A U R E L I A
Schnell steckte ich das Blatt in meine Tasche und schloss diese wieder, damit nichts rausfallen konnte. "Sei mir nicht böse, aber ich werde jetzt nen Abgang machen, ich schreibe ja morgen Bio nach und du weißt ja, ich und die Biologie, wir sind keine Freunde", erklärte mir Scar und ich war eigentlich ganz froh, dass ich wieder Zeit für mich hatte. Ich war zwar kein Einzelgänger, aber wenn ich an meinen Zeichnungen arbeitete genoss ich die Ruhe.
"Kein Thema und viel Glück. Pass auf dass dich dein Heft nicht beißt", witzelte ich, doch Scar verdrehte nur lachend die Augen. "Dann hätte ich wenigstens eine Ausrede, warum ich nicht lernen konnte und könnte die Arbeit verschieben."
"Hast du doch letztens schon und irgendwann musst du sie ja schließlich schreiben", tadelte ich sie. Scar war das komplette Gegenteil zu mir, während ich schon zwei Tage vor den Prüfungen den gesamten Stoff beherrschte, fing sie zu diesem Zeitpunkt erst an einmal in ihr Heft zu kucken.
Ich schüttelte nur lachend den Kopf und beobachtete sie, wie sie sich immer weiter von mir entfernte. Als ich sie nicht mehr sehen konnte packte ich den Zettel noch einmal aus, denn der Junge vorhin vermutlich verloren haben musste. Ob er es wohl schon bemerkt hat?
Wieder betrachtete ich die wenigen Worte, die darauf geschrieben standen. "Sign of the times", sprach ich die Warte laut aus. Sie klangen wirklich schön und man konnte sich jede Menge Geschichten zu diesen einfachen vier Wörtern einfallen lassen. Ich würde keine Geschichte aus Worten bilden, aber eine Story aus Bildern wäre einen Versuch wert.
Ich betrachtete die unfertige Skizze meiner Zeichnung von der kleinen Brücke. Ich hasste es Dinge nicht sofort fertig zu stellen, aber die Brücke würde mir schließlich ja nicht weglaufen. Ich wollte mir gerade ein neues Blatt Papier zu Hand nehmen und meine angefangene Skizze in meiner Zeichenmappe verstauen, als mir eine Idee kam. Ich konnte diese vier Worte ganz einfach mit meiner Skizze in Verbindung bringen.
Meine anfängliche Idee war es, diese Brücke aus verschiedenen Perspektiven zu malen, woran ich ja auch schon angefangen habe zu arbeiten. Doch dieses Projekt war erweiterbar und würde perfekt zu dem kleinen Satz auf dem weißen Blatt Papier passen. Ich hatte mir vorgenommen, diese Brücke in jeder Jahreszeit zu malen, darauf bedacht auch ihre Umgebung auf Papier zu bringen. So konnte man sehen, wie sich die Natur im Laufe eines Jahres veränderte. "It's a sign of the times."
Begeistert von meiner Idee kritzelte ich mir einige Notizen in meinen Collegeblock. Ich war ein schrecklich vergesslicher Mensch und würde ich mir nicht ab und an einige Stichworte aufschreiben, so hätte ich es im Sommer garantiert schon wieder vergessen, dass ich hier herkommen musste und eine weitere Jahreszeit in diesem wunderschönen Wald festhalten musste.
Sofort machte ich mich wieder an die Arbeit, platzierte einen Strich nach dem anderen auf das Blatt Papier. Die Brücke nahm bereits ihre Grundzüge an, die Umgebung hob ich mir noch für einen späteren Zeitpunkt auf. Es begann bereits zu dämmern und die Sonne ließ die Bäume samt ihrer Blütenpracht nicht mehr so erstrahlen, wie ich es gerne auf meinen Zeichnungen hätte, deshalb musste dieser Part noch bis morgen warten. Ich hatte die Grundskizze fertig, sie zu einer schöneren Form zu bringen konnte ich auch zu Hause machen.
Ich packte meine Tasche, achtete darauf, dass meine Zeichenmappe gerade war und kein Blatt herausfallen konnte und schulterte diese danach. Noch einen letzten Blick erhaschte ich auf meine neue Muse bevor ich in dem dichten Wald verschwand. Fröhlich schlenderte ich durch diesen und ließ die Natur auf mich wirken. Es roch einfach herrlich, am liebsten würde ich die Luft einfangen und in meinem Zimmer versprühen, leider war das nicht möglich.
Ich seufzte, als ich den Wald verließ und wieder zurück zur Straße kehrte. Viel zu schnell verging so ein Nachmittag. Ich hatte nur noch zwei Stunden, bis ich wieder im Bett liegen musste, um meine Kräfte für den morgigen Schultag aufzutanken. Ich hasste diesen abscheulichen immer kehrenden Tagesablauf. Was würde ich dafür geben, könnte ich mir selber aussuchen, an welchen Tagen ich welche Fächer hätte. Ich wollte mein Leben selbst bestimmen und mich nicht vom Gesetz her zwingen lassen die Schule besuchen zu müssen.
Wie erwartet wartete meine Mutter bereits wieder auf mich, zu meiner Überraschung verlor sie allerdings kein Wort darüber, dass ich mich besser schon etwas früher auf den Heimweg hätte machen sollen, immerhin war die Nacht schon eingebrochen und der Mond erleuchtete die Straßen nur schwach. Sie sorgte sich sehr um mich und ich war ihr dankbar dafür, immerhin konnte ich mir so sicher sein, dass sie mich über alles liebte.
"Ich habe dir Abendessen gemacht, dein Lieblingsessen um genau zu sein", sagte sie mir und ich war ziemlich verwundert. Gab es irgendeinen besonderen Anlass? Was hatte ich verpasst?
"Ich wollte einfach einmal wieder Zeit mit dir verbringen bei einem gemeinsamen Abendessen. Du bist in letzter Zeit dauernd in diesem Wald, ich bekomme überhaupt nichts mehr von deinem Leben mit", sagte sie als sie meinen verwirrten Blick sah.
Ich musste lächeln. "Das freut mich Mama, ich decke den Tisch", sagte ich freundlich zu ihr und begab mich in die Küche, in der es schon köstlich nach Huhn süß-sauer roch. Meine Mutter war kein Fan von chinesischem Essen, ich dagegen würde mich am liebsten nur davon ernähren. Sie hatte mich in letzter Zeit wohl wirklich vermisst, denn normalerweise kochte sie nie etwas nur annähernd Chinesisches. Ich freute mich um so mehr, nahm die Teller aus dem Schrank und platzierte sie auf den Tisch.
"Kommt Dad auch zum Essen?", fragte ich nach bevor ich den dritten Teller auf dem Tisch platzierte. "Leider nicht, Überstunden, du weißt ja", sagte sie betrübt und auch ich konnte meine Traurigkeit nicht verbergen.
Das Essen verlief super, wir redeten über die Schule, meine Noten, aber auch über die Dinge die mir am Wichtigsten waren, meine Zeichnungen. Ich erzählte ihr von meinem neuen Projekt und sie wollte unbedingt einige meiner Entwürfe sehen, ich musste sie allerdings vertrösten, denn unfertige Werke zeigte ich nur äußerst ungern her, schließlich machte man ja auch kein Foto von halb gefärbten Haaren und präsentiert somit seine neue Frisur oder?
Ich half meiner Mutter noch mit dem Abwasch und verzog mich dann zurück in mein Zimmer. Es bereits später geworden als ich gedacht hätte, weswegen ich meine Pläne auf morgen verschob und mich nur noch mehr bettfertig machte. Im Pyjama, mit frisch geputzten Zähnen, verkroch ich mich schließlich unter die Decke und schloss meine Augen. Mit den vier besonderen Worten, die mir nicht mehr aus dem Kopf gingen, schlief ich dann friedlich ein.
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Ich hoffe euch hat dieses doch sehr unspektakuläre Kapitel doch ein wenig gefallen und über ein Kommentar eurerseits würde ich mich sehr sehr freuen c:
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