25
Kaum war die Versammlung beendet, lief ich eilig raus. Ohne viel Rücksicht auf die ebenfalls aufstehenden Menschen zu achten, schlängelte ich mich zum Ausgang. Devon, der ja neben mir gesessen hatte,hatte Schwierigkeiten mir zu folgen.
Ich hatte die Blicke gespürt und wusste, dass Sana, Shenmi oder irgendwer anders mit mir reden wollen würde. So froh ich auch war, dass die Saver es so gut aufnahmen, ich hatte wirklich keine Lust darüber ausgefragt zu werden.
Ich war die Erste draußen und schlug gerade den Weg zu meiner Hütte ein, da wurde ich am Arm zurückgehalten.
Als ich mich umdrehte sahen Devons braune Augen mich an.
„Wieso willst du so schnell weg?" Er ließ mich los.
Sofort lief ich weiter, aber er folgte mir.
„Ich will vermeiden, dass man mit mir redet. Jetzt, wo sie es alle wissen, wird mich früher oder später jemand darauf ansprechen und... das ist immer noch ein kritisches Thema."
Vielen Dank auch.
Du weißt, wie ich es meine.
Devon schwieg und passte sich meinem Tempo an.
Nebeneinander liefen wir also bis zur meiner Hütte. Vor der Tür kramte ich den Schlüssel aus meiner Hosentasche. In der gleichen befand sich der Stein aus dem See und ich streifte ihn, als ich den Schlüssel rausholte.
Nachdem ich aufgeschlossen hatte, traten wir beide ein.
Mein Zimmer hatte sich nicht verändert. In der Mitte der Decke hing nach wie vor eine Lampe, die Devon mir einem leichten Wink aufflackern ließ.
Am Rest der Decke erstreckten sich Ranken runter bis zum moosbewachsenen Boden. Neben meinem Bett lag noch immer Devons Matratze. Beide Laken waren nicht gemacht. Auf dem Boden neben der Matratze lagen ein paar von Devons Sachen, damit er nicht jedes Mal rüber zu seiner Hütte laufen musste.
Dazu befand sich noch mein Schrank im Zimmer und den Spiegel, den ich abgehängt hatte.
Wir kamen rein und ich setzte mich mit einem Seufzen aufs Bett. Devon ließ sich auf seine eigene Matratze fallen.
„Weißt du, wenn du lieber in deinem eigenen Bett schlafen willst, musst du nicht bei mir auf dem Boden schlafen.", sagte ich ohne ihn anzusehen, „Ehrlich. Wenn es dich stört oder so, dann-"
„Ich bin gerne bei dir und das weißt du.", fiel er mir ins Wort, „Also bleibe ich."
Wieder stieg Wärme in mir auf, aber sie verschwand sofort.
„Ich verdiene dich einfach nicht."
Devon öffnete protestieren den Mund, aber diesmal unterbrach ich ihn.
„Sag nichts. Ich weiß, was du sagen willst."
Er grinste leicht: „Wieso sagst du es dann? Schließlich ist es nicht wahr."
„Jetzt hast du es doch gesagt."
Devon lächelte etwas breiter. Bei ihm schien es irgendwie so einfach, obwohl auch er einiges durchgemacht hatte.
„Wie machst du das?", fragte ich deswegen.
Sein Lächeln verschwand und er runzelte die Stirn.
Hinter ihm fiel das Abendlicht durchs Fenster, sodass seine Silhouette rötlich aufleuchtete.
„Was meinst du?"
„Du lächelst so viel."
Er schwieg eine Moment und Schmerz blitzte in seinen Augen auf.
„Ich kann dir nicht sagen, wie es geht."
Ich seufzte und ließ mich aufs Kissen fallen.
„Ich weiß."
~•~
Ich wanderte durch einen Wald. Die Bäumen waren kahl und abgestorben. Die schwarze Rinde blätterte ab und wurde von der nächsten Böe zu Boden gefegt. Unter meinen Füßen knackten tote Äste und Blätter, während Asche vom Himmel fiel. Sie wirkte wie grauer Schnee und legte sie langsam auf den umgefallen Baumstämmen ab. Der Himmel war so grau und ohne Farbe, wie alles um mich herum.
Ich sah mich um. Hier waren keine Geräusche, kein Leben.
Nichts.
Die Stille drückte auf meine Ohren und ich beschleunigte mein Tempo. Gab es hier nicht irgendeinen Weg hinaus?
Alles an diesem Ort war so still und tot. Letztendlich rannte ich, stetig begleitet von dem Knack Knack der Äste unter meinen Stiefelsohlen.
Die Asche regnete weiter herab und verfing sich in meinen Wimpern und meinem Haar. Ich strich sie mir aus dem Gesicht und sprang über eine kleines Rinnsal an Wasser.
Ich stutzte und blieb stehen. Mit gerunzelter Stirn ging ich ein paar Schritte zurück und sah zum Wasser.
Es war schwarz.
Meine Stirn zerfurchte sich noch mehr und ich folgte dem Rinnsal dem Hang hinauf. Das Rinnsal musste Resultat eines größerem sein.
Entschlossen herauszufinden, warum das Wasser schwarz war, stampfte ich den Hang hinauf. Noch mehr Äste raschelten und der Wald verfiel immer mehr, je weiter ich ging. Ich näher mich ganz klar der Ursache für den Tod, der hier in der Luft lag.
Die Bäume wurden immer weniger, bis nur noch Stümpfe und einzelne Zweige übrig waren.
Ich erreichte eine kahle Lichtung, in deren Mitte ein Krater lag. Hier war absolut nichts. Sogar die Erde war grau und mit Asche überzogen.
Langsam ging ich auf den Rand des Kraters zu und sah über die Kante. Unten lag ein großer schwarzer See mit dem schwarzen Wasser, das mir vorher aufgefallen war. Seltsamerweise lief das Wasser aufwärts, an den Wänden und über den Rand hinaus und von da aus den Hang hinab.
Ich machte einen Schritt nach vorne und schlitterte den Hang hinab. Kurz vor den Ufer des Sees blieb ich stehen und betrachtete das Wasser.
Es war so dunkel und undurchdringlich... das war kein Wasser.
Erst jetzt bemerkte ich das Kribbeln, das ich auf meiner Haut spürte. Es kam direkt von dem See und ich spürte die Grausamkeit und den Blutdurst der Magie. Sie hallte in meiner Brust nach.
Sie war stark. Sehr stark.
Und doch... sie war unvollständig.
Meine Augen wanderten an den Wänden entlang und ich sah Bilder in die Erde geritzt, die teils zerbrochen, teils verschüttet waren.
Aber ein Symbol war ganz deutlich zu erkennen: Eine Sonne, deren andere Hälfte einen Mondsichel zeigte. Die dreieckigen Strahlen waren so nur auf einer Seite.
Langsam dämmerte mir was für ein Ort das war!
Im selben Moment hörte ich das Schlagen von kräftigen Schwingen und ich drehte mich um. Hinter mir landete der Dunkle Mond. Um seine Landung abzufedern, ging er leicht in die Knie. Durch seinen finalen Flügelschlag wehten meine Haare nach hinten und mein Hemd zerrte an mir.
Langsam erhob sich der Dunkle Mond und seine Flügel wurden zu schwarzem Rauch. Für einen Moment konnte ich ihre Silhouette noch erahnen, dann erfasste sie der Wind und die schwarze Wolke wehte davon.
Ihm fielen die schwarzen Strähnen ins Gesicht und er strich sich das Haar aus dem Gesicht. Dann zupfte er seine violette Tunika zurecht, bevor er mich ansah. Er war noch immer in der Gestalt von einer seiner früheren Leben.
„Weißt du wo wir sind?"
Ich nickte, während in meinem Rücken die Magie kribbelte. „Bei der Quelle."
Der Dunkle Mond nickte ernst und trat näher zu mir. Zusammen wandten wir uns der dunklen Flüssigkeit zu.
„So wird es aussehen, wenn das Gleichgewicht zerstört wird."
Grauen erfasste mich und ich sah ihn mit geweiteten Augen an.
Er nickte nur und sagte: „Das Leben verschwindet und nach und nach verfällt diese Welt."
Darauf bückte er sich und nahm eine Handvoll Asche, die er zwischen die Fingern rieseln ließ.
„Bis nach und nach nur noch Asche übrig ist."
Ich verfolgte die Asche wie sie zu Boden rieselte und in einem Häufchen liegen blieb, bis der Wind sie wieder verteilt.
Mit zitternder Stimme sah ich zu ihm auf: „Wieso zeigst du mir das?"
Der Dunkle Mond wandte sich mir ganz zu und seine schwarzen Augen bohrten sich in meine.
„Damit du deine Aufgabe nicht vergisst. Du musst das Gleichgewicht wiederherstellen. Es ist nicht mehr lange hin bis es von dem Huntern zerstört wird. Morden sie weiter in den Dörfern und bringen sie weiterhin Prodigias um, wird bald alles aussehen wie jetzt."
Ich sah mich nochmal um. Diese Stille und dieser allgegenwärtige Tod... das durfte niemals passieren. Das einfach alles Leben ausgelöscht wurde.
„Ich werde dafür sorgen, dass das Gleichgewicht wieder in Ordnung gebracht wird."
Der Dunkle Mond neigte leicht den Kopf. „Du wirst ein Opfer bringen müssen. Das ist keine leichte Aufgabe, die du da vor dir hast. Bist du dir wirklich sicher, dass du das tun willst?"
So wenig, wie mir im Moment an meinem Leben lag, hatte ich ja nicht viel zu verlieren. Außerdem war so eine Welt viel schlimmer
„Ja."
Er nickte und trat einen Schritt zurück. Die Flügel materialisierten sich wieder an seinen Rücken und er breitete sie aus.
„Ab sofort werde ich dich darauf vorbereiten. Dir bleibt nicht viel Zeit. Morgen, wenn ihr die Quelle besucht, sieh genau hin und lerne."
Mit diesen Worten ging er leicht in die Knie und stieß sich mit einem kräftigen Flügelschlag vom Boden ab. Wieder peitschte die Luft auf und ich verfolgte wie er sich in die Lüfte erhob. Ein majestätischer Anblick, keine Zweifel.
Der Dunkle Mond flog davon und ich stand alleine in dem Krater. Vor mir die schwarze, zerstörte Quelle und um mich herum die fallende Asche.
Ich würde nicht zulassen, dass diese Welt so endete. Wenn ich schon der Dunkle Mond war, konnte ich genauso gut auch verdammt noch mal etwas damit anfangen.
Das Gleichgewicht musste wieder hergestellte werden.
Ich atmete tief ein und aus.
Koste es, was es wolle.
~•~
Am nächsten Morgen passte Morana Devon und mich nach dem Frühstück ab.
Heute trug sie ihr weißes Haar zu einem Zopf geflochten, das ihr sehr gut stand. Im Gegensatz zu mir und Devon trug sie allerdings keine Jacke, sondern nur ein hellgraues Hemd.
„Guten Morgen", begrüßte sie uns.
Wir erwiderten den Gruß und blieben stehen.
„Wie sieht's aus Lillith?", wandte Morana sich jetzt an mich, „Bist du bereit für die Quelle?"
Mein Traum blitze vor meinem inneren Auge auf und mir jagte eine Schauer über den Rücken. Davon hatte ich Devon nichts erzählt. Ich wollte ihn nicht beunruhigen. Dazu würde er er garantiert nicht zulassen, dass ich irgendein Opfer brachte.
Was auch immer das sein würde.
Ich nickte und drehte meinen Kopf zu Devon.
„Wir sehen uns danach?"
Er neigte den Kopf und sah mich an. „Sicher, dass du alleine gehen willst?"
„Ich bin ja nicht ganz allein.", ich deutete auf Morana, „Aber nein, du brauchst nicht mitkommen."
Er seufzte ergeben und nickte schließlich. „Dann sehen wir uns danach."
Wie verabschiedeten uns und Devon joggte los zu seiner Gruppe. Was heute auf den Plan von Myalos Patrouille stand, wusste ich nicht.
Demnach verließen Morana und ich die Baumstadt und machten uns auf den Weg.
Wir liefen größtenteils schweigend nebeneinander her, aber eigentlich störte mich das nicht. So konnte ich auf die Geräusche um mich herum hören und mich entspannen. Jedenfalls so weit es mir möglich war.
Ich spürte den Baum, bevor ich ihn sah. Ein Kribbeln ging von ihm aus.
Morana steuerte direkt darauf zu und ich sah ehrfürchtig an ihm auf. Die dunkelbraune Rinde war alt und mit tiefen Rillen. Die knorrigen Wurzeln streckten sich über mehrere Meter um den Baum herum, wo sie teilweise an der Oberfläche auftauchten. Die Äst der Baumkrone waren kahl.
Genau so einen hatten wir im Wald der Hunter betreten.
Genauso wie Alenia damals, legte jetzt Morana eine Hand in die Mitte. Ein weißen Leuchten sprang von ihrer Hand auf die Rinde über. Darauf bildete sich eine Spirale von ihrer Hand ausgehend. Die Rinde zog sich mit einem Ächzen zurück und brachte eine Tür zum Vorschein. Morana öffnete sie. Somit offenbarte sich ein Weg in die Erde hinein.
„Na dann los", Morana duckte sich ein wenig und trat in den Tunnel. Ich folgte ihr direkt danach.
Mit Knarzen und Knacken schloss sich der Eingang hinter uns. Für einen Moment waren wir in völliger Dunkelheit getaucht, dann leuchteten die Linien an den Wänden auf. Golden liefen sie von der Tür an dem erdigen Wänden entlang.
„Diese Linien führen immer zu der Quelle", erzählte Morana und bog eben diesen Linien folgend
links ab. Ich folgte ihr.
„Es sind quasi die Adern der Welt. Sie erstecken sich über alle Tunnel und damit über die ganze Welt."
Ich sah mich fasziniert um. Der ganze Tunnel wurde in ein goldenes Licht getaucht. Es schimmerte auf Moranas blasser Haut und ließ sie einmal mehr wie Porzellan aussehen. Auch wenn ich hier bereits zweimal gewesen war, war es jedes Mal eine magisches Gefühl.
Bis ich mich erinnerte unter welchen Umständen ich hier gewesen war.
Eine Weile folgten wir dem goldenen Linien durch die gewundenen Tunnel. Es ging sowohl auf als auch ab. Dabei wurden wir stetig von dem etwas hallenden Geräusch unserer Schritte begleitet.
Doch dann öffnete sich vor uns eine große Höhle und in der Mitte lag sie.
Die Quelle der Magie.
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