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Kapitel 4


„Also gut. Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll."

„Von vorne?", schlug ich vor, denn sie hatte mich verdammt neugierig gemacht und wenn ich neugierig war vergaß ich meistens, nebenbei noch schüchtern zu sein. „Aber wir nehmen die Kurzfassung", warf Elenas Vater noch ein. Abby lachte leise. „Also gut. Elena, dafür musst du wissen, dass die Geschichten, die ich dir früher immer erzählt habe, die von der anderen Welt, dass all diese Geschichten wahr sind." Elena machte große Augen. „Ich komme ursprünglich aus dieser anderen Welt und bin eher zufällig hier gelandet. In dieser anderen Welt hatte ich auch schon Familie, unter anderem auch eine große Schwester, Lucia." Ich verschluckte mich vor Schreck am letzten Stück Muffin und fing laut an zu husten. „'tschuldigung", murmelte ich dann, als alle mich erschrocken anstarrten. Aber plötzlich fand ich die Geschichte noch viel spannender. „Jedenfalls hatte ich meine Schwester im Grunde sehr gern, aber wir haben uns oft gestritten. Und irgendwann habe ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten und bin weggegangen, da war ich gerade mal 19. Ich habe einen sehr gutaussehenden und einfühlsamen Mann kennengelernt, mich verliebt und war unvorsichtig. Und ehe ich mich versah, war ich schwanger und wieder auf mich alleine gestellt. Ich bin also nach Hause zurückgekehrt, um fest zu stellen, dass niemand mich mehr haben wollte. Also habe ich mir eine kleine Wohnung gemietet und mich mit mehreren kleinen Jobs über Wasser gehalten. Und irgendwann habe ich dann eine Tochter bekommen und war nach langer Zeit endlich wieder glücklich. Doch kurze Zeit später kamen meine Eltern bei einem Feuer ums Leben und meine Schwester, die inzwischen geheiratet hatte, irgend so einen superreichen Schnösel, kam zu mir um mir die Schuld für alles zu geben. Sie hat ziemlich laut rumgeschrien und meine Tochter hat angefangen zu weinen. Ich wollte sie natürlich beruhigen, also habe ich angefangen zu singen, ein Lied von dem ich erst vor kurzem gehört hatte, während meine Schwester mich immer weiter anschrie. Und dann wurde mir plötzlich schwindelig und alles begann sich zu drehen und ich wollte aufhören zu singen, aber es ging nicht und als ich dann aufhören konnte, war ich plötzlich auf so einer großen Wiese, irgendwo im Nirgendwo und ich hatte keine Ahnung, wie ich dahin gekommen war und schließlich bin ich hier in Cherône gelandet. Ich habe jahrelang versucht, zurück zu kommen und bis heute verging kein Tag, an dem ich nicht an meine Tochter gedacht habe. Ich habe sogar jedes Jahr ihren Geburtstag gefeiert. Und ich habe sie unglaublich vermisst, meine kleine Liv."

Daraufhin war es mucksmäuschenstill im Raum. Die letzten Worte hallten noch immer in meinem Kopf, während ich Abby anstarrte. Auch Elena brachte keinen Ton heraus sondern blickte zwischen mir und Abby hin und her. Ganz langsam formte mein Gehirn einen Gedanken, der mir aber komplett unmöglich vorkam. Abby ist meine Mutter. Immer wieder. Lucia ist nicht meine Mutter. Abby ist meine Mutter. Ich sollte jetzt in Jubelschreie ausbrechen, weil diese Horrortante eben wirklich nur meine Tante war, weil meine Mutter mir hier gegenüber saß und mich hoffnungsvoll anlächelte und ganz offensichtlich ein wirklich guter Mensch war. Und ich konnte ihr nicht einmal böse sein, weil sie mich verlassen hatte, denn sie hatte keine Wahl gehabt, das wusste ich nur zu gut. Langsam wurde mir auch wirklich klar, das hier war kein Traum, das war die Realität. Dass die Frau, die behauptete, meine Mutter zu sein, real war. Und ich glaubte es ihr sogar, ich sah ihr in die Augen und konnte nur Ehrlichkeit entdecken. Trotzdem saß ich nur da und wartete, dass der schöne Traum zu ende ging, dass Lucia kam und mich aus dem Bett schmiss. Denn langsam wurde es wirklich schön. „Heißt das, Liv ist meine Schwester?", fragte Elena plötzlich und riss mich aus meinen Gedanken. „Halbschwester, ja", meinte Abby und sie klang erleichtert, fast so als hätte sie erwartet ich würde sie schlagen oder anschreien, oder einfach wieder weglaufen, aber ich sah dafür absolut keinen Grund.

Ein warmes, angenehmes Glücksgefühl durchströmte mich plötzlich und als Elena mit einem Satz auf mich zu sprang und mich einfach umarmte musste ich sogar lachen und umarmte sie ebenfalls. „Hallo, kleine Schwester", sagte ich leise und sah die pure Erleichterung in Abbys Gesicht, weil ich ihr glaubte. Dann schob ich Elena von mir runter, stand auf und ging auf meine Mutter zu(ein sehr merkwürdiges Gefühl, meine Mutter zu dieser Frau zu sagen, die ich erst seit einer halben Stunde kenne, aber irgendwie schön. Ihre ganze Ausstrahlung schrie regelrecht, was für ein guter, lieber Mensch sie war). Diese stand ebenfalls auf. „Liv..." „Du bist wirklich meine Mutter? Nicht Lucia, nicht sonst irgendwer?" „Ja, ich bin wirklich deine Mutter", flüsterte sie. „Dann haben wir eine ganze Menge nachzuholen!" Und mit diesen Worten tat ich es Elena gleich und fiel ihr um den Hals. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, denn sie erschrak, stolperte und dann lagen wir beide auf dem Boden und wir lachten und wir weinten, weil wir wieder vereint waren. Und Elena machte das einzig sinnvolle und sprang obendrauf. Lachend und weinend lagen wir da und umarmten uns. Als Familie. Nach einer Weile ließ ich mich von Elenas Vater, offenbar meinem Stiefvater, wieder auf die Beine ziehen. „Willkommen in der Familie, Liv! Ich bin Lawrence." „Freut mich", erwiderte ich und schüttelte ihm grinsend die Hand.

Plötzlich war ein Klopfen an der Haustür zu hören, dann wurde sie geöffnet und Schritte erklangen im Flur. „Hey, Abs, ich bin's!" Es war die Stimme einer Frau. „Ich hab mal wieder einen Brief für dich in meinem Briefkasten gehabt; mal ehrlich, langsam sollten sie doch wissen, wo du wohnst und wo ich wohne, zumindest Sam, wobei wir uns natürlich noch nicht beschwert haben, zumindest nicht bei ihm persönlich, wo bist du, im Wohnzimmer?" Die Frau trat in den Raum und blieb abrupt stehen, als sie uns (oder wahrscheinlich eher mich) sah. Sie konnte jedes Alter zwischen 20 und 40 haben und wenn ich sie kurz beschreiben sollte würde ich einfach sagen, dass sie wunderschön ist. Ihre roten Lippen, die in einem wunderbaren Kontrast zu ihrer bronzefarbenen Haut standen, bildeten ein perfektes O auf ihrem schmalen Gesicht, als sie sah, dass Abby offensichtlich Besuch hatte und mit einer fließenden Handbewegung schob sie ihre kinnlangen, kastanienbraunen Haare nach hinten und ihre ebenso braunen Augen blickten unschuldig drein. „Tut mir leid, ich wusste nicht, dass du Besuch hast", meinte sie, aber irgendwas sagte mir, dass es ihr im Grunde reichlich egal war. Abby lachte nur. „Kein Problem, komm ruhig rein, ich wollte euch eh noch einander vorstellen. Liv, das ist Catherine McCarter. Cat, das ist Liv, meine...Nichte" Ich ging einfach mal davon aus, dass nicht jeder so wie Elena reagieren würde, wenn Abby mich als ihre verschollene Tochter aus einer anderen Welt vorstellte.

„Oh, hi Liv", grinste Cat. „Hi!" Lawrence lachte hinter uns leise, während Catherine mich von oben bis unten mit leicht kritischem Blick musterte. „Sieht dir ganz schön ähnlich, deine Nichte", sagte sie dann ohne den Blick von mir abzuwenden und warf Abby eher wie nebenbei den Brief zu. „Ich wusste gar nicht, dass du Geschwister hast." „Doch, doch, eine Schwester, ich rede nur nicht so gerne über sie." „Ah, ja. Und da wo du herkommst, tragen da alle so komische Klamotten?" Die Frage galt offenbar wieder mir. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass hier offenbar niemand Jogginghosen, quietschgrüne T-Shirts und schon gar keine Crocs trug. „Ja, klar, das ist die neuste Mode." Gott klang das bescheuert. Das dachte Cat offenbar auch, denn sie grinste breit und entblößte dabei ihre strahlend weißen Zähne. „Wie du meinst." Dann wandte sie endlich den Blick von mir ab und drehte sich immer noch grinsend zu Abby. „Also, dann will ich mal nicht länger stören. Wir sehen uns." Damit drehte sie sich um und ging grinsend davon. „Tschüss", rief Abby ihr noch lachend hinterher. „Das war schräg", stellte ich fest, als die Tür ins Schloss fiel. Lawrence lachte erneut. „Das war nicht schräg, das war Cat! Aber was die Klamotten angeht muss ich ihr rechtgeben." Beschämt sah ich an mir herunter. Zugegeben, die Sachen waren nicht gerade vorteilhaft, aber so schlimm jetzt auch nicht. Außerdem waren sie bequem. Aber eben nicht gängig hier. Soweit ich das bis jetzt hatte sehen können, trugen die Frauen durchgehend Kleider und die Männer Leinenhemden und Wildlederhosen. Mittelalter, da war es wieder. „Ich denke, da kann ich helfen", meinte Abby jetzt und strahlte uns an.

Sie führte mich aus dem Wohnzimmer raus, die Treppe nach oben und trat geradeaus durch eine der vier Türen, die sich dort im Flur befanden; eine ins Badezimmer(was ich erkannte, weil sie leicht offen war), eine ins Zimmer von Elena(an der Tür hing ein selbstgeschriebenes Schild mit der Aufschrift Elena, was echt süß aussah) und die dritte ins Schlafzimmer(intelligente Schlussfolgerung). Die vierte führte in einen Raum, der durchaus gemütlich sein könnte, wenn man sich mit der Einrichtung mal Mühe geben würde, aber so wirkte er, als wäre er die meiste Zeit des Jahres ungenutzt. Ein relativ großes Fenster befand sich an der Wand, direkt gegenüber der Tür, mit Blick auf den Garten und den Wald und einer langen weißen Gardine davor(genutzt wurde der Raum vielleicht nicht, aber auf Sauberkeit wurde hier trotzdem besonderer Wert gelegt). Neben dem Fenster an der Wand stand ein großes leeres Bett und direkt neben uns, rechts neben der Tür, ein hölzerner Kleiderschrank.

Abby öffnete die Schranktüren und offenbarte den unfassbaren Inhalt: zwei Kleider, ein paar Ledersandalen und eine Wolljacke. „Das hier sind ein paar Sachen die mir nicht mehr passen, ich wachse nämlich leider nicht mehr in die Länge, dafür aber immer noch in die Breite." Sie lachte leise und nahm eines der Kleider heraus, während ich die ziemlich schlanke Frau musterte; allerdings begnügte ich mich mit einer hochgezogenen Augenbraue und dem stummen Zweifel, ob ich überhaupt in dieses Kleid passte. Aber Abby schien sich darüber gar keine Gedanken zu machen, sie drückte mir das Kleid in die Hand und nahm die Schuhe heraus. „Sag mal, welche Schuhgröße hast du eigentlich?", fragte sie dann und nahm die Sandalen genauer unter die Lupe. „39."

„Perfekt!" Und damit platzierte sie die Schuhe oben auf dem Kleid. „Das Bad ist gegenüber, fühl dich wie zuhause."

Das Badezimmer war klein und schlicht, ganz anders als ich es gewohnt war, aber gerade darum gefiel es mir so gut. Meine kurze Sorge, es würde kein fließendes Wasser geben, wurde beseitigt, als ich das Waschbecken, die Dusche und die Toilette sah, aber Strom schien es tatsächlich nicht zu geben, denn ich hatte noch keine einzige Lampe entdeckt und hier im Bad standen Kerzen in allen Ecken. Allerdings hätte ich schwören können, dass ich an der Straße einige Laternen gesehen hatte.

Widererwarten passte ich doch in das Kleid, allerdings war es ein gutes Stück zu kurz. Auch die Schuhe saßen und waren erstaunlich bequem, auch wenn sie schon ziemlich abgelaufen zu sein schienen. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und versuchte mich im Spiegel über dem Waschbecken zu betrachten, mit dem Ergebnis, dass ich vor mir selbst erschrak weil ich aussah wie ein Zombie im Kleid, mit Haaren wie ein Vogelnest. Im kleinen Schrank an der Wand entdeckte ich eine Haarbürste und beschloss für mich, dass es mir niemand übel nehmen würde, wenn ich sie benutzte. Als meine Haare gekämmt waren befand ich mich als annehmbar und verließ das Bad wieder. Draußen rannte ich fast in Abby rein, die offenbar direkt vor der Tür auf mich gewartet hatte. „Okay, es ist ein bisschen kurz, aber das war ja zu erwarten, aber fürs erste geht's, würde ich sagen. Sieht auch echt gut aus, rot steht dir", redete sie gleich drauf los und zupfte ein wenig am Saum des Kleides rum. „Gut, ich denke, wir richten dir das Gästezimmer her, da kannst du's dir dann gemütlich machen. Und morgen kaufen wir dir dann ein paar vernünftige Sachen, Sonntags sind die meistens im Angebot. Macht's dir was aus, wenn du dein Bett selber beziehen musst, ich muss mich dann nämlich ums Abendessen kümmern."

„Nein, kein Problem!" Abby verschwand im Schlafzimmer und kam mit einem kleinen Berg Bettwäsche auf den Armen wieder heraus, den sie mir in die Hand drückte. Dann ging sie eilig nach unten. Ich stand eine Weile völlig verdattert im Flur. Klar, sie war meine Mutter, aber dennoch, es schien für sie das selbstverständlichste auf der Welt zu sein, dass ich jetzt hier wohnen würde, dabei kannten wir uns im Grunde erst seit heute. Aber sie gab mir ein Zimmer, sie gab mir Kleidung und Essen und das scheinbar mit Freude. So viel Liebe und Zuneigung war ich nicht gewohnt, nicht mal von Leuten, die ich schon mein Leben lang kannte.

Als ich gerade das Laken aufgezogen hatte, klopfte es an der Tür. Ich drehte mich um und sah Elena, die mich neugierig anlächelte. „Brauchst du Hilfe?" Ich lächelte ebenfalls. „Meine Lieblingsschwester darf mir doch immer helfen." Dann warf ich sie mit meinem Kopfkissen ab. Kurze Zeit später steckte ich mitten in einer heillosen Kissen-/Deckenschlacht(mein Kissen hatte ja Elena und da blieb mir nur noch die Decke) die damit endete, dass mir Elena den Kissenbezug über den Kopf stülpte und ich sie in die Bettdecke einwickelte. Prustend vor Lachen kämpften wir uns dann wieder aus den Bettwäschefallen und begannen doch tatsächlich, das Bett vernünftig zu beziehen; Elena das Kissen und ich die Decke. Als wir gerade fertig waren, ertönte von unten das Geräusch einer Glocke. „Essen", rief Elena und sprintete aus dem Raum nach unten. Keine zehn Sekunden später kam sie allerdings grummelnd wieder hoch, murmelte was von Hände waschen und verschwand im Bad. Als sie fertig war wusch ich mir ebenfalls rasch die Hände und folgte meiner Schwester nach unten.

Der Duft von frischem Brot wehte mir entgegen und ich stellte fest, dass ich tatsächlich wieder verdammt Hunger hatte. Auf dem Tisch im Wohnzimmer standen eine große Schüssel voller Salat und ein kleiner Korb mit Brotscheiben. Vier kleine Holzteller, vier Holzschüsseln und vier Löffel(nein, die waren nicht aus Holz, es waren ganz normale Löffel) wurden gerade von Lawrence auf vier Plätze verteilt. Abby und Elena trugen je zwei Holzbecher, die mit einer roten Flüssigkeit gefüllt waren(Rotwein? Na hoffentlich nicht). Als Lawrence aufsah, entdeckte er mich neben dem Sofa und lächelte mir aufmunternd zu. „Komm her und setz dich, das Essen ist sofort fertig." Er zog mir einen Stuhl zurück und ich setzte mich. Sofort hüpfte Elena auf den Stuhl neben mir und ich musste wieder lachen. „Du hast da noch eine Feder im Haar, Prinzessin", schmunzelte ich, zog sie vorsichtig heraus und kitzelte meine kleine Schwester damit am Hals, woraufhin sie quietschte und unter dem Tisch abtauchte.

Als ich an diesem Abend müde ins Bett fiel war ich überglücklich. Ich hatte meine wahre Familie gefunden. Ich hatte eine liebevolle Mutter, einen Stiefvater, der nicht ständig weg war, eine wahnsinnig süße und liebe kleine Schwester. Wir hatten nach dem besten Abendessen das ich je hatte noch lange zusammen gesessen und ich hatte ihnen von meinem Leben erzählt. Abby war fast in Tränen ausgebrochen als sie erfahren hatte, wie mich Lucia all die Jahre behandelt hatte, Elena wollte unbedingt mit mir ausreiten gehen, nachdem ich von Hurricane erzählt hatte und Lawrence zog neugierig die Augenbrauen hoch, als ich vom Fechten erzählte und grinste als ich berichtete, wie schlecht ich es beherrschte. Und schließlich erzählte Abby, wie es ihr die letzten 15 Jahre hier ergangen war, wie sie Lawrence kennen gelernt hatte(„Deine Mutter war einfach umwerfend", erklärte Lawrence, als Abby berichtete, sie sei damals vom Pferd geflogen und elegant auf ihm gelandet), dass sie hier als Köchin arbeitete und wie schön das Leben hier in Cherône eigentlich war. Dann war allerdings Elena mit dem Kopf auf den Tisch gefallen, da sie eingeschlafen war und damit war das Gespräch fürs erste beendet. Lawrence trug sie nach oben in ihr Zimmer und ich ging kurze Zeit später ebenfalls müde ins Bett.

Jetzt war ich allerdings wieder ziemlich munter. Durch einen Spalt im Vorhang konnte man den vollen Mond erkennen, der zwischen ein paar kleinen Wölkchen ruhig und friedlich auf die Erde hinab sah. In der Ferne hörte man einen Hund heulen. Oder war es ein Wolf? Ich drehte mich auf die Seite, kuschelte mich in mein Kissen und versuchte einzuschlafen. Der Hund(?) heulte erneut und ich war wieder wach. Ein kurzer Blick auf meine Armbanduhr, die auf dem Nachtschrank lag, verriet mir, dass es bereits um elf war. Draußen im Flur ertönten Schritte, Türen wurden geschlossen, dann Stille. Der Hund heulte ein drittes Mal und ich beschloss, das Fenster zu schließen. Hastig strich ich das Nachthemd, welches Abby mir geliehen hatte, glatt und ging zum Fenster. Gerade als ich es zudrücken wollte, hörte ich eine leise Stimme. Und sie kam mir verdammt bekannt vor.

Liv, Liv. Es war wie Hypnose. Liv, Liv, Liv. Ich konnte nichts dagegen tun, meine Beine bewegten sich von selbst. Komm zu uns, Liv... Ich nahm die Wolljacke aus dem Schrank, schlüpfte in meine Crocs und verließ auf Zehenspitzen das Zimmer. Im Haus war es stockfinster und mucksmäuschenstill. Leise hüpfte ich die Treppe runter und bekam beinahe einen Herzinfarkt, als die dritte Stufe von unten unbeschreiblich laut knarzte(wahrscheinlich knarzte sie sehr leise, allerdings am es mir in der Stille des Hauses vor wie ein Donnerschlag). Ich beschloss, mir die Stufe zu merken und nachdem ich mich vergewissert hatte, dass ich niemanden geweckt hatte, schlich ich weiter durch den Flur und die Haustür hinaus, die ich möglichst leise hinter mir schloss. Die kühle, klare Nachtluft war angenehm und ich blieb einen Augenblick stehen und atmete tief durch. LIV! Beinahe reflexartig drehte ich mich um und lief in Richtung Wald. Nach wenigen Schritten hatte ich die ersten Bäume erreicht. Ehrfürchtig blieb ich stehen. Von nahem sah der Wald viel größer, majestätischer und schöner aus. Aber auch viel dunkler und gruseliger. Ich holte einmal tief Luft und trat hinein. Bereits nach drei Schritten war der Mond nicht mehr zu sehen und es war stockfinster. Langsam wurde ich etwas unsicher und mein Gewissen ließ anmerken, dass ich vielleicht doch schleunigst wieder umkehren sollte. Hab keine Angst, Liv, komm zu uns und dir wird nichts geschehen. Und jegliche Zweifel waren wie vom Erdboden verschluckt (und was soll schon passieren, mitten in der Nacht, in einem dunklen Wald, in einer fremden Welt...).

Langsam und vorsichtig tastete ich mich den Weg entlang, immer tiefer in den Wald. Ich würde ja gerne behaupten, mit jedem Schritt würde ich sicherer werden, aber dem war nicht so. Im Gegenteil, mit jedem Schritt begann ich mehr zu zittern, die Zweifel kehrten zurück und als ich zum dritten Mal über eine Wurzel stolperte und endlich eine recht unsanfte Begegnung mit dem Boden hatte, wäre ich am liebsten schreiend zurück gerannt. Dann sah ich in der Ferne ein Licht und trotz wachsender Panik begann ich, schneller zu laufen. Plötzlich stand ich auf einer großen Lichtung. Der Mond schien oben durch die Baumkronen und tauchte sie in ein silbernes Licht. Da war sie wieder, die Schönheit, die Vollkommenheit dieses düsteren und unheimlichen Waldes, der auf einmal gar nicht mehr düster und unheimlich wirkte. Aber nur solange, bis ich ein leises Knacksen zwischen den Bäumen hörte. Gefolgt von einem leisen Kichern. Ich fuhr erschrocken zusammen und begann, mir Sorgen um mein Herz zu machen. Die mysteriöse Stimme war fürs erste vergessen. Kurz überlegte ich, ob ich ‚Hallo' oder sowas rufen sollte, erinnerte mich dann aber wieder an die vielen Horrorfilme, über die ich mich schon immer aufgeregt hatte und entschied mich dagegen. Und plötzlich knackste es wieder, diesmal neben mir und als ich herumwirbelte hörte ich erneut ein leises, hohes Kichern. Ein Windhauch schlich durch den Wald und ich begann zu frösteln. Die dünne Jacke, die ich mitgenommen hatte, taugte gar nichts. Dann hörte ich wieder ein Kichern, diesmal lauter, näher und ich begann zu zittern (zum einen, weil mir kalt war, zum anderen, weil ich langsam panisch wurde). Ich drehte mich im Kreis wie eine Ballerina mit Clownsfüßen, konnte jedoch immer noch nichts (oder niemanden) entdecken. Erneut kam Wind auf, diesmal heftiger, er heulte zwischen den Bäumen. Oder war das doch nicht der Wind? Und dann waren da Schritte direkt hinter mir und noch bevor ich auch nur irgendwie reagieren konnte schrie jemand ganz laut „BUH!". Ich machte wortwörtlich einen Satz und auch gleich eine halbe Drehung in der Luft und ich glaube so hoch bin ich noch nie gesprungen, aber vermutlich war ich auch noch nie so erschrocken. Ich war sogar zu erschrocken zum Schreien.

Das Kichern hatte sich in ein lautes und fröhliches Lachen verwandelt und jemand fragte: „Ist alles in Ordnung?" Ganz langsam meldete sich mein Gehirn zurück und auch mein Herz ließ laut und deutlich vernehmen, dass es von den Toten auferstanden war, aber offensichtlich einen Marathonlauf hinter sich hatte. Erst jetzt erkannte ich ein Mädchen, das mich immer noch lachend anblickte. Sie schien etwa in meinem Alter zu sein, war aber ein Stück kleiner und so zart, dass ich Angst hatte, der Wind könnte sie davon tragen. „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Oder naja, doch, eigentlich schon. Aber es tut mir trotzdem leid. Ich war nur so überrascht um die Zeit jemanden hier im Wald zu treffen und du wirktest eh schon so unsicher, da dachte ich mir, warum nicht ein bisschen Spaß haben? Was machst du überhaupt um die Zeit hier im Wald? Ich mein, klar, ich bin auch hier und ich dürfte eigentlich gar nicht hier sein, also bitte verrate es niemandem, ja? Und warum erzähle ich dir das überhaupt alles, ich kenn dich nicht mal, wer bist du?" Es dauerte kurz, bis ich bemerkte, dass sie aufgehört hatte zu reden und dass ihr Monolog mit einer Frage geendet hatte, die ja dann wohl an mich ging. „Was?", murmelte ich schwach. Sie öffnete den Mund und kurz schien es so, als würde sie alles noch einmal wiederholen wollen, dann überlegte sie es sich aber (zum Glück) anders und wiederholte nur die letzte Frage. „Wer bist du?"

Wow. Diese Frage hatte ich heute schon einmal gehört. Offenbar fiel ich in dieser Stadt auf, wie ein dreiköpfiger Hund. Mein Herz hatte sich inzwischen auch wieder so weit beruhigt, dass ich es als sicher befand, zu reden. „Liv. Liv Cabet." Bevor ich noch irgendwas anderes sagen konnte, hatte sie das Wort schon wieder an sich gerissen. „Hi Liv! Ich bin Meredith McCarter, aber nenn mich ruhig Mary. Sag mal bist du neu hier? Wenn ja, dann willkommen. Und dann habe ich wohl Glück, weil dann kennst du ja bestimmt noch niemanden, dem du petzen kannst, dass du mich nachts im Wald getroffen hast. Wobei du dann ja auch zugeben würdest, dass du selber im Wald warst. Wo kommst du eigentlich her?" McCarter...Der Name sagte mir irgendwas. „Du bist nicht zufällig mit Catherine McCarter verwandt?", fragte ich vorsichtig. Das Lächeln rutschte von ihrem Gesicht. „Du kennst meine Schwester...Yayy..." Dann sah sie mich bettelnd an. „Du verrätst mich doch nicht, oder? Cat reißt mir den Kopf ab, wenn sie erfährt, dass ich doch wieder im Wald war. Ich meine, immerhin war ich diesmal nicht an der Grenze, aber trotzdem, Gefahr besteht ja immer, vor allem nachts. Aber ich konnte absolut nicht schlafen und seit Napoleon...Bitte verrate mich nicht!"

Jetzt war es an mir, zu lachen. „Redest du eigentlich immer so viel?" Sie stutzte kurz, dann schmunzelte sie. „Jaaah, Cat sagt das auch immer, ist mir irgendwie angeboren. Stört es dich?" „Nein, nein. Und ich petze auch nicht, versprochen. Ich kenne Cat ja auch nicht wirklich, ich habe sie heute nur kurz getroffen." Sie sah ehrlich erleichtert aus. Allerdings nur solange, bis der Mond hinter einer Wolke verschwand und die Lichtung in absolute Dunkelheit tauchte. „Ich glaube, wir sollten jetzt besser gehen", flüsterte Mary. Bevor ich auch nur den Mund geöffnet hatte, packte sie meine Hand und zog mich (hoffentlich) in die Richtung, aus der ich gekommen war.

Während Marysich wahnsinnig geschmeidig durch den Wald bewegte, fast wirkte es so, als obsie schwebte, stolperte ich mal wieder über jeden Kieselstein, der mir in denWeg kam und wäre bestimmt tausend Mal hingefallen, wenn sie mich nichtfestgehalten hätte. Endlich lichtete sich der Wald und auch der Mond meldetesich zurück, sodass ich sogar das Haus erkennen konnte, in dem Abby, Lawrenceund Elena hoffentlich friedlich schliefen. „Wo wohnst du überhaupt?", fragteMary, gerade als wir dieses Haus erreicht hatten. „Hier!" „Bei Abby?! Ist jaWahnsinn, dann sehen wir uns jetzt bestimmt noch öfter! Also dann, gute Nacht,Liv." „Gute Nacht, Mary!" Leise schlich ich mich zurück ins Haus, übersprangdie knarzende Stufe und fiel schließlich todmüde ins Bett. Ich schaffte esgerade noch, Schuhe und Jacke auszuziehen, dann schlief ich auch schon ein.    

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