➳ Feather One: Ein ganzer Winter
Immer wenn ich dich sehe, denke ich, dass mein Herz etwas schneller schlägt.
Doch wie ist das möglich?
Denn gleichzeitig weiß ich auch, dass ich Abschied nehmen muss, wenn ich dich sehe.
Immer wieder.
Und immer wieder von neuem denke ich daran.
Doch wie soll ich von dir Abschied nehmen?
Von deinem Gesicht?
Von deinem Lachen?
Von deinen grünen Augen?
Weißt du noch, was du damals über unsere Augen gesagt hast?
Du bist der Wald und ich die raue See.
Ich weiß noch ganz genau, wie du mir einmal in die Augen gesehen und gemeint hast, dass du in ihnen ertrinken willst, wenn du schon sterben müsstest.
Ja, das sind wir.
Du bist der Wald, der mir die Bodenständigkeit schenkt und ich die raue See, die dich mit silbrig blauen Wellen ins Abenteuer lockt.
Ich soll Abschied nehmen...
Von deinem Grübchen.
Von deiner Stimme.
Von dir.
Doch immer wenn ich dich wieder sehe, schaffe ich es nicht. Ich muss an unsere gemeinsame Zeit denken.
Wie wir lachend eine Schneeballschlacht gemacht haben.
Wie wir Hand in Hand Schlittschuh gelaufen sind.
Und wie wir uns mit einem heißen Kakao und Popcorn Weihnachtsfilme angeschaut haben.
Mehr als diesen Winter gibt es nicht.
Ein paar Begegnungen in den Fluren vielleicht, aber bevor wir, wie in einem dieser Filme, die du so sehr hasst, zusammen gestoßen sind, waren wir Luft für einander.
Unsichtbar.
Haben vielleicht manchmal gemerkt, dass wir aneinander vorbeigelaufen sind.
Aber mehr nicht.
Doch trotzdem brauchen wir uns gegenseitig zum Atmen.
Seit diesem Tag und wahrscheinlich auch schon vorher.
Nur haben wir das nie bemerkt.
Warum eigentlich nicht?
Warum waren wir nie in den gleichen Kursen?
Warum hatten wir nicht mehr Zeit?
Denn nun stehe ich hier und sehe dich an.
Ich weiße genau, dass ich Abschied nehmen muss.
Für uns beide wäre es besser.
Doch ich sehe wieder in diese unglaublich grünen Augen, die mir immer wieder aufs Neue meinen Verstand rauben.
Und dann kann ich es nicht mehr.
Ich kann keinen Abschied nehmen.
Kann dich nicht verlassen.
Ich bin egoistisch genug, mich an dich zu klammern, obwohl unser Schicksal will, dass wir für immer getrennt sein sollen.
Getrennt zwischen dieser riesigen Kluft, die man nur einmal überwinden kann und dann nie mehr.
Und ich habe es getan.
Doch nun wünsche ich mir, ich hätte es nicht. Denn ich habe nicht gewusst, dass ich noch so etwas wie Schmerz empfinden kann.
Schmerz und Sehnsucht wenn ich dich sehe.
Wenn ich in deine großen grünen Augen blicke, weiß ich, dass ich ausgetrickst worden bin.
Vom Schicksal.
Vom Leben.
Vom Tod.
Und ich sehe unsere Momente.
Unsere kurze Zeit, die wie in einem Film an mir vorbeirauscht.
Von unserer ersten Begegnung bis hin zu unserer Letzten...
„Zoé!" Meine beste Freundin rief mich von etwas weiter entfernt. Ich konnte sehen, wie sie ungeduldig vor der Bank stand. Der Literaturkurs würde gleich anfangen, deswegen schnappte ich mir schnell meine Tasche und drehte mich schwungvoll um.
Nur um im nächsten Moment gegen eine harte Brust zu knallen und dann Bekanntschaft mit dem Boden zu machen.
„Oh, tut mir Leid. Ich wollte dich nicht umrennen."
Deine Hand streckte sich zu meiner aus und vorsichtig griff ich nach ihr.
Dann ließ ich meinen Blick von unseren Händen, deinen Arm bis hin zu deinen Augen wandern.
Und als ich das erste Mal in deine grünen Augen sah, wusste ich, dass ich nie mehr ohne dich leben könnte.
Ich beobachte dich, während du in unserer alten Küche sitzt. Ich rede mir ein, dass ich dich nicht alleine lassen kann.
Dich nicht verlassen darf.
Immerhin habe ich es dir ja versprochen...
Doch in meinem Inneren weiß ich ganz genau, dass ich einfach nur egoistisch bin.
Zu egoistisch um von dir loszulassen.
Aber das bin ich schon immer.
Ich bin der Egoismus und du bist die Nächstenliebe.
„Ich freue mich, dass du mit mir Schlittschuhfahren gehst, Derek." Das habe ich zu dir gesagt, als ich mir grinsend die Schlittschuhe angezogen habe. „Mir bleibt ja auch nichts anderes übrig, Zoé." Du hast angefangen zu lachen. Dein perfektes Lachen hast du nur mir geschenkt. „Ich weiß, ich bin leider ohne Grenzen egoistisch." Habe ich daraufhin gemeint. Meine Wangen haben dabei aber einen roten Ton angenommen.
An diesem Abend sind wir die ganze Zeit Schlittschuh gefahren. Und das auf der kleinen Eisfläche mitten auf dem überfüllten Weihnachtsmarkt.
Es hat geschneit, weißt du noch?
Weiß und Kalt sind die Schneeflocken auf uns nieder gerieselt und haben alles in eine weiße Hülle eingehüllt.
Sie haben die Lichter magischer und die Menschen glücklicher wirken gelassen.
Und oh ja, dieser Moment war magisch gewesen.
Hand in Hand habe ich uns den Weg auf der Schlittschuhbahn freigekämpft, während du dich bei jedem entschuldigst hast, dem wir ausversehen den Weg abgeschnitten haben.
Denn ich bin der Egoismus und du die Nächstenliebe.
Und doch sitze ich nun hier auf der Arbeitsfläche in unserer alten Küche. Und ich weiß nicht für wie lange schon. Denn der Winter ist schon vergangen.
Wenn man aus dem Fenster sieht, kann man die Sonne zaghaft strahlen sehen und auch die Natur lebt so langsam wieder auf.
Doch dies interessiert mich momentan nicht.
Mich interessiert nur dich und deine grünen Augen, die du gerade vor mir verschlossen hältst.
Du hast geweint.
Ich kann es an den vielen Tränenspuren erkennen.
Und immer noch rede ich mir ein, dass du wegen einer schlecht ausgefallenden Prüfung weinst. Denn mein Herz, das gerade erst wieder angefangen hat für dich zuschlagen, kann all diesen weiteren Schmerz nicht aushalten.
Ich springe von der Arbeitsfläche und knie mich vor dich hin.
Ich will deinen Namen sagen, dich berühren, dir ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Ich will dir sagen, dass ich dich nicht alleine lassen würde.
Niemals.
Doch all dies kann ich nicht sagen oder tun.
Und auch meine Hand auf deiner kannst du nicht spüren, oder?
Du rührst dich nicht, weinst nur still in dich hinein.
Auch deine Haare, die sonst immer perfekt gekämmt sind, fallen dir nun in die Stirn.
Und ich verlor mich ein weiteres Mal in unsere Erinnerungen.
„Willst du dir nicht mal deine Haare schneiden?"
„Nein, ich schneide sie mir erst ab, wenn du sie dir auch kurz schneidest."
Bei deinen Worten habe ich empört nach Luft geschnappt und nach meinen Locken gegriffen, immerhin musste ich sie vor dir beschützen.
„Das war ein Scherz. Und nun komm, sonst fängt es gleich wieder an zu schneien." Dann hast du gelacht und ich habe es nicht verhindern können zu grinsen.
„Wirklich, ein Scherz? Dann ist das hier auch einer!"
Ich habe es ja zugegeben, dass ich diejenige war, die die Schneeballschlacht angefangen hat, doch du warst derjenige, der mich zum Schluss einfach über deine Schultern geworfen und meine Schreie ignoriert hast. Und auch du warst derjenige, der mir dann Schnee in den Nacken gerieben hat.
Doch es war nur am Anfang kalt.
Und ich habe nur am Anfang geschrien.
Denn deine Worte, die du dann gesagt hast, haben mich wie ein Feuer gewärmt und mich all die Kälte vergessen lassen.
Es waren keine anderen drei Worte, als „Ich liebe dich." , die du mir gesagt hast, Derek.
Und dann war es still.
Aber nur so lange, bis ich die einzige richtige Antwort auf deine Worte ausgesprochen habe: „Und Ich liebe dich, Derek."
Und ich kann immer noch nicht Abschied nehmen.
Denn ich bin Zoé, das egoistische Mädchen, das dich nicht loslassen kann.
Aber du kannst mich auch nicht loslassen.
Ich sehe dich, wie du fast jeden Tag mich besuchen kommst und mit mir sprichst.
Du bist immer so aufmerksam und hast mir Blumen mitgebracht.
Meine Lieblingsblumen.
Sonnenblumen.
Und du weinst leise.
Hockst auf dem großen Stein und hast dorthin gestarrt, wo du mich vermutest.
Und du erzählst mir unter Tränen von dem neuen Semester.
Du erzählst, dass ich die Kurse sicherlich gemocht hätte.
Und das meine alte Literaturprofessorin nun schwanger ist.
Du erzählst mir alles über das Campus-Leben und ich höre dir zu.
Auch wenn du aufmerksam bist, bemerkst du nie, wenn ich dir antworte oder dir beruhigend über den Rücken streiche.
Vielleicht denkst du, dass diese leicht spürbare Berührung die Sonnenstrahlen sind, die auf uns fallen.
Denn es ist Sommer und schon seit einem halben Jahr will ich von dir Abschied nehmen.
Aber ich schaffe es nicht.
Wir beide schaffen es nicht uns voneinander loszureißen und den jeweiligen anderen loszulassen.
Ich komme nicht von dir los und du nicht von mir.
Denn auch wenn wir Gegensätze sind, bist du mein Wald und ich deine See.
„Derek, ich bin müde, ich glaube, ich sollte mich langsam auf den Weg zurück ins Wohnheim machen." Ich habe gegähnt und mich auf der Couch ausgestreckt. Du hast geistesgegenwärtig mit meinen Haaren gespielt. „Derek?" Ich weiß noch genau, wie ich zu dir hoch gesehen habe und wieder einmal darüber verwundert war, welche Perfektion du doch warst. Und ich habe es immer noch nicht glauben können, dass wir nun seit zwei Wochen ein Paar waren.
„Hmm?" Hast du gemurmelt aber weiterhin auf den Fernseher gestarrt.
„Ich habe gesagt, dass ich jetzt nach Hause fahren sollte, weil ich müde bin und morgen Kurse habe." Ich habe vor, mich aufzurappeln, aber deine Hand hat dies verhindert.
„Warum ziehst du nicht einfach zu mir?"
„Was?" Mein Lachen hat viel zu hoch geklungen, denn ich war überrascht gewesen.
„Ja, du solltest zu mir in meine Wohnung ziehen. Du magst das Wohnheim doch eh nicht."
Dann hast du endlich zu mir heruntergesehen und mir eines deiner besonderen Lächeln geschenkt.
Dieses, wo man deine Grübchen sehen konnte und sich kleine Fältchen um deine Augen bildeten.
„Findest du es nicht etwas zu früh?" Fragend habe ich Muster auf die schwere Decke gemalt, die uns beide eingehüllt hat.
„Zoé, willst du eine ehrliche Antwort?" Als ich nickend zu dir heraufgesehen habe, hast du diesen speziellen Ausdruck im Gesicht.
Und deine sanfte Stimme verfolgte mich selbst jetzt noch.
„Ob ich es zu früh finde, Zoé? Ja verdammt, ich finde es nicht nur, ich weiß es sogar. Aber du bringst mich dazu, Sachen zu tun, die ich sonst niemals getan hätte. Du bringst mich zum Lachen und nur wenn ich dich ansehe, wird es mir warm ums Herz. Du bist mein Risiko, Zoé. Denn immer wenn ich in deine Augen sehe, sehe ich diese raue See. Und genau diese raue See bringt mich dazu Sachen zu tun, die ich früher niemals gewagt hätte. Und sie bringen mich dazu dich zu lieben, Zoé. Und wenn ich schon irgendwann sterben muss, dann will ich in deinen Augen ertrinken. Es klingt verrückt, oder? Doch es ist die Wahrheit. Du bringst mich dazu zu wollen, dass du hier bei mir wohnst. Bitte bleib zumindest bis morgen, okay?"
Und ich bin geblieben.
Bis zum Morgen.
In das Wohnheim war ich nur noch einmal zurückgekehrt, um meine Sachen zu holen.
Denn dann bin ich bei dir geblieben.
Denn du brauchtest die raue See, so wie ich den ruhigen Wald brauchte.
Mittlerweile ist es Herbst. Ich erkenne es an den fallenden Blättern.
Das tote Laub, das überall herum liegt.
Und du kommst mich nicht mehr so oft besuchen.
Schon seit ein paar Wochen sind deine Besuche immer weniger geworden.
Deswegen folge ich dir dorthin wo du hingehst.
Und nun bin ich hier bei dir in der Bibliothek, sitze neben dir auf der Couch und vermisse deinen Geruch, den ich nun nicht mehr wahrnehmen kann.
Du hast ein Buch aufgeschlagen, aber nicht die erste, sondern die letzte Seite.
So wie immer.
Und ein weiteres Mal wird mir bewusst, dass ich langsam Abschied nehmen muss.
Doch ich kann es immer noch nicht.
Denn ich kann immer noch nicht deine Angewohnheit zuerst das Ende von einem Buch zu lesen, bevor du es anfängst, vergessen.
Und wenn ich mich an diese kleinen Sachen erinnere, warum sollte ich dann jemals von dir loslassen?
Denn du willst es auch nicht, nicht ohne Grund hältst du nämlich mein Lieblingsbuch in deinen Händen.
Sturmhöhe.
Ob du dabei wohl auch an meine Augen denkst?
Ich habe den Weihnachtsbaum geschmückt, den wir heute Morgen kurzfristig gekauft hatten, während ich dich fragte: „Was wollen wir denn heute Abend machen?"
Du hast auf der Couch gelegen, mit einer Tasse heißen Kakao in der Hand und hast grinsend auf den Fernseher gezeigt. „Genau das hier!"
„Rudolph the red nosed reindeer ansehen?" Ich habe meine eine Augenbraue angehoben und überlegt, während ich weiterhin zu dir gesehen habe, ob ich das Lametta auch noch aufhängen sollte.
„Nein, danach kommen noch andere Disney-Weihnachtsfilme." Du hast mit der Fernbedienung herumgewedelt, um deine Worte zu unterstreichen.
„Aber es ist Heiligabend." Habe ich eingeworfen, konnte mir ein Grinsen aber nicht verkneifen.
„Dann ist es doch der perfekte Abend für Weihnachtsfilme! Morgen können wir immer noch etwas mit Aktion machen, wenn du unbedingt wieder Schlittschuhfahren willst. Deal?"
„Deal."
Und so haben wir unser erstes und letztes gemeinsames Weihnachtsfest mit Disney-Weihnachtsfilmen, Kakao, Popcorn und Kuscheldecken verbracht.
Warum kommst du nicht mehr zu mir, Derek?
Ich besitze kein Zeitgefühl mehr, aber die Blumen sind schon längst verwelkt und leichter Frost überzieht die Erde und das Gras.
Immer wenn ich dich suche, finde ich dich nicht und nun warte ich darauf, dass du wieder zu mir kommst.
Und pünktlich zum ersten Schnee kommst du.
Ich setze mich neben dich und warte, dass du wieder über das Semester sprichst.
Doch du bleibst still, sagst nichts, hältst einfach nur das kleine Bündel Blumen fest in der Hand.
Es sind keine Sonnenblumen.
Nein, deren Zeit ist schon vergangen.
Du sprichst nicht, deswegen betrachte ich dich.
Du siehst anders aus.
Zwar trägst du immer noch deinen dunkelblauen Parka, aber deine Haare sind anders.
Kürzer.
Und deine Augen haben einen anderen Ausdruck. Es erinnert mich an den Ausdruck, mit dem du mich damals immer angesehen hast.
Und bevor ich meine Hand nach dir ausstrecken kann, fängst du an zu sprechen.
Du sprichst darüber, dass ich nun ein ganzes Jahr fort bin.
Dass du mich vermisst und immer noch nicht realisieren kannst, dass ich nun für immer fort bin.
Als du dies sagst, will ich dich unterbrechen, dir mitteilen, dass ich immer noch da bin und dich nie verlassen würde.
Doch selbst wenn ich noch sprechen könne, deine nächsten Wörter hätten mich verstummen lassen.
Denn du erzählst mir auch davon, dass du jemanden kennengelernt hast.
Sie heißt Mara und ist neu an der Universität. Ihr habt zusammen Literatur und du hast sie vor ein paar Wochen gefragt, ob ihr zusammen in der Mittagspause etwas essen wollt. Sie hat ja gesagt.
Und du erzählst mir, dass ihr Schlittschuh gefahren seid und euch geküsst habt.
Du sagst mir, dass du glaubst, dass du in sie verliebt wärst.
Und mit diesen Worten brichst du mir mein Herz.
Immer und immer wieder.
Du willst mich zum Heulen bringen, oder?
Du willst, dass ich schreie, oder?
Und dann willst du gehen.
Mich verlassen.
Für sie.
Du willst mich in dieser Welt der Einsamkeit alleine lassen, denn du willst nun für immer von mir Abschied nehmen.
Ein Jahr ist es erst her und schon willst du mich vergessen.
Es kommt mir so vor, als würde meine Seele in tausend Teile zerbrechen, als ich dich weggehen sehe.
Und erneut werde ich mit tausenden kleinen Erinnerungen überflutet.
„Wollen wir einen Kuchen backen?"
„Warum nicht? Solange du hinterher wieder aufräumst, Zoé..."
Hey, warum denn immer ich?"
„Weil du mich liebst und du es besser als ich kannst..."
Ich beobachte dich. Ich sehe wie du lachend nach ihrer Hand greifst, als sie auf der Schlittschuhbahn ausrutscht.
Hast du mich etwa schon vergessen, Derek?
Hast du mich vergessen, oder warum hast du diesem Mädchen unsere Momente geschenkt?
„Was ist dein Lieblingsbuch?"
„Mein Lieblingsbuch?" Habe ich überrascht gefragt.
„Ja, dein Lieblingsbuch. Ich möchte den Titel gerne wissen, dann kann ich ihn irgendwann mal lesen, wenn wir für längere Zeit getrennte Wege gehen müssen."
„Und was würde dir das dann bringen?" Ich habe meine Stirn gerunzelt, habe dabei aber gelächelt.
„Dann kann ich es lesen und weiß ganz genau, dass du genau die gleichen Wörter gelesen hast und ich weiß, dass dies die Wörter sind, die dich verzaubert haben."
„Sturmhöhe. Das ist mein Lieblingsbuch."
Der Frühling ist fast vorbei und ihr seid immer noch ein Paar. Es schmerzt zu wissen, dass ihr nun länger ein Paar seid, als wir es waren.
Ich habe dich geliebt, Derek. Auf eine Art und Weise, die mir jetzt zum Verhängnis wird.
Denn du kannst mich schon vergessen.
Doch ich kann es noch nicht.
Denn immer wenn ich dich ansehe, überflutest du meine innere Kälte und Einsamkeit mit deiner unendlichen Wärme.
So wie früher.
Ohne mich zu fragen, hast du gewusst, dass mir kalt war.
Du hast mir deine Jacke gegeben und so getan, als würde dich die eisige Nachtluft nicht stören.
Und dafür habe ich dich noch ein bisschen mehr geliebt und tue es noch immer.
Im Sommer kommst du nur einmal zu mir und bringst mir Sonnenblumen.
Mehr nicht.
Und den Schmerz, den ich komischerweise noch spüre, flammt erneut auf.
Ich weiß schon längst, dass meine Hoffnungen nur Illusionen sind, doch ich bin wie eine Ertrinkende, die sich an den letzten Strohhalm klammert.
Denn ich kann es nicht ertragen zu sehen, wie sehr du sie liebst.
Denn ich bin egoistisch und will dich nicht teilen.
„Zoé, du weiß schon, dass du ziemlich egoistisch bist, oder?"
„Derek, wenn du eine Tatsache aussprichst, bringst du mich auch nicht dazu, dir etwas vom letzten Stück Torte abzugeben."
Den Herbst verbringe ich alleine. Ich nehme mir öfters vor, dich suchen zu gehen. Aber ich kann es nicht.
Ich kann mich trotz allem nicht von dir verabschieden.
Das konnte ich noch nie.
Du auch nicht, erinnerst du dich nicht an unsere Telefonate, als du im Ausland warst?
Ich habe mein Handy von der linken zur rechten Hand gewechselt. „Okay, dann gute Nacht."
„Gute Nacht, Zoé, ich liebe dich." Ich habe gekichert und geantwortet: „Ich liebe dich. Dann bis in zwei Tagen?"
„Ja, bis übermorgen." Deine Stimme hat genauso sanft wie immer geklungen.
„Dann leg du auf." Habe ich gemeint und mich auf meinem Rücken gedreht, damit ich an die Decke starren konnte.
„Nein, leg du auf."
„Nein, du."
„Nein, du!"
„Okay, dann beide gleichzeitig?" Habe ich grinsend vorgeschlagen und genauso haben wir es getan.
Es schneit, als du das nächste Mal kommst.
Du hast wieder Blumen mit und trotz der Kälte setzt du dich auf den kalten Stein.
Du hast wieder den blauen Parka an.
Ich erinnere mich noch genau daran, als wir ihn gemeinsam gekauft haben.
Und dann fängst du von ihr an zureden.
Und wieder bekomme ich ein komisches Gefühl im Bauch.
Ein Gefühl, das ich eigentlich nicht mehr fühlen darf.
Denn du redest davon, wie glücklich sie dich macht.
Und du redest davon, dass du ihr ein Heiratsantrag an eurem Jahrestag machen willst.
Als du dies alles aussprichst, bricht für mich eine Welt zusammen.
Meine kleine einsame Welt voller falscher Hoffnungen und Illusionen, die ich mir seit diesem grauenhaften Unfall erbaut habe.
Mir wird bewusst, dass ich auf sie eifersüchtig bin.
Denn sie kann mit dir reden, dich berühren, dich zum Lachen bringen.
Sie machte dich glücklich.
Und all diese Sachen kann ich nicht mehr.
Sie wird die Frau an deiner Seite sein. Nicht ich.
Sie wird die Frau sein, die ein wunderschönes Kleid tragen wird und mit dir zusammen vor dem Altar stehen wird. Nicht ich.
Du kennst sie nun besser, als du mich gekannt hast. Du bist nun länger mit ihr zusammen als wir es je waren.
Ich bilde mir etwas ein, wenn ich das Gegenteil behaupten würde.
Zwei Jahre ist es nun her, dass ich von dir getrennt worden bin.
Und seitdem habe ich dir nur Tränen gegeben.
Ich habe es sofort gewusst, als ich bei dir gewesen bin, als du die Nachricht bekommen hast, dass ich niemals wiederkommen würde. Und ich habe bei dir in unserer Küche gesessen und habe den Gedanken verdrängt, dass es für uns beide besser sein würde, wenn wir Abschied nehmen.
Du hast es als erster herausgefunden.
Du hast wieder angefangen zu leben.
Und ich sollte es akzeptieren.
Ich muss akzeptieren, dass unser Winter vorbei ist.
Dass uns nur ein ganzer Winter an Erinnerungen bleibt.
Weißt du noch, als ich gesagt habe, dass du meine Luft zum Atmen bist?
Mir wird nun klar, dass ich gar nicht mehr atmen brauche.
Ich klammere mich an dich fest und gebe dir gar nicht die Möglichkeit dein Leben zu genießen.
Es tut mir leid. Wirklich alles.
Bevor du gehst, sagst du mir noch, dass du mich für immer lieben wirst.
Das bedeutet mir viel, Derek, denn damit versprichst du mir, mich und unseren Winter nicht zu vergessen.
Es macht das Folgende einfacher.
Und dann verabschiedest du dich und ich tue es auch.
Es würde diesmal ein Abschied für immer bleiben.
Habe ich dir eigentlich jemals erzählt, was mein Lieblingslied ist?
Es ist Paradise von Coldplay.
Und erst jetzt erkenne ich die Parallelen von diesem Lied zu mir.
Denn ich bin auch nur ein kleines Kind gewesen, das die Welt erkunden wollte. Und als mir dann klar wurde, dass alles aus meiner Reichweite liegt, bin ich in meine Träume geflohen, in meine Wunschvorstellungen.
Ich habe von meinem eigenen Paradies geträumt, wo wir wieder zusammen sein können.
Doch du gehörst nicht mehr zu mir.
Du bist ein Teil meines vergangenen Lebens, das vergraben mit mir unter der gefrorenen Eisdecke liegt.
und ich bin eine Erinnerung von dir.
Eine Erinnerung an vergangene Zeiten.
Denn du besitzt noch eine Zukunft, die mir verweigert wurde.
Und ich freue mich für euch.
Denn ich liebe dich und würde es immer tun.
Doch genau weil ich dich liebe, muss ich loslassen, denn du hast es verdient, glücklich zu werden.
Als du vom Friedhof gehst, lege ich mich zu den Blumen, die du mir mitgebracht hast und schließe meine Augen.
Ein letztes Mal durchflutet mich eine Erinnerung von uns, bevor alles um mich herum weiß aufleuchtet. Zwei Jahre habe ich gebraucht, um von dir Abschied zu nehmen und vielleicht komme ich nun doch in das Paradies.
Denn meine Zeit ist genauso vorbei, wie der der Sonnenblumen.
„Zoè?"
„Derek?"
„Ich liebe dich."
„Und ich liebe dich."
~
Anmerkung:
Ich habe diese Kurzgeschichte für den Kurzgeschichten Wettbewerb von @StellaLarina im Januar geschrieben. In ihrem Buch 'DreamingOutLoud' könnt ihr sie auch finden.
An dieser Stelle muss ich mich auch bei Sophie bedanken, da sie die Erste war, die die Rohfassung zu lesen bzw vorgelesen bekommen hat.
Danke fürs Lesen <3
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