103. Kapitel - Heimkehr
Nach dem Abschied fühlte ich mich seltsam. Zum einen hatte ich die letzten mehr als fünfhundert Jahre im Palast des Düsterwaldes verbracht, hatte Legolas immer an meiner Seite gehabt, trotzdem fühlte sich diese Rückkehr seltsam an. Nun waren wir wieder in unserer Heimat und bald würde es Richtung Herbst zugehen. Die Luft im Wald roch zwar noch nach Sommer, doch in den Schatten schlummerte bereits der Herbst. Im Norden war der Wald lichter und langsam arbeiteten wir uns zum Palast vor.
Eine Weile verblieben wir ruhig, bis Legolas das Schweigen brach: »Wieder hier zu sein, hat sich auf der ganzen Reise wie ein Wunsch angefühlt und jetzt fühlt es sich wie ein Traum an. Würde ich in der nächsten Sekunde irgendwo in Ithilien oder wo in Rohan am Boden liegend aufwachen, würde es mich nicht wundern.«
»Diese Reise, sei sie kurz in unserer Zeitspanne gewesen, fühlt sich wie eine Einbildung an. Wenn du mir sagen würdest, wir zwei wären gerade eine Patrouille im Wald gegangen und ich hätte mir bei einem Sturz den Kopf gestoßen, würde ich es dir glauben und auch, dass ich mir diese Reise bloß eingebildet habe«, erwiderte ich und Legolas sah mich von der Seite aus an. Kurz tauchte ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen auf, doch dann sprach er wahrheitsgemäß: »Dies würde ich nicht wollen, dass alles nicht passiert wäre.«
»Warum? Dann wären wir dieses Jahr einfach im Düsterwald geblieben und wären unseren Pflichten nachgegangen.«
»Genau, es hätte sich nichts verändert.«
»Ach, magst du plötzlich Veränderungen, als penibler Perfektionist?«
»Nun, eine gewisse Veränderung gefällt mir halt, sehr sogar«, antwortete er und während wir langsam nebeneinander gingen, bremste er mich, indem er mein Kinn mit drei von seinen Fingern umfasse und mich küsste. Ich lächelte in den Kuss hinein, weswegen es ein kurzer wurde, und sah in Legolas' Augen.
»Ja, das gefällt mir auch«, meinte ich, »doch denkst du, dass wir ohne diese Reise nie so weit gekommen wären?«, fragte ich und Neugier war aus meiner Stimme herauszuhören.
»Ich glaube, dass alles aus einem bestimmten Grund geschieht und nicht nur, dass diese Reise der Grund war. Ich denke daher, dass sie es nur beschleunigt hat.«
»Ja, mit dem Tod im Nacken ist Wahrheit in diesen Worten zu finden. Wie lange, denkst du, hätten wir sonst gebraucht?«, fragte ich und strich beiläufig seine Schulter und Oberarm entlang, dann die Gurte, die seinen Köcher und Messer am Rücken hielten.
»Ich denke, dass sich auch so in der nächsten Zeit zumindest Anzeichen ergeben hätten. Was aus ihnen geworden wäre, kann ich nicht wissen«, er griff nach meiner Hand, verschränkte unsere Finger miteinander, »Leider muss ich zugeben, dass du mich die Woche vor unserer Abreise mit deinen Provokationen innerlich aufgewühlt hast.«
Unweigerlich musste ich grinsen. Ich erinnerte mich, dass ich vor der Abreise aus dem Königreich wieder einen Hochpunkt im Nerven von Legolas gehabt hatte. Dass dies zu einer gewissen Anspannung unter uns auf dem Weg nach Imladris geführt hatte, stand bereits im Buch des Lebens geschrieben.
»Innerlich aufgewühlt?«, fragte ich süß und er rollte mit seinen Augen.
»Ja. Aber vielleicht wird es langsam an der Zeit, nach den vielen Jahren, mir zu erklären, warum du dies immerzu getan hast?«, kam eine Gegenfrage, eine sehr gute Gegenfrage, warum ich meinen Kopf hin und her wog.
»Weißt du, ich hab' mich innerlich immer so aufgewühlt gefühlt. Deswegen habe ich es auf dich übertragen.«
Auf meine Worte bekam ich ein weiteres Augenrollen, aber dann sprach ich ernst weiter: »Ganz logisch betrachtet, hat es mir Spaß gemacht, tut es immer noch, doch vielleicht waren die Intentionen nicht unbedingt nur auf der Ebene der Unterhaltung. Etwas, das ich aber erst später bemerkt, dann verdrängt habe, bis es wieder aufgebrochen ist«, erklärte ich mich und war überrascht, dass ich Worte gefunden hatte. In meinem Inneren hatte ich schon immer gewusst, dass mehr hinter meinen Sticheleien stecken musste und dieses Mehr stand in diesem Moment vor mir.
»Wie ich gesagt habe; alles passiert aus einem gewissen Grund.«
»Und was ist mit einfachen Zufällen?«, fragte ich, da ich nicht sehr an das Schicksal glaubte. Ich glaubte schon, dass es größere Mächte gab, die einen Einfluss auf uns Lebenden hatten, doch dass es ein Schicksal gab, das sich um alle Lebewesen gleichzeitig kümmerte, daran glaubte ich nicht. Viele solche Zufälle hatte es zwischen Legolas und mir gegeben, doch ob ich jetzt an das Schicksal glauben sollte, dass ich von ihm im Wald gerettet worden war, oder dass ich ihm ebenso schon das Leben gerettet hatte, wusste ich nicht.
»Was, wenn Zufälle genau das sind, was man als Schicksal, Vorherbestimmung definiert?«, fragte der Elb und hob eine Braue. Ich wusste, dass er gerade recht haben wollte, und so gönnte ich ihm diesen Triumph. Ich hatte um ehrlich zu sein viel zu wenig über das Schicksal mit der Gleichsetzung mit Zufällen nachgedacht.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wir können es nicht wissen«, meinte ich demnach und um das Gespräch zu beenden, bekam er ebenso von mir einen Kuss, den er jedoch intensivierte. Seine Hand zog mich an meiner Taille näher zu ihm, sodass sich unsere Oberkörper berührten und mein Magen einen kleinen Salto machte. Instinktiv schlang ich meine Arme um seinen Nacken, um ihm noch näher zu sein, und schloss meine Augen. Seine Lippen lagen stark, aber gleichzeitig hauchfein auf meinen und fies wie der Herr Elb war, beendete er den Kuss im nächsten Augenblick.
»Angst, dass hier irgendwo Wachtposten sind, die uns entdecken?«, stichelte ich und bekam ein Seufzen. Infolgedessen ging sein Blick aber kurz nach oben in die Bäume, sodass ich lachen musste. Es war amüsant, zu beobachten, wie er sich den Gedanken durch den Kopf gehen ließ. Folglich kniff er jedoch seine Hand an meiner Taille zusammen, warum ich überrascht aufquiekte und einen Schritt nach hinten ging.
»Ce uchand!« (Du bist dumm!), kam es, »Hier ist kein Jägerposten in der Nähe!«
»Was, wenn doch?«, hielt ich dagegen, »Ein paar Elben auf Patrouille vielleicht?«
»Sehr unwahrscheinlich, aber es ist mir egal.«
»So hat dein Blick aber nicht ausgesehen«, neckte ich und als ich eine weitere Attacke seinerseits befürchtete, löste ich mich endgültig aus seinen Armen.
»Was denkst du werden die anderen sagen unseretwegen?«, fragte ich ernst und so nah am Palast musste ich darüber nachdenken. Auf der Reise war alles unbeschwert gewesen, weswegen ich nicht viel darüber nachgedacht hatte, dass eine richtige Bindung bei uns Elben mit einer Verlobung und einer Hochzeit einherging. Neben mir stand bekanntlich der Prinz, was ich immerzu vergaß.
»Darüber musst du dir nicht den Kopf zerbrechen«, begann Legolas, »Ich werde meinen Vater morgen darüber in Kenntnis setzen, wenn ich mit ihm über alles gesprochen habe, was auch Ithilien betrifft. Auch wenn du es nicht glaubst, Lithil, er mag dich sogar, gibt er nur nicht zu.«
»Er mag mich?«, ich hob eine Braue und ich musste ein dummes Gesicht machen, da der Elb vor mir zu lachen begann, »Ich dachte, er akzeptiert mich und sieht mich als gute Kriegerin.«
»Ja, er mag dich. Mögen gleichgesetzt, dass du Ansehen besitzt. Du denkst immer viel zu gering von dir, narwa fín«, meinte er und sah mich an. Ich erwiderte seinen Blick und eine Zeit lang existierten nur wir zwei, umgeben vom Düsterwald.
»Aber es ist doch wahr«, erwiderte ich, »Ich meine, ich kann dir als Prinz nichts geben, wenn wir eine Verbindung eingehen, sind wir ja schon. Hätten wir es besser überdenken sollen? Oder-«, jedoch, weiter konnte ich mich nicht mehr in den Strudel dieser Gedanken hineinziehen, denn Legolas kam zu mir und nahm mein Gesicht in seine Hände. Er zwang mich, ihn anzusehen und immer noch lag ein Lächeln auf seinen Lippen.
»Dann sag' noch einer, dass du nicht auch manchmal zu viel nachdenkst. Du bist nicht bloß eine gute Kriegerin; du bist eine Kommandantin des Palastes, hältst somit den gleichen Rang inne, wie andere Elben, die das doppelte deines Alters haben, und nebenbei bist du eine gute, vielleicht sogar die beste Schwertkämpferin im Königreich, die auch als Meisterin unterrichtet. Belesen bist du auch und du lässt dir nicht den Mund verbieten, was manchmal nervig ist, aber das gleichst du mit deinen Schlafgewohnheiten aus. Nicht ohne Grund bist du auf dieser Reise gewesen und nicht einmal gab es einen Moment, wo jemand anderes dich als eine einfache Waldelbin wahrgenommen hat. Die Menschen und auch noch die Elben in Imladris wie in Lórien kennen dich alle. Selbst die Menschen werden viele Generationen brauchen, um zu vergessen, dass ihnen einst eine Elbin im Ringkrieg beigestanden hat«, sein Blick wurde intensiver, »Obwohl du nicht irgendeine hohe Tochter eines Fürsten bist, heißt das noch lange nicht, dass du mir und dem Volk nichts geben kannst. Meinem Vater ist schon seit Jahren klar, dass er mich nicht mit irgendeiner Fürstentochter verheiraten kann, weil ich dann nie heiraten würde. Nichts gegen die Töchter von Fürsten. Viele von ihnen sind in Ordnung und jeder Elb wäre froh, sie als Frauen zu haben, doch du bist nicht unter ihnen und ich will nur dich. Es war mir klar, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe und so ist es. Ich brauche keine eheliche Verbindung, die einen politischen Sinn hat, wenn es dort keine Liebe gibt. Liebe, die du mir gibst, und das ist das Einzige, was ich will. Und ehrlich, was bringt es dem Volk an sich, wenn irgendeine Fürstentochter an meiner Seite wäre, wenn sie keinen Bezug zum Volk hat? Alle kennen dich im Düsterwald. Selbst Kinder in den Siedlungen kennen die Kommandantin Lithil und deinetwegen wollen viel mehr Mädchen und junge Elbinnen dem Heer beitreten. Du bist jemand, der in ihnen etwas bewirkt, und all das ist mehr wert als ein Titel, den man seit der Geburt besitzt. Selbst mir ist mein Titel egal und du kennst mich. Hätte mich mein Vater zu einer Heirat gezwungen, würde man mich nicht mehr im Düsterwald finden.«, und bei seinem letzten Satz musste ich lächeln. Ja, wäre er jemals zu einer Hochzeit gezwungen worden, wusste ich, dass er rebelliert hätte.
»Das wollte ich dir eigentlich schon lange sagen«, endete er. Ich sah ihn an. Seine Worte fanden in mir Anker und liebevoll musterten meine Augen ihn.
»Du hast recht«, gab ich zu,
»Manchmal vergesse ich all dies, danke. Ich bin froh, dich an meiner Seite zu haben. Le melin.« (Ich liebe dich)
»Le melin, narwa fín.«
So vergingen die letzten Stunden unserer Reise und als es Abend, die Luft kühler wurde, erreichten wir die nördlichen Mauern des Palastes. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, wieder in die Heimat zu kommen, die Mauer mit bekannten Wachen zu sehen. Legolas und ich hatten Maiden und Arod den ganzen Weg über frei hinter uns herlaufen lassen und auch jetzt trotteten sie uns Elben hinterher. Die Bindung zwischen Tiere und Elben war sogar für mich als Elbin etwas Besonderes.
Als wir auf dem Weg zur Mauer waren, ging ein Ruf durch die vielen Krieger und unser Erscheinen wurde angekündigt. Dem Palast eine Nachricht, die unsere Ankunft ankündigte, zu schicken, wäre unnötig gewesen, da wir im Voraus nicht gewusst hatten, wann wir zurück in den Düsterwald kämen. Wissen, dass wir in den Monaten nach Einbruch des Friedens heimkehren würden, hatte König Thranduil und alle anderen bestimmt getan.
Die Krieger auf den Mauern freuten sich allesamt, uns zwei und vor allem ihren Prinzen begrüßen zu dürfen. Unter ihnen sah ich vertraute Gesichter, dann wurden wir von einer Flut Kriegern begrüßt. Unsere Pferde wurden uns abgenommen und für sie kehrte ebenso Ruhe ein. Nun würden sie etwas anderes als Gras essen können. Sie würden zu den anderen Pferden in die Stallungen und Weiden kommen.
»Es ist schön, euch beide wiederzusehen«, meinte Fëanor, der heute Dienst auf der äußeren Mauer hatte. Es war schön, ihn zu sehen, zu wissen, dass er die Angriffe auf den Düsterwald und den Kampf gegen Dol Guldur überlebt hatte.
Dass Fëanor Dienst an der äußeren Mauer hatte, hatte zur Folge, dass seine Leute und zum Teil auch meine Truppe, die ich ihm bei meiner Abreise unterstellt hatte, anwesend waren.
»Wahrlich schön ist es!«, rief deswegen Sionon aus, der neben seinem Kommandanten stand und grinste, dann setzte er, an mich gerichtet, fort: »Großartig und Calen wird sich freuen, dich zu sehen. Der Geburtstermin rückt immer näher«, freute er sich und entlockte Legolas und mir die gewünschte Reaktion; unsere Augen wurden größer. Dass ich meine liebe Calen bedauerlicherweise an Sionon abgeben hatte müssen, hatte ich schon verkraftet und sie hatten vor gut zehn Jahren geheiratet, also tat es nur mehr ein wenig weh. Lange hatte Calen noch meinen Posten an den südöstlichen Grenzen geleitet, bis sie ebenso in den Palast einberufen worden war, ich sie mir wieder in meine Gruppe geholt hatte. In dieser Zeit war sie dem lieben Sionon, der es bis dorthin immer noch nicht geschafft hatte, eine feste Beziehung zu führen, nähergekommen. Eines hatte zum anderen geführt, jedoch, dass die Elbin schwanger war, war mir neu. Anders als bei den Menschen trugen Elbinnen ihr Kind ein Jahr unter dem Herzen.
»Wunderschöne Neuigkeiten!«, meinte Legolas und der Elb Sionon schien sich über die Worte des Prinzen zu freuen.
»Ja, da sind wir rechtzeitig gekommen«, sagte ich, »Mit solchen Neuigkeiten wird man gerne begrüßt.«
»Gewiss doch«, erwiderte Fëanor trocken, »Wenn man sie zum ersten Mal hört und nicht jeden Tag.«, er schien aus Erfahrung zu sprechen, aber sein Unteroffizier zuckte bloß mit den Schultern und schien kein Problem zu sehen. Ich wusste, dass Sionon und Calen ein süßes Paar waren und Sionon schien sich auf sein ungeborenes Kind zu freuen.
»Hier hat sich wirklich nichts verändert«, sprach ich dann wieder.
»Außer dem Frieden gibt es aus dem Waldreich nichts zu hören. Alle sind froh und noch froher werden sie sein, wenn sie erfahren, dass ihr Prinz und Lithil heimgekehrt sind. Eine interessante Reise, diese Ringreise, und vielen werden davon hören wollen, doch wenn man euch schon an der ersten Mauer aufhält, wird euer Tag nie enden«, sagte Fëanor und seine braungelben Augen sahen uns abwechselnd an, anschließend lächelte er. Es war ein ehrliches Lächeln, welches man selten bei ihm fand, und er schien wirklich froh zu sein, dass wir zurück waren.
»Deswegen werden wir euch nicht mehr länger aufhalten. In der Zwischenzeit weiß bestimmt schon der Palast von eurer Ankunft, also bitte.«, der Schwarzhaarige machte eine Handgeste Richtung innere Mauer, infolgedessen schickte er seine Leute zurück auf die Mauer.
»Dann lass uns gehen, Lithil«, sprach Legolas und legte eine Hand auf meine Schulter.
Nach einer kurzen Verabschiedung setzten wir uns in Bewegung und dass Legolas' Hand etwas zu lange auf meiner Schulter verweilte, bemerkte ich nicht – ein paar der anderen jedoch schon.
Die nächste Zeit gingen wir unseren Weg durchs Gebiet zwischen den beiden Mauern. Die Sonne sank tiefer und schon bald würde sie die Umgebung in goldenes Licht tauchen.
Später erreichten wir die innere Mauer und wie Fëanor gesagt hatte, wusste das Volk bereits von unserer Ankunft. Jemand von der äußeren Mauer schien ihnen Bescheid gegeben zu haben und aus diesem Grund begrüßte uns das Volk des Waldlandreiches. Hinter der Mauer am Platz vorm Palast hatten sich viele versammelt und König Thranduil war unter ihnen. Ganz in Weiß und Silber gekleidet, stand er vorm Palast. Ein Schmunzeln, das einem Lächeln gleichkam, war auf seinen Lippen zu finden.
Als wir durchs Tor schritten, begrüßte er uns: »Zwei der unsrigen sind heimgekehrt! Von Friedensbringern kann man beinah sprechen!«, er kam uns entgegen und in seinen Augen konnte man wahrlich Freude entdecken, als er seinen Sohn sah. Denn, obwohl des Königs Blick oft kalt wirkte, konnte man ihm kein kaltes Herz zuschreiben. Als einer der Ältesten Mittelerdes trat er weise auf und langsam kam er auf uns zu. Das Lächeln war auf seinen Lippen verschwunden, doch es hatte für ein Funkeln in seinen Augen Platz gemacht.
»Dies letzte Jahr hat uns alle auf viele Proben gestellt und als Gesandte ward ihr zu Ringgefährten geworden. Das Böse ist vertrieben und ich werde wohl für alle sprechen, wenn ich behaupte, dass das Volk Stolz in sich trägt, zu wissen, dass welche der ihren aus dem Elbenvolk, im Norden heimat, wahrlich nur Ehre gemacht haben. Mit aller Freude begrüße ich euch zwei in der Heimat unter den Bäumen, die nun ganz andere Schatten spenden!«
Nach diesen Worten nahm der König jeweils eine Hand von uns beiden, sah uns entgegen. Interessanterweise war seine Hand seidig weich, dann wurde es einen Augenblick still. Sein Blick schien mir bis ins letzte Versteck meines Inneren schauen zu können und es schien mir so, als ob er danach all meine Geheimnisse wusste. Legolas hingegen blickte seinem Vater normal entgegen und nach diesem kurzen Moment, welcher sich wie eine knappe Ewigkeit angefühlt hatte, nickte Thranduil uns beiden zu.
»Jetzt seid ihr heimgekehrt, doch lassen wir euch nun wirklich ankommen. Danach mögen sich alle in meinen Hallen zusammenfinden und unsere Herzen mit Frieden füllen!«
Und so war es geschehen, denn nachdem wir von allen anderen begrüßt worden waren, Elif mir meine Rippen gebrochen hatte, waren wir kurz in unsere Gemächer gegangen. Es hatte sich komisch angefühlt, in meinem Gemach zu sein, doch mein Bett wiederzusehen, hatte mein Herz mit großen Freuden gefühlt. Oft hatte ich es auf der Reise vermisst. Beinahe hätte ich in ihm schlafen können, wenn es sich nicht Elif heute zur Aufgabe gemacht hätte, mich für die Zusammenkunft zu kleiden und mich nach allen Einzelheiten der Reise auszuquetschen. Von außen wirkte die Elbin immer so, als ob sie sich nicht für solche Themen interessierte, doch leider musste sie alles wissen, was im Düsterwald geschah.
Nach einem Bad, welches den ganzen Dreck von der Heimreise fort gewaschen hatte, hatte sie mich in ein schönes Kleid gezwungen. Es war ein fließendes grünes Kleid, das feine, fast unsichtbare Stickereien von Blättern und Zweigen trug. Es hatte lange Ärmel und Elif zwang mich ebenso, passenden Schmuck zu tragen, der bernsteinfarben war und zu meinen Haaren passte. Sie schien sich dieses Farbschema im Kopf ausgedacht zu haben, weshalb ich es bloß über mich ergehen ließ. Neben Míriel hatte sie und Fëanor im Laufe der Jahre noch zwei weitere Kinder bekommen, zwei Jungs, die alle inzwischen an Jäger- oder Grenzposten dienten, warum sich die Elbin freute, mich mit schönen Kleidern und Schmuck zu nerven.
Beim Umziehen entdeckte sie natürlich auch meine schon gut verheilten Narben von Moria und der Schlacht um Minas Tirith. Dass ihre Reaktion wie zu erwarten gewesen war, war klar, und ich hatte ihr die Geschichten dazu erzählen müssen. So hatte ich von ihr von der Schlacht unter den Bäumen interessante Informationen erfahren, welche sie von ihrem Mann hatte und eigentlich nicht haben dürfte, geschweige denn herumerzählen sollte. Zwar waren es nur Informationen zu normalen Berichten, jedoch, dass Fëanor ein Plappermaul war, war eine interessante Neuigkeit gewesen.
Von Elif erfuhr ich auch, nach vielem Drängen meinerseits, welche Elben alle ihr Leben gelassen hatten. Ich kannte fast alle wichtigen Namen, da ich viel über die Krieger wusste, doch am meisten traf es mich, als ich erfuhr, dass Aldon nicht mehr im Westen wanderte. Ein Elb, der schon fast ein Relikt des Düsterwaldes gewesen war. Círdan leitete nun den westlichen Jägerposten und ich erfuhr, dass ein paar Palastkrieger ihr Leben gelassen hatten, doch im Großen und Ganzen war die Schlacht ein voller Erfolg gewesen. Im Süden hatte Lórien seine Truppen ebenso nach Dol Guldur geschickt. Ob jedoch nun mehr Krieger für das Heer gesucht werden würden, oder ob in den Friedenszeiten jetzt an Jägerposten abgebaut werden würde, wusste ich nicht.
Ich konnte nicht wissen, dass der Düsterwald schon bald wieder Grünwald heißen würde und der Süden um Dol Guldur bis zur Ost-Bucht an Lórien gehen würde, was Celeborn mit Thranduil beschließen würde. Ich konnte nicht wissen, dass die Mitte des Waldes offiziell den Menschen zufallen würde und der Norden bis zum Gebirge Thranduil gehören würde. Die Zukunft brachte uns unsere Verwandten Lóriens näher und ebenso einen friedlichen Wald, der es wert war, darin zu leben. In Zukunft breitete Thranduil sein Reich aus und dort wo es früher bloß Wilderness und Jägerposten gegeben hatte, befanden sich in Zukunft viele Heimaten der Waldelben. Sie bauten Häuser wie in Lórien in die Bäume und der Boden des Waldes verlor seine dunkle Erscheinung. Viele Lebewesen waren in Zukunft wieder im Wald zu finden. Die vier Hauptjägerposten blieben und wurden zu den Bewachern der neuen Siedlungen. In der Nähe der Grenzen gäbe es später ebenso viele Siedlungen und der ganze Wald erfuhr die Zeit des Lichts. Überall könnte man Schönheit finden. Eine Unmenge an Laternen und Lichter erhellten den Wald und die unzähligen Quellen machten es zu einem Paradies. Lange hatten die Waldelben des Düsterwaldes im Dunklen gelebt und durch das Licht gab es zukünftig nur wenige Elben, die ihre Heimat, den Grünwald, verließen, nach Westen zogen. König Thranduil machte sein Reich zu einem der schönsten Plätze Mittelerdes und doch stand all dies in der Zukunft. In der Gegenwart feierten wir erstmal den Frieden und in der Zusammenkunft sah ich viele vertraute Gesichter.
Im Inneren des Palastes fand das ganze Volk Platz und nur wenige Elben waren draußen anzutreffen. Ich sprach viel mit jedem und es fühlte sich großartig an, alle wiederzusehen. Ich sprach mit meinen Kriegern und auch ein paar Elbenfürsten, die komischerweise Interesse an mir zeigten.
An diesem Abend feierten die Elben auf ihre Art und Weise und viele Gedichte und Lieder wurden vorgetragen. Es gab gutes Essen und doch standen Legolas und ich irgendwann abseits in der Halle, unterhielten uns, lachten miteinander. Dass es nach diesem Abend gewiss schon die ersten Gerüchte gab und auch, dass der Blick des Königs hin und wieder auf uns beiden gelegen war, hatten wir nicht mitbekommen.
Wieder in der Heimat zu sein, war schön, aber auch ein seltsames Gefühl. Die ganze Reise über hatte ich Legolas jeden Tag gesehen und ihn nicht mehr zu sehen, fühlte sich nicht richtig an. Genauso wie jetzt.
Es war bereits Nacht und als ich in meinem Gemach lag, konnte ich bizarrerweise nicht schlafen, starrte die dunkle Decke an. Meine Augen wurden nicht schwer und irgendwas fehlte. Irgendwer fehlte, und zwar Legolas. Es war komisch, allein in einem Raum zu liegen, und deswegen kam ich nicht zur Ruhe. Schlussendlich stand ich auf und saß eine Weile auf der Bettkante, blickte aus dem Fenster in den dunklen Himmel. Ich war wieder in der Heimat, aber Legolas war nicht bei mir.
Im nächsten Moment stand ich deswegen auf und verließ mein Gemach. Die meisten Elben waren noch in den Hallen, und so waren die Gänge leer. Ich hatte mir einen dünnen Mantel um mein Nachthemd geworfen und schritt durch die vielen Gänge, die schwach beleuchtet waren. Ich kannte den Weg jedoch mit geschlossenen Augen und beim Gehen erzeugten meine nackten Füße kaum Geräusche.
Kurz, bevor ich den Stock erreichte, in dem sich Legolas befand, traf ich auf eine Gruppe Elben, denen ich auswich. Ich kannte die Abzweigungen der Dienerschaft – meistens kleine Gänge neben den Hauptgängen und in einem Wirrwarr gestaltet – und obwohl ich nur eine kurze Zeit bei ihnen gedient hatte, hatte ich bei meiner Rückkehr in den Palast immer wieder Gebrauch von den Gängen gemacht, was Elif natürlich nicht gefiel.
Kurze Zeit später kam ich im richtigen Stock an und als ich schon dachte, dass ich unentdeckt bleiben würde, vernahm ich eine Stimme hinter mir: »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du die normalen Gänge benutzen sollst?«, fragte Elif und ich verfluchte mich innerlich. Gar war es so, als ob sie mich in diesen Gängen erschnüffeln könnte.
Langsam drehte ich mich um, stand an einer Gabelung des Ganges. Links würde es zum Zimmer von Legolas gehen und geradeaus kam man nach einer Treppe in den Innenhof.
»Aber mit den Gängen geht es schneller«, antwortete ich und sah der Elbin entgegen. Ihre Augen wirkten grau in der Dunkelheit. Sie hatte sich in all den Jahren nicht verändert.
»Und man kommt unentdeckt an sein Ziel, nicht wahr, Lithil?«, stichelte Elif, hob zwei Brauen.
»So unentdeckt würd' ich das jetzt nicht nennen, aber es ist wirklich bloß die Schnelligkeit der Grund, dass ich die Gänge benutze.«
»Na dann, aber wohin des Weges denn?«, sie kam mir näher. Ein komisches Grinsen war auf ihren Lippen zu sehen und, obwohl die Elbin mindestens doppelt so alt wie ich sein musste, sah ihr Gesicht zeitlos aus. Sie hatte eine kleine Zahnlücke zwischen ihren Schneidezähnen, die in der Dunkelheit schwach zu sehen war.
»Frische Luft schnappen«, erwiderte ich schnell, vielleicht zu schnell.
»Frische Luft schnappen, also? Dann möchte ich dich natürlich nicht weiter aufhalten«, kam die Antwort und ihre Augen sahen mich forschend an. Natürlich wusste sie, dass ich sie anlog.
»Danke«, erwiderte ich. Anders als geradeaus bog ich links ab und spürte Elifs Blick im Rücken.
»Dies ist nicht der Weg nach draußen, Lithil!«, hörte ich noch ihre Stimme.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass mich dieser Gang zu meinem Ziel führt, danke der Besorgnis!«, rief ich zurück und setzte meinen Weg fort. Ich bildete mir ein, die Elbin lachen zu hören, dann kam eine Antwort: »Gewiss wird er dies und dein Bett bleibt unberührt, nicht wahr?«, sie klang amüsiert, »Es ist jedoch bereits offensichtlich, wie ihr euch anseht. Also viel Spaß beim frische Luft Schnappen, Lithil!«
Nach diesen Worten schüttelte ich meinen Kopf und war definitiv anderer Meinung. Was sollte bitte offensichtlich sein?
Ich dachte nicht länger darüber nach, denn augenblicklich erreichte ich mein Ziel: Legolas' Tür. Bevor mir jedoch noch irgendwer anderes auflauern könnte, klopfte ich nicht an, denn was sollte anders sein, wenn ich klopfen würde? Legolas hatte ich schon nackt gesehen, also bräuchte ich nicht zu klopfen.
Im nächsten Moment drückte ich die Klinke nach unten und öffnete die Tür einen Spalt.
Ich spähte hinein und ein paar Kerzen erleuchteten den Raum, sodass Legolas noch wach sein müsste. Als ich meinen Kopf durch die Tür steckte, entdeckte ich ihn, wie er die Balkontüre öffnete und frische Luft in den Raum ließ. Ja, was ein passender Zufall. Seine Ohren hörten jedoch die Tür aufgehen und er drehte sich um.
»Lithil?«, fragte er und als ich mich in den Raum durch den Spalt der Tür quetschte und sie wieder hinter mir schloss, lächelte ich ihm scheinheilig entgegen.
»Ja, Lithil«, sagte ich ruhig, »Soll ich etwa gehen?«
Er schüttelte seinen Kopf und ein amüsiertes Lächeln tauchte auf seinen Lippen auf. Ich ging zu ihm. Da er beim Balkon stand, stellte ich mich daneben, lehnte mich gegen die Wand neben der offenen Tür. Frische Luft schnappen eben.
»Ich konnte nicht schlafen«, erklärte ich und zuckte mit meinen Schultern.
»Und dann dachtest du, dass du mich besuchen kommst?«, fragte mein Gegenüber und kam näher zu mir. Der Abstand zwischen uns verringerte sich und wir sahen uns in die Augen. Kurz vor mir blieb er stehen. Wir waren uns so nah, dass es wärmer wurde. Er stützte seine Hand an der Wand neben meinem Kopf ab und dass er mich damit nervös machte, wusste er. Auch seine Augen, die von meinen Lippen zu meinen Augen schweiften, machten mich unruhig.
»Nun ja«, fing ich an, »Wir sind zwar wieder hier, doch Heimat ist nicht durch einen Ort definiert, sondern durch die Menschen, die man liebt, aber du warst nicht neben mir, als ich schlafen wollte«, endete ich und sein Blick wurde innig.
»Jetzt bist du hier«, sprach er leise und legte seine andere Hand auf meine Wange. Ich war gefangen in seinem Blick. Als ich zur Antwort leicht nickte, trafen unsere Lippen schon aufeinander und alles war perfekt.
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