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-1- Von Gräbern und Festungen I

Auf den Tag genau zwei Jahre war es her, trotzdem dachte ich noch jeden Tag an sie. Oft verfolgte es mich bis in meine Träume.

Vor zwei Jahren hatte sich meine Schwester wegen Depressionen umgebracht. Und ich war in ein Loch gefallen, und hockte noch immer darin. Vorher hatten wir uns auseinandergelebt, doch ich wusste nicht, warum.

Sie war fünf Jahre älter gewesen, und zu diesem Zeitpunkt schon seit vier Jahren ausgezogen. Deswegen hatten wir uns nur noch selten gesehen. Nach dem Streit, der kurz darauf gefolgt war, hatten wir keinen Kontakt mehr zueinander aufbauen können. Vielleicht war das das Schlimmste an allem. Was würde ich im Nachhinein nicht alles geben, um sie noch einmal zu sehen!

Doch es war falsch. Ich hatte versucht, wieder Kontakt mit ihr aufzunehmen. Es war vergebens. Im Nachhinein hasste ich mich dafür, nicht nochmal versucht zu haben, auf sie zuzugehen. Jetzt war es zu spät.

Immer wieder stellte ich mir die Frage, ob das ein Auslöser gewesen war. Der letzte Tropfen. Aber immerhin war der Streit ein Jahr vor Olivias Selbstmord gewesen, also nicht der letzte Auslöser. Trotzdem, irgendwo in ihr hatte der Schmerz gesessen und auch wenn es nicht der finale Auslöser gewesen war, hatte es bestimmt einen Teil dazu beigetragen. Ohne diesen Tropfen wäre das Fass nicht übergelaufen.

Meine Familie hasste mich dafür. Das war zumindest mein Gefühl. Und ich hasste meine Familie dafür. Weil sie mir die alleinige Schuld gaben und anfangs hatte ich es ihnen geglaubt. Mein Bruder gab unseren Eltern, wie immer, recht. Dabei war er alt genug, um in der Lage zu sein, eigenständig zu denken und nicht zu allem, was Ältere vorgaben, ja und amen zu sagen. Unser Verhältnis hatte sich ins Negative verändert. Als ob nicht alles schon schlimm genug gewesen wäre. Es hatte die Familie noch weiter zerrüttet.

Nun stand ich vor Olivias Grab.

„Es tut mir leid. Aber ich habe es versucht, erinnerst du dich? Ich habe ein Vierteljahr nach unserem Streit versucht, mit dir wieder in Kontakt zu treten, aber du hast mich einfach abgewiesen! Ich habe vor deiner Tür gestanden und gefragt, ob wir reden können, und du hast mir die Tür vor der Nase zugeknallt." Das letzte Mal, dass wir uns sahen. Das anfängliche Flüstern war zu einem Schreien geworden und Tränen liefen über meine Wangen.

Ich senkte meine Stimme wieder zu einem Flüstern, denn ich spürte die Blicke der anderen Friedhofsbesucher.

„Es tut mir leid! Aber warum hast du dir denn keine Hilfe gesucht? Warum?" Der Moment war gekommen, ich zerbrach mal wieder. Stehen konnte ich nicht mehr, denn meine Knie wurden weich. Schließlich gaben sie nach und ich fiel mehr neben das Grab, als das ich mich setzte. Der Kies knirschte dabei viel zu laut. Und doch war es leise, weit entfernt.

So blieb ich einfach sitzen und ließ meinen Gefühlen - Wut, Verzweiflung, Trauer gepaart mit Selbstvorwürfen - freien Lauf.

Irgendwann kamen keine Tränen mehr. Es ging mir besser, wie jedes Mal, wenn ich einfach alles rausließ. Doch natürlich würde dieses Gefühl nicht lange andauern. Es dauerte zwar mit jedem Mal ein wenig länger, bis die Trauer mich wieder überwältigte, aber es würde noch lange Zeit dauern, bis sie ganz verschwunden wäre. Falls sie das jemals täte.

Noch ein letztes Mal atmete ich zitternd ein und aus. Dann stand ich wieder auf und ging langsam den Weg zum Tor entlang. Die kleinen Kieselsteine knirschten unter meinen Füßen. Meine Hose war staubig geworden, doch es kümmerte mich nicht im Geringsten.

Warum sollte es das? Hier gab es so viele Menschen, die gestorben waren. Und hinter jedem dieser Menschen stand eine Familie, oder zumindest andere Menschen, die um sie trauerten. So gesehen war das Leben schon traurig: Nichts war garantiert, außer der Tod und jeder Mensch auf dieser Welt saß einfach nur im Wartezimmer, und wartete, bis er an der Reihe war. Gott sei Dank, war dieses Wartezimmer für die meisten Menschen eine fröhliche Angelegenheit.

Mein Blick glitt über den Friedhof. In der Ecke mit den Kindergräbern stand ein Pärchen, das sich gegenseitig im Arm hielt. Das Grab vor ihnen war noch frisch. Ein Holzkreuz und kein Grabstein markierten den Punkt. Davor lagen Kränze.

Nun, vielleicht war das Leben der anderen auch nicht so bunt, nicht so fröhlich.

An der Straße wartete schon der Wagen meiner besten Freundin. Natürlich wusste Lina, wo sie mich finden würde, als ich nicht zuhause war. Wir kannten uns schon seit dem Kindergarten, wussten, zumindest fast, alles über den jeweils anderen und hatten so manche Krise gemeinsam bewältigt.

Meine restlichen Freundschaften waren mit der Zeit im Sande verlaufen. Die meisten Freunde, mit denen ich bis zu Olivias Tod befreundet war, hatten sich zu dieser Zeit von mir abgewandt. Ich hätte mich verändert. Nein, von der Hand zu weisen war das nicht. Aber wer würde dieselbe Person bleiben, nach so einem Verlust?

Mit den beiden, die übrigblieben, wollte ich ebenfalls nichts mehr zu tun haben. Denn sie erinnerten mich an eine Zeit, in der noch alles gut war. Denn ich wollte nie wieder einen Menschen, der mich so gut kannte, auf diese Weise verlieren. Aber eine ließ sich nicht abschütteln, was ich auch versuchte.

Also war eine Person übriggeblieben, die mir nicht die Schuld an allem gab. Die mir Halt bot, wenn ich mal wieder Gefahr lief, den Abgrund hinunterzustürzen. Nein, verhindern konnte sie es meistens auch nicht. Aber sie konnte den Sturz mildern.

Nur eine... Und dann kamen die anderen zwei. Dennoch war unsere Beziehung nicht so ausgeprägt, wie die zu Lina.

Ich musste mir eingestehen, dass ich manchmal gerne anders gewesen wäre, offener. Noch nie hatte ich Freunde gehabt, da ich aus Sicht der anderen wohl schon immer etwas Komisches an mir gehabt hatte. Doch seitdem hatte ich eine Mauer um mich errichtet, und niemand konnte sie mehr überwinden. Doch da ich Lina schon vorher kannte, war sie mit eingemauert worden.

Ich stieg erst ein, nachdem ich mir die Hose notdürftig abgestaubt, die letzten Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte. Das Auto sollte nicht dreckig werden, denn billig war es nicht gewesen.

Ich musste nichts sagen, und dafür war ich meiner Freundin dankbar. Auch die Fahrt verlief schweigend. Lina wusste, dass es jetzt am besten war, wenn sie still war. Damit ich meine Gedanken erst einmal sortieren konnte. Es lief auch keine Musik. Lediglich das leise Brummen des Motors war zu hören, während die Landschaft an uns vorbeizog. Und ich konnte nicht steuern, wohin es ging.

Als meine Freundin auf den Parkplatz fuhr, fühlte ich mich bereit für ein verspätetes: „Hi."

„Hey Sarah", kam die Antwort. Wenn sie es aussprach, klang es so unbeschwert, so leicht. „Bereit für einen neuen Tag in der Festung?"

Die Festung war das Gebäude der Schule, in dem die Oberstufenschüler untergebracht waren. Warum es den Namen Festung bekam, wusste keiner mehr so richtig, aber es wurde bereits seit langem von Jahrgang zu Jahrgang weitergegeben.

„Ja", seufzte ich leicht genervt. „So bereit wie man es sein kann. Aber es ist ja Gott sei Dank ein Ende in Sicht."

Es war Freitag. Übernächste Woche würden die Abiturprüfungen stattfinden.

„Na dann: Lass uns den Kampf aufnehmen!" Lina ging auf den Eingang zu und ich folgte ihr.

Auf dem Schulhof lief das übliche Gedränge ab. Alle Schüler von der der fünften bis zur dreizehnten Klasse kamen hierher. Die Geräuschkulisse hier hatte ich anfangs mit der eines Freibades verglichen. Und es klang immer noch genauso.

Wir gingen auf die Festung zu. Dabei mussten wir uns an vielen Kindern vorbeidrängen, die teilweise über den Schulhof rannten, teilweise in Grüppchen standen und sich unterhielten. Oder über ihr Handy gebeugt dastanden. Ich fand das grauenhaft. Die vergiftete Jugend, die ihre kostbare Lebenszeit an sich vorüberziehen ließ. Für nichts als, meist nutzlose, Bildschirmzeit. Eines Tages würde die Menschheit daran zugrunde gehen, davon war ich überzeugt.

Als wir in das Gebäude traten, war es fast wie in einer anderen Welt: Still und kaum Gedränge.

„Hey Lina", kam eine Stimme von links. Kurz darauf sah ich auch den Körper zu der Stimme: groß, mit braunen Haaren, durchtrainiert. Kurz: gutaussehend. Das war Henry, Linas Freund.

„Heey!" Während sie sich küssten, wandte ich den Blick ab. Nicht weil ich es ihr nicht gönnte, aber manchmal kam das Gefühl auf, welches man wohl als Eifersucht bezeichnete. Nicht, weil ich auf Henry stand, sondern einfach, weil Lina jemanden hatte, der zu ihr stand. Immer. Und auch, wenn Lina das auch tat, war es doch nicht vergleichbar.

Dieses Gefühl kam auch in mir auf, wenn ich genauer darüber nachdachte, wie viele Freundinnen Lina hatte. Aber ich hatte mich selbst dazu entschieden, so sah mein Leben nun aus. Es funktionierte die meiste Zeit.

Sie waren ein schönes Paar, dachte ich immer wieder. Seit eineinhalb Jahren zusammen und alles schien gut zu laufen.

Da klopfte der Gedanke an das Schicksal an. Wenn das mit Olivia nicht passiert wäre, hätte ich nicht die elfte Klasse wiederholt. Lina hätte nicht aus Solidarität dasselbe getan, sie wären nie in einer Klasse mit Henry und Ben gelandet. Ab da hatte sich zwischen uns eine gute Freundschaft entwickelt. Eigentlich hatte Henry Lina angesprochen und so kam eins zum anderen. Da ich Linas beste Freundin und Ben Henrys bester Freund war, ließ es sich nicht vermeiden, dass wir alle uns kennenlernten. Nach einem halben Jahr kamen Lina und Henry zusammen. Also hatte das Ganze doch wenigstens etwas Gutes gehabt. Doch selbst die beiden ließ ich nicht hinter meine Fassade blicken. Nicht richtig.

„Wisst ihr schon das Neueste?", fragte Henry, während wir in Richtung Klassenraum gingen.

„Die Prüfungen fallen aus?", fragte Lina halb im Scherz.

„Dort, wo die Prüfungen gelagert werden, ist ein Feuer ausgebrochen und nun gibt es keine mehr?", nahm ich den Gedanken meiner Freundin weiter auf.

„Nö. Beides falsch. Aber scheinbar kommt für diese letzte Woche tatsächlich ein neuer Schüler in die Klasse. Ben hat erzählt, der wäre von zu Hause ausgezogen und wollte an seinem neuen Wohnort sein Abi schreiben... Seltsame Entscheidung."

Ben, der schon vor dem Klassenraum stand, und den letzten Satz der Unterhaltung mitbekommen hatte, nickte. „Ich meine, komm schon. Das ist doch total schwachsinnig. Er hätte doch warten können, bis er seine Prüfungen geschafft hat und dann umziehen. Nicht umgekehrt." Er war das genaue Gegenteil seines besten Kumpels: klein und garantiert nicht das, was man dünn nannte. Richtig dick war er aber auch nicht. Es ergab sich ein lustiges Bild, wenn sie nebeneinanderstanden. Aber er war einer der nettesten Menschen, die ich kannte.

„Oder er denkt, dass er es nicht schafft, dann kennt er schonmal die Schule ein bisschen, bevor es nächstes Jahr für ihn weitergeht. Entschuldigung, Sarah!"

„Schon okay! Ich hab' immerhin freiwillig wiederholt, das ist ein Unterschied. Bei mir lag es ja nicht an den Noten, sondern...an den äußeren Umständen..." Bei den letzten Worten schweifte mein Blick an einen Ort, den nur ich sehen konnte. Zu einer Zeit, als meine Schwester noch lebte und zwischen uns alles in Ordnung war. Der letzte gute Tag, den wir miteinander verbracht hatten ... Aber jetzt nicht daran denken! Trotz allem entging mir der Blick von Ben nicht. Ein Blick, den er mir in letzter Zeit öfter zuwarf.

„Hey, das ist jetzt zwar ein komplett anderes Thema, aber wie siehts aus, treffen wir uns später? Wir könnten mal wieder klettern gehen", schlug Lina vor. Sie wusste einfach, wie ich wieder im Hier und Jetzt ankommen konnte. Früher waren wir oft klettern gegangen, aber in letzter Zeit war das gemeinsame Hobby wirklich zu kurz gekommen. Doch es war immer unsere alleinige Sache gewesen.

„Ich weiß ja nicht... Eigentlich wollte ich noch lernen. Schließlich haben wir nicht mehr sooo lang' Zeit bis zu den Prüfungen..." Das war typisch Ben. Wenn eine Prüfung oder ein Test anstand, würde er sich am liebsten schon Wochen vorher zuhause verschanzen, um zu lernen.

Ich zögerte nicht, diese Gelegenheit der Ablenkung wahrzunehmen. Zuhause würde ich schließlich nur noch tiefer fallen. Danach brauchten wir bei Ben nicht mehr viel Überzeugungskraft.

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