Cain ◇ I Hîr e Moria
Der Herr von Moria
Nun standen wir hier und der einzige Weg war der auf der anderen Seite. Die schönen, alten Bäume neben der Tür lagen jetzt vor der Zwergentür. Unbehagen machte sich unter uns Gefährten breit, da wir gezwungen waren, durch die Minen von Moria zu gehen.
Boromir murmelte Widerworte, die von den Wänden zurückgeworfen wurden, doch es brachte ihm nichts und auch er schritt, wie die anderen, die Treppe hinauf. Niemand sprach ein Wort. Während ich Gandalf folgte, der aus seinem Stab einen trüben Lichtschein leuchten ließ, erklomm ich die breite Treppe. Die Stufen waren sauber und unbeschädigt. Oben angekommen, standen wir in einem Gang mit gewölbter Decke, der in die Dunkelheit hineinführte.
Herumstehend verweilten wir ein paar Sekunden. Niemand wusste etwas mit seiner eigenen Wenigkeit anzufangen, bis Frodo vorschlug, dass wir einmal eine Mahlzeit zu uns nehmen sollten, da der Hobbit Hunger zu beklagen hatte. Der Vorschlag wurde vor allem von den Hobbits begrüßt.
Ich ließ mich auf das Gestein plumpsen und setzte mich neben Pippin, welcher seine behaarten Füße vor sich ausgestreckt hatte, auf die Treppe. Legolas setzte sich vor mich hin, sodass ich seinen blonden Haarschopf leicht im Halbdunklen sehen konnte. Gandalf spendierte allen, wie zuvor schon am Caradhras, einen Schluck von dem Miruvor aus Bruchtal und sagte, dass er leider nicht mehr lange reichen würde, als das Gefäß wieder bei ihm angekommen war. Auch sollten wir alle sparsam mit dem Wasser umgehen, da wir unsere Flaschen erst wieder im Schattenbachtal befüllen könnten, denn, obwohl Moria viele Bäche und Brunnen hatte, würden wir jene nicht anrühren. Grauste es mich nur an dem Gedanken daran, Minenwasser zu trinken.
Wir hatten noch ein paar Meilen hinter uns zu bringen, weswegen wir nur kurz rasteten, folgend brachen wir auf; wir wollten die Wegstrecke so schnell wie möglich hinter uns bringen. So marschierten wir trotz Müdigkeit weiter voran. Gandalf ging voran. In der linken Hand hielt er seinen Stab, dessen Lichtschimmer nur den Boden vor seinen Füßen erhellte, in der rechten sein Schwert Glamdring.
Hinter ihm schritt Gimli, dann Frodo, wobei auch er sein kurzes Schwert Stich gezogen hatte. Die beiden Schwerter leuchteten nicht, was uns alle beruhigte, denn diese alten Schwerter, von Elben geschmiedet, warnten ihre Träger vor Orks.
Hinter Frodo folgten die anderen Hobbits und die zwei Menschen, samt Legolas und mir. Legolas war in sein altbekanntes Schweigen gehüllt, das ich, wenn ich es nicht schon seit tausend Jahren kennen würde, als unangenehm empfunden hätte.
Ich marschierte zwischen Aragorn und Legolas entlang, wobei der Mensch beinahe Legolas in Sachen Trübseligkeit schlug.
Ja, die beiden, wie viele anderen, wollen nicht hier sein und müssen dies natürlich jedem zeigen...
Fast wäre ich schon zu Gimli gegangen, weil dieser bestimmt gerne über Moria geplaudert hätte, doch so tief war ich noch nicht gesunken.
Ich wanderte einfach. Eine Weile führte der Weg stetig abwärts, dann blieb er auf gleicher Höhe. Die Luft wurde warm und stickig, doch auf meinem Gesicht spürte ich einen kühleren Hauch, der aus kaum erkennbaren Öffnungen in den Wänden kam. Durch meine Elbenaugen sah ich viele Treppenabsätze, Torbögen, Gänge und Stollen, aufwärts oder steil bergab führend. Doch die Hauptattraktion war die Dunkelheit um uns herum.
Niemand hätte dem Zauberer helfen können, sich die Wege zu merken, die wir gingen, denn schon bald war alles zu einem einzigen Labyrinth geworden. Wir schritten durch diese Ewigkeit dahin, immer weiter. Jedoch, ungeachtet der Dunkelheit und all der Krümmungen und Kreuzungen der Straße wusste Gandalf dem Anschein nach immer, wohin er wollte, und verlor nie den Mut, solange es einen Weg gab, der zum Ziel führen könnte.
Es gab nicht nur viele Kreuzungen, an denen man sich entscheiden musste, sondern an manchen Stellen waren auch Löcher und Gruben und dunkle Brunnenschächte. Schächte, die so tief waren, dass sie in eine andere Welt führen mussten. Der längste Riss im Boden war gute zehn Fuß breit und es dauerte eine knappe Ewigkeit bis Pippin den Mut beisammen gehabt hatte, die fürchterliche Kluft zu überspringen. Schlussendlich hatte er es geschafft. So konnten wir der Kluft, von der von tief unten ein Geräusch von brodelndem Wasser heraufdrang, den Rücken zukehren.
Wir wanderten weiter. Niemand sprach viele Worte. Das einzige Geräusch machten unsere Schritte, und wenn wir einen Augenblick stehenblieben, hörten wir überhaupt nichts. Selten hier und da ein Rieseln oder Tröpfeln unsichtbaren Wassers. Gelegentlich bildete ich mir ein, dass ich ein leises Tapsen von Füßen hörte, doch es verschwand immer genau dann, wenn es hörbar wurde. Ein Echo konnte es aber nicht sein, denn wenn wir anhielten, tapste es noch ein paar Mal für sich allein, ehe es still wurde.
Es war schon Nacht gewesen, als wir die Minen betreten hatten. Mit kurzen Pausen waren wir trotzdem mehrere Stunden marschiert, bis sich Gandalf auf eine erste schwere Probe gestellt sah. Wir Gefährten hatten uns vor einem breiten, dunklen Torbogen, unter dem sich der Weg in drei Gänge aufteilte, versammelt. Der Zauberer schien zu grübeln. Zur Linken ging es steil abwärts, zur Rechten aufwärts, während der Gang in der Mitte flach zu bleiben schien, aber sehr schmal wurde.
»An diese Stelle kann ich mich überhaupt nicht erinnern«, sagte Gandalf unschlüssig. Der Stab hocherhoben in seiner Hand und suchte an den Wänden nach einem Hinweis, doch dann schüttelte er seinen Kopf und seine Worte hallten durch den Gang: »Ich bin zu müde für einen Entschluss und ich nehme an, euch allen geht es ebenso oder noch schlimmer. Bleiben wir am besten hier für den Rest der Nacht. Was ich damit meine? Hier drinnen ist es immer Nacht, aber draußen ist der Mond jetzt weit nach Westen vorgerückt, und Mitternacht ist vorüber.«
»Der arme, alte Lutz!«, beklagte Sam abermals, »Wo der jetzt wohl ist? Hoffentlich haben ihn die Wölfe noch nicht gefressen«, murmelte er zu Frodo, der aber nicht zuzuhören schien.
»Lutz ist sicher schon am Weg zurück nach Bruchtal, Sam. Wie schnell der gerannt ist, da ist er vielleicht sogar schon im Auenland«, versuchte ich den Hobbit aufzumuntern, und es schien seine Wirkung zu zeigen.
»Ja, Lutz ist ein schlauer Kerl, der schafft das schon«, sprach er zu sich selbst, und so bekamen wir beide nicht mit, wie Pippin und Merry in die kleine Kammer links vom großen Bogen hineingehen wollten. Nur Gandalfs tadelnde Worte waren zu hören: »Hier geblieben!«, er sah die beiden scharf an, »Hier geblieben! Ihr wisst ja noch nicht, was da drinnen ist. Ich gehe vor.«
Dann trat er vorsichtig ein. Wir anderen folgten in kurzen Abständen hintereinander.
»Da!«, Gandalf deutete mit dem Stab zur Mitte des Bodens hin, wo vor seinen Füßen ein großes rundes Loch, wie die Öffnung eines Brunnenschachts, zu sehen war. Am Rande lagen zerbrochene, verrostete Ketten und hingen über dem Rand.
»Wenn einer von euch da hineingefallen wäre, wüsste er jetzt noch nicht, wann er unten aufschlägt«, sagte Aragorn zu Merry, »Lasst den Führer vorangehen, wenn ihr einen habt!«
»Dies scheint eine Wachstube gewesen zu sein, von der aus die drei Gänge bewacht wurden«, Gimli spazierte näher zum Loch, »Das Loch war sicherlich ein Brunnen für den Gebrauch der Posten und mit einer Steinplatte abgedeckt. Aber die Platte ist zersplittert und so müssen wir vorsichtig sein.«
Doch ich hörte dem Zwerg nicht mehr zu und suchte mir eine schöne Ecke, wo ich meine Decke entrollte. Ich setzte mich auf sie, nahm meine Waffen ab, wobei ich in die Dunkelheit spähte, die leicht von Gandalfs Stab beleuchtete wurde. Legolas kam zu mir, setzte sich neben mich. Ob er sich ausgeschwiegen hatte, wusste ich nicht.
Gerade, als ich mit ihm sprechen wollte, hörte man ein Geräusch, als ob ein Stein ins Wasser gefallen wäre.
»Was war das?«, rief Gandalf und Pippin sah schuldbewusst aus. Er berichtete, dass er einen Stein ins Loch geworfen hatte. Gandalf schien erleichtert, zugleich wütend zu sein.
»Du Narr von einem Tuk!«, fauchte er, »Dies ist eine Fahrt, eine ernste Sache und keine Hobbit-Landpartie. Schmeiß dich nächstes Mal selber 'rein und falle uns nicht weiter zur Last! Still jetzt!«
Pippin zuckte zusammen und eilte zurück zu den anderen. Einige Minuten lang waren alle still und man hörte nichts mehr, bis schwache Klopftöne aus der Tiefe drangen.
Tomm-tapp, tapp-tomm...
Als ihr Echo verklungen war, wiederholten sie sich abermals:
Tomm-tapp, tapp-tapp, tomm...
»Das waren Hammerschläge, oder ich habe noch nie welche gehört«, sagte Gimli.
»Ja, und das gefällt mir gar nicht. Vielleicht hat es nichts mit Peregrins blödsinnigem Steinwurf zu tun, aber wahrscheinlich ist da unten irgendwas aufgestört worden, das wir besser in Ruhe gelassen hätten. Mach so 'was bitte nicht noch 'mal! Hoffentlich können wir nun ohne weitere Störung etwas schlafen. Du, Pippin, darfst zur Belohnung die erste Wache halten«, knurrte der Zauberer leise, als er sich in seine Decke wickelte, doch es sah mehr nach Nachdenken als Schlafen aus.
»Was geht dir durch den Kopf?«, fragte ich Legolas im Flüsterton in Sindarin, als sich die anderen alle hinlegten.
»Sieht es so sehr danach aus?«, er klang etwas gequält, legte sich auf seine Seite, um mich ansehen zu können. Wir lagen nebeneinander und auch ich lag auf meiner Seite, blickte in sein Gesicht. Trotz der Dunkelheit konnte ich seine leichten Umrisse sehen und wusste, dass wir uns nahe waren. So nahe, dass ich meinen Kopf nur etwas nach vorne lehnen müsste, um seine Stirn zu berühren.
»Ich kenne dich schon lange und weiß, wenn dir etwas auf der Seele liegt, mein Freund.«
»Ja, kennen tun wir uns lange, und doch verstehe ich nicht, warum du kein Problem hast, hier zu sein«, antwortete er.
Ich nickte sachte. Ja, ich verstand ihn, und selbst ich verspürte leichtes Unbehagen, da wir unter der Erde waren und niemand ahnen konnte, welche Monster hier hausten. Jedoch, Angst verspürte ich nicht.
Dies sagte ich Legolas: »Ich habe kein Problem damit, weil ich mit einigen der besten Kriegern aus ganz Mittelerde hier bin. Auch habe ich keine Angst, da es etwas ist, was getan werden muss. Angst werde ich erst bekommen, wenn Sauron den Ring in seinem Besitz hat.«
Ich tippte Legolas zur Unterstreichung meiner Worte nervend auf seine Stirn. Er zuckte zurück und stieß Luft aus, folglich klang seine Stimme, die ins Leere gerichtet war: »Wollte ich ihr doch gerade sagen, dass sie weise Worte gesprochen hat, attackiert sie mich.«
Ich rollte mit meinen Augen, legte mich auf den Rücken und ließ ihn seinen Schock verarbeiten.
»Ja, ich hab' dich auch gern, bei den Valar!«, rief ich leise aus, als ich einen Klaps gegen meine Stirn bekam.
»So wie du mir, so ich dir«, sprach der Elb und legte sich schlussendlich neben mich. Auch die anderen kamen langsam zur Ruhe und schon bald waren aus der kleinen Kammer nur mehr leise Atemzüge zu hören.
In der Früh - jedenfalls nach sechs Stunden Ruhe - wurden wir alle von Gandalf geweckt, der dem Anschein nach die ganze Nacht allein Wache gehalten hatte, nachdem er Pippin abgelöst hatte, um uns andere schlafen zu lassen. Froh darüber streckte ich mich in der dunklen Kammer und es war mir absolut nicht geheuer, dass es dunkel beim Aufwachen war, war es draußen nun Nacht oder Tag.
Als wir etwas gegessen hatten, berichtete Gandalf, dass er die ganze Nacht gegrübelt hatte, welchen Weg wir nehmen sollten. Er hatte sich für den rechten entschieden, da dieser etwas bergauf führte.
Wir machten uns auf den Weg und marschierten acht dunkle Stunden lang, in denen wir keiner Gefahr begegneten. Alle folgten dem blassen Schimmer von Gandalfs Stab und wir schienen auf eine Art Hauptstraße gekommen zu sein, da wir keinen Gruben und Abzweigungen mehr über den Weg liefen. Die Straße stieg stetig an, führte nach Osten. Ebendeswegen lockerte sich die Laune der Gefährten etwas, denn die Aussicht auf die Außenwelt stimmte uns alle fröhlich, wenn es noch ein weiter Weg wäre. Wir gingen so lange, wie es die Hobbits mit ihren kurzen Beinen konnten, und als der Gedanke an einen Schlafplatz durch die Reihen ging, verschwanden links und rechts die Wände. Augenscheinlich waren wir in eine Art Halle getreten und von hinter uns wehte ein warmer Luftzug.
»Ich habe den richtigen Gang gewählt«, Gandalf klang zufrieden, »Endlich kommen wir in die bewohnbaren Bezirke, und ich schätze, dass wir von der Ostseite nicht mehr weit entfernt sind. Aber wir sind nun ziemlich hoch, wenn ich mich nicht täusche ein ganzes Stück höher als das Schattenbachtor. So wie die Luft hier schmeckt, müssen wir in einer großen Halle sein. Jetzt lassen wir 'mal fünfe grad sein und machen wirklich ein bisschen Licht.«
Der Zauberer hob seinen Stab, wobei ihm seine Robe zu seinen Ellenbogen rutschte, und für einen Augenblick flammte ein grelles Licht auf. Große Schatten sprangen auf, flohen darauf und ganz kurz sahen wir ein weitgeschwungenes Deckengewölbe. Vor uns und zu beiden Seiten erstreckte sich eine weite, leere Halle mit schwarzen Wänden, glatt wie geschliffenes Glas, die drei weitere Eingänge hatte.
»Mehr will ich fürs Erste nicht riskieren. Früher waren in den Berghang große Fenster eingelassen, und Lichtschächte führten in die oberen Bereiche der Minen. Ich glaube, da befinden wir uns jetzt, aber draußen ist nun Nacht, und erst am Morgen werden wir es genau wissen. Wenn ich recht habe, schaut morgen der Tag zu uns herein. Aber einstweilen gehen wir besser nicht weiter. Lasst uns etwas Ruhe finden, wenn wir können. Bisher ist alles gut gegangen, und den größeren Teil der dunklen Straße haben wir hinter uns. Aber noch sind wir nicht hindurch, und bis zum Tor hinab, durch das man wieder ins Freie kommt, ist es noch weit«, sprach Gandalf und sofort schliffen die kurzen Hobbitbeine Merrys zu einer Ecke. Nur wenige Sekunden später ließ sich Merry auf den Boden fallen. Gleich darauf erklang leises Schnarchen.
»Da war jemand ja müde«, witzelte Legolas neben mir, »Der macht dir ja fast Konkurrenz.«
»Ja, schon klar.«
»Das habe ich ernst gemeint.«, mein Freund sah mich an. Ich pustete Luft aus.
»Gen ú-velin...« (Ich hasse dich), ließ ich klingen, stolzierte zu den anderen, die sich ebenso in die Ecke legten, wobei Frodo die erste Wache übernehmen würde.
Ich rollte meine Decke aus und hinter mir erklangen Legolas' Schritte, die näher und neben mir zu einem Stillstand kamen.
»Hier muss es 'mal eine Unmenge Zwerge gegeben haben. Wo sie jetzt sind, ist ein Rätsel«, sagte Sam von rechts ehrfürchtig, »Jeder von ihnen muss fünfhundert Jahre lang gewühlt haben wie ein Dachs, um das alles hier fertigzubringen, und das meiste auch noch in hartem Fels! Wozu haben die das bloß gemacht? Die haben doch in diesen schummrigen Höhlen nicht etwa gewohnt?«
»Es sind keine Höhlen«, widersprach Gimli und sah Sam an, »Dies ist das große Königreich Zwergenheim und seine Hauptstadt. Und einst war es hier nicht schummrig, sondern alles strahlte in lichter Herrlichkeit, wie aus unseren alten Liedern hervorgeht.«
Ich musterte ihn vom Boden aus, da ich mich schon gesetzt hatte, und sah zu, wie der Zwerg in der Dunkelheit stand. Folgend stimmte er für Sam ein Lied an, das einem tiefen Sprechgesang glich:
Die Welt war jung, die Berge grün,
Als fleckenlos der Mond noch schien,
Nicht Berg noch Tal, nicht Strom noch Land
War da zu Durins Zeit benannt.
Er gab den Dingen Nam und Stand,
Trank ersten Trunk vom Quellenrand
Und sah im Spiegel Widerschein
Von Sternen, Gold und Edelstein,
Sah sich zu Häupten eine Kron Aufblinken und verschatten schon.
Die Welt war jung, die Gipfel frei
Zu jener Zeit, die längst vorbei.
Die mächtigen Herrn von Nargothrond
Und Gondolin sind längst entthront
Und leben westlich, fern und weit,
Die Welt war schön zu Durins Zeit.
Die Felsengrinde waren sein,
Mit Gold verziert und Edelstein
Und silbern köstlich ausgelegt,
Das Tor von Runenkraft geprägt,
Und tausend Lampen aus Kristall
Verströmten Licht allüberall.
Ein helleres fließt nicht in die Welt
Von Sonne, Mond und Sternenzelt.
Der Hammer auf den Amboss hieb,
Der Stichel grub, der Meißel trieb,
Geschärfte Schwerterklinge sang,
Der Reichtum wuchs bei jedem Gang.
Von Amethyst, Beryll, Opal,
Metall, geschuppt, war voll der Saal,
Von Panzerhemden, Schild und Speer
Die Borde in den Kammern schwer.
Tief unter Tage, nimmermüd,
Sang Durins Volk so manches Lied
Zu Harfen, Flöten ohne Zahl,
Am Tore grüßt Trompetenschall.
Die Welt ist grau, der Berg ist alt,
Die Essen leer, die Aschen kalt,
Kein Harfner singt, kein Hammer fällt;
Das Dunkel herrscht in Durins Welt,
Sein Grab liegt unter Schatten da
In Khazad-dùm, in Moria.
Die Sternenkrone glänzt vom Grund
Des Wassers noch zur Tagesstund.
Tief ist der See, der sie begräbt,
Bis Durin sich vom Schlaf erhebt.«
»Das gefällt mir«, sagte Sam und auch ich war etwas beeindruckt, da ich nicht gedacht hätte, dass Gimli ein kleiner Sänger war. Mit Betonung auf klein.
»Ich möchte es auswendig lernen. In Khazad-dùm, in Moria! Aber es macht die Dunkelheit noch dunkler, wenn man an all die Lampen denkt. Liegen denn hier immer noch haufenweise Gold und Juwelen herum?«, fragte der Hobbit weiter, doch der Zwerg schwieg.
»Gold und Juwelen?«, fragte Gandalf rhetorisch, »Nein. Die Orks haben Moria oft geplündert. In den oberen Hallen ist nichts mehr. Und seit die Zwerge geflüchtet sind, wagt sich niemand mehr zu den Schachtsohlen und den tieferen Schatzkammern hinab. Sie stehen unter Wasser, oder unter dem Schatten einer Schreckgestalt.«
»Warum wollen die Zwerge dann zurückkommen?«, Sam klang neugierig.
»Wegen des Mithrils«, antwortete Gandalf, »Morias Reichtum bestand nicht in Gold und Juwelen, die waren für die Zwerge nur Spielzeug. Auch nicht in Eisen, das für sie nur ein dienstbarer Stoff war. Das alles fanden sie hier auch, gewiss, besonders Eisen, aber danach zu schürfen, hatten sie gar nicht nötig: Alles, was sie brauchten, bekamen sie im Handel, aber nur hier in aller Welt wurde das Moria-Silber gefunden, manchmal auch Wahrsilber genannt. Mithril ist der elbische Name. Wie die Zwerge es nennen, verraten sie niemandem. Es hatte den zehnfachen Wert des Goldes und heute ist es überhaupt unbezahlbar, denn über Tage gibt es kaum noch welches und auch die Orks wagen es hier nicht abzubauen. Die Erzgänge ziehen sich bis nach Norden hin, zum Caradhras und verschwinden dann in der Tiefe. Die Zwerge sprechen nicht darüber, aber Mithril war nicht nur die Grundlage ihres Reichtums, sondern auch Ursache ihres Verderbens: Sie bauten es allzu begierig ab, schürften zu tief und dabei wurde etwas aufgestört, wovor sie fliehen mussten, Durins Fluch. Fast alles, was sie zutage gefördert hatten, ist den Orks in die Hände gefallen, doch sie mussten es als Tribut an Sauron abführen, der es heiß begehrt. Das Mithril, alle begehrten es! Es ließ sich hämmern wie Kupfer und schleifen wie Glas. Die Zwerge verstanden ein Metall daraus zu machen, das sehr leicht war und doch härter als edelster Stahl. Es glänzte ähnlich wie gewöhnliches Silber, schwärzte oder trübte sich aber nicht mit der Zeit. Die Elben schätzten es hoch, und eine der vielen Formen, in denen sie es verwendeten, ist das Ithildin, Sternmond, das ihr an der Tür gesehen habt. Bilbo besaß einen Harnisch aus Mithril-Ringen, den Thorin ihm geschenkt hat. Ich möchte wissen, was daraus geworden ist. Vermutlich fängt er immer noch Staub im Mathomhaus von Michelbinge.«
»Was?«, rief Gimli erstaunt, sodass er sein Schweigen brach, »Einen Harnisch aus Moria-Silber? Ein königliches Geschenk!«
»Ja«, sprach Gandalf, »Ich habe es ihm nie gesagt, aber er ist mehr wert als das ganze Auenland mit allem, was darin ist.«
Nach diesen Worten verstummten alle und legten sich schlafen, so wie es Merry bereits getan hatte, der vom Lied und Gespräch nichts mitbekommen hatte. Auch ich legte mich hin und Legolas wie letzte Nacht neben mich. Den anderen hätte man nicht zweimal sagen müssen, dass sie nun schlafen konnten. Nur Frodo nicht, da er die erste Wache hatte.
Ich konnte sehen, wie Gimli mit verschränkten Armen vor seiner Brust auf seinem Rücken lag, leise vor sich hinschlummerte, ebenso Aragorn, der neben ihm lag, und die Hobbits waren ein kleiner dunkler Haufen auf dem Boden. Gandalf schien heute etwas Schlaf zu finden, denn er lehnte tief atmend an der glatten Wand.
So vergingen die ersten Augenblicke und komischerweise bemerkte ich, dass ich nicht schlafen konnte. Ringsum hing eine hohle, unermessliche Dunkelheit. Die Einsamkeit und Weite der unterirdischen Hallen, mit ihren sich endlos verzweigenden Gänge und Treppen, drückten mir aufs Gemüt.
Ich atmete einmal ruhig ein und aus, rutschte etwas näher zu Legolas heran. Zwar war ich keine Elbin, die viel Körperkontakt brauchte, doch dieses Gefühl der erdrückenden Leere ließ sich einfach nicht vertreiben. Demnach rutschte ich noch näher an Legolas heran, der schon zu träumen schien, doch noch nicht tief, denn als ich ihm zuflüsterte, dass ich nicht schlafen konnte, murmelte er etwas vor sich hin, was sich sehr wie Spott anhörte.
Trotzdem schien er sich nicht gestört von meiner Nähe zu fühlen und bald darauf lag ich mehr auf seinem als auf meinem eigenen Schlafplatz. Als er mich wenig später, wahrscheinlich unbewusst, näher an sich zog, war ich kurz überrascht, aber die aufkommende Wärme von seinem Körper brachte mich endlich dazu, meine Augen zu schließen.
Schnell war ich eingeschlafen. Ich bemerkte nur mehr, wie Legolas Frodo mit Wache ablöste. Als er zuückkam, legte er sich genauso hin wie zuvor, und ich konnte friedlich durchschlafen, da ich heute keine Wache hatte.
In der Früh hörte ich leises Geflüster von den anderen. Trübes Licht fiel mir in die Augen, als ich sie einen Spalt öffnete. Von hoch oben, über dem östlichen Torbogen, kam ein langer bleicher Lichtstrahl durch einen Schacht in der Decke. Auch auf der anderen Seite der Halle schimmerte etwas wie Licht durch den nördlichen Bogen.
Langsam drehte ich mich auf den Rücken, rieb mir den restlichen Schlaf aus dem Gesicht. Ich war froh, dass es nicht mehr dunkel war. Glatt hätte ich vergessen, was Farben überhaupt waren.
Mit diesem Gedanken setzte ich mich auf, wobei es schwerer als gedacht war. Ich spürte nämlich ein Gewicht auf meinem Bauch ruhen, welches ich Legolas' Arm zuordnen konnte. Wieder kam mir die Erinnerung an gestern Nacht in den Kopf, dass ich nicht einschlafen hatte können, und so legte ich seine Hand ganz vorsichtig neben ihn. Der Elb schlief noch, doch ich entschied, dies zu beenden. Ich rüttelte an seiner Schulter, sodass er wach wurde.
Als Legolas seine blauen Augen aufschlug, wünschte ich ihm einen guten Morgen und ließ meinen Blick durch die Halle gleiten. Boromir, Gandalf und zwei der Hobbits waren schon auf den Beinen. Aragorn versuchte gerade sein Glück, Merry wach zu bekommen, und der Waldläufer wich einem Fuß aus. Frodo schien gerade von selbst wach zu werden, denn blinzelnd saß er in seinem Schlafplatz.
»Guten Morgen!«, Gandalf sah den Ringträger an, »Denn endlich ist es 'mal wieder Morgen. Siehst du, ich hatte recht. Wir sind hoch oben auf der Ostseite von Moria. Bevor der Tag um ist, sollten wir das große Tor gefunden haben und den Spiegelsee im Schattenbachtal vor uns liegen sehen.«
»Mir soll es recht sein«, sagte Gimli, der seine Axt in seinen Gurt steckte, »Ich habe nun Moria gesehen und es ist sehr groß, aber es ist ein finsterer, schrecklicher Ort geworden. Von meiner Sippe haben wir kein Zeichen gefunden. Ich habe jetzt Zweifel, ob Balin je hierhergekommen ist.«
Danach frühstückten wir. Gandalf bestand, dass wir sofort aufbrechen sollten. Er sah die Gruppe an und erhob seine Stimme: »Wir sind zwar noch müde, aber ausruhen können wir uns besser, wenn wir draußen sind. Ich denke, niemand von uns hat Lust, noch eine Nacht in Moria zu verbringen.«
»Nicht im mindesten«, grummelte Boromir zustimmend und auch ich schloss mich dem Menschen an.
Noch eine Nacht in dieser Endlosigkeit zu schlafen, will auch ich nicht.
»Welchen Weg sollen wir nehmen? Drüben durch den östlichen Torbogen?«, Boromir sah den Zauberer an.
»Vielleicht«, erwiderte Gandalf, »Aber ich weiß noch nicht genau, wo wir sind. Wenn ich mich nicht vollkommen verschätzt habe, müssten wir oberhalb des großen Tors und etwas nördlich davon sein, und vielleicht ist es nicht ganz einfach, die richtige Straße zum Tor zu finden. Wahrscheinlich wird sich erweisen, dass wir durch den östlichen Bogen geh'n müssen. Aber bevor wir uns entscheiden, sollten wir uns umschauen. Gehen wir doch zu diesem Licht in der Nordtür. Wenn wir ein Fenster finden, würde uns das helfen, aber ich fürchte, das Licht kommt nur durch Schächte herunter.«
Von Gandalf angeführt gingen wir durch das Tor und etwas hibbelig war ich dann doch. Wieder sehen zu können, verbesserte meine Laune sehr. Legolas schien dies zu bemerken, da er mir einen amüsierten Blick zuwarf.
Wir kamen zu einer Türöffnung auf der rechten Seite, dahinter war ein großer viereckiger Raum. Unsere Füße wirbelten eine dicke Staubschicht vom Boden auf und wir stolperten über Dinge, die in der Türöffnung lagen. Erhellt wurde der Raum durch einen breiten, schräg aufsteigenden Schacht in der Ostwand gegenüber der Tür. Als ich mich traute, einen Blick hineinzuwerfen, sah ich oben einen kleinen viereckigen Fleck blauen Himmels. Ich wandte mich jedoch schnell wieder den anderen im Raum zu. Auf einer Art Tisch lag eine große weiße Steinplatte.
»Sieht wie ein Grab aus...«, murmelte Frodo, beugte sich über die Platte, um sie näher zu betrachten. Auch der Zauberer trat rasch neben ihn und sprach: »Das sind Daerons Runen, wie man sie einst in Moria schrieb«, er sah auf die Platte, »Hier steht in den Sprachen der Menschen und Zwerge:
BALIN FUNDINSSOHN
HERR VON MORIA.«
»Also ist er tot«, sagte Frodo.
»Ich hatte es befürchtet.«, Gimli zog sich die Kapuze übers Gesicht. Wir standen schweigend im Raum und Gandalf erzählte etwas, bis er unterbrochen wurde.
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