12. Kapitel
Flashback
Drew: 9:00 im Büro.
Na super. Das ist in einer Stunde. Ich rapple auf und steige aus dem Bett, um unter die Dusche zu gehen. Wir sind seit vier Tagen wieder Zuhause und seitdem habe ich es geschafft, so gut wie nicht auf mein Handy zu schauen. Durch einen kühlen Luftzug merke ich, dass Harry zu mir unter die Dusche gekommen ist. Ich schließe die Augen und spüre seine Brust an meinem Rücken. „Du hast mich nicht geweckt." – „Mhm... Drew hat mir gerade zu schrieben." – „Musst du ins Büro?" – „Heute ist Stichtag." – „Wusstest du es?" Ich schüttle den Kopf. „Nein, er hat mir vorhin geschrieben." Harry greift nach dem Shampoo und schäumt mir die Haare ein. Ich seufze leise und lasse ihn machen. Er massiert meine Kopfhaut geduldig. „Soll ich mitkommen?" – „Wie geht es dir?" Harry nimmt sich das Duschgel. „Ich fahre nicht mit ins Büro, um zu arbeiten. Ich werde mein Büro nicht betreten, okay?" – „Versprochen?" – „Versprochen", antwortet er mir und legt seine Hände an meine Hüften, um mich sanft umzudrehen. „Küss mich."
„Meinst du, ich sollte meine Sachen mitbringen?" – „Deine Trainingsklamotten und deine Trikots?" – „Und alles andere", nicke ich. Mein Freund schüttelt sofort den Kopf. „Auf gar keinen Fall!" – „Wir wissen beide, was gleich passieren wird", erinnere ich ihn. „Das hier ist mein Weg zum Galgen meiner Karriere." – „Sehr optimistisch." Harry verdreht die Augen und trinkt einen Schluck Kaffee. „Es ist die Wahrheit, Harry." Er schweigt. „Du weißt, dass ich es nicht bereue, oder?" – „Du hast deine Karriere aufgegeben, weil ein Vollidiot mich mit dem Puck getroffen hat", antwortet er und dreht die Tasse in seinen Händen. „Das ist nicht fair." – „Es war das einzige, was ich hätte tun können. Du bist einfach in dich zusammengesackt, wie hätte ich anders handeln sollen?" Er antwortet nicht.
„Es wäre schön, wenn du mitkommst", meine ich dann, als wir den Tisch abdecken. „Wenn es dir gut geht." – „Das schaffe ich schon", versichert er mir und küsst mich. Wir ziehen uns an und ich hole das Auto aus der Garage. Es ist seltsam dorthin zu fahren und zu wissen, dass es wohl das letzte Mal sein wird. Harry legt eine Hand auf meinen Oberschenkel und drückt ihn leicht. Mein Herz hüpft.
Bevor ich durch die große Eingangstür ins Foyer trete, atme ich tief ein und wieder aus. Meine Sachen von Lightning habe ich noch nicht dabei und ich frage mich, ob es dumm war, sie nicht mitzunehmen. Harry schiebt seine Finger zwischen meine. „Komm, es ist neun Uhr." Wir betreten das Foyer und so seltsam es sich anfühlt in dieser Umgebung offen mit Harry an der Hand sichtbar zu sein, die Erleichterung und das Gefühl der Freiheit überwiegt fast augenblicklich. Im Aufzug zupft der PR-Manager hier und da an meinen Haaren, küsst ich und nimmt dann erneut meine Hand. Wir gehen geradewegs auf Mr. Johnsons Büro zu.
„Hallo ihr Beiden. Falsche Richtung", werden wir von Drew begrüßt, der gerade aus dessen Tür kommt. „Wir gehen ins große Konferenzzimmer." Na super. Es liegt auf der anderen Seite des Ganges. „Sekunde", bittet Harry und verwundert sieht Drew ihn an. „Wieso, was ist los?", frage ich sofort. Harry legt seine Hände an meine Wangen und blickt mich einen kurzen Moment an. „Ich liebe dich. Und du kannst das. Lass dich bitte nicht unterbuttern von diesen Leuten, okay?" Mein Herz schmilzt dahin und ich lege meine Hände auf seine, ehe ich nicke. Sanft küsst er mich. Eine Gänsehaut zieht sich über meinen Körper und mein Herz flattert, als er sanft seine Lippen zu meinen bewegt und mir auf diese Art und Weise seine Liebe und seine Unterstützung zeigt. Herr Gott, wenn er mich so küsst, verliere ich jedes Mal die Kontrolle über meine Gedanken. Eine rosa-rote Wolke hüllt mich ein und beschützt mich diese wenigen Sekunden vor allem, was um uns herum geschieht.
Drew räuspert sich. „Ihr seid zwar wirklich süß zusammen, aber wir sollen dann doch reingehen." Ich atme tief durch und nicke. Der Co-Trainer geht vor und als er die Tür öffnet, sitzt der gesamte Vorstand bereits an dem ovalen Tisch. Harry möchte seine Hand aus meiner ziehen, aber ich halte sie fest im Griff. Ich brauche ihn jetzt. Kaum vorzustellen, wie es wäre, wenn ich tatsächlich alleine hier stehen würde.
„Mr. Tomlinson, kommen Sie rein", bittet Mr Johnson und steht auf. Ich betrete den Raum und Drew zieht einen weiteren Stuhl für Harry heran. Wir setzen und uns ich sehe durch die Runde. Der ganze Vorstand wurde wohl mit astreinen Pokerfacen ausgestattet. Drew reicht Mr. Johnson eine Mappe, die er aufschlägt und auf den Tisch legt. „So. Jeder hier weiß, worum es geht, richtig?", fragt er laut. Niemand verneint.
„Vorab, Mr. Styles, wie geht es Ihnen?", fragt der Vorsitzende des Vorstandes weiter. Mein Freund strafft die Schultern. „Es wird besser. Von der Gehirnerschütterung merke ich nicht mehr allzu viel, aber der Bruch – naja, Sie sehen ja, wie ich aussehe." – „Also keine Komplikationen?" – „Nein." – „Das freut mich zu hören. Wir haben kurzfristig geschafft, dass ihr Vorgänger für die nächsten Wochen für Sie einspringt, aber natürlich hoffen wir alle, dass sie bald wieder auf den Beinen sind." Harry sieht ihn überrascht an. „Mitch – Mr Rowland ist hier?" – „Noch nicht, aktuell arbeitet er von New York aus, aber er wird wohl Mitte nächster Woche in Tampa eintreffen. Wir brauchten jemanden, der Lightning bereits kennt, das Video hat ziemliche Wellen geschlagen, sie haben es sicher gesehen." – „Um ehrlich zu sein, nein", antwortet er und ich würde am liebsten einschreiten und sagen, dass es einen Grund hat, weswegen Harry es noch nicht angeschaut hat.
„Nicht?" Drew sieht ihn überrascht an. „Dann sollte er es wohl besser sehen", wirft Coach Warren ein und schaltet den großen Fernseher hinter sich ein. „Sonst weiß er schließlich nicht, worum es hier gleich gehen wird", erklärt er. Natürlich weiß er, worum es hier geht! Auch ohne das Video zu sehen! Nur wenige Sekunden später erscheint das Video, eins von vielen Handyvideos, auf dem großen Bildschirm. Harrys Augen sind wie erstarrt, als er die Geschehnisse sieht. Ich greife seine Hand und drücke sie leicht. Der Zuschauer, der es gefilmt hat, stand direkt hinter der Scheibe, die die Tribüne von der Box abschirmt. Man hört meine Schreie, wie ich immer wieder laut Nein! rufe, als man mich wegziehen möchte. Harry spannt sich neben mir an und ich sehe vor mir auf das Mahagoni des großen Tisches.
„Können wir dann weitermachen?", bitte ich mit trockenem Tonfall, als das Video endet. „Also Mr Tomlinson: Sie und Mr Styles führen eine romantische Beziehung." – „Offensichtlich", entgegne ich. Was eine dämliche Frage. „Wie lange ist das bereits so?", möchte Coach Warren wissen. „Wieso ist das wichtig?" – „Hat es Mr Styles zu seinem Job verholfen?" Irritiert sehe ich ihn an. „Was? Nein! Wir kannten uns nicht, als er hier angefangen hat, wir... wir sind uns Anfang der Saison näher gekommen, aber ein Paar sind wir erst seit Mitte November", beantworte ich seine Frage dann doch. Es ist unnötig, diesem Fragenhagel noch auszuweichen.
„Verdammt, so lange schon?", fragt Coach Warren perplex. „Immerhin sind sie verlobt", erinnert Drew ihn lediglich. „Verlobt", wiederholt Warren leise und schüttelt den Kopf. „Das gibt es doch nicht." Der Vorstand bleibt ruhig, das sind keine neuen Informationen für sie. „Wie hat das Team reagiert?", möchte dann jemand wissen. Warren schnaubt. „Wie wohl? Tomlinson hat jahrelang verheimlicht, dass er ein Homosexueller ist." Er spricht es als, als wäre es eine Krankheit, vor der man sich ekeln müsste. Die Pest oder so etwas. „Wie soll ein Team trainierter Spitzensportler reagieren, wenn offenbart wird, dass einer von ihnen seit Jahren Männern hinterher gafft. Ganz zu schweigen davon, das Tomlinson seither mit dem Team zusammen geduscht hat", merkt er an und verzieht den Mund. Harry räuspert sich leise, sagt aber nichts dazu.
Ich verdrehe die Augen. „Möchten Sie etwas dazu sagen, Mr Tomlinson?" – „Was soll ich dazu sagen? Es ist doch egal, wenn ich jetzt sage, dass ich, nur weil ich schwul bin, keinem aus dem Team hinterhergeschaut habe und gehofft habe, dass einem von ihnen beim Duschen die Seife herunterfällt. Was zählt das noch? Fuck, meinen Sie wirklich, die Jungs würden mich freudestrahlend zurück im Team haben wollen? Jeder hier weiß es und niemand braucht so zu tun, als wäre es eine neue Information für mich. Mir ist seit zehn Jahren klar, dass ich auf Männer stehe und schon immer war die Ausdrucksweise von Sportlern meistens nicht wirklich homo-freundlich. Ich kenne es gar nicht anders. Denken Sie wirklich, es überrascht mich, was mein Outing für Konsequenzen hat? Mir ist durchaus klar, warum es noch nie einen schwulen und geouteten NHL-Spieler gab." – „Was soll das bedeuten?", fragt Warren aufgebracht.
„Scheiße, ich bin seit fast drei Jahren NHL-Spieler und niemand hat es bemerkt. Meinen Sie wirklich, ich bin der einzige? Und was ist mit Football? Oder Fußball? Glauben Sie allen Ernstes, kein einziger der Sportler könnte auf Männer stehen. Ist das nicht etwas unwahrscheinlich?" Ein Raunen geht durch den Vorstand und ich lehne mich wieder zurück. „Das ist so ein Bullshit hier. Wenn Harry weiblich wäre, würde es dieses Meeting nicht geben, das wissen Sie und das weiß ich. Aber er ist nicht weiblich und nun weiß die ganze Welt, dass ein Spieler von Tampa Bay Lightning mit einem Mann liiert ist. Was wollen Sie unternehmen? Wir können weiterhin so tun, als müsste der Vorstand die Entscheidung erst noch treffen, oder wir sind ehrlich und Sie sprechen aus, was sie bereits lange bevor wir hier angekommen sind, beschlossen haben."
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Überraschung, Louis bleibt im Team. Gut, das wusstet ihr ja schon, aber was haltet ihr von dem Meeting und Louis' Aussagen? :)
Love, L
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