H A R R Y

Zu Hause angekommen nahm ich erst einmal eine kalte Dusche um wieder etwas herunter zu kommen. Wie sollte ich jemals ein Konzert veranstalten, wenn es mir schon so zu schaffen macht, neben zwei fremden Mädchen zu singen? Es könnte aber auch daran liegen, dass eines der beiden Aurelia war. Aurelia. Ich war immer noch fasziniert von diesem wunderschönen Namen.

Das eiskalte Wasser zeigte Wirkung, ich kam wieder etwas herunter und konnte wieder frei atmen, ohne dieses flaue Gefühl in meinem Magen. Ich trocknete mich ab, zog mir eine neue Boxer über und sprang danach auf mein Bett. Ich hatte Glück, ich war alleine zu Hause, also würde ich von niemandem gestört werden. Ich liebte es, wenn ich das ganze Haus für mich alleine hatte. Man konnte nackt herumlaufen, laut Musik hören und doppelt so laut mitsingen, falsch mitsingen wohl gemerkt, und niemand störte sich daran.

Ich verlegte meine Decke auf den Boden, der heute Morgen von meiner Mutter frisch gewischt wurde und platzierte meinen Allerwertesten darauf. Ich packte meinen frisch fertig bekommenen Song aus und ordnete die Blätter in der richtigen Reihenfolge. "Shit", entkam es mir als ich bemerkte, dass mir das erste Blatt, auf dem der Titel geschrieben war, fehlte. Es war kein sonderlich großer Verlust, immerhin konnte ich die vier Wörter aus denen der Titel bestand schnell wieder auf ein neues Blatt kritzeln. Viel mehr störte mich aber die Tatsache, dass ich sie verloren hatte, während die Mädchen vermutlich noch genau an dieser Stelle waren. Ich wollte nicht, dass sie es finden würden.

Seufzend legte ich diese Gedanken beiseite und holte mir ein neues, unbeschriebenes, weißes Blatt von meinem Drucker. Wieder schrieb ich den Titel darauf und legte das Deckblatt über die darunterliegenden Noten- und Textzeilen. Sign of the times.

Ich hatte mein erstes Lied geschrieben und war zudem auch noch wirklich stolz darauf. Er ist mir ziemlich gut gelungen und wenn ich Glück hatte konnte er sogar ein Erfolg werden, allerdings müsste ich ihn dazu erst einmal einschicken. Ich hatte Glück, dass ich schon jemanden gefunden hatte, der sich mein Zeug überhaupt anhören möchte, allerdings auch nur, weil mein Onkel in seinem Tonstudio öfters aushalf und deswegen ein gutes Wort für mich eingelegt hatte.

Mit einem einzigen Song wollte ich dort noch nicht aufkreuzen, ich wollte ihm wenigstens drei Lieder liefern, so könnte er sich ein gutes Bild über mich machen und besser einschätzen, ob ich in dieser Branche überhaupt eine Chance habe.

Ich wollte mich gleich wieder an die Arbeit machen und ein besseres Beispiel als die Begegnung mit Aurelia konnte mir gar nicht einfallen, als Vorlage für einen neuen Song. Mein Hintern tat bereits weh vom harten Holzboden, trotz Decke wohlgemerkt, und ich verlagerte meinen Arbeitsplatz nach unten ins Wohnzimmer. Dort lag Moms heißgeliebter Teppich, der so weich war, dass man seine Zehe am liebsten ständig darin vergraben möchte. Ich hatte genug Platz um darauf zu liegen und meine Gitarre fand ebenfalls noch Platz darauf.

Ich musste nicht lange über den Titel meines neuen Songs nachdenken. Es waren die Worte, die mir schon die ganze Zeit durch den Kopf herumgeisterten, seitdem ich Aurelia aus der Nähe aus betrachten durfte. Sweet Creature.

Auch wenn Kreatur vielleicht nicht der netteste Ausdruck ist um eine Frau zu beschreiben, so mochte ich den Titel dennoch sehr und die Message die ich mit diesem Song überbringen möchte ist die gleiche, als wenn ich ihn einfach Sweet Woman nennen würde, jedoch würde dieser nicht die gleiche Wirkung haben. Kreatur war ein Wort, dass Aufmerksamkeit erregte und genau das musste man, wenn man wollte, dass sich Menschen genau für deinen Song interessieren und nicht für einen der anderen Millionen von Songs, die bereits aufgenommen wurden.

Wieder erstellte ich ein Deckblatt mit dem Namen des Titels. Ich war ein Mensch, der immer eine geregelte Ordnung haben wollte. Ein geregelter Tagesablauf, ein geregelter Lieblingsplatz, eine geregelte Anordnung eines neuen Songs.

Auf einem sauberen Blatt Papier begann ich die ersten Zeilen meines neuen Songs zu erfassen. Auch wenn mir bereits die passenden Worte im Kopf herumschwebten, so war es doch eine kleine Herausforderung sie auf Papier zu bringen. Ich schloss meine Augen und stellte mir wieder Aurelias wunderschönes Gesicht vor und begann zu Lächeln. Ich knüllte das bereits beschriebene Blatt wieder zusammen und begann nochmals von neu. Diesmal allerdings fiel es mir kinderleicht die erste Strophe meines neuen Songs zu schreiben und die Worte schrieben sich wie von selbst.

Sweet creature

Had another talk about where it's going wrongBut we're still youngWe don't know where we're goingBut we know where we belong  

  No, we started
Two hearts in one home
It's hard when we argue
We're both stubborn, I know  

Zufrieden betrachtete ich mein Werk. Auch wenn der Text noch nicht perfekt zu unserer ersten Begegnung passte, so stimmte der Titel des Songs doch perfekt mit ihr überein und das war alles was zählte.

Egal was ich tat, meine Gedanken drifteten immer wieder zu dieser Schönheit ab. Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und schien auch nicht mehr verschwinden zu wollen. Mein Magen machte sich langsam bemerkbar, weshalb ich aufstand und mich in die Küche begab. Im Kühlschrank wurde ich schnell fündig, da meine Mutter offensichtlich heute einkaufen gewesen war. Ich belegte mir ein Brot mit Salami und eines mit Schinken, schnitt mir noch eine Tomate in kleine Stücke und platzierte alles auf einen Teller.

Ich setzte mich auf die Küchenablage und genoss mein Abendessen. Immer noch zierte das breite Lächeln mein Gesicht. Was hatte dieses Mädchen nur mit mir angestellt, ich kannte sie doch kaum?

Mein dreckiges Geschirr verstaute ich in der Spülmaschine und legte mich wieder vor meinen noch unvollendeten Song. Der Refrain war bereits fertig geschrieben in meinem Kopf und mit meinen Gedanken bei Aurelia ließ er sich auch ohne unvorhergesehene Probleme zu Papier bringen.

Sweet creature, sweet creature
Wherever I go, you bring me home
Sweet creature, sweet creature
When I run out of rope, you bring me home  

- - - - -

Wie immer hoffe ich, dass euch das Kapitel gefallen hat & über Rückmeldungen würde ich mich sehr freuen x