vier
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„Du bist dir wirklich sicher, dass es klappt? Und, dass er nicht wach wird? Und, dass wir nicht im Gefängnis landen?" Ich bin doch noch viel zu jung, um die Seife fallen zu lassen. Wir sitzen wenige Meter von Derringtons Haus entfernt im Auto und ich bin kurz davor, mir in die Hose zu machen und das nicht zum ersten Mal heute Abend. Ich habe noch nie etwas Illegales getan und jetzt so viel auf einmal? Wenn Mama tot wäre, würde sie sich jetzt im Grab umdrehen. „Das Leben ist da, um gelebt zu werden und schlechte Taten sind da, um bestraft zu werden. Zur Not gehe ich auch alleine." Sie zuckt mit den Schultern, kurbelt das Fenster herunter, das dabei ziemlich quietscht und will sich schon ran machen rauszuklettern, doch ich packe sie am Arm und halte sie somit zurück. „Sag meiner Mutter, dass ich sie liebe."
Lima lacht herzhaft, packt die Sachen zusammen, steigt auf ihre eigene Art und Weise aus und marschiert auf das kleine Häuschen zu. Ich stolpere ihr währenddessen mit wackligen Beinen hinterher, schaue immer wieder hektisch um mich und versuche nicht zu kollabieren. „Die Dumpfbacke hat tatsächlich das Fenster offen gelassen." Sie schüttelt fassungslos den Kopf, als ob es nichts Dümmeres auf dieser Welt geben würde und dreht sich dann ruckartig zu mir um. „Du schaffst das schon. Denk nur dran, dass Markus in die Hose machen soll und nicht du." Ich schlucke schwer und nicke beschämt, als Lima auch schon, ohne zu zögern, durchs offene Fenster einsteigt. Sobald ich meine Atemübungen gemacht habe, folge ich ihr und gebe mir größte Mühe, der beste Ninja Turtle zu sein, den die Welt je gesehen hat. Im Gegensatz zu Lima steige ich bei weitem nicht so elegant ins Zimmer, doch immerhin klatsche ich nicht wie ein nasser Sack am Boden auf.
Markus Derrington liegt seelenruhig mit weit aufgerissenem Mund auf dem Rücken und schnarcht munter vor sich hin. Ich wusste gar nicht, dass sie auch hier den Wald abholzen. Dieses Prachtexemplar von Evolutionsbremse hat es doch tatsächlich hinbekommen, in so kurzer Zeit so viel zu trinken, dass ihn seine Mami frühzeitig abholen musste und er nun in einem Dornröschen ähnlichen Schlaf liegt. Nur, dass wir nicht kommen, um ihn wachzuküssen.
Lima öffnet leise die Tube und drückt sie dann mir in die Hand, woraufhin ich erschrocken zusammenzucke. Bei dem Anblick dieser kleinen Prinzessin hatte ich beinahe vergessen, DASS WIR EINE VERFICKTE STRAFTAT BEGEHEN UND IM KNAST LANDEN KÖNNEN. Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen. Die Kleinkriminelle neben mir fordert mich still dazu auf, die Creme auf seine Augenbrauen zu schmieren, weswegen ich mir mit zittrigen Händen etwas auf den Finger gebe. Ich schleiche mit winzigen Schritten ganz nah an sein Bett und lehne mich leicht über ihn. Ganz sanft und vorsichtig verteile ich die Creme auf Dreiviertel seiner Augenbrauen und zucke erschrocken zurück, als Markus sich doch tatsächlich einen Millimeter berührt. Scheiße, war das knapp. Ich stand schon mit einem Bein im Bau. Lima verdreht grinsend die Augen, während wir nun still wartend in seinem Zimmer stehen und ich nutze die Zeit, um sie ein wenig zu mustern. Sie sieht nicht aus wie ein Victoria Secret Model, aber sie ist besonders und das macht sie schöner, als jeden anderen Mensch auf diesem Planten.
Jetzt ist es Lima, die an sein Bett tritt, mit flinken Fingern die Enthaarungscreme wegwischt, den Edding öffnet und ihn mir übergibt. Als Kind habe ich Angry Birds geliebt und da Monobrauen out sind und mir nichts anderes einfällt, setze ich hinter der überbliebenen Augenbraue (was sich sehr traurig anhört - R.I.P. an den Rest der Familie) an und ziehe den Strich schräg nach oben. Das Ganze zwei Mal, nur sehen die beiden ein bisschen... unterschiedlich aus. Augenbrauen sollten Geschwister sein, doch hier handelt es sich eher um Obama und Merkel, die offensichtlich, wenn überhaupt, sehr weit entfernt sind. Lima taucht hinter mir mit einem Becher Wasser auf, den sie scheinbar aus dem anliegenden Bad hat, kniet sich hin und taucht Derringtons herunterhängende Hand ins Wasser. Und es passiert absolut nichts.
Ich will schon vor Enttäuschung so fest auf seine Blase drücken, dass etwas herauskommen MUSS, als sich plötzlich seine Boxershorts dunkel verfärben und auch sein Laken nass wird. Hätte ich gewusst, dass das hier alles ist, was ich je brauchte, hätte ich es schon viel früher getan. Auf seiner Unterhose lässt sich ein mikroskopischer Abdruck erkennen und würde ich nicht gerade in einem Haus stehen, in dem ich nicht stehen sollte, würde ich laut losprusten. Lima schaut mich mit aufgeblasenen Wangen an und hält sich verzweifelt beide Hände vor den Mund, doch dann passiert es und sie beginnt laut zu lachen.
Der hässliche Oga schreckt hoch, sieht unsere Silhouetten und schreit in einer Tonhöhe, die der Größe seines kleinen Anhängsels entspricht, während Lima und ich so schnell es geht aus dem Fenster springen. Laut lachend rennen wir über die Wiese und springen zum Auto, das zur Flucht bereit steht. Scheinbar kommt Mama Derrington ins Zimmer, da ein erschrockener Aufschrei ertönt und ich meine 'Hose' und 'pinkeln' aufzuschnappen. Aus dem Fenster des Hauses wird irgendetwas in unsere Richtung gebrüllt, doch ich sitze bereits klatschnass geschwitzt auf dem Fahrersitz und starte den Motor, während sich Lima durchs Fenster quetscht. Ich trete nun zum zweiten Mal an diesem Abend ordentlich aufs Gas und brettere die kleine Straße in Höchstgeschwindigkeit entlang. Ein paar Straßen weiter verlangsamere ich das Tempo ein wenig und schaue schwer atmend zu Lima, woraufhin wir in schallendes Gelächter ausbrechen. „Ich glaube, ich habe mir auch in die Hose gemacht." Lima lacht auf meine Aussage hin nur noch mehr und klopft mit der Hand auf ihren Oberschenkel. Was sie natürlich nicht wissen kann, ist, dass ich es ernst meine. Bei der Flucht sind eventuell vor lauter Aufregung und Angst ein paar Tröpfchen in meiner Hose gelandet, doch das kann mich auch nicht mehr davon abhalten, nach dieser Aktion endgültig die Weltherrschaft zu übernehmen.
„Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß. Und wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Markus Derrington den kleinsten Schwanz im ganzen Land hat." Ich kann nur zustimmend nicken, während ich vor lauter Lachen keine Luft mehr bekomme, doch ich kann es mir nicht nehmen lassen, den Gedanken etwas weiter zu spinnen. „Stell dir einen Gorilla mit dem Penis eines Kaninchens vor. Genauso sieht er aus." Lima schmeißt den Kopf in den Nacken und muss sich wahrscheinlich, ganz genau wie ich, das besagte Szenario vorstellen. Wenn mir Markus das nächste Mal blöd kommt, werde ich ihm einfach die Hose herunter ziehen, dann regelt sich alles von selbst. Scheiße und vor so einem muss man Angst haben? Außerdem hatte ich Recht. Markus Derringtons aufgequollenes Gesicht SIEHT scheiße, mit zu wenig beziehungsweise zu viel Augenbrauen, aus. Jetzt ist er selbst ein kleiner Angry Bird.
„Ich werde diese Nacht nie vergessen."
„Dafür sind Tage und Nächte da, Anton. Um nicht vergessen zu werden."
Und damit hatte sie vollkommen Recht. Lima hat ein unglaubliches Talent dafür, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Nichts wird verschönert, nichts ist aus der Nase gezogen. Andauernd machen wir uns Sorgen und dabei müssen wir doch einfach nur leben. Genießen. Lieben. Lachen.
„Weißt du, meine Oma war eine außergewöhnliche Frau, mit einem außergewöhnlichen Stil und sehr weise. Sie trug immer einen grünen Filzhut, mit Filzblumen und die verrücktesten Kleider. Dann saß sie im Garten und wenn es schien, als würde die Welt zu Hause untergehen sagte sie immer nur: 'Was du heute gezwungen bist zu besorgen, das verschiebe ruhig auf morgen. Was du heute möchtest erleben, das lasse nicht an morgen kleben.' Damit hatte sie vollkommen recht. Wenn ich heute Lust habe, mit meinem Schulkameraden, den ich kaum kenne, ein Auto zu klauen, dann mache ich das auch." Lima lächelt mich aufrichtig an und da ich kurzfristig meine Zunge verschluckt habe, wird die Stille langsam aber sicher unangenehm. Ich sollte vielleicht etwas sagen. „Erstens ist das Auto nur geliehen, auch wenn sich geklaut krasser anhört, und zweitens scheint deine Oma eine tolle Frau gewesen zu sein. Möge sie in Frieden Ruhen." Bedauernd schaue ich zu Lima, die mir nur grinsend entgegenblickt. „Oh, sie ist nicht tot. Ich weiß nur nicht ganz, wo sie ist. Ich glaube, sie hatte was von Thailand und knackigen Männern und Koks erwähnt." Bei der Beschreibung dieser Dame, wird mir auf jeden Fall klar, dass Limas Art nicht sonst woher kommt.
Mittlerweile befinden wir uns auf einer kaum befahrenen Landstraße, etwas außerhalb der Stadt. Da noch kein neues Ziel auserkoren ist, fahre ich willkürlich durch die Gegend, aber ich bin mir sicher, dass es nicht lange bis zu Limas nächster Idee dauern wird. „Hast du schon mal ein Schild geklaut?" Sehe ich wirklich cool genug dafür aus? „Ähm, nein." Ihr Ton zeigt ganz deutlich, dass es etwas ganz Natürliches und fast schon ein Muss ist. Mir kriecht wieder die Röte in die Wangen, da ich doch nun tatsächlich beschämt bin, noch nie ein Schild geklaut zu haben. „Dann halt bei dem Baustellenschild da vorne an." Tatsächlich steht wenige Meter entfernt eines, neben dem ich zögerlich anhalte. Es ist zwar weit und breit kein Auto zu sehen, trotzdem hämmert mein Herz wie wild in meiner Brust. „Na komm schon!"
Lima klettert erneut aus dem Fenster, sodass ich ebenfalls aussteige und das Schild kritisch betrachte. Was will man mit dem Ding machen? Neben mir angekommen packt sie es beherzt und zieht es aus dem schweren Fuß heraus. „Halt mal." Ich übernehme es, während sie den Kofferraum öffnet und mich anweist, es hereinzulegen. Wir stehen wie zwei stolze Eltern vor dem nun befühlten Kofferraum und betrachten unseren Neuerwerb, bevor ich die Klappe zumache und wir weiterfahren. „Dann hätten wir das ja jetzt auch. Ich hab dich Schildentjungfert. Wie fühlt sich das so an?" Sie schenkt mir mal wieder ein hinreißendes Lächeln, woraufhin ich nicht anders kann, als auch übers ganze Gesicht zu Grinsen.
Es hat sich gut angefühlt. Von mir aus, kann sie mich auch noch ganz anders entjungfern.
Natürlich nicht so.
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