Canac-a-eneg ◇ I Thaedi en Dagor
Die Spuren einer Schlacht
1 000 Jahre später:
Das Licht des Morgens schien über uns, als wir alle zusammentrafen. Wir standen auf der grünen Wiese des Klammbachs. Damit waren König Théoden, Gandalf der Weiße, Aragorn, Legolas, Erkenbrand, die Krieger der Goldenen Halle und ich gemeint. Um uns herum versammelten sich die Rohirrim, die Reiter der Mark, und Erkenbrands Krieger. Sie waren ebenso stolz wie die Pferdeherren und fröhliches Raunen ging durch ihre Reihen.
Siegesfreude war in jedem zu finden, doch überall war das Staunen über den Wald größer. Ein Wald, der aus dem Nichts aufgetaucht war.
Wie durch Zauberei.
Jedoch, ob Gandalf dafür verantwortlich war, müsste sich noch herausstellen. Zuerst vernahmen wir frohes Rufen und Brüllen. Vom Damm herab kamen die Männer, die während des Kampfes in die Klamm getrieben worden waren. Ganz vorne war der alte Gamling und Éomer zu sehen. Neben ihnen kam auch Gimli, dessen freudiges, raues Lachen bis in meine Ohren klang. Zwar trug er seinen Helm nicht mehr und ein blutbefleckter Leinenverband war um seinen Zwergenkopf gewickelt, doch dies schien seine Freude nicht zu trüben.
Sie kamen bei uns an, wurden freudig begrüßt. Die Pferdeherren freuten sich, ihren Führer Éomer wieder unter ihnen zu wissen, und unter uns Gefährten war die Freude, den Zwerg munter zu sehen, groß.
»Ach, es ist wahrhaftig schön, dich zu sehen, Gimli!«, rief ich beglückt, »Ich könnte dich glatt durch die Luft wirbeln!«
Die anderen um mich herum lachten auf. Nicht zuletzt aufgrund Gimlis Reaktion, dem die Idee, durch die Luft gewirbelt zu werden, nicht gefiel.
»Bitte nicht!«, rief er lachend aus, doch zumindest musste er durch eine kleine Umarmung. Sie kam so plötzlich, dass er sie nicht kommen sehen hatte.
Gimli ließ sie über sich ergehen. Ich glaubte sogar, dass er sie nicht so schlecht fand, wie er es im Moment zeigte.
»Ach, jetzt wächst sogar die Konkurrenz in den Reihen der Gefährten, Legolas!«, stichelte er grollend, lachend.
Ich rollte übertrieben mit meinen Augen. »Geh' dich zuerst waschen, bevor du dumme Sprüche ziehst. Du riechst ziemlich männlich. Negativ assoziiert.«
»Und du bist so direkt wie eh und je, Lithil. Denkst du jedoch wirklich, dass du besser riechst?«, hielt er dagegen.
Ich löste die Umarmung wieder. »Gewiss, ich bin immer noch eine Dame, mein Lieber. Und würdest du wirklich behaupten, dass eine Dame stinkt?«, ich stemmte die Hände in die Hüfte und bevor er antworten konnte, kam ich ihm zuvor: »Nein, eben nicht, ich weiß.«
Der Zwerg lachte abermals. »Die Siegesfreude ist so groß, dass mich Lithil nicht aufregen kann, aber noch mehr würde es mich freuen, zu hören, wie viele Feinde du zählst, Legolas? Ich zähle zweiundvierzig! Aber nun ist meine Axt schartig, denn der Zweiundvierzigste hatte einen eisernen Kragen um den Hals!«
»Willst du wissen, wie viele Feinde ich zähle, Gimli?«, fragte ich lieb und wusste, dass ich die beiden übertroffen hatte.
»Nein!«, kam es synchron vom Elb und Zwerg.
Ich hob unschuldig meine Hände. »Dann eben nicht. Ich weiß, dass ihr beide nicht verlieren könnt. Ich gönne euch euren männlichen Stolz.«
Legolas schüttelte amüsiert seinen Kopf. Auch musste ich fairerweise sagen, dass ich, im Gegensatz zu den beiden, an der Front mit Aragorn und Éomer gekämpft hatte.
»Dies ist wirklich gütig, Lithil«, meinte Legolas, infolgedessen blickte er zu Gimli, »Um einen bist du mir voraus. Doch gern gönne ich dir den Vorteil, so froh bin ich, dich auf den Beinen zu seh'n.«
»Mich bekommst du schnell nicht klein!«, rief Gimli aus und schien zu bemerken, was er eben gesagt hatte, »Klein im Sinne des Besiegens, Lithil. Und doch freut es mich zu hören, dass ich diesen Kampf zwischen Legolas und meiner Wenigkeit für mich entschieden habe, ha!«
Der Zwerg freute sich ungemein. Gimli blieb immer noch Gimli, aber bevor wir unsere Begrüßung ins Unendliche ziehen konnten, wurde auch Éomer begrüßt. Aragorn lachte ihm entgegen und der König freute sich, seinen Schwestersohn wohlauf zu sehen.
»Willkommen, Éomer, Schwestersohn!«, Théoden klang beglückt, »Nun, da ich dich wohlbehalten vor mir stehen sehe, bin ich erst recht froh.«
»Seid gegrüßt, Herr der Mark! Diese düstere Nacht ist vorüber, und es ist wieder Tag. Doch dieser Tag hat seltsame Neuigkeiten gebracht.« Éomer blickte verwundert zum Wald und konnte seinen Augen nicht trauen. Als er seinen Blick vom Wald abwandte, sah er zu Gandalf und erhob seine Stimme: »Wieder einmal kommst du unerwartet in der Stunde der Not.«
»Unerwartet?«, Gandalf musste lachen, »Ich habe doch gesagt, ich komme wieder und treffe euch hier bei Helms Klamm.« Er stützte sich auf seinen Stab und beugte sich etwas nach vorne, als hätte er uns gerade ein Geheimnis mitgeteilt.
»Doch den Moment, wann du kommst und mit welch Unterstützung, hast du nicht vorausgesagt«, Éomer sah wieder zum Wald und Erkenbrands Kriegern, »Hilfe bringst du und was für ein starker Zauber diese Hilfe ist!«
»Mag sein, doch mein Zutun in dieser Sache ist klar. Ich habe guten Rat, in einer gefährlichen Lage, erteilt und mir Schattenfells Schnelligkeit zunutze gemacht. Dank liegt allein bei den Westfoldern, die die ganzen dunklen Stunden vor Morgengrauen und Nacht hindurch marschiert sind.«
Ich sah misstrauisch zum Wald. »Dieser Wald entspringt also nicht deinem Tun?«
»Die Bäume? Nein, ich bin genau so erstaunt, wie ihr es seid, sie zu sehen«, antwortete Gandalf kindlich und musterte die Versammelten amüsiert, die ihren Augen nicht glaubten. Ein paar fuhren sich durch ihr Gesicht, doch danach stand der Wald immer noch an Ort und Stelle.
»Die Bäume entsprechen der Realität!«, rief er lachend aus, »Aber dies ist etwas, womit selbst die Weisen nicht rechnen hätten können. Was hier geschehen ist, war besser als mein Plan und hat sogar meine Hoffnungen übertroffen, die ich zu hegen pflegte.«
»Wenn also nicht von dir herbeigezaubert, von wem dann?«, fragte Théoden, »Von Saruman nicht, dies ist klar wie Glas. Gibt es denn einen noch mächtigeren Weisen? Einem, von dem noch nie wer gehört hat?«
»Es ist kein Zauber, sondern eine viel ältere Macht«, erwiderte Gandalf ruhig, »Eine Macht, die schon auf der Erde umging, ehe die Elben sangen oder die Zwerge hämmerten.
Eh Erz ward gefunden und Baum gefällt,
Als jung unterm Monde lag die Welt,
Eh Ring ward geschmiedet, war Er schon alt,
Eh Unheil erweckt, ging Er um im Wald.«
»Ein Rätsel, doch was mag seine Lösung sein?«, fragte König Théoden, der Herr der Mark, und Gandalf antwortete: »Wenn Ihr es wissen wollt, dann kommt mit mir nach Isengard.«
»Nach Isengard?«, riefen wir alle und konnten nicht glauben, dass Gandalf dort hinwollte.
»Ja, ich reite noch einmal nach Isengard. Jeder, wer will, kann mitkommen und wir werden wahrhaftig Seltsames sehen.«
»Aber in der Mark haben wir nicht genug Streiter, selbst wenn alle versammelt und von ihren Wunden und der Müdigkeit geheilt wären, um Sarumans Festung anzugreifen.«, Théoden hatte seine Einsprüche.
»Dennoch, ich reite nach Isengard. Lange werde ich dort aber nicht bleiben. Mein weiterer Weg führt nach Osten. Erwartet mich alle, die mitkommen wollen, in Edoras, ehe der Mond am Abnehmen ist.«
Schob jetzt wusste ich, dass ich mit dem Zauberer gehen wollte. Dieser Wald war seltsam, doch in Isengard war Seltsameres und dies konnte ich mir nicht entgehen lassen.
»Gandalf, an manch Augenblicken habe ich an dir gezweifelt, doch in dieser Stunde möchte ich mit dir gehen, wenn du es mir rätst«, sprach der König.
Gandalf nickte, mit einem kleinen Lächeln um seine Lippen. »Ich will mit Saruman sprechen, so bald wie möglich und da er Euch großes Unrecht getan hat, wäre es nur gut, wenn Ihr mitkommen würdet. Doch wie bald und wie schnell könnt Ihr reiten?«
»Meine Männer sind müde von der Schlacht und auch ich bin müde. Weit geritten und auch nicht der jüngste mehr bin ich«, begann der König, »Mein Alter ist ein Gebrechen, von dem kein Heiler mich ganz heilen können wird, nicht einmal du Gandalf der Weiße.«
»Dann können alle, die mit mir reiten sollen, sich jetzt zur Ruhe legen. Wir brechen im Schutze der Abenddämmerung auf. Das ist auch gut so, denn mein Rat ist, dass von nun an all unser Kommen und Gehen so geheim bleiben sollte wie irgend möglich. Aber nehmt nicht viele Männer zum Geleit mit, Théoden. Es geht zu einer Verhandlung, nicht zum Gefecht.«
Théodens Blick traf Éomer, dem er sein Leben anvertraute. Auch der Pferdeherr wollte mit seinem König reiten, der mit zwanzig Männer von seinem Trupp den König unterstützen würde.
Anschließend wählte der König einige Männer, die unverletzt geblieben waren und zudem schnelle Pferde hatten. Er würde sie mit Siegesmeldung über Helms Klamm aussenden. Sie sollten diese in allen Tälern der Mark verbreiten. Théoden wollte, dass sie verkündeten, dass alle Männer, jung oder alt, sich nach Edoras begeben sollten. Zwei Tage nach Vollmond wollte er sie dort sehen, um sich auf den Krieg mit dem Dunklen Herrscher vorzubereiten.
Rohan wird sein Waffenbündnis mit Gondor einlösen.
»Ich nehme an, dass ich auf die Gefährten zählen kann?«, fragte Gandalf und sah uns alle nacheinander an.
»Natürlich!«, rief Aragorn aus.
Ich musterte ihn. Sein Haar hing ihm in sein Gesicht und ein paar schwarze und rote Blutspritzer waren auf seinem Kettenhemd zu sehen.
»Auch ich komme mit, Mithrandir«, begann ich, »ich bin viel zu gespannt, was für Seltsames wir sehen werden, dass ich auf keinen Fall aussetzen kann.«
»Ich schließe mich an. Zu gern möchte auch ich diese Geheimnisse erkunden. Ebenfalls muss ich diesen Wald sehen«, sagte Legolas.
Auch Gimli schien, trotz seiner Kopfverletzung, mitkommen zu wollen. »Es war nur ein schwacher Hieb und der Helm hat ihn abgelenkt«, redete er es klein, »Von so einem Orkkratzer lass' ich mich nicht zurückhalten.«
»Auch kann dieser Dickschädel nicht kaputtgehen«, feixte ich, doch Gimli musste mir zustimmen, da das Volk der Zwerge zäh war.
»Ich kümmere mich um die Wunde, wenn du dich hinlegst.«, meinte Aragorn, folgend machten wir uns auf den Weg. Denn hier auf der grünen Wiese, im Morgenlicht, zu stehen, würde uns nur unsere Kräfte rauben.
Wir machten uns auf den Weg zum Wall, dann zur Hornburg. Während wir gingen, begannen einige Krieger, die Orkleichen auf einen Haufen zu werfen und die Toten ihrerseits zu suchen, um sie anständig begraben zu können.
Ich blickte mich um und erkannte nun die Spuren der Schlacht. Zwar hatte uns der Morgen den Sieg gebracht, doch auch ein Schreckensbild. Ein Meer von Toten erstreckte sich zu allen Seiten, obwohl die meisten Leichen auf den Seiten der Feinde waren, sah ich eine Unmenge gefallener Krieger. Zu viele Kinder und Frauen würden demnächst um ihre Väter und Ehemänner trauern.
Dies war ein der Gründe, warum ich als Frau kämpfte. Ich würde es nicht ertragen können, um meine Liebsten trauern zu müssen. Lieber starb ich im Kampf und müsste nicht ohne sie leben.
Wir kamen an vielen Verwundeten, aber auch wohlaufen Kriegern vorbei. Als wir auf der Mitte zur Hornburg waren, fiel mir ein, dass hier irgendwo eines meiner Messer liegen müsste.
Ich suchte die Gegend ab und in der Tat lag ein toter Ork, mit einem silbernen Messer im Auge, am Boden. Mit offenem Mund starrte er in den heller werdenden Himmel, die ersten Fliegen bereits anwesend.
Meine Kehle ließ einen Laut der Freude klingen.
Mehr ein Schrei, ein hoher.
Gut, ein Quietschen.
Sofort drehten sich die Gefährten alarmierend zu mir um, nur um zu sehen, dass ich erfreut zum toten Ork lief und nach meinem Messer griff.
»Ich hab' mein Messer gefunden!«, rief ich aus, es triumphierend in die Höhe haltend.
»Das sehe ich!«, schrie Legolas zurück, der vor Schreck eines seiner langen Messer gezogen hatte. Aufgewühlt steckte er es zurück und ich musste lachen; der Elb war zu leicht zu erschrecken, da er immer eine Gefahr aus jedem Schatten befürchtete.
»Denkst du wirklich, dass ich so erfreut aufgeschrien hätte, wenn ich etwas Schreckliches gesehen hätte?«, fragte ich und joggte zu den anderen, die vorausgegangen waren.
»Bei dir kann ich mir nie sicher sein...«, gab Legolas zu.
Gimli gab ein bestätigendes Grunzen von sich. Ich konnte nur seufzen und mit verschränkten Armen ging ich weiter.
Vor uns in einiger Entfernung schritt der König, mit Éomer an seiner Seite, die Treppe zur Hornburg nach oben. Im Inneren der Mauer sah ich, wie Erkenbrand zu ein paar Dunländer sprach, die sich im Kampf ergeben hatten. Als sie bemerkt hatten, dass sie den Kampf verlieren würden, hatten einige von ihnen die Waffen fallen lassen. Jetzt flehten sie um ihr Leben.
»Helft uns, das Böse wieder gutzumachen, zu dem ihr beigetragen habt!«, sagte Erkenbrand mit fester Stimme, »Und nachher sollt ihr einen Eid schwören, nie wieder unter Waffen die Isenfurten zu überschreiten oder mit den Feinden der Menschen zusammenzugehen. Dann dürft ihr in euer Land zurückkehren, denn ihr seid von Saruman irregeführt worden. Viele von euch haben zum Lohn für ihr Vertrauen auf ihn den Tod gefunden, aber hättet ihr gesiegt, wäre es euch nicht viel besser ergangen.«
Die Wilden konnten ihren Ohren nicht glauben. Wahrscheinlich hatte ihnen Saruman eingeredet, dass die Menschen Rohans brutale Schlächter wären und ihre Gefangenen töten würden. Und auch ich wurde wieder von den Menschen überrascht, dass sie Menschen, die von Saruman in die Irre geführt worden waren, nicht am lebendigen Leib verbrannten.
Folglich schickten die Krieger Rohans die Wilden - natürlich unter Aufsicht - an die Arbeit. Ebenfalls für alle andern, soweit sie die Nacht unverletzt und mit heilen Knochen überstanden hatten, begann eine mühsame Plackerei. Alle, die nicht mit Gandalf nach Isengard ritten, mussten sich um die Spuren der Schlacht kümmern.
Wir erreichten die Treppe, die zur Hornburg führte. Es fühlte sich seltsam an, auf ihr zu stehen, ohne einem Meer voller Feinde entgegenzublicken. Die Schrecken der Nacht waren vorüber. Zurück blieb die Müdigkeit und Freude über den Sieg tief in mir.
Bei jeden meiner Schritte wurde es offensichtlicher. Ich freute mich, endlich schlafen zu können. Doch auch freute ich mich, diese Schlucht bald verlassen zu können, um des Schicksals Weges weiterzugehen.
Oben angekommen, erblickte ich den König. Neben ihm stand Gandalf der Weiße. Zusammen blickten sie nach unten.
Mein Blick folgte ihren. In der Mitte des Feldes vor der Hornburg wurden zwei Grabhügel aufgeworfen, für alle gefallenen Reiter der Mark. Die Gräber schienen nach der Herkunft der Gefallenen aufgeteilt zu werden, sodass die Krieger mit ihren Schwertbrüdern die ewige Ruhe genießen könnten.
Die Krieger der östlichen Täler auf der einen Seite und die aus der Westfold auf der anderen. Ein weiteres Grab wurde jedoch im Schatten der Burg ausgeworfen, welches Háma, der Hauptmann der königlichen Leibwache, zuteilwurde. Er war vor dem Tor gefallen und der König schien von seinem Tod betroffen zu sein.
Weit weg von den Menschen türmte sich ein Haufen von toten Orks, die zu zahlreich waren, dass man sie hätte verbrennen können. Brennholz war knapp und den seltsamen Bäumen mit der Axt nahezukommen, hätte selbst dann niemand gewagt, wenn Gandalf sie nicht darauf hingewiesen hätte, wie gefährlich es sei, hier auch nur einen Zweig oder ein Stück Rinde anzurühren.
»Lasst die Orks liegen!«, sagte Gandalf, als ein Mensch den König vorm Tor der Hornburg gefragt hatte, was mit den Orks passieren sollte, »Der Morgen wird neuen Rat bringen.«
Nachdem Gandalf gesprochen hatte, wandte sich der König an uns: »Es gibt zahlreiche Gemächer in der Burg«, wir traten durch das große Burgtor, »Bitte sucht euch eines aus. Sie mögen zwar nicht großer Pracht entspringen, aber sie werden reichen.«
Théoden winkte jemanden her, der sich in der Burg auskannte. Es handelte sich um einen jungen Krieger, der zu Erkenbrand gehörte. Dieser führte uns ins Innere der Burg. Auch der König machte sich auf den Weg und schien sich in ein Gemach zu begeben, das sich in den oberen Stockwerken befand.
Auf unserem Weg folgten uns die Männer von Éomer und der Pferdeherr persönlich.
Meine Beine bewegten sich über den steinernen Boden. Die Gänge der Burg waren dunkel und nur die Ausgänge zur Außenmauer und Fenster spendeten Licht. Auf der Mauer sah man Krieger, die dort die Toten, sowie die zahlreichen schwarzen Pfeile fortschafften.
Im Laufe des Gehens bogen immer mehr Krieger ab und gingen in kleine Räume, wo Feldbetten standen. Es schienen die Räume der Burgwachen und Gäste zu sein. Die Zimmer beinhalteten mehrere Betten und Aragorn schien eines zu finden, welches ihm gefiel.
»Vorne gibt es noch ein paar mehr Zimmer, wo Ihr Privatsphäre findet, als, ähm, Dame«, meinte der junge Krieger von Erkenbrand und kratzte sich an seinem haarigen Kinn. Er stand vor mir und schien meine Lage zu verstehen.
So sehr ich die anderen auch mochte, wollte ich mich irgendwo frischmachen können und mir das Orkblut vom Körper waschen.
Alleine.
Aus diesem Grund nickte ich dankend und wandte mich noch kurz an die Gefährten. Gerade wollten Gimli und Aragorn, der sich die Wunde des Zwerges ansehen wollte, in den Raum gehen, als ich meine Stimme erhob: »Bevor ich gehe, muss ich noch etwas ganz Wichtiges loswerden, und zwar die Zahl sechsundvierzig.«
Ich konnte sehen, wie in Gimlis Kopf etwas ratterte. Legolas sah mich nur so an, ob ich es ernst meinte.
Kräftig nickte ich. »Ruht euch aus. Ich wollte nur reinen Tisch machen, bevor ich mich schlafen lege.«
Aragorn zog den Zwerg mehr oder weniger in den Raum, der mit wedelnden Händen zu mir kommen wollte. Er schien nicht erfreut zu sein, dass ich ihm doch die Zahl meiner Feinde mitgeteilt hatte.
Ich folgte dem Krieger, gelangte zu einem kleinen Raum und schloss die Tür seufzend hinter mir.
Meine Augen erblickten ich ein einfaches Bett und einen kleinen Tisch, samt Fenster. Es schien ein Zimmer von einem Kommandanten zu sein.
Müde machte ich mich daran, meine Waffen auf den Tisch zu legen. Kurz darauf wurde allen Männern und mir, die mit dem König nach Isengard ritten, warmes Wasser, etwas zu essen sowie trinken und neue Kleidung gebracht.
Als ich endlich ungestört war, konnte ich verarbeiten, dass wir vor weniger als einer Stunde noch in einer Schlacht gekämpft hatten. Nun fühlte es sich unwirklich an, denn hier stand ich in einem ruhigen Raum.
Die Spuren der Schlacht nur mehr eine vage Erinnerung.
Ich machte mich zuerst daran, meinen Lederharnisch zu entfernen, dann wusch ich mich von Kopf bis Fuß. Zum Glück war ich nicht allzu dreckig, da der strömende Regen in der Nacht vieles reingewaschen hatte. Jedoch war ich froh, dass ich eine neue Tunika bekommen hatte, die mir sogar passte, ein wenig.
Ich zog sie an, als mein Körper sauber war und meine Haare offen waren. Trotz des geflochtenen Zopfes waren einige Haarsträhnen verrutscht, und so kämmte ich sie. Ich entschloss, sie nur hinter meinen Ohren zu flechten.
Als dies erledigt war, entfernte ich die Blutflecken von meiner Hose. Es waren wenige und nach etwas Schrubben war die dunkle Hose so gut wie neu. Ich hing sie über den Stuhl zum Trocknen, sah an mir herunter.
Meine Beine waren nackt und wurden von der braunen Tunika bis zur Mitte meiner Oberschenkel bedeckt. Sie war mir ein wenig zu groß, aber ich hatte nicht erwartet, dass die Menschen Oberteile für eine große Frau griffbereit hätten.
Ich entschied, dass ich sie später abschneiden oder in meine Hose stecken würde. Der Fakt, dass es ein frischer, nach nichts riechender Stoff war, stimmte mich bereits glücklich.
Ich machte mich daran, meine Waffen zu säubern. Etwas, was jeder zu Beginn seiner Kampfausbildung lernte; wer seine Waffen nicht pflegte, brauchte sie nicht zu benutzen. Ganz einfach.
Nachdem alles erledigt war, ich etwas gegessen und getrunken hatte, legte ich mich endlich ins Bett. Es war ein einfaches Feldbett, die Decke war dünn und kratzig, doch für mich wirkte es wie das beste Bett, das ich je gesehen hatte. Sofort schlief ich ein und besuchte das Land der Träume.
Am späteren Nachmittag, frühen Abend hatte sich irgendwer dazu entschlossen, gegen meine Zimmertüre zu klopfen.
Auch hielt es jemand für nötig, außerhalb der Burg in ein Horn zu blasen. Die hallenden Hornstöße brachten mich zurück in die Realität. Eine, in der ich aufwachen musste.
Es klopfte abermals an der Tür und Legolas' gedämpfte Stimme drang ins Zimmer: »Narwa fín? Bist du wach?«
»Mhm!«, müde setzte ich mich auf, »Nach deinem leisen Klopfen ist es mir zwar schwergefallen, aber ja, ich bin wach!«
Meine Hände rieben durch mein Gesicht. Ein Gähnen entfuhr meiner Kehle und flott zog ich mir meine Hose an, um die Kälte zu vertreiben, die meine Beine befallen wollte, als ich aufstand.
Ich stopfte die Tunika in meine Hose, dann griff ich nach der Türklinke und öffnete die Holztüre. Ihre Angeln quietschten laut. Auf der gegenüberliegenden Wand lehnte Legolas.
Dieser Anblick erinnerte mich sehr an den Düsterwald; wie immer grinste er mir wach entgegen. Er war ebenfalls vollends sauber und trug wieder das Kettenhemd, das unter seinem Elbenmantel leicht funkelte.
Im Gang sah ich, wie die Pferdeherren sich aufbruchsbereit machten.
»Ich muss nur noch meine Waffen anlegen«, meine Stimme klang müde, als ich die Tür weiter öffnete, »Willst du hier Wurzeln schlagen und warten, oder wartest du drinnen?«
Der Elb stieß sich von der Wand ab. Ich schritt in den Raum. Legolas schloss hinter uns die Tür und setzte sich auf das Bettende, während ich meine Schuhe anzog.
»Wie steht es um Gimlis Kopfwunde?«, fragte ich, legte den Armschutz an, den ich von Théoden bekommen hatte. Danach folgten mein Harnisch und meine Waffen. Bevor ich meinen Bogen nahm, legte ich den Mantel von Lórien an.
»Die Wunde ist nicht allzu tief. Er wird keine weiteren Probleme damit haben, wenn er sie regelmäßig reinigt.«
»Das freut mich zu hören«, meinte ich und sah an mir hinunter, »fertig!«
Legolas musterte mich eingehend. Neugierig hob ich eine Braue, anschließend erhob sich der Elb.
»Ist irgendwas?«, fragte ich.
Er schüttelte seinen Kopf. »Nein, du hast nur deine Haare lange nicht mehr offen getragen.«
Vor mir blieb er stehen, nur einen Schritt entfernt. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte.
Legolas sprach zum Glück weiter: »Ich mag es, wenn du sie offen trägst, vor allem, wenn das Sonnenlicht auf sie scheint.«
Und was soll ich darauf bitte antworten?
Es trat Stille ein. Eine Zeit existierte nur Legolas vor mir, seine Augen. Nichts weiter.
Als verräterische Wärme in meinem Inneren aufstieg, bis in mein Gesicht, musste ich den Blick zum kleinen Fenster wenden.
Eine schlechte Wahl, denn durch das frühe Abendlicht bekam Legolas einen hervorragenden Anblick auf meine Verlegenheit.
Ich konnte nur ein leises Danke nuscheln, bevor ich an den seltsamen Moment in der Schlacht denken musste. Besser gesagt, ich rief mir in Erinnerung, dass solche Momente zwischen uns selten waren, doch nichts Neues. Es war nur lange nicht mehr vorgekommen.
Als die Stille erdrückend wurde, erklang abermals ein Hornstoß und beinahe hätte ich erleichtert ausgeatmet.
»Wir sollten uns auf den Weg machen«, sagte Legolas ein wenig zu schnell und ich nickte ein wenig zu stark.
Beim Verlassen des Raumes stießen wir zudem zusammen. Ich verfluchte das fiese Wesen namens Schicksal.
Im Gang herrschte reges Treiben. Alle von Éomers Männern strömten aus den Räumen und wir gingen durch die Burg. Auf dem Weg sah ich, dass die Außenmauer aufgeräumt worden war und auch in der Burg trat wieder Alltag ein. Viele der Frauen und Kinder waren zurück aus den Höhlen und gingen ihren Arbeiten nach. Ein paar Kinder rannten durch die Burg und es schien niemanden zu stören. Nach der gewonnenen Schlacht und mit dem Gedanken an die Gefallenen waren die spielenden Kinder etwas Erfreuliches.
Selbst ich musterte sie neugierig; ich konnte mich nur mehr vage daran erinnern, selbst eines gewesen zu sein. Eigenartig war der Gedanke mit meinem Alter, dass solche kleinen Menschen ein eigenes Leben führten, schon früh lernten erwachsen zu werden, denn bei den Elben galt man erst mit fünfzig Jahren als erwachsen, wenn das Leben eines Menschen schon beinahe zu Ende war.
Im nächsten Moment traten wir nach draußen, wo die Bestattungsarbeiten abgeschlossen wurden. Der König stand am Grab von Háma und warf die erste Erde hinein. Alle Versammelten neigten respektvoll ihren Kopf und nachdem alles für den Aufbruch bereit war, machten wir uns auf den Weg zu den Pferden.
Auf dem Weg dorthin, sah ich, dass innerhalb der Mauern alle Feinde weggeschafft worden waren. Auch draußen sah es weniger wie ein Schlachtfeld aus. Die Menschen hatten die Zeit, während wir geschlafen hatten, genutzt.
Nun tranken einige freudig und die Verletzten wurden in den provisorischen Lazaretten versorgt. Viele Frauen waren überglücklich, ihre Männer wohlauf zu sehen, und ich erblickte den Krieger, den ich gerettet hatte.
Er saß auf einem Feldbett, die Beine in Verbände gewickelt und auf seinem gesunden Schoß saß ein kleiner Junge. So klein, dass er gerade einmal laufen konnte. Mit einem kleinen Holzschwert fuchtelte er in der Luft herum.
Sein Vater schien heilfroh zu sein, seinen Sohn halten zu können, doch noch glücklicher als er war wohl seine Frau. Strahlend stand sie neben ihm und trug ein weiteres Kind unter ihrem Herzen.
Genau dies waren jene Momente, in denen mir bewusst wurde, welchen Wert das Leben hatte. Manchmal vergaß ich dies, da das Sterben unwirklich für mich klang, aber zu sehen, dass ein Messerwurf eine ganze Familie zusammenhalten konnte, verdeutlichte mir, dass das ein Krieg war, der uns alle betraf. Jedes Leben hatte seinen Wert.
War es das Leben eines einfachen Kriegers oder das eines Elbs.
Wir alle haben zu leben verdient.
Genau in diesem Augenblick traf der Blick des Mannes den meinen. Er zeigte in meine Richtung und sprach zu seinem Sohn und seiner Frau. Der kleine Junge streckte sein Schwert in die Luft und rief nuschelnd Worte in seiner Sprache. Die beiden Erwachsenen sahen mich dankend und glücklich an. Der Mann neigte anerkennend seinen Kopf. Seine Frau Frau sah dabei so aus, als ob sie vor Freude weinen würde.
Ich neigte im Gehen meinen Kopf und lächelte zurück. Dem Jungen winkte ich zu. Er tat es mir gleich.
Ein Umschwung hatte stattgefunden, denn die Blicke der Krieger Rohans hatten sich seit der Schlacht verändert. Viele sahen mich nun mit Achtung an, nicht mehr Verachtung.
Anscheinend hatte ich ihnen bewiesen, dass ich auf dem Schlachtfeld gut aufgehoben war. Selbst als Frau und Fremde.
Ich hätte mich darüber beschwerden können, dass eine einzige Schlacht die Meinung der Menschen verändern konnte; stattdessen stimmte es mich fröhlich. Ein Lächeln umspielte meine Lippen, das so schnell nicht mehr weichen würde.
Wenig später erreichten wir die Pferde und mir war wieder Maiden bereitgestellt worden. Langsam schloss ich dieses Pferd in mein Herz, doch auch der Stute schien es so zu ergehen. Sie spitzte die Ohren, als sie mich sah und wieherte zur Begrüßung. Der Stallbursche, der sie an ihren Zügeln hielt, wurde beinahe von seinen Füßen gerissen.
Bei der Stute angekommen, streichelte ich ihr über die Stirn. Ihr Fell war glatt und dankend nahm ich dem Burschen die Zügel ab, der ebenfalls froh zu sein schien, sie nicht mehr halten zu müssen.
Nachdem ich Maiden begrüßt hatte, saß ich auf und Legolas neben mir tat es mir gleich. Infolgedessen nahm er Gimlis Hand und setzte ihn hinter sich aufs Pferd. Der Zwerg hatte einen neuen Helm bekommen und schien bestimmt zu sein, den Weg fortzusetzen.
Nachdem der König aufgesessen war, war die Sonne schon auf dem Weg in den Westen. Bei den Hügeln der Talschluchten leuchtete der Feuerball rot.
Wir ritten den Damm hinab. Hinter uns hatte sich eine große Menschenmenge versammelt. Ich sah Reiter, Leute aus der Westfold, die Alten und Jungen, Frauen und Kinder. Mit hellen Stimmen sangen sie ein Siegeslied und verstummten, als wir den Waldrand erreichten.
Von den Bäumen ging eine Ungewissheit aus; Mensch sowie Pferd scheuten sich, den Wald zu betreten. Grau und drohend standen die Bäume vor uns, von einem Dunst oder Schatten umhangen. Die Enden ihrer Zweige hingen herab wie Finger und ihre Wurzeln standen vom Boden ab.
Gandalf aber ritt mit Schattenfell entschlossen hinein und wo der Weg von der Hornburg hinabführte, sah ich eine Öffnung, eine Art Torbogen unter mächtigen Ästen.
Der Zauberer ritt hindurch, wir folgten. Der Weg führte durch den Wald und über unseren Köpfen war kein Blätterdach. Nur der blaue Himmel und die goldenen Strahlen der Abendsonne leuchteten hinab.
Jedoch war zu beiden Seiten eine drückende Dunkelheit des Waldes zu spüren. Er schien eine eigene Präsenz zu haben, mehr zu sein als auf dem ersten Blick zu sehen war.
Weit im Wald hörte man das Ächzen sowie Knarren von Ästen, fernes Geschrei und ein Geräusch, das wie ein Gemurmel von wütenden Stimmen klang. Von den Feinden, die in den Wald gerannt waren, oder anderen Lebewesen war nichts zu sehen.
Wir hielten uns dicht an der Front und man sah Gimli an, dass er diesem Wald absolut nicht traute. Für mich jedoch wirkte er wie ein Rätsel, das ich erkunden wollte, auch wenn es gefährlich wäre.
»Heiß ist es hier drinnen«, sprach Legolas zu Gandalf, »Ich spüre eine kochende Wut ringsum. Spürst du nicht, wie die Luft in den Ohren pocht?«
»Ja«, antwortete Gandalf nur.
»Was wohl aus den Orks geworden sein mag?«, fragte ich, in die tiefen Schatten spähend.
»Das, glaube ich, wird niemand je erfahren«, erwiderte Gandalf leise, und so begann unser Weg nach Isengard.
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