Kapitel 6
Louis war nach dem Gespräch maximal verwirrt. Nicht nur die Sache mit Demon stand im Raum, nein, jetzt hatte Harry ihm einen Vorschlag gemacht, der ihm auf den ersten Blick sogar ansprach und nicht abschreckte, wie es sonst alle BDSM Praktiken getan hatten.
„Ich würde gern eine Runde laufen gehen.", sagte der Brünette, schob seinen Stuhl zurück.
Harry sah nach draußen, sah, dass es bereits dämmerte. „Nimmst du bitte dein Handy mit? Mit der Ortungsfunktion? Ich will nur nicht, dass ich dich nicht finde, sollte irgendwas sein.", rechtfertigte sich der Schwarzhaarige direkt.
„Natürlich. Bin auch nicht lange weg.", Louis nahm noch einen Schluck Wasser, bevor er die Treppe nach oben lief, sich umzog und kurz danach draußen an der frischen Luft seinen Kopf freilief.
Harry währenddessen lächelte in sich hinein. Er hatte gesehen, dass der Vorschlag Louis nicht missfallen hatte, und er ärgerte sich ein Stück weit schwarz und blau, dass er da noch nie in der Vergangenheit draufgekommen war.
Sicher war Ageplay jetzt nicht wirklich seine bevorzugteste Art, BDSM auszuleben, aber als Kompromiss und für Louis als Entspannungsmöglichkeit, war das doch eine tolle Art, wie sie sich auch auf dieser Ebene wieder sehr viel näherkommen konnten.
Schnell räumte er die Sachen in den Spüler, ehe er sein Handy nahm und die Nummer von Demon raussuchte. Er würde den Jüngeren anrufen und einen Termin mit ihm vereinbaren. Vielleicht ja direkt an diesem Sonntag. Samstag wollte er Louis ja ausführen, aber Sonntag hatten sie noch nichts geplant.
Wie zu erwarten war, war Demon hellauf begeistert, dass Harry zusagte. Fragte auch direkt ab, was die beiden denn gern essen mochten und versprach, sie am kommenden Sonntag so richtig zu verwöhnen.
Sie redeten noch eine ganze Weile, der ehemalige Sub berichtete, wie lange er noch unter der Brennesselkur gelitten hatte und sie fanden schnell eine Ebene, auf der sich Harry im Gespräch wirklich wohl fühlte.
Es war ein Gespräch auf Augenhöhe und das gefiel ihm wirklich gut. Als er auflegte, freute er sich auf den kommenden Sonntag. Möglicherweise würde er ja tatsächlich auf seine alten Tage noch sozialisiert werden.
Immer wenn er über dieses Thema nachdachte, kamen ihm Kindheitserinnerungen in den Kopf. Seine Mutter hatte ihm als kleinem Jungen immer Heidi vorgelesen. Und der Almöhi, war ähnlich wie er, lange Zeit ein Einsiedler gewesen. Immer allein, nur mit dem Geißen Peter und später dann mit Heidi...
Er schluckte, hatte das Bild seiner Mutter vor sich. Sie war eine unglaublich hübsche, intelligente Frau gewesen. Eine Mutter, wie sie im Bilderbuch stand. Sein Vater dagegen, ganz der Firmeninhaber, war nie zu Hause gewesen und hatte sich nie wirklich um ihn gekümmert.
Als er knapp 10 Jahre alt war, hatte sein Vater mal wieder zu Verhandlungen ins Ausland gemusst und ausnahmsweise hatte seine Mutter ihn dorthin begleitet. Harry war so lange bei einem Schulfreund geblieben, weil er keine weitere Familie hatte, mit denen seine Eltern in Kontakt standen.
Die Bilder kamen und waren so klar wie damals. Die Mutter von Paul kam in das Zimmer, was er sich für die paar Tage mit ihm teilte. In ihren Augen waren Tränen und als sie sich neben ihn hockte, in die Arme zog, wusste er, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.
Sie taten alles, um ihn zu trösten, doch niemand war in der Lage Harrys Schmerz zu nehmen. Er hatte durch die Firma seines Vaters bereits zu diesem Zeitpunkt finanziell ausgesorgt, aber das was er eigentlich gebraucht hätte, eine Familie, die hatte er nicht mehr und konnte er sich auch nicht von allem Geld der Welt kaufen.
Stattdessen war er durch die Fürsorge in einer Jugendgruppe untergebracht worden. Eine Art KinderWG, in dem Erzieher, die Rolle der Eltern übernahmen. Sicher war das besser als ein normales Kinderheim, aber trotzdem war für Harry die Zeit der sozialen Interaktionen seitdem vorbei. Er war ein Eigenbrötler, hielt sich fast nur in seinem Zimmer auf. Nur Ed hatte in der Schule, damals Zugang zu ihm, alle anderen hatte er von sich gestoßen.
Er hatte immer das Gefühl missverstanden zu werden und durch seine dominante Art fühlten sich oft auch die Erzieher ein Stück weit abgeschreckt. Viele der Kinder in seiner WG waren auch nach ihrer Zeit noch in Kontakt mit den Menschen gewesen, die sie über die Jahre begleitet hatten. Er aber hatte mit seinem 18. Lebensjahr sofort das Heil in der Flucht gesucht.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er die Tür klappen hörte. Louis war also zurück. Ein Stück weit erleichtert guckte er aus dem Türrahmen, lächelte, als er seinen verschwitzten Mann nach oben laufen sah.
Mal schauen, ob ihm das Laufen ein wenig Zerstreuung gebracht hatte, oder ob er noch immer von seinem Vorschlag ein Stück weit überfordert war.
XXX
Liam war nach ihrem ersten Abend so unendlich glücklich gewesen. Nie hatte er so für jemanden gefühlt und es war ihm schon fast unheimlich, wie sehr er Zayn vermisste, wenn er ihn einen Tag nicht sah.
Deshalb versuchte er wirklich täglich Treffen zu arrangieren und zum Glück ging es dem Dunkelhaarigen genau wie ihm.
Heute wollte er das erste Mal zu Zayn fahren und dort auch übernachten. Sie hatten sich tatsächlich noch immer mit dem Sex zurückgehalten. Liam war sich unsicher, was Zayn von ihm forderte. Sicher würde er als dominanterer Part als Top agieren, aber forderte er direkt auch Dom Qualitäten im Bett von ihm? Sollte er ihn fesseln bei ihrem ersten Mal, sollte er...
Ein Klingeln riss ihn aus seinen Überlegungen und er grinste, als er Niall im Display las. Ihre Beziehung war eng geworden und längst über den Status Mentor Protegé hinaus. Auch wenn der Blonde jünger war, so war er aufmerksam und der Ältere mochte es sehr, sich mit ihm zu unterhalten und hatte auch das Gefühl, sich ihm anvertrauen zu können.
„Na, alles gut bei euch im Liebesparadies?", der Jüngere lachte, nachdem sich Liam gemeldet hatte.
„Ja. Ich fahre gleich zu Zayn und übernachte dort zum ersten Mal.", gab er zurück, griff nach der kleinen Reisetasche, die er auch immer packte, wenn er auf den Berg fuhr.
„Oh... soll dann heute auch der erste große Abend sein?", Niall wusste, dass die Beiden sich noch nicht weiter getraut hatten und war königlich amüsiert, wie sie umeinander herumschlichen, was diese Sache anging.
„Ja, mal schauen. Ich habe halt Angst, dass ich was falsch mache, ihn enttäusche.", Liam war ehrlich und hörte den Jüngeren seufzen.
„Du wirst nichts falsch machen, Liam. Denk doch sowas nicht. Ihr seid unsterblich ineinander verliebt. Alles was du ihm geben wirst, wird er glücklich annehmen. Mach dir nicht zu viele Gedanken und wenn, dann rede mit ihm offen darüber. Frag ihn, was er sich von dir wünscht. Das ist doch das Wichtigste. Denk dran, was uns Harry beigebracht hat. Reden ist Gold, an der Stelle."
Liam lachte auf. „Man könnte meinen, dass du mein Mentor bist."
„Na ja, vielleicht ein bisschen. Man kann die Rollen auch umdrehen. Sehen wir ja an dir.", zog ihn der Blonde auf und sie lachten beide.
„So, nun lasse ich dich aber wieder allein, mit deiner Nervosität. Genießt eure Zeit zu Zweit und setzt dich nicht zu sehr unter Druck!°
XXX
Zayn wartete nervös und guckte immer wieder aus dem Fenster. Er hatte alles schön hergerichtet, hatte für sie beide gekocht und für sein Bett hatte er extra eine neue extrabreite Decke gekauft, sodass sie beide zusammen in dem 1,40 m Bett schlafen konnten.
Er hatte gemerkt, dass Liam sich ziemlich unter Druck setzte, Angst hatte, ihm nicht das zu geben, was er vermeidlich bräuchte, aber das war totaler Quatsch. Egal was Liam tat, genoss er. Jede einzelne Berührung ließ seinen Körper in Flammen stehen und er lechzte schon die letzten Tage nach mehr. Dennoch war er froh, dass sie es alles nicht überstürzten.
Es war etwas Besonderes mit ihnen beiden und das sollten sie auch entsprechend zelebrieren. Ein weiteres Mal kontrollierte er die Wohnung, er wollte es perfekt. Er wollte es immer alles perfekt, nur seinen Liam nicht. Der konnte genauso sein wie er war. Und war damit trotzdem perfekt.
Zayn lachte über seine eigenen Gedanken, zog noch einmal die Decke gerade, die er über die Lehne seines Sofas gelegt hatte und als es dann endlich klingelte, war es für ihn wie eine innerliche Erlösung.
Liam kam die Treppe hoch. In der einen Hand hielt er die kleine Reisetasche für die Übernachtung und in der anderen... Er hatte lange überlegt, was er Zayn mitbringen konnte. Er wollte nicht kitschig sein, aber dennoch seine Zuneigung und Dankbarkeit zeigen, dass er ihn nun auch in sein Reich lassen wollte. Bisher waren sie immer nur bei dem Älteren gewesen und das war für ihn auch in Ordnung gewesen.
„Oh.", Zayn sah auf die einzelne rote Rose, die Liam ihm beim Erreichen seiner Etage entgegen hielt. „Für dich. Sie ist genauso wunderschön wie du.", mit diesen Worten überreichte er seinem Freund die langstielige Baccararose und dieser schmolz bereits wieder dahin.
„Komm, komm rein.", stotterte er schon fast, erschrak, als Liam ihn ohne Ankündigung mit seinem Körper gegen die Zarge der Haustür drückte und sich einen tiefen Kuss abholte.
Nachdem er ihn wieder entließ, spürte Zayn die Hitze in seinem Gesicht und in einem Körperteil weiter südlich und schob Liam schnell in die Wohnung und schloss die Tür.
„Wow!", sagte dieser, sah sich um und fühlte sich automatisch schlecht. Diese Wohnung war so sauber und aufgeräumt, dass würde er nach einer Woche putzen nicht so hinbekommen.
„Komm, ich bringe deine Tasche ins Schlafzimmer. Wir, wir können gleich essen. Der Auflauf ist so weit.", Zayn war unglaublich nervös und er hasste sich dafür. Eigentlich war er zwischendurch immer schon wieder sehr entspannt gewesen, in Liams Gegenwart, aber immer wenn sie sich dann wieder einen Tag nicht gesehen hatten, fing es wieder von Neuem an.
„Es riecht hervorragend.", der Ältere ging in die Küche, die ins Wohnzimmer integriert war, lugte in den Ofen, in dem der Auflauf schon goldgelb überbacken das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ.
„Ich hatte gehofft, dass du so etwas magst.", der Jüngere fuhr sich durch die Haare, schüttelte dann den Kopf. „Entschuldige, ich habe dich noch gar nicht gefragt, was du trinken möchtest."
Liam lachte, sah seinen Freund verliebt an. Diese plötzliche Schüchternheit, die Nervosität half ihm tatsächlich, wieder in seine dominantere Rolle zurückzufinden, weil sein Beschützerinstinkt den Rest tat und so ging er auf ihn zu, zog ihn einfach in seine Arme und drückte ihn an sich.
„Du musst nicht aufgeregt oder nervös sein. Ich bin es doch nur. Es ist alles perfekt, Zayn. Genau wie du. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.", er schob ihn ein wenig von sich, sah in die hellbraunen Augen, die nach einer Lüge suchten, doch als er diese nicht fand, schmiss er sich schon fast wieder an die breite Brust des Älteren, der mit einem Schmunzeln dem anderen Halt und Sicherheit gab, in der Situation anzukommen.
XXX
Louis hatte geduscht und auch während der Zeit unter dem heißen Wasserstrahl über Harrys Idee nachgedacht. Eigentlich konnte doch nichts passieren, wenn er diesen Schritt wagte, ausprobierte, was sein Mann vorgeschlagen hatte.
Er würde in jedem Fall keine Nachteile davontragen, er würde keine Schmerzen erleiden müssen und auch keine Demütigungen. Harry hatte gesagt, es wäre süß und liebevoll und er würde abschalten können.
Möglicherweise war es tatsächlich eine gute Chance, die er nicht verstreichen lassen sollte. Und wenn doch der Fall eintrat, dass ihm auch das nicht gefiel, ja dann ließen sie es eben. Wenn er ehrlich war, hatte er auch keine Angst davor, dass Harry ihn wenn dafür verurteilen würde, so wie er nach ihrer kurzzeitigen Trennung um ihn gekämpft hatte.
Ja, er würde ihm eine Chance geben und diesem Ageplay. War nicht in jedem noch ein Stück Kind versteckt?
Die Frage für ihn war nur, wie alt. Harry hatte gesagt, der Little suchte sich sein Alter selbst aus, in dem er spielen wollte, doch Louis hatte absolut keine Ahnung, was ihm gefallen könnte.
Die Pubertät war sicher nicht das Alter, was er gerngehabt hatte. Da hatte er bereits zu viel nachdenken müssen, war nicht mehr frei.
Vermutlich musste er in die Zeit zurück gehen, in der er wirklich nur an seine kleine Welt gedacht hatte, ans Spielen, ans glücklich sein.
Er bürstete sich durch die noch nassen Haare, bevor er in seinen Hoodie schlüpfte und die Trainingshose anzog, die er aus dem Schrank zog.
Vielleicht hatte Harry da eine Idee, konnte ihn vielleicht was das angeht sogar besser einschätzen, als er sich selbst.
So ging er nach unten, fand Harry im Wohnzimmer sitzend, während er ein Buch las.
„Harry?", sprach er ihn an und der Ältere sah hoch, lächelte, als er seinen Mann unsicher im Türrahmen stehen sah.
„Ich glaube, ich will es probieren, aber es gibt da noch ein Problem."
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