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„Warum sollte einer von euren eigenen Leuten euch überfallen?", fragte ich verwirrt und schaute den Schützen an, „Kämpft ihr nicht alle für die gleiche Sache?"
Ellie kam näher betrachtete den Bewusstlosen Hunter säuerlich: „Offenbar nicht."
„Aber warum hat er und die anderen uns angegriffen?", überlegte Devon laut und schaute die anderen Bewusstlosen an.
Max ging schweigend zu dem nächsten und zog ihm das Tuch vom Mund. Nacheinander deckte er die Identitäten auf. Bei jedem, wurde seine Miene dunkler.
„Es sind alles unsere Leute.", stellte Max fest.
Ich stand von dem Schützen auf und trat ein paar Schritte zurück. Mein Blick glitt über die Höhle, wo die Männer teilweise verletzt herumlagen.
„Was ich mich frage", Max Blick huschte zu mir und bohrte sich in meinen, „Warum haben sie dich nicht angegriffen?"
Ich blinzelte. Stimmt. Das hatten sie nicht. Ausgerechnet das Monster, hatten sie in Ruhe gelassen.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht haben sie mich nicht bemerkt."
Max zog skeptisch eine Augenbraue hoch: „Haben sie dich nicht gesehen? Oder haben sie dich bewusst übergangen?"
Ich riss die Augen auf, als mir klar wurde als was er mich da beschuldigte.
„Wie soll ich das den angestellt haben? Ich wurde rund um die Uhr bewacht und Magie habe ich auch nicht. Wie sollte ich den Hunter meinen Standpunkt verraten haben?", ich war nicht wütend, aber trotzdem wollte ich nicht, dass sie Max Meinung teilten.
Max schloss den Mund, da er nichts dazu sagen konnte.
„Lillith hat recht.", sagte John zu Max und schaute die Männer am Boden düster an, „Jeder im Lager kannte unseren Auftrag und die ungefähre Route. Dazu brauchen sie Lillith nicht."
Devon hatte bis jetzt geschwiegen und fragte jetzt: „Da gebe ich John recht. Aber wieso wurde Lillith dann verschont?"
„Das können wir uns später überlegen", entschied John, „Wir sollten sie hier lassen und weiter ziehen."
„Sollten wir sie nicht aushorchen?", wandte Ellie ein, die Hand immer noch auf ihren verletzten Arm gepresst.
Doch John schüttelte den Kopf: „Lillith ins Lager bringen hat Priorität. Die Wahrheit aus ihnen raus zu quetschen verschwendet unnötig viel Zeit. Brechen wir auf."
Also packten wir unsere Sachen zusammen und setzten unseren Weg fort. Diesmal achteten wir darauf noch zusätzlich unsere Spuren zu verwischen, damit sie uns nicht verfolgten. Ich ritt wieder mit Devon, diesmal aber waren meine Handgelenke nicht aneinander gefesselt. Ich konnte mich mit einer Hand an der Mähne oder irgendwo anders festhalten und mit der anderen eine Haarsträhne aus dem Gesicht wischen. Aber das Rasseln der Ketten blieb. Sie hingen lose an den Metallband um meine Handgelenke herab.
Ellie hielt ihr Versprechen mir das Bogenschießen beizubringen und mich an der Jagd teilhaben zu lassen. Erstaunlicherweise war sie nicht mehr so unfreundlich zu mir. Ihr Hass auf mich schien sich gemildert zu haben, seit ich sie vom Herabstürzen und den sicheren Tod bewahrt hatte. Das Training brachte mir eine willkommene Ablenkung und ich konnte meinen Gedanken für ein paar Stunden entfliehen. Wenn ich bei Devon im Zelt schlief, holten sie mich aber immer wieder ein. Und Albträume hatte ich öfters. So schlimm wie in der ersten Nacht bei Devon war es aber nicht mehr gewesen.
John vertraute mir ein Stück weiter und redete öfter mit mir. Manchmal nahm er meinen Ratschlag zu unserer Route oder kleineren Entscheidungen auch an. Wo wir das Lager aufschlagen sollten zum Beispiel. Am Fluss oder im Wald? Max hingegen änderte sich kein bisschen.
Devon blieb freundlich und hilfsbereit wie er war. Er schien mir von den Huntern am größten zu vertrauen, oder zumindest sah er kein so großes Monster in mir. Mehr einen Menschen.
Ob das ein Fehler war würde sich wohl irgendwann herausstellen.
Mit Pfeil und Bogen funktionierte es nach mehreren Tagen Training mit Ellie wann immer wir rasteten, gut genug, um aus einer nicht allzu weiten Entfernung zu treffen. Aber das Tier musste stillstehen. Es im Rennen zu kriegen würde ich nicht schaffen.
„Also Lillith.", Ellie hängte sich den Bogen mit dem Holz am Rücken quer über die Brust, „Lass mal sehen was ich dir beigebracht habe."
Ich nickte und spannte mir meinen Bogen ebenfalls über die Brust. Er gehörte eigentlich John, aber zum üben und jetzt zu meiner ersten richtigen Jagd hatte er ihn mir geborgt.
Gestern hatten wir die Berge hinter uns gelassen, eine große Weide überquert und den nächsten Wald erreicht. Jetzt war es nur noch eine von drei Wochen bis zum Lager. Ellie und ich machten uns gerade bereit das Frühstück zu beschaffen. Das Pferd war gesattelt, auf den Ellie und ich zusammen reiten würden. Selber zu reiten hatte ich noch nicht gelernt. Dafür würde ich im Zelte aufbauen immer schneller und geübter.
„Viel Glück!", rief Devon uns hinterher, als wir zusammen los galoppierten. Aber Ellie erwiderte sicher: „Wie brauchen kein Glück!"
Gerade ritten wir im Trab durch den Wald und folgten einer Spur, die Ellie gefunden hatte. Sie vermutete eine Hirschkuh, da hörte ich wie etwas sich bewegte. Ich wies Ellie an, das Pferd zu zügeln und machte den Bogen breite. Ich spannten den Pfeil und stützte meine Wange auf meiner Hand ab, mit der ich das Ende des Pfeiles hielt. So wie Ellie es mir gezeigt hatte.
Ich hörte Schritte und konnte es als ein Hoppeln identifizieren. Das war ein Hase!
Also hörte ich mit meinem besonderem Gehör genauer hin. Der Hase näherte sich von links und wir standen gegen den Wind. Perfekt.
Ich wartete also, den Bogen bereit zum Schuss. Ellie hinter mir war still, nur ihr Atem drang an mein Ohr. Lauter als für normale Elementes, aber ich ignoriere es. Gezielt filterte ich das Hoppeln des Hasens heraus. Ich setzte mein Gehör bewusst ein, was ich sonst nicht tat.
Jetzt brach der Hase zehn Meter vor uns aus dem Gebüsch. Uns bemerkte er nicht. Sogar die Stute war ruhig geworden, als wüsste sie, dass ein kleiner Geräusch uns verraten könnte.
Ellie hinter mir hielt den Atem an, als ich den Bogen auf das kleine graue Tier vor uns richtete. Durch die Bewegung rasselten aber meine magischen Fesseln und der Hase stellte die Ohren auf. Alarmiert sah er sich um.
„Schieß! Bevor er wegläuft!", zischte Ellie mir ins Ohr, aber ich konnte nicht. Ich wollte meinen Pfeil nicht in sei Fleisch versenken. Das würde ihn töten. Und hatte ich nicht schon genug Blut an meinen Händen kleben?
„Schieß endlich!"
Ich liest den Bogen sinken und der Hase hoppelte davon: „Ich kann nicht."
Ellie sah den Hasen nach bis er im Gebüsch verschwand und sprang dann runter von ihrem Pferd. Sie stellte sich mit verschränkten Armen vor mir hin und schien auf eine Begründung zu warten.
„Ich konnte es nicht töten.", wiederholte ich und schloss die Augen, „Ich habe schon genug Leben genommen."
Ich dachte zurück an Blutmond und die Schuld schmerzte wie Gift in meiner Brust.
„Es ist ein verdammter Hase!", blaffte Ellie und rieb sich die Stirn. Dann schaute sie mich an und erklärte ernst: „So läuft das. Das ist der Weg der Natur. Die Tiere wie der Hase oder die Hirschkühe fressen die Pflanzen. Aber wenn sie nicht gejagt werden, fressen sie das ganze Gras auf und es bleibt nichts übrig. Deswegen muss es Jäger wie uns oder andere Raubtiere geben, die die anderen Pflanzenfresser töten."
Ich schwieg immer noch, auch wenn ich einsah, dass sie recht hatte.
„Allerdings", lenkte die Hunter vor mir ein, „Nur so lange man sich nimmt was man braucht."
Mit einem Seufzen hängte ich mir den Bogen über die Schulter und murmelte: „Du hast recht."
Ellie nickte nur und stieg wieder auf: „Dann such dir mal das nächste Tier. Schließlich wollen wir was zu essen."
Irgendwann kamen wir mit einem Eichhörnchen und einen weiteren Hasen zurück. Das Eichhörnchen war meine Beute, ich hatte mich dazu durchdringen können es zu erschießen.
Jagen ist vielleicht ein Teil der Natur aber Mord an den Mitschülern sicher nicht.
Die Zelte waren schon verstaut in den Taschen und die Pferde der anderen standen aufbruchbereit an der Seite. Sie waren an einen Baum festgebunden. Als Ellie und ich angeritten kamen, lieferten sich Max und Devon einen erbitterten Schwertkampf.
Klingen krachten aufeinander als der eine die Angriffe des anderen parierte.
Wir beide stiegen vom Pferd runter und gesellten uns zu John. Ellie führte ihr Pferd hinter sich an den Zügeln her.
„Wir hatten Langeweile.", erklärte John, den Blick auf die kämpfenden Jungs gerichtet, „Und beim Reden kam die Frage auf wer sich besser gegen unsere Leute in der Höhle verteidigt hat."
Er nickte zu den beiden rüber und öffnete den Mund, aber Ellie kam ihn zuvor: „Und der Kampf soll das entscheiden"
John nickte und Ellie verdrehte die Augen: „Jungs."
Ich schaute Devon dabei zu wie er sein Schwert schwang. Auf mich wirkten die Bewegungen unglaublich präzise und kontrolliert, aber er schien auf etwas zu warten. Er parierte, griff an und wich aus, aber trotzdem wartete er ab.
Max hingegen bewegte sich nicht so elegant und mit dem Schwert eins wie Devon.
Metall schlug auf Metall, ihre Abneigung zueinander konnte man schon in Kampf spüren.
Doch plötzlich machte Max einen Fehler: Er hielt das Schwert falsch und musste die volle Kraft von Devons Schlag parieren, anstatt sie ein wenig abzuleiten. Das nutze Devon aus. In der Zeit, in der Max mit dem Schwert gegen Devons festen Schlag halten musste und dabei aus dem Gleichgewicht geriet, trat Devon einen Schritt nach vorne. Schnell stellte er sein Bein hinter Max' und schubste ihn gleichzeitig mit der Schulter nach hinten. Max konnte so nicht richtig nach hinten weichen, um die Balance wieder zu finden und fiel nach hinten.
Verdattert blinzelte Max und schaute zu Devon hoch, der die Schwertspitze über seinen Hals schweben ließ.
Ich konnte es ihm nicht verübeln. Devon hatte wahnsinnig schnell und effektiv reagiert. Hatte Max' Fehler ausgenutzt.
„Du hast verloren Max", sagte Devon, der um ein siegessicheres Grinsen nicht herum kam.
Max funkelte ihn aus seinem blauen Augen bloß an, schlug die Klinge weg und rappelte sich auf. Eingeschnappt klopfte er sich den Staub von der Hose und verschränkte die Arme vor der Brust, das Schwert hatte er schon wieder in die Scheide gesteckt.
Auch Devon steckte sein Schwert zurück in den Gürtel und richtete seinen Blick nun auf Ellie und mich. „Na? Was gefunden?", erkundigte er sich heiter von den gewonnen Kampf.
Ich nickte und hielt die toten Tiere in meiner Hand hoch. Wieder rasselten bei der Bewegung meine durchtrennten Fesseln.
Wir brieten die Tiere über dem Feuer und aßen sie eilig auf. John drängte dazu weiter zu reiten, er glaubte heute würde ein Sturm kommen. Ich schaute zum wolkenlosen Himmel und konnte es mir kaum vorstellen, aber wir alle trauten Johns Erfahrung also verloren wir keine Zeit.
Unser Weg führte durch den Wald weiter. Ich konzentrierte mich wie immer auf jedes Geräusch und alles was ich sah. Meine Sinne lenkten mich von meinen Dunklen Gedanken ab, konnten die Schuld. dennoch nicht vertreiben. Geschweige von der Leere in mir drin.
Kurz vor Anbruch der Dunkelheit hielten wir an. Einfach irgendwo im Wald, wo die Bäume gerade nicht so dicht standen. Aber durch die Bäume konnte ich ein kleines Dorf erkennen. Soweit ich das sehen konnte, waren es Holzhäuser, also keine Steinhäuser, wie in dem Dorf, in dem ich mich als eine unschuldige Reisende names Dahlia ausgegeben hatte.
Schuld machte sich in mir breit und drohte mich zu ersticken.
Ich hatte sie alle belogen und betrogen, hatte sie in Gefahr gebracht. Und jetzt hassten sie mich vermutlich.
Ich seufzte. Wahrscheinlich hatte ich das verdient.
„Woran denkst du?", fragte Devon, der meinen Blick auf das Dorf bemerkt hatte und jetzt neben mir trat. Hinter uns packten die anderen wie immer alles aus und begannen mit den Zelten und dem Feuer.
Ich wandte den Blick nicht ab antwortete aber leise: „An die Familie, die ich belogen habe."
Er runzelte die Stirn: „Du meinst die, mit dem kleinen Mädchen? Die die du vor unseren Angriffen beschützt hast?"
Ich nickte nur und versuchte Abscheu in seiner Stimme auszumachen. Aber da war nichts dergleichen. Devon war mir ein Rätsel.
Ich strich mir eine Strähne meines kurzen Haares hinters Ohr und meine Kette rasselte. Devons Blick fiel auf den schwarzen Stein und er fragte: „Stört es nicht wenn die Kette so runter hängt?"
Ich schaute meine Kette an und zuckte die Achseln. Es war mir egal. „Heute morgen hat das Geräusch den ersten Hasen verschreckt."
Ohne Vorwarnung griff Devon nach meinen Handgelenk und nahm die Kette in die Hand. Verwirrt schaute ich ihn an: „Was macht's du da?"
Aber er schwieg nur und führte die Kette um mein Handgelenkband. Dann erhitzte er den Stein mit seinem Feuer, ohne mich dabei zu verbrennen.
„Trackless kann in Form gebracht werden wenn man es schmilzt und weiter verarbeitet. Es komplett zu schmelzen ist schwer, aber ein bisschen müsste gehen. Man nennt es ein Gestein aber eigentlich kann man es nicht wirklich etwas zuordnen.", erzählte Devon während er die Kette an meinem Ring um das Handgelenk schweißte. Das glühen seiner Hand, die den Trackless erhitzte, spiegelte sich in seinen braunen Augen. Ich spürte die Hitze auf meiner Haut.
Als er mit dem ersten Teil meiner Fesseln fertig war, machte er das gleiche beim zweiten. Ich betrachtete währenddessen meine noch leicht glühende Fessel am rechten Handgelenk. Die Kette, die vorher lose heruntergehangen hatte, schmiegte sich in der Mitte an meiner Fesseln entlang. Es sah aus wie eine Verzierung und war sogar ganz hübsch. Die Tatsache, dass er immer noch Fesseln waren, die dafür sorgten, dass die Hunter sich keine Sorgen um meine Magie machen mussten, nagte allerdings an der Dunklen Schönheit.
„Hey!", Johns Stimme ertönte über den Platz, „Helft und beim aufbauen!"
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