls Netzspinner und Hexenmeister«, äußerte er seine Verschwörungen, wandte sich uns anderen zu, »Warum sagt ihr nichts, seid ihr stumm?«, fragte er eisig.
Legolas warf mir einen strengen Blick zu. Er wusste ganz genau, dass ich nicht mit hohen Leuten reden konnte, wenn diese mir unhöflich über den Weg kämen, doch wie es eben kommen musste, übernahm Gimli für mich meine Hitzköpfigkeit.
Der Zwerg stellte sich breitbeinig vor den Reiter hin, die Hand am Griff seiner Axt. Seine dunklen Augen funkelten.
»Sag' mir erst deinen Namen, du Pferdeherr, dann sag' ich dir meinen und noch mehr«, sprach er grimmig und ich schenkte ihm Anerkennung meinerseits, da ich es auch so getan hätte.
Ein Hoch auf dich, Gimli.
»Was dies angeht«, erklärte der Reiter und blickte auf den Zwerg hinab, »So sollte der Fremde sich zuerst zu erkennen geben. Doch ich heiße Éomer, Éomunds Sohn, und man nennt mich den Dritten Marschall der Riddermark.«
»Dann, Éomer Éomundssohn, Dritter Marschall der Riddermark, lass dich von Gimli Glóinssohn, dem Zwerg vom Einsamen Berg, vor dummen Sprüchen warnen! Du redest schlecht von einer Dame, die weit schöner ist, als du dir vorzustellen vermagst und nur dein Unverstand kann dich entschuldigen«, ging der Zwerg den Menschen an, um Galadriel zu verteidigen.
Die Augen Éomers blitzten auf. Zorniges Geraune ging durch die Reihen der Reiter und sie drängten sich, mit gezogenen Speerspitzen, näher heran.
»Ich würde dir den Kopf herunterhauen, werter Herr Zwerg, mitsamt Bart und allem, wenn er nur ein wenig höher über'm Boden stünde«, spottete Éomer, blickte im Stehen auf Gimli herab, der ihm nicht einmal bis zur Schulter reichte.
»Er steht nicht allein!«, erwiderte Legolas plötzlich und schneller, als man es realisieren konnte, hatte er den Bogen gespannt. Ein Pfeil auf dessen Sehne.
Und dann meint er, dass ich nicht überreagieren soll, ging es mir durch den Kopf und erstaunlicherweise war ich ruhig.
Ich sah zwar die Bedrohung, die vielen auf uns gerichteten Pfeilspitzen, doch ich war mir sicher, dass der Pferdeherr sein Leben behalten wollte. Ein Fazit, was ihn aber nicht daran hinderte, hitzköpfig zu sein.
Éomers Augen starrten auf die Pfeilspitze vom Elbenprinzen, folglich sprach Legolas fort: »Tot wärest du, ehe dein Streich fällt.«
Der Reiter hob sein Schwert und keiner auf beiden Seiten schien zu stoppen sein. Wahrscheinlich wäre es übel ausgegangen, doch Aragorn sprang dazwischen und hob die Hand.
»Verzeih, Éomer!«, rief er, »Wenn du mehr erfahren hast, wirst du verstehen, warum du meine Gefährten erzürnt hast. Wir führen nichts Böses gegen Rohan oder einen seiner Bewohner im Schilde, ob Mensch oder Pferd. Willst du uns nicht erst anhören, bevor du die Waffen sprechen lässt?«
»Das will ich«, erwiderte Éomer, senkte die Klinge langsam, mit Bedacht, »Doch wären Wanderer in der Riddermark gut beraten, wenn sie sich in diesen ungewissen Tagen weniger hochfahrend zeigten. Sag' mir zuerst deinen wahren Namen!«
»Zuerst sag' du mir, wem du dienst!«, verlangte Aragorn, »Bist du Saurons, des Dunklen Herrn von Mordor Freund oder Feind?«
»Ich diene nur dem König der Mark, Théoden, Thengels Sohn. Dem Herrn des fernen Schwarzen Landes dienen wir nicht, doch stehen wir auch noch nicht in offenem Krieg mit ihm. Wenn ihr vor ihm auf der Flucht seid, verlasst lieber dieses Land. Wir haben jetzt Unruhe an allen Grenzen und sehen uns bedroht, doch wünschen wir nur frei zu sein und weiter so zu leben, wie wir immer gelebt haben, und unseren Besitz zu wahren. Wir dienen keinem fremden Herrn, sei er gut oder böse. In besseren Zeiten haben wir Gäste freundlicher empfangen, aber in diesen Tagen findet uns der unerwünschte Fremde kurz angebunden und hart. Nun sprich du! Wer bist du? Wem dienst du? Wer hat dich geheißen, in unserem Land Orks zu jagen?«, endete der Mensch und seine Worte nahmen etwas Anspannung aus der Luft.
»Ich diene niemandem, doch wer Sauron dient, den verfolge ich, egal, in welches Land er geht. Wenige Sterbliche wissen über Orks besser Bescheid als ich und auf diese ungewöhnliche Weise verfolge ich sie jetzt nicht aus Leichtfertigkeit. Die Orks, hinter denen wir her waren, haben zwei unserer Freunde gefangen genommen. In einer solchen Notlage wird einer, wenn er kein Pferd hat, zu Fuß gehen, und er wird nicht erst die Erlaubnis einholen, die Spur verfolgen zu dürfen. Und die Kopfzahl seiner Feinde wird er nicht anders als mit dem Schwert feststellen wollen. Ich bin nicht waffenlos.«, Aragorn warf seinen Mantel zurück. Dumpf fiel jener ins Gras und die elbische Schwertscheide glitzerte. Danach riss er sein Schwert, Andúrils Klinge, heraus und hielt sie empor.
Ein beeindruckendes Schwert mit viel Geschichte, dachte ich und musterte die Klinge.
»Elendil! Ich bin Aragorn, Arathorns Sohn und man nennt mich Elessar, Elbenstein, den Dúnadan. Elendils und Isildurs Erben von Gondor. Hier ist das Schwert, das zerbrochen war und neu geschmiedet ward! Willst du mir helfen oder mich hindern? Triff deine Wahl schnell!«
Aragorns Stimme klang stolz, wie die eines Königs. Noch nie hatte ich Aragorn so gesehen und bei jedem seiner Worte schien er gewachsen zu sein. Sein Gegenüber wirkte hingegen umso kleiner. Éomer trat einen Schritt zurück.
»Wahrhaftig, was für Zeiten...«, murmelte er, »Traum- und Sagengestalten erwachen zum Leben, springen plötzlich aus den Schatten auf. Sage mir, Herr, was dich herführt? Und was hatten die dunklen Worte zu bedeuten? Seit langem ist Boromir, Denethors Sohn, schon fort, um die Antwort zu erfahren und das Pferd, das wir ihm geliehen haben, kam reiterlos zurück. Welche Botschaft bringst du uns aus dem Norden?«
Éomer wirkte erstaunt und schien scheu vor Aragorn zu sprechen. Aragorns wahre Identität hatte seinen Namen in Mittelerde.
»Den Aufruf zu einer Entscheidung. Sage dies zu Théoden, Thengels Sohn: Offener Krieg steht ihm bevor, Seite an Seite mit Sauron oder gegen ihn. Niemand wird mehr so leben können, wie er immer gelebt hat und nur wenige werden ihren Besitz bewahren können. Doch von diesen Dingen reden wir später und wenn es die Umstände erlauben, werde ich selbst den König aufsuchen. Jetzt bin ich in Nöten und bitte um Hilfe oder wenigstens um Nachricht. Du hast gehört, dass wir eine Horde Orks verfolgen, die unsere Freunde verschleppt haben. Was kannst du uns dazu sagen?«, fragte Aragorn.
»Dass ihr sie nicht weiter zu verfolgen braucht. Die Orks wurden vernichtet.«
»Und unsere Freunde?«
»Wir haben nur Orks gesehen«, erwiderte der Reiter. Aragorn grübelte.
»Das ist merkwürdig. Habt ihr die Getöteten untersucht? Habt ihr keine anderen Leichen als solche von Orks gefunden? Sie wären klein gewesen, nur so groß wie Kinder, in euren Augen, ohne Schuhe und in Grau gekleidet.«
»Es waren keine Zwerge oder Kinder dabei«, meinte Éomer, »Wir haben die Getöteten gezählt und ausgeplündert, dann die Kadaver auf einen Haufen geworfen und verbrannt, wie es bei uns Sitte ist. Die Asche raucht noch.«
»Wir sprechen nicht von Zwergen oder Kindern«, erwiderte ich und erhob zum ersten Mal meine Stimme. Alle Blicke lagen sofort auf mir, aber ich sprach fort: »Unsere Gefährten sind Hobbits.«
»Hobbits? Was sind das für welche? Ein seltsamer Name!«
»Ein seltsamer Name für ein seltsames Volk«, Gimli hatte nun seine Stimme erhoben, »aber an diesen Hobbits liegt uns sehr viel. Die Hobbits sind Halblinge.«
»Halblinge!«, der Reiter, der neben Éomer stand, klang überaus überrascht und grinste spöttisch. Ich musterte den Krieger und sein Ego war so groß, dass mir schlecht wurde.
Ich hasse überhebliche Männer und welche, die alles besser zu wissen scheinen.
Der Mann lachte weiter: »Halblinge! Aber das ist doch nur ein Völkchen aus alten Liedern und Kindermärchen aus dem Norden. Wo sind wir denn? Laufen wir hier in Sagen herum oder auf der grünen Wiese?«
»Der Mensch kann hier und dort sein«, erwiderte Aragorn, »Denn nicht wir, sondern die Menschen, die nach uns kommen, schaffen die Sagen unserer Zeit. Die grüne Wiese, sagst du? Das ist ein gewaltiger Sagenstoff, obwohl du am helllichten Tag darauf herumläufst.«
Doch der andere Reiter schien das Interesse an dem Gespräch zu verlieren. Er wandte sich stattdessen seinem Führer zu und sprach mit ihm flüsternd in der Sprache der Riddermark. Es schien, als ob er mit dem Heer weiterziehen wollte, doch Éomer schickte ihn davon. Er wies ihn an, mit dem Heer zu warten, was dem Krieger missfiel, jedoch musste er sich damit abfinden.
Wenig später waren nur mehr wir mit Éomer beisammen.
»Alles, was du sagst, ist seltsam, Aragorn«, begann er, »Doch du sprichst die Wahrheit, so viel ist klar. Die Menschen der Mark lügen nicht und sind daher nicht leicht zu täuschen. Aber du hast mir nicht alles gesagt. Willst du jetzt nicht des Näheren über dein Vorhaben sprechen, damit ich urteilen kann, was zu tun ist?«, er schien Antworten zu verlangen. Diese gab ihm Aragorn.
»Ich bin vor vielen Wochen von Imladris, auch Bruchtal genannt, aufgebrochen«, antwortete der Waldläufer, »Mit mir ging Boromir von Minas Tirith. Meine Absicht war, zusammen mit Denethors Sohn in diese Stadt zu gehen, um seinem Volk im Krieg gegen Sauron beizustehen, jedoch reiste ich mit anderen in einer Fahrtgemeinschaft, die noch andere Geschäfte hatte. Von denen kann ich jetzt nicht sprechen. Gandalf der Graue war unser Führer.«
»Gandalf!«, rief Éomer aus, »Gandalf Graumantel kennen wir in der Mark, doch sein Name, muss ich dir sagen, ist nicht länger das Lösungswort, das dir die Gunst unseres Königs sichert. Gandalf war oft im Lande zu Gast; er kam und ging, wie ihm beliebte, bald alle paar Wochen, bald viele Jahre nicht. Immer ist er der Vorbote seltsamer Ereignisse. Manche sagen heute, er bringe Unglück. Und tatsächlich, seit er im Sommer zum letzten Mal da war, ist alles schiefgegangen. Damals fing unser Streit mit Saruman an. Bis dahin hatten wir Saruman als Freund betrachtet, aber dann kam Gandalf und warnte uns, in Isengard werde zum Krieg gerüstet. Er selbst, sagte er, sei im Orthanc gefangen gehalten worden und mit knapper Not entkommen, und er bat um Hilfe. Théoden wollte nicht auf ihn hören, und so ging er fort. Sprich in Théodens Gegenwart nicht von Gandalf! Allein der Name schon versetzt ihn in Wut, denn Gandalf hat sich den Hengst namens Schattenfell genommen, das edelste von allen Rossen des Königs, den Herrn der Mearas, die nur der König selbst reiten darf. Vor sieben Nächten nun ist Schattenfell zurückgekehrt, doch des Königs Zorn ist darum nicht geringer geworden, denn nun ist das Pferd unbezähmbar und lässt keinen Menschen an sich heran«, erklärte er und seine vielen Worte gaben einen Einblick, wie es um Rohans König stand.
»Dann hat Schattenfell aus dem hohen Norden allein heimgefunden«, erhob Aragorn seine Stimme, »Denn dort hat Gandalf sich von ihm getrennt. O weh, Gandalf wird ihn nie wieder reiten! Ins Dunkel gestürzt ist er in den Minen von Moria und er kehrt nicht wieder.«
»Schlimme Nachricht bringst du!«, sagte Éomer, »Wenigstens schlimm für mich und für viele andere, wenn auch nicht für alle, wie du merken wirst, wenn du zum König kommst.«
»Schlimmer, als sich irgendwer vorstellen kann, obwohl ihr die bitteren Folgen spüren werdet. Doch wenn ein Großer fällt, muss ein Geringerer sein Werk fortsetzen. So ist mir die Aufgabe zugefallen, unsere Fahrt auf dem langen Weg nach Moria anzuführen. Durch Lórien sind wir gekommen, über das du wirklich erst die Wahrheit erfahren solltest, ehe du wieder davon redest, und dann viele Meilen weit den Großen Strom hinunter bis zum Rauros. Dort wurde Boromir von denselben Orks getötet, die ihr vernichtet habt«, unterrichtete Aragorn den Menschen über unsere Fahrt. Boromirs Tod schien ihn stark zu treffen.
»Alles, was du sagst, ist Schmerzensbotschaft! Viel Leid bringt sein Tod über Minas Tirith und über uns alle. Er war ein wackerer Mann! Alle rühmten ihn. In die Mark kam er nur selten, denn immer kämpfte er in den Kriegen an den Ostgrenzen, aber ich habe ihn kennengelernt. Mehr wie einer von Eorls munteren Söhnen als wie die ernsten Menschen von Gondor kam er mir vor und wahrscheinlich wäre er zu seiner Zeit ein großer Führer seines Volkes geworden. Jedoch, aus Gondor haben wir von seinem Tod keine Nachricht erhalten. Wann ist er gefallen?«
»Heute ist der vierte Tag, seit er tot ist«, antwortete Aragorn, »Und am Abend jenes Tages sind wir von Parth Galen aufgebrochen.«
»Zu Fuß?!«
»Ja, so wie du uns siehst.«
Unser Gegenüber machte große Augen.
Ja, ein weiter Weg...
»Streicher ist ein zu schäbiger Name, Arathorns Sohn. Flügelfuß sollte ich dich nennen. In mancher Methalle wird diese Tat der vier Freunde besungen werden. Vierzig Wegstunden und fünf habt ihr zurückgelegt, ehe der vierte Tag verstrichen ist! Zäh ist Elendils Geschlecht! Doch was kann ich jetzt für euch tun, Herr? Ich muss eilends zurück zu Théoden. Vor meinen Männern musste ich die Zunge im Zaum halten. Zwar haben wir noch keinen offenen Krieg mit dem Schwarzen Land und manche, denen der König sein Ohr nicht verschließt, geben feigen Rat, doch der Krieg kommt. Von unserem alten Bündnis mit Gondor werden wir nicht abfallen. Solange Gondor kämpft, werden wir es unterstützen. So sage ich, und so sagen alle, die zu mir halten. Ich bewache die Ostmark, den Bezirk des Dritten Marschalls. Alle unsere Herden und ihre Hirten habe ich über die Entwasser zurückgezogen und nun ist niemand mehr hier, außer Wachtposten und Kundschaftern auf schnellen Pferden«, erklärte der Reiter und lüftete somit das Geheimnis, warum dies Land ausgestorben war.
»Also zahlt ihr Sauron keinen Tribut?«, fragte Gimli, hob eine Braue.
»Das tun wir nicht und haben es nie getan!«, Zorn schwang in Éomers Worten mit, »Allerdings ist mir zu Ohren gekommen, dass diese Lüge über uns verbreitet wird. Vor einigen Jahren wünschte der Herr des Schwarzen Landes, Pferde von uns zu kaufen und bot einen hohen Preis, aber wir haben das Geschäft abgelehnt, weil er von den Tieren schlechten Gebrauch macht. Dann schickte er Orks zum Plündern. Sie nahmen mit, was sie in die Finger bekamen, aber vor allem hatten sie es auf schwarze Pferde abgesehen und von denen haben wir jetzt nur noch wenige. Daher bekämpfen wir die Orks ohne Erbarmen. Doch die größten Sorgen haben wir zurzeit mit Saruman. Er fordert die Herrschaft über dies ganze Land und seit Monaten liegen wir mit ihm im Krieg. Er hat Orks in Dienst genommen, Wolfreiter und übles Menschengesindel. Saruman hält die Pforte gegen uns besetzt, sodass wir damit rechnen müssen, von Osten und Westen zugleich angegriffen zu werden. Mit einem solchen Feind ist schwer fertig zu werden: Er ist ein gerissener und wandlungsfähiger Zauberer, der in vielen Gestalten erscheint. Bald tritt er hier auf, bald da, meistens, sagt man, als ein alter Mann in Mantel und Kapuze, Gandalf sehr ähnlich, wie viele sich nun erinnern. Seine Spione schlüpfen durch jedes Netz und seine Unheilsvögel fliegen frei umher. Ich weiß nicht, wie das noch enden wird. Mir ahnt Böses, denn nicht alle seine Freunde, so scheint mir, wohnen in Isengard. Doch wenn du ins Haus des Königs kommst, wirst du selbst seh'n. Willst du nicht kommen? Trügt mich die Hoffnung, die mir sagt, dass du mir als Retter aus Not und Ratlosigkeit gesandt bist?«
»Ich werde kommen, wenn ich kann«, sagte Aragorn.
»Komm gleich!«, drängte der Reiter, »Elendils Erbe wäre wahrhaftig eine Verstärkung für Eorls Söhne in dieser bösen Zeit. Eben jetzt wird in der West-Emnet eine Schlacht geschlagen und ich befürchte, dass sie schlecht für uns ausgeht. Überhaupt bin ich ohne Erlaubnis des Königs hierher in den Norden geritten und in meiner Abwesenheit ist sein Haus nur wenig bewacht. Aber meine Kundschafter hatten mir vor drei Nächten gemeldet, dass ein Haufen Orks vom Ostwall herabkam, darunter manche mit Sarumans weißem Wahrzeichen. Ich befürchtete das Schlimmste: Ein Bündnis zwischen Orthanc und dem Dunklen Turm und daher ritt ich mit den Männern aus meinem Haus aus. Wir haben die Orks überholt, vor zwei Tagen, bei Anbruch der Nacht, kurz vor dem Saum des Entwaldes. Dort haben wir sie umzingelt und gestern Morgen haben wir die Schlacht geschlagen, fünfzehn Männer habe ich verloren und leider auch zwölf Pferde. Denn die Orks waren zahlreicher, als wir erwartet hatten. Andere sind zu ihnen gestoßen, die aus dem Osten über den Großen Strom gekommen waren. Und wieder andere waren aus dem Walde gekommen, große Orks, die auch das Zeichen der Weißen Hand von Isengard trugen. Diese Art ist stärker und kriegerischer als alle andern, dennoch haben wir ihnen den Garaus gemacht. Aber wir sind zu lange fort gewesen, man braucht uns im Süden und im Westen. Wollt ihr nicht mitkommen? Überzählige Pferde haben wir, wie ihr seht. Für dein Schwert gibt es Arbeit und auch für Gimlis Axt. Wie für den Bogen von Legolas und für das Schwert Lithils hätten wir Verwendung.«
Éomers Blick ging zu mir, als er meinen Namen aussprach. Er musterte mich, doch seinen Blick zu deuten, vermochte ich nicht. Ein Blick, den er bald abwendete und zu Aragorn wandte, als dieser zu sprechen begann.
»Ich danke dir für deine freundlichen Worte und von Herzen gern würde ich mit dir reiten, aber ich kann meine Freunde nicht im Stich lassen, solange noch Hoffnung ist.«
»Da bleibt keine Hoffnung. An den Nordgrenzen wirst du deine Freunde nicht finden.«, Éomer sah uns an.
»Doch sie sind nicht zurückgeblieben. Unweit des Ostwalls fanden wir ein deutliches Zeichen, dass zumindest einer von ihnen dort noch am Leben war. Vom Wall bis zu den Höhen aber fanden wir keine andere Spur von ihnen, und keine Fährte ist zur einen oder anderen Seite hin abgezweigt, oder ich müsste allen Spürsinn verloren haben.«, Aragorn fuhr sich durch seine Haare.
»Was glaubst du dann, was aus ihnen geworden ist?«
»Ich weiß es nicht. Es könnte sein, dass sie mit den Orks erschlagen und verbrannt worden sind, doch dies kann nicht sein, sagst du, und ich befürchte es nicht. Ich kann nur vermuten, dass sie vor der Schlacht in den Wald davongeschleppt wurden, vielleicht schon bevor ihr die Feinde umzingelt hattet. Kannst du beschwören, dass keiner euch auf diese Weise entkommen ist?«
»Ich könnte schwören, dass kein Ork entkommen ist, nachdem wir sie gesichtet hatten. Wir haben den Waldrand vor ihnen erreicht und wenn danach noch irgendwas lebend durch unseren Ring gekommen ist, dann war es kein Ork und müsste über elbische Kräfte verfügt haben.«
»Unsere Freunde waren so gekleidet wie wir«, erklärte Aragorn, »An uns seid ihr bei Tageslicht vorübergeritten, ohne uns zu sehen.«
»Das habe ich nicht bedacht. Wessen kann man sich noch gewiss sein, bei all diesen Wundern? Elben und Zwerge wandern gemeinsam bei Tag über unsere Wiesen: Leute sind der Herrin des Waldes begegnet und sind noch am Leben und das Schwert kehrt wieder zurück in den Krieg, das zerbrochen war, lange bevor die Väter unserer Väter in die Mark ritten! Wie soll ein Mensch urteilen, was in solch einer Zeit zu tun ist?«
»Wie er immer geurteilt hat. Gut und Böse ändern sich nicht von Tag zu Tag und sie sind auch für Elben und Zwerge nichts anderes als für Menschen. Man muss sie nur unterscheiden können, im Goldenen Wald ebenso wie im eigenen Haus.«
»Wohl wahr! Ich zweifle nicht an dem, was du sagst und mir ist auch nicht unklar, was ich von Herzen gern tun würde. Doch bin ich nicht frei, in allem nach eigenem Ermessen zu handeln. Es ist gegen unser Gesetz, Fremde nach ihrem Belieben durch unser Land ziehen zu lassen, es sei denn, der König selbst hätte es ihnen erlaubt, und noch strenger ist das Gebot in diesen Zeiten der Gefahr. Ich habe dich gebeten, freiwillig mitzukommen, doch du willst nicht. Ungern beginne ich einen Kampf, bei dem hundert gegen vier stünden«, erwiderte der Reiter.
»Ich glaube nicht, dass euer Gesetz für einen solchen Fall gemacht wurde«, erwiderte Aragorn ruhig, »Und ich bin gar kein Fremder, denn mehr als einmal schon war ich in diesem Land und bin mit dem Heer der Rohirrim geritten, obgleich unter anderem Namen und in anderer Eigenschaft. Dich hab' ich noch nicht gesehen, denn du bist jung, aber mit deinem Vater Éomund hab' ich gesprochen und auch mit Théoden, Thengels Sohn. Nie hätte in früheren Zeiten ein Großer dieses Landes einen Mann von einer Fahrt wie der meinen abzuhalten versucht. Meine Pflicht jedenfalls ist klar, weiterzugeh'n. Höre nun, Éomunds Sohn, du musst dich entscheiden! Hilf uns oder lass uns wenigstens ziehen! Oder versuche, nach deinem Gesetz zu verfahren, dann werdet ihr weniger sein, wenn ihr in den Krieg oder zu eurem König zurückkehrt.«
»Wir sind beide in Eile«, sprach er, »Mein Trupp wartet ungeduldig auf den Befehl zum Aufbruch und mit jeder Stunde wird unsere Hoffnung geringer. Dies nun ist meine Entscheidung: Ihr könnt gehen und ich leihe euch auch Pferde. Nur um eines bitte ich: Wenn eure Suche, ob erfolgreich oder vergebens, beendet ist, kommt mit den Pferden über die Entfurt nach Meduseld, zum Sitz des Königs. Enttäusche mich nicht! Mein Schicksal und vielleicht auch Leben hängt davon ab.«
»Du hast mein Wort«, bestätigte Aragorn.
Kurz darauf gingen wir zum Heer. Erstaunt und grimmig wurde der Befehl ausgeführt. Nur Éothain, der andere Reiter, der schon einmal gesprochen hatte, wagte einen offenen Einwand: »Das mag ja noch angeh'n für diesen Herrn, der von gondorischem Stamm zu sein behauptet, doch wer hätte je gehört, dass ein Pferd der Mark einem Zwerg anvertraut werden könnte?«
»Niemand«, beantwortete Gimli die Frage von eigenem Ansporn aus, »Und sei unbesorgt: Es wird auch niemand je hören. Lieber laufe ich, als mich auf den Rücken eines so großen Biestes zu setzen, ob du es mir nun gönnst oder nicht.«
»Aber du wirst nun reiten müssen, oder du hältst uns auf«, meinte Aragorn, infolgedessen redete Legolas dem Zwerg gut zu: »Komm, du sollst hinter mir sitzen, Gimli. Dann ist alles gut und weder musst du dir ein Pferd leihen, noch dich abmühen, es zu lenken.«
Grimmig stimmte Gimli zu.
Für Aragorn wurde ein dunkelgraues Pferd gebracht, das Hasufel hieß. Ein etwas kleineres und leichteres, doch eigenwilliges und feuriges Pferd wurde für Legolas gebracht. Arod hieß es und für mich brachten sie eine Stute, die mich aus klaren Augen ansah. Sie war von einem hellen Grau und hieß Maiden. Beruhigend streichelte ich ihren Hals, bevor ich aufsaß, und das Tier schien mich zu mögen. Natürlich war dies zwischen Elben und Tieren normal, dennoch erfreute es mich.
Oben am Pferderücken war ich auf gleicher Höhe mit den anderen Kriegern. Ich fühlte mich sogleich besser, da ich nicht mehr zu ihnen hinaufsehen musste.
Neben mir sah ich, wie Gimli auf das Pferd hinaufgehoben wurde. Er klammerte sich an seinem Vordermann fest. Dieses Bild erinnerte mich an Sam und wie er damals im Boot gesessen war.
»Lebt wohl, und möget ihr finden, was ihr sucht!«, rief Éomer, »Kommt nach Meduseld, so schnell es geht und mögen unsere Schwerter hernach Seite an Seite glänzen!«
»Ich komme!«, versprach Aragorn.
»Und ich komme auch«, erwiderte Gimli, »Die Sache mit Frau Galadriel steht noch zwischen uns. Artig von ihr zu reden, muss ich dich noch lehren.«
»Wir werden seh'n. So viel Merkwürdiges ist geschehen, dass es mich nicht wundern soll, unter den liebevollen Streichen einer Zwergenaxt die Schönheit einer Dame lobpreisen zu lernen. Lebt wohl!«
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