☽★ 𝐿𝒾𝓀𝑒 𝒶 𝒷𝒶𝒹 𝒹𝓇𝑒𝒶𝓂 ★☾
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Ich las weiter. Immer und immer weiter, in der Hoffnung, das Übelkeitsgefühl würde mich endlich in Ruhe lassen.
Aber da war es wieder. Ich würgte, versuchte, den Brechreiz zu unterdrücken, aber ohne Erfolg. Mein Blick schweifte von meinem Buch zum Fussboden unter mir. Dann schloss ich meine Augen und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
Langsam stand ich auf und legte das Buch zu Boden. Schweigend und noch immer von Übelkeit verfolgt, suchte ich wie ein blinder Maulwurf durch Tasten nach dem Türgriff des Bades. Kalt spürte ich das Metall in meiner Handfläche, welches ich dann mit zitternden Händen öffnete, nur um gleich danach zur Toilette zu stürzen und mein Frühstück ein zweites Mal zu sehen.
Was war bloss mit mir los? Hatte ich etwas Falsches gegessen?
Eine Person rief nach mir. Schritte. Die Tür wurde geöffnet und jemand betrat den Raum. Wer es war, konnte ich nicht sehen, meine Augen starrten noch immer auf die bunten Stücke Essen vor mir, welche im Toilettenwasser wie Konfetti hin und her schwammen.
«Alles gut, Schätzchen?», fragte eine weibliche Stimme und strich mir liebevoll über den Rücken. Als Antwort würgte ich ein weiteres Mal und übergab mich nochmals. Irgendetwas war hier falsch. Etwas stimmte nicht mit mir - Nur was? Wie konnte es sein, dass ich mir wegen eines Romans von Lisa Keil die Seele aus dem Leib kotzte?
Meine liebste Tätigkeit wurde mir durch Übelkeit weggenommen, einfach so. Wie ein schlechter Traum kam mir das Ganze gerade vor. Oder ein sehr schrecklicher Film. «Du musst diesen Zettel unterschreiben. Hier», sagte meine Mutter, drückte mir sogleich ein Blatt Papier unter die Nase und löste somit den nächsten Brechschwall aus.
Sie ignorierte es und streckte es weiterhin wütend vor mein Gesicht, als ich wieder aufsah. Ich hielt die Luft an, um die Übelkeit etwas zu lindern, zu meinem Glück mit Erfolg. Schlotternd stand ich auf, starrte auf die Badezimmertür, ignorierte meine Mom und lief nach draussen, an die frische Morgenluft.
Ich hatte nackte Füsse und war in meinem Pyjama. So ging ich auf die Strasse. Irgendetwas trieb mich immer weiter. Erst spazierte ich, dann ging ich immer schneller – versuchte, vor irgendetwas wegzulaufen.
Ich rannte und rannte, bis ich schliesslich inmitten eines Waldes zusammenbrach. Meine Brust hob und senkte sich schnell, mein Atem ging flach und ich lag mit dem Rücken zum Waldboden da, starrte in die Baumkronen und den dunkelblauen Morgenhimmel, mit dem noch immer sichtbaren Vollmond.
Nach einiger Zeit hatte sich meine Atmung etwas stabilisiert und ich schloss die Augen. In meinen Träumen wurde ich von Menschen mit Waffen, Motorsägen, Messern und Äxten verfolgt. Ich rannte vor ihnen weg und irgendwann war ich in einem Wald gelandet. Verwirrt blieb ich stehen und schaute mich um.
Ich war vollkommen allein. Keine Menschenseele war da. Ich drehte mich um meine eigene Achse und sprintete weiter. Dieses Etwas lag mir im Nacken und gab nicht auf, jedem meiner Schritte nachzuhetzen. Aber ich konnte mich nicht davor retten. Es war, als ob ich vor mir selbst wegrennen würde – ein niemals endender Wahn aus Angst, in dem man nur den Platz des Verlierers einnehmen konnte. Schliesslich blieb ich abrupt stehen und blickte dem Etwas in die Augen.
Mit einem keuchenden Atemzug erwache ich. Ich ringe nach Luft und setze mich hilfesuchend und ängstlich auf. Mein Untergrund hat sich verändert, er ist weich. Alles ist total in Weiss, in dem Raum, in welchem ich mich befinde. Es riecht ätzend nach Desinfektions- und Putzmittel.
Die Tür wird schwungvoll geöffnet und zwei Ärzte stürmen zu mir, quasseln ununterbrochen über etwas.
«Wo bin ich?», bringe ich mit vor Angst geweiteten Augen hervor und raufe mir meine schulterlangen, haselnussbraunen Haare. Einer der beiden mustert mich und antwortet dann: «In einem Krankenhaus logischerweise. Wo denn sonst?!» Ich verstehe nicht und schaue ihn entgeistert an.
«Warum bin ich hier?», sage ich und schaue an mir herunter. Ich bin weiss gekleidet wie meine Umgebung und alles andere in diesem Raum. «Ein alter Herr hat Sie im Wald entdeckt. Sie lagen in Ihrem Pyjama am Boden und starrten ohne jegliche Lebensanzeichen in den Himmel», gibt derselbe Typ von sich, während er mit seinen eiskalten blauen Augen in meine giftgrünen starrt und dabei nicht einmal blinzelt.
Es war alles real. Es stimmte alles. Ich hatte zuvor nicht geträumt. Der ganze Wahnsinn mit dem Buch war wirklich passiert.
Erschrocken schaue ich die beiden an und blicke dann auf die Spritze auf dem Tischchen neben mir. «Ich hole Ihre Mutter.» Damit macht sich der eine Arzt aus dem Staub und als der Alarm beim zweiten Arzt losgeht, verschwindet auch dieser, um einem Patienten zu helfen.
Ich ergreife die Chance. Denn ohne meine Leidenschaft hat mein Leben keinen Sinn mehr. All' die Bücher haben mich geformt. Haben mir gezeigt, wer ich bin und mich zu dem Menschen gemacht, den ich auch gerne als Freund hätte: Ein selbstbewusstes, eigensinniges und verrücktes Mädchen, das jedem und allem hilft, dass Hilfe benötigt.
Ich möchte nicht das Wichtigste in meinem Leben verlieren.
Mit Tränen in den Augen greife ich nach der Spritze. Dann ziehe ich sie auf und lasse sie mit Luft vollströmen. Ich steche sie in meinen Oberarm und presse den Inhalt in meinen Blutkreislauf.
Gleich danach ist es ganz Schwarz und ich habe das Gefühl, das man hat, wenn man im freien Fall ist. Danach ist alles still.
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