Canac-a-mîn ☆ Ad-nestel
Wiedergeburt
Der König saß weiterhin da. Háma gerufen, doch wieder weggeschickt.
Gandalf schritt behutsam auf den König zu und half ihm hoch. Er führte ihn zu einer der steinernen Bänke und ließ sich selbst auf der unteren Treppe nieder. Der Zauberer sah den König an, der von einem Traum zu erwachen schien. Dass es sich um Trugbilder des Bösen gehandelt hatte, die in seinem Kopf gesessen hatten, wurde immer offensichtlicher.
»Jetzt ist keine Zeit, Euch alles zu berichten, was Ihr wissen solltet. Glaubt mir, Ihr seid in einer größeren Gefahr, als selbst Schlangenzunges List Euch glauben ließ. Aber seht nun, jetzt träumt Ihr nicht mehr! Und Ihr seid am Leben. Gondor und Rohan stehen nicht allein. Der Feind ist unermesslich viel stärker als wir, doch wir haben eine Hoffnung, an die er nicht gedacht hat«, sprach Gandalf.
Der König blickte zu ihm nach unten. Anschließend sprach der Zauberer schnelle, leise Worte, die nur der König verstand. Je länger er sprach, desto heller leuchteten Théodens Augen, bis sich der König in seiner ganzen Größe erhob.
Vom alten Mann war keine Spur mehr. Seine Augen wirkten jünger.
Lebendig.
Nachdem Gandalf ebenso aufgestanden war, blickten sie von der Terrasse beide nach Osten. Auch wir anderen sahen gen Osten, dies Land, in welches Gandalf der Weiße deutete. Ein Land, das uns allen Gedankengut von Furcht, aber auch Hoffnung bescherte.
Wo war der Ringträger in diesem Moment? Wann würde der Faden, an dem das Schicksal hing, reißen? Fragen, die das Schicksal bloß allein beantworten konnte.
Wenn es selbst nicht an seinem eigenen Faden hängt...
Der König setzte sich wieder. Sein Blick ging über die Schulter zu seinem Haus. »Ach, warum müssen mir in meinem Alter statt der wohlverdienten Ruhe so schlimme Tage zuteilwerden? Warum musste der tapfere Boromir sterben? Warum gehen die Jungen zugrunde, wenn die Alten immer weiterleben?«
»Eure Hand würde sich an ihre alte Stärke besser erinnern, wenn sie ein Schwertheft halten würde«, sagte Gandalf entschlossen.
Théoden stand auf, doch an seinem Gürtel war kein Schwert zu finden. Er schien sich zu fragen, wo sein Schwert abgeblieben war, doch als wäre es der richtige Moment, erklang plötzlich eine starke Stimme: »Nehmt dieses, Gebieter! Es stand Euch stets zu Diensten.«
Zwei Männer waren die Treppe heraufgekommen. Einer von ihnen war Éomer, der vor seinem König kniete. Er trug keinen Helm und auch keine Rüstung, aber in seinen Händen hielt er ein blankes Schwert.
»Woher hast du es?«, fragte Théoden streng und voller Leben. Es entlockte seinen Männern erstaunte Blicke.
»Ich habe es ihm gegeben, Gebieter«, gab Háma leicht zitternd zu, »Ich glaubte verstanden zu haben, dass Éomer freizulassen sei. In meiner Herzensfreude habe ich mich vielleicht geirrt. Doch da er wieder frei war und ein Marschall der Mark ist, gab ich ihm sein Schwert, wie er es verlangte.«
»Um es Euch zu Füßen zu legen, mein König!«, erklärte Éomer voller Stolz.
Die beiden sahen sich einen Moment schweigend an, bis Gandalf den König fragte, ob er das Schwert nicht an sich nehmen wollte.
Théoden nickte bestimmt und streckte die Hand aus. Als seine Finger sich um das Heft schlossen, schien es als kehrten Kraft und Festigkeit in seinen Arm zurück.
Er hob die Waffe und ließ sie durch die Luft sausen, dann stieß er einen lauten Schrei aus. Der König rief in seiner Sprache. Es klang wie ein Befehl.
Plötzlich kamen viele Wachen Rohans die Treppe nach oben. Sie zogen ihre Schwerter, die zusammen klirrten, und legten sie dem König zu Füßen.
»Gebiete uns!«, riefen sie und dann rief Éomer: »Westu Théoden hál!«, er sah seinem König entgegen, »Welch Freude, Euch wieder so zu seh'n, wie wir Euch kennen! Nie wieder soll einer sagen, Gandalf, du seist ein Unglücksbote.«
»Nimm dein Schwert zurück, Schwestersohn Éomer«, sprach der König und wandte sich anschließend an Háma, »Geh' und hole mein eigenes! Gríma hat es in Verwahrung und bring' auch ihn mit!«
Die Wache verschwand.
»Nun, Gandalf, Rat, hast du gesagt, wenn ich ihn anhören wolle. Was ist dein Rat?«
Gandalf nickte bestimmt. »Ihr habt meinen Rat schon angenommen. Schenkt Euer Vertrauen Éomer und nicht einem Mann von unredlichem Sinn! Streift Furcht und Wehleid ab! Tut, was zunächst zu tun ist! Schickt sogleich alle berittenen Mannen nach Westen, wie Éomer geraten hat: Als Erstes müssen wir der Bedrohung durch Saruman ein Ende machen, solange noch Zeit ist. Wenn das misslingt, fallen wir. Siegen wir, gehen wir an die nächste Aufgabe heran. Unterdessen lasst alle, die zurückbleiben, die Frauen, Kinder und alten Leute, sich in Eure Fluchtburgen in den Bergen zurückziehen. Sie sollen Vorräte mitnehmen, aber sofort aufbrechen und bloß lebensnotwendige Dinge mitnehmen.«
»Dein Rat ist gut, was mir mein klarer Kopf nun deutlich macht. All mein Volk soll sich bereitmachen! Ihr aber, meine Gäste.«, sein Blick ging über unsere Gruppe, dann wieder zu Gandalf, »Die Wahrheit hast du vorhin zur Geltung gebracht, Gandalf, die guten Sitten in meiner Halle sind in letzter Zeit etwas zu kurz gekommen. Ihr seid die ganze Nacht geritten und jetzt wird es bald Mittag. Weder geschlafen habt ihr noch gespeist. Ein Gästehaus soll euch bereitet werden und dort könnt ihr schlafen, wenn ihr gegessen habt.«
»Nein, Herr«, widersprach Aragorn, »Noch gibt es keine Rast für die Müden. Die Männer von Rohan müssen heute schon abreiten und wir reiten mit ihnen. Wir führen mit ihnen Axt, Schwert und Bogen, denn haben wir unsere Waffen nicht mitgebracht, um sie bei Euch an die Mauer zu lehnen, Herr der Mark! Und Éomer habe ich versprochen, dass mein Schwert und seines Seit an Seit in den Kampf ziehen werden.«
Aragorn hatte unser aller Befinden verdeutlicht. Wenn Rohan gegen einen gemeinsamen Feind - Saruman - in den Krieg zog, dann würden wir uns nicht ausruhen.
»Nun ist wahrhaftig Hoffnung auf den Sieg!«, sagte Éomer erfreut und schien darauf hinzufiebern, mit Aragorn zu kämpfen.
»Hoffnung, ja«, meinte Gandalf, »aber Isengard ist stark. Und andere Gefahren kommen immer näher. Säumt nicht, Théoden, wenn wir fort sind! Führt Euer Volk schleunigst in die Festung Dunharg in den Bergen!«
Doch der König schüttelte seinen Kampf. »Nein, Gandalf! Du unterschätzt die eigene Heilkunst. Ich gehe nicht mit den Alten und Kranken. Ich ziehe selbst in den Krieg und will, wenn es sein muss, in vorderster Schlachtreihe fallen. Dann werde ich ruhiger schlafen.«
»Und so wird selbst eine Niederlage Rohans ein Heldenlied wert sein«, Aragorn hatte gesprochen und die umgebenden Wachen und Krieger riefen ihre Zustimmung: »Der Herr der Mark reitet in den Krieg! Auf, Eorlingas!«, sie schlugen auf ihre Schilde, aber Gandalf wandte ein, dass die Zurückbleibenden nicht ohne Waffen sein dürften.
»Wer soll sie anstatt Eurer leiten und regieren?«
»Das will ich noch bedenken, bevor ich aufbreche«, antwortete Théoden und genau in diesem Moment kam Háma wieder. Der Mann führte Schlangenzunge mit sich, der von zwei anderen Männern beaufsichtigt wurde.
Der Dürre war noch weißer als zuvor im Gesicht und schritt mit eingezogenem Kopf seinen Weg. Háma kniete nieder und reichte Théoden ein langes Schwert, das in einer Scheide mit goldenen Schnallen und grünen Edelsteinen steckte.
»Hier ist Herugrim, Herr, Eure alte Klinge. Sie war in seiner Truhe und es widerstrebte ihm sehr, die Schlüssel herzugeben. Noch vieles lag darin, was andere Männer vermissen«, er deutete auf Schlangenzunge, der neben einem schlechten Berater noch ein Dieb war.
»Du lügst!«, widersprach Schlangenzunge zischend, »Dieses Schwert hat dein Herr mir von ganz allein gegeben, um es zu verwahren!«
»Und jetzt verlangt er es zurück«, sagte Théoden streng, »Missfällt dir das?«
»Ganz gewiss nicht, Herr. So gut ich nur kann, sorge ich für Euch und Euren Besitz. Doch passt auf Euch auf und überanstrengt nicht Eure Kräfte! Lasst andere sich mit diesen ungebetenen Gästen befassen! Das Mittagsmahl wird gleich aufgetragen. Wollt Ihr Euch nicht zur Tafel begeben?«
Schlangenzunge versuchte so zu tun, als wäre alles beim Alten. Ich schüttelte nur meinen Kopf und war mir sicher, dass der König das falsche Spiel bereits durchschaut hatte.
»Das will ich und lasst auch für meine Gäste an meiner Seite auftragen! Das Heer reitet heute noch ab. Schickt die Herolde aus! Alle sind aufzurufen, die in der Nähe wohnen. Jeder Mann und jeder waffenfähige Bursche, jeder, der ein Pferd hat, soll zur zweiten Stunde nach Mittag am Tor und im Sattel sein!«
»O gütiger Herr!«, rief Schlangenzunge aufgewühlt, »Es ist ganz, wie ich befürchtet habe. Dieser Zauberer hat Euch mit seiner Magie beeinflusst. Wer soll die Goldene Halle und Eurer Väter, all Eure Schätze, verteidigen?«
»Nun, Hexerei nennst du es, doch mir erscheint es wie Medizin«, begann Théoden, »Denn mit deinen ständigen Einflüsterungen hättest du mich bald dazu gebracht, wie ein Tier auf allen Vieren zu kriechen. Nein, niemand bleibt hier zurück, auch nicht Gríma! Gríma reitet mit uns und nun geh', du hast noch genügend Zeit, von deinem Schwert den Rost abzukratzen.«
Schlangenzunge bekam es mit der Angst zu tun.
Unter seiner Fassade ist er nur ein Mann von leeren Worten, und auf dem Schlachtfeld würde er in wenigen Sekunden das Zeitliche sehen.
»Gnade, bitte habt Gnade, Herr!«, winselte Gríma und warf sich zu Boden, »Habt Erbarmen mit einem, der sich in Eurem Dienst aufgerieben hat! Weist mich nicht von Eurer Seite! Schickt mich nicht fort!«
»Ich erbarme mich und weise dich nicht von meiner Seite. Ich reite mit meinen Männern in den Krieg. Ich befehle dir, mitzukommen und deine Treue zu beweisen«, setzte der König nach.
Gríma schien wie ein Tier in der Falle zu sitzen. Hektisch sah er sich um und leckte sich mit seiner Zunge über die staubtrockenen, dünnen Lippen. »Ein solcher Entschluss war von einem König aus dem Hause Eorl zu erwarten. Jedoch wer ihm wahrhaft treu ist, würde ihm die schwindenden Jahre nicht noch verkürzen wollen. Ich sehe ein, dass mein Rat zu spät kommt. Alle anderen scheinen diesem Vorhaben zuzustimmen, doch hört auf mich wenigstens in einem, Gebieter! Einer, der Euren Sinn kennt und Eure Befehle achtet, sollte in Edoras bleiben. Ernennt einen Treuhänder! Lasst Euren Ratgeber Gríma alles hier verwahren bis zu Eurer Rückkehr!«
Éomer lachte. »Und wenn selbst dieses hohe Amt dich vom Krieg nicht befreit, edler Schlangenzunge, welches würdest du dann übernehmen? Einen Sack Mehl in die Berge hinaufzutragen? Wenn man dir überhaupt einen anvertrauen würde«
Wir anderen beobachten alles weiterhin und wussten, dass dies nicht unser Kampf der Politik war. Dies mussten die Anwesenden ganz allein unter sich klären. Als Elbin war es nicht meine Aufgabe, mich in die Angelegenheiten der Menschen einzumischen.
»Nein, Éomer, du hast Herrn Schlangenzunges Absichten nicht vollständig verstanden. Er ist frech und gerissen. Stunden meiner kostbaren Zeit hat er mich schon vergeuden lassen. Nieder mit dir, du Schlange!«, Gandalf wurde lauter und musterte den Mann, »Seit wann hat Saruman dich gekauft? Was war der versprochene Preis? Wenn alle Männer tot wären, solltest du deinen Anteil am Schatz nehmen und die Frau, die du begehrst? Zu lange schon schleichst du ihr nach und belauerst sie mit deinen Blicken.«
Des Zauberers Blick ging zur Frau in Weiß. Sie schien sich unwohl zu fühlen und ihre Körpersprache schien Gandalfs Vermutung zu bestätigen. Ich verzog mein Gesicht und wollte mir nicht vorstellen, dass ein Mann wie Schlangenzunge der Frau aufgelauert war.
Ein Dolch zwischen seinen Beinen soll seine Strafe werden.
»Das wusste ich schon. Aus diesem Grund vergaß ich schon einmal das Gesetz der Halle und wollte ihn erschlagen«, antwortete Éomer und wollte mit dem Schwert auf Gríma losgehen.
Der Zauberer hielt ihn zurück. »Éowyn ist nun außer Gefahr. Aber du, Schlangenzunge, hast für deinen Herrn getan, was du konntest. Einen Lohn wirst du dir verdient haben. Doch Saruman ist oft nicht gutherzig. Schnell würde ich den Weg zu ihm suchen und ihn an deine treuen Dienste erinnern, bevor sie und auch deine Existenz vergisst.«, Gandalf hatte ganz ruhig gesprochen, doch es reichte, um Gríma aus der Haut fahren zu lassen. »Du lügst, elendige Lügen!«
»Seht, Théoden, hier kriecht eine Schlange! Sie mitzunehmen, wäre nicht ungefährlich und ebenso wenig könnt Ihr sie hierlassen. Sie totzuschlagen, wäre nur gerecht. Aber sie war nicht immer, was sie jetzt ist. Sie war einmal ein Mensch und hat Euch ihre Dienste erwiesen.«, Gandalf senkte sein Haupt.
»Er soll ein Pferd bekommen und jeden Weg gehen, solange er den meinen nie mehr kreuzt. Wenn doch, dann werde ich schnellen Prozess machen. Du hast also die Wahl: Reite mit mir in den Krieg und lass uns in der Schlacht seh'n, ob du treu bist, oder gehe nun, wohin du willst. So befiehlt es dir dein König.«
Mein Blick ging zu Schlangenzunge, der alle mit zusammengekniffen Augen ansah. Er wollte zu sprechen ansetzen; stattdessen schloss er seinen Mund, dann richtete er sich hoch auf.
Grímas Hände zuckten, seine Augen glitzerten und purer Hass war aus ihnen zu lesen. Er leckte sich über die Zähne. Mit zischendem Laut, spuckte er dem König vor die Füße, danach rannte er die Treppe hinunter und schien seine Wahl getroffen zu haben.
»Ihm nach! Seht zu, dass er niemandem etwas tut, aber verletzt ihn nicht und hindert ihn nicht. Gebt ihm ein Pferd, wenn er eines will! Ich werde zu meinen Worten von vorhin stehen!«
»Und wenn ein Pferd ihn tragen will«, spottete Éomer und sah dem Mann hinterher, der längst verschwunden war. Ein anderer Wächter lief Schlangenzunge nach und ein weiterer schöpfte Wasser, mit welchem er die Steine spülte, die besudelt worden waren.
»Nun kommt, meine Gäste! Kommt und stärkt euch so gut es die Eile erlaubt!«, sprach der König an uns gewandt und schritt zurück in seine Halle.
»Ihr Menschen seid eigenartige Geschöpfe«, äußerte ich mich leise neben Aragorn, mit verzerrtem Gesicht, als wir uns in Bewegung setzten.
»Inwiefern?«, fragte Aragorn lachend.
»Weil ein Pfeil oder eine Klinge dies Problem schneller gelöst hätte. So haltet ihr an Worten fest, die ich nach fünf Sekunden wieder vergessen habe«, erklärte ich und machte eine ausschweifende Handbewegung.
»Trotz ihres kurzen Lebens legen die Menschen viel Wert auf ihre Worte. Ich finde dies wichtig; sonst könnten sie genauso gut Wilde sein.«
»Sonderbar, wie ich sagte«, begann ich, »aber manche von deiner Sorte benehmen sich jetzt schon wie Wilde.«
»Sagt die, die einen Menschen, ob gar er ein Verräter ist, einfach töten will«, lachte Aragorn leise.
Ich verdrehte meine Augen. »Ja, weil es schneller geht.«
»Auch, obwohl Gríma niemandem wirkliches Leid zugefügt hat?«, hielt der Mensch dagegen.
»Ja, auch dann.«
»Du bist brutal, Lithil«, mischte sich ein gewisser blonder Elb ein.
Ich beäugte ihn argwöhnisch. »Nein, pragmatisch.«
»Einfach brutal«, bestand Legolas auf seine Worte.
»Nein, ich schließe mich ihr an«, grummelte Gimli seine Zustimmung und ging neben uns her, »Warum Zeit für eine Schlangenzunge vergeuden, wenn sie anderen Leid antun könnte.«
»Ja, Gimli sieht es so wie ich!«, rief ich aus und sah abwechselnd Aragorn und Legolas an.
»Dann seid ihr beide brutal«, hielt Legolas, wie gewöhnt, an seiner Meinung fest.
»Sagt derjenige, der seine erlegten Feinde, mit Stolz erfüllt, zählt«, provozierte ich und blaue Augen funkelten mich ertappt an.
»Ha, der schaut jetzt ganz blöd!«, lachte Gimli herzhaft auf und bekam einen Todesblick von Legolas. Danach nickten Gimli und ich uns lobend zu.
Der Elb rollte mit seinen Augen, doch fand keine Widerworte. Ich beließ es dabei, denn ich musste nicht alles verstehen. Der König hatte seine Gründe gehabt, auch wenn sie menschlicher Natur waren.
Ebendeswegen schritten wir in die Halle und unten in der Stadt hörte man bereits die Herolde rufen sowie die Kriegshörner schallen.
Wir kamen in die Halle, wo eine Tafel mit Essen aufgetischt worden war. Wir setzten uns, aßen und tranken rasch. Nur des Königs Stimme war zu hören, wie er befahl, dass man seine Reitbekleidung bereitmachen sollte. Ebenso wollte er seinen Barbier sehen und all dies flott.
Wir anderen schwiegen währenddessen, anschließend beantwortete Gandalf alle Fragen des Königs bezüglich Saruman.
»Niemand vermag zu wissen, wie weit sein Verrat zurückreicht. Eines aber ist klar, und zwar, dass er nicht immer tückisch war. Kein Zweifel, einst war er ein Freund Rohans und auch als sein Herz kälter wurde, fand er Euch noch immer nützlich. Aber nun hat er schon lange auf Euren Untergang hingearbeitet und Euch Freundschaft nur noch vorgespiegelt, bis alles bereit war. In diesen Jahren hatte Schlangenzunge leichtes Spiel, und alles, was Ihr tatet, war bald darauf in Isengard bekannt, denn Euer Land lag offen, und Fremde kamen und gingen. Schlangenzunge benutzte Euch, aber als Saruman entkommen war und Euch gewarnt hatte, war die Maske für jeden, der Augen im Kopf hat, zerrissen. Er musste gerissener werden und achtsamer. Er hat Euch überredet, Éomer die Verfolgung der durchs Land ziehenden Orks zu verbieten, und hätte Éomer sich Schlangenzunges Befehl, den er aus Eurem Munde hören musste, nicht widersetzt, so hätten diese Orks inzwischen Isengard erreicht und ein wichtiges Pfand mitgebracht. Zwar nicht dasjenige, das Saruman über alle Maßen gern haben wollte, doch immerhin zwei von meinen Gefährten, Mitwisser eines Geheimnisses. Nicht auszudenken, was sie jetzt erdulden müssten oder Saruman vielleicht zu unserem Verderben aus ihnen herausgepresst hätte!«
»Éomer verdanke ich viel. Ein treues Herz darf wohl ein freches Mundwerk haben«, sprach der König, »Ich muss blind gewesen sein! Am meisten verdanke ich dir, mein Gast. Wieder einmal bist du zur rechten Zeit gekommen. Ich möchte dir, ehe wir aufbrechen, ein Geschenk machen - ein Geschenk deiner Wahl. Du musst es nur benennen, von allem, was mein ist, mein Schwert allein ausgenommen.«
»Ob ich rechtzeitig gekommen bin, wird nur die Zukunft zeigen, jedoch, was Euer Geschenk angeht, König, so wähle ich eines, das ich gut gebrauchen kann, weil es schnell und zuverlässig ist: Gebt mir Schattenfell! Bisher habt Ihr ihn mir nur geliehen, wenn man das Leihen nennen kann. Aber nun soll er mich in ein großes Wagnis hineintragen, bei dem Silber gegen Schwarz steht. Dabei möchte ich nichts aufs Spiel setzen, was nicht mein Eigentum ist. Und wir sind schon Freunde geworden.«
»Du triffst eine gute Wahl und heute geb' ich ihn dir mit Freuden. Jedoch ist es ein großes Geschenk, denn Schattenfell ist eines der mächtigen Rosse aus alter Zeit. Ein solches wird es kein zweites Mal geben«, erklärte der König und sah zu uns anderen, »Und euch allen, meine Gäste, will ich schenken, was ihr in meiner Rüstkammer finden mögt. Schwerter braucht ihr nicht, aber dort haben wir Helme und Panzerhemden von feinster Arbeit. Geschenke, die meine Väter aus Gondor bekamen. Sucht euch etwas aus, ehe wir uns auf den Weg machen, und möge es euch gute Dienste leisten!«, danach kamen Leute des Königs und brachten Rüstzeug aus der Kammer, während der König kurz verschwand, um sich für den Anmarsch vorzubereiten.
Aragorn und Legolas fanden beide schimmernde Panzerhemden. Aragorn fand zudem noch einen Schild: Die Buckel mit Gold überzogen und mit grünen, roten und weißen Edelsteinen besetzt.
Gandalf, Gimli und ich nahmen kein Panzerhemd. Gimli, da er schon eines hatte und ich, weil ich befürchtete, dass alle Panzerhemden von meiner Länge, zu breit ausfallen würden. Sie waren für Männer angefertigt worden, doch ich fand einen Armschutz aus Silber mit vielen Verzierungen, der mir passte. Er schien zwar für einen jugendlichen Menschen angefertigt worden zu sein, aber er erwies seine Dienste. Ebenfalls bevorzugte ich es so zu kämpfen, wie es bei den Elben Sitte war:
Ohne viel Rüstung, um nicht in der Beweglichkeit eingeschränkt zu werden, die bis heute meine größte Stärke ist.
Gimli nahm sich einen Helm aus Eisen und Leder sowie einen kleinen Schild mit dem Wappen des Hauses Eorl, einem galoppierenden Pferd, weiß im grünen Feld.
»Möge er dich schützen!«, sagte Théoden, der endgültig nicht mehr wiederzuerkennen war, als er zurückkam, »Er wurde zu Thengels Zeiten für mich angefertigt, als ich ein Knabe war.«
Gimli verneigte sich. »Ich bin stolz, Herr der Mark, Euer Wappen zu tragen. Es ist mir sogar lieber, ein Pferd zu tragen, als mich von einem tragen zu lassen. Ich habe gern Boden unter den Füßen. Aber vielleicht kommen wir noch an einen Platz, wo ich stehend kämpfen kann.«
»Das mag wohl so kommen.«, der König stand vom Tisch auf und sogleich kam Éowyn herbei und brachte Wein,
»Ferthu Théoden hál!«, sagte sie, »Nehmt nun diesen Becher und trinket zu froher Stunde! Möget Ihr wohlbehalten heimkehren!«
Der König nahm den Becher und trank davon, anschließend reichte er ihn wieder der Frau, die weiter zum nächsten Gast schritt.
Besonders schien Éowyn von Aragorn angetan zu sein. Vor ihm stehend, stockte sie plötzlich und sah ihn schweigend und mit leuchtenden Augen an. »Sei gegrüßt, Aragorn, Arathorns Sohn!«
»Sei gegrüßt, Jungfrau von Rohan«, antwortete er und schien zwar geschmeichelt zu sein, doch auch sah man dem Menschen an, dass er nicht gern von hohen Jungfrauen angehimmelt wurde.
Nachdem er getrunken hatte, entfernte Éowyn sich. Die Zeit des Aufbruchs war gekommen.
Wir schritten aus der Halle. Draußen erwarteten den König die Wachen samt Herolde. Sie trugen stolze Rüstungen und blickten ihrem König entgegen.
»Seht, nun reiten wir aus und es könnte mein letzter Ritt werden. Ich habe kein Kind, mein Sohn Théodred ist gefallen. Ich ernenne Éomer, meinen Schwestersohn, zu meinem Erben. Kehrt keiner von uns beiden wieder, so wählt einen neuen Herrn! Aber einem muss ich nun das Volk anvertrauen, das zurückbleibt, dass er es an meiner regiert. Wer von euch will bleiben?«, sprach der König und Éomer schien sich geehrt zu fühlen. Jedoch, auf die Frage, wer bleiben wollte, trat Stille ein.
»Gibt es denn keinen, den ihr nennen wollt? Zu wem hat mein Volk Vertrauen?«
»Zum Hause Eorl«, antwortete Háma.
»Aber auf Éomer kann ich nicht verzichten und er würde auch nicht bleiben wollen«, erwiderte der König, »Er ist der Letzte dieses Hauses.«
»Ich sprach nicht von Éomer und er ist nicht der Letzte. Die letzte ist Éowyn, Éomunds Tochter, seine Schwester. Sie ist furchtlos und großherzig. Alle lieben sie. Lass sie Fürstin der Eorlinger sein, solange wir fort sind!«
»So sei es! Lasst die Herolde ausrufen, dass Frau Éowyn das Volk führen wird!«, dann setzte sich der König auf eine Bank. Die Frau in Weiß ging zu ihm, kniete sich vor ihn.
Er überreichte ihr ein Schwert samt prächtigem Harnisch. »Lebe wohl, Schwestertochter! Dunkel ist die Stunde, aber vielleicht kehren wir wieder in die Goldene Halle. In Dunharg kann sich das Volk lange verteidigen, und wenn die Schlacht verloren geht, werden alle dort hinkommen, die sich retten können.«
»Sprich nicht so! Lang wie ein Jahr wird mir jeder Tag sein, bis Ihr wiederkehrt«, sprach sie.
»Der König kehrt wieder. Befürchte nichts! Nicht im Westen, im Osten erwartet uns das Schicksal.«
Die Frau erhob sich und ließ den König passieren. Er ging die Treppe hinab und Gandalf folgte an seiner Seite.
Wir folgten. Gimli, der seine Axt auf seiner Schulter hatte, erhob seine Stimme: »Endlich geht es los. Die Menschen machen viele Worte vor jeder Tat. Die Axt wird mir schon ganz unruhig in der Hand. Aber gern will ich glauben, dass diese Rohirrim auch ihren Mann stehen, wenn's drauf ankommt. Nur ihre Art Krieg ist nichts für mich. Wie soll ich überhaupt aufs Schlachtfeld kommen? Ich wollte, ich könnte hinlaufen, statt mich wie ein Sack in Gandalfs Schoß mitschleppen zu lassen.«
»Sicherer als manch anderer Platz ist es«, erwiderte Legolas, »Ohne Zweifel wird er dich gern absetzen, wenn es zum Hauen und Stechen kommt, oder Schattenfell selbst würde es tun. Die Axt ist keine Waffe für einen Reiter.«
»Und ein Zwerg ist kein Reiter. Orkhälse will ich durchhauen, nicht Menschenschädel rasieren!«, Gimli tätschelte den Griff seiner Axt.
Legolas schüttelte nur seinen Kopf und schritt neben mir weiter.
Nach den Stufen kamen wir zum Tor, wo viele Männer zu sehen waren; alte und junge, alle schon im Sattel. Mehr als tausend waren dem Aufruf gefolgt und ihre Speere funkelten im Sonnenlicht.
Mit erfreuten Rufen begrüßten sie ihren König, der zu seinem Pferd schritt. Ich sah, dass auch unsere Pferde dort waren. Sofort ging ich zur hellgrauen Stute und zufälligerweise hielt genau die Wache Maiden fest, die uns die Treppen hinaufgeführt hatte.
»Nun trifft man sich wieder«, sagte ich, nahm ihm die Zügel ab.
Der Mann blickte mir, für meinen Geschmack zu intensiv, entgegen doch ich war selbst daran schuld. Ich hätte ihn zuvor nicht beachten sollten.
Mein Ego ist größer gewesen...
Ich schwang mich aufs Pferd und schaute zum Mann nach unten, der seine Stimme erhob: »Ja, so sieht man sich wieder, edle Elbe.«
»Schön, dass Ihr der Gemeinsprache fähig seid«, erwiderte ich trocken und auch er schwang sich auf sein Pferd. Nun saßen wir nebeneinander auf Augenhöhe.
Seine Augen musterten mich intensiv.
»So, wie Ihr darum gebeten habt«, gab er genauso trocken als Antwort.
»Gebeten, obwohl man doch höflich vor Fremden, einer Dame, sein kann?«
Er lachte nur. »Eine Dame!«, rief er, »Ihr seid bewaffnet wie ein Mann, warum verlangt Ihr Höflichkeit?«
»Weil Höflichkeit zu den Sitten jedes Volkes gehört. Und, wenn Ihr meine Weiblichkeit anzweifelt, dann verstehe ich Eure intensiven Blicke nicht«, ich sah dem Mann in sein Gesicht, in welchem ein blonder Bart zu finden war, »aber wenn Ihr mehr den männlichen Typ vorzieht, kann ich Eure lasziven Begierden nicht befriedigen. Unter dieser Kleidung findet ihr nicht den Körper eines Mannes.«
Ihm entgleisten seine Gesichtszüge. Sein Kiefer spannte sich an und ich bemerkte, wie seine Fingerknöchel, welche die Zügel hielten, weiß hervortraten. Innerlich musste ich fies grinsen, da er wirklich gedacht hatte, dass er sich mit mir anlegen könnte.
Ich hob meine Braue. Der Mann wollte etwas erwidern, doch dann ging sein Blick über meine Schulter. Er schloss seinen Mund und mit einer grimmigen Miene ritt er zu den anderen Wächtern.
Ich sah nach rechts und erkannte natürlich Legolas, der dem Menschen drohend nachschaute. Die Augen des Elbs blitzten beschützend auf. Ich seufzte.
Immer muss er sich einmischen...
»Ach, mein Retter in der Not!«, ich hielt mir mein Herz, »Das hätte ich selbst hinbekommen.«
»Ich habe ihn bloß angesehen. Ich kann nichts dafür, dass er sich bedroht gefühlt hat«, gab Legolas ruhig von sich, obwohl seine Stimme etwas zu streng klang.
»Du hast ihn auch so angesehen, als ob du ihm einen Pfeil in den Kopf schießen wolltest.«
»Und? Ich kann nichts dafür, dass er das Weite gesucht hat, aber ja, du hattest alles unter Kontrolle.«
Ich musste lächeln. Dass der Elb einen ausgeprägten Beschützerinstinkt hatte, wusste ich bereits, aber dass dieser sich schon so äußerte, war mir neu.
»Ach, wenn es so ist, darfst du mich nicht mehr brutal nennen, obwohl mir das mehr wie Eifersucht 'rüberkam, mein Lieber.«, ich zwinkerte keck.
»Eher gesunder Verstand.«
»Ach, ja, dann ist alles klar...«
Mein Blick schweifte nach rechts und neben Legolas sah ich, wie Gimli mit Éomer sprach. Sie standen beim Pferd vom Menschen, infolgedessen half Éomer dem Zwerg auf sein Pferd. Er stieg ebenso auf und reihte sich zwischen Legolas und Aragorn ein.
»Aber danke.«, ich sah wieder in Legolas' blaue Augen. Er erwiderte mein Lächeln.
»Wo ist Schattenfell?«, fragte Gandalf die Anwesenden und lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. Ein Mann antwortete ihm: »Er läuft frei auf den Wiesen herum. Von keinem Menschen lässt er sich berühren. Dort ist er, unten an der Furt, wie ein Schatten zwischen den Weiden.«, darauf nickte der weiße Zauberer und pfiff durch seine Finger.
Das weiße Ross spitzte die Ohren in der Ferne. Schnell kam er auf Gandalf und das Heer zugerannt.
»Nähme der Atem des Westwinds sichtbare Gestalt an, sähe er so aus«, Ehrfurcht klang aus Éomers Stimme und alle musterten Schattenfell, wie er näherkam.
»Die Übergabe des Geschenks scheint schon vollzogen«, meinte der König, anschließend wandte er sich an sein Volk und sprach mit lauter Stimme: »Aber hört mich, ihr alle! Hier nun ernenne ich meinen Gast, Gandalf Graumantel, den klügsten aller Ratgeber und willkommensten aller Reisenden, zum Fürsten der Mark. Und ich schenke ihm Schattenfell, den Fürsten der Pferde!«
»Ich danke Euch, König«, erwiderte Gandalf und warf plötzlich den grauen Mantel und Hut beiseite. Im nächsten Augenblick schwang er sich aufs Pferd und beide waren die Farbe Weiß. Gar schien es so, als hätte sie den Namen von ihnen, denn Gandalfs Haar und Gewand wehte im Wind.
»Seht den Weißen Reiter!«, rief Aragorn und das versammelte Heer nahm den Ruf auf. »Unser König und der Weiße Reiter! Auf, Eorlingas!«, dann wurde in Trompeten geblasen und die Pferde wieherten, wobei einige sich aufbäumten.
Nacheinander preschten die Pferde über die Ebene Rohans und ließen die Goldene Halle zurück.
Mit einem letzten Blick über meine Schulter sah ich Éowyn, die stolz vor dem leeren Haus stand. Sie trug den Harnisch und mit beiden Händen umklammerte sie das Heft des Schwertes, das nach unten gerichtet war. Ganz allein stand sie da und beobachtete das Heer, wie es langsam in den Weiten Rohans verschwand.
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