Sechs
Meine Beine baumelten über der Armlehne unseres Sofas und während im Fernsehen Friends in Dauerschleife lief, scrollte ich durch Asos und war dabei das fünfte Kleidungsstück, ein Kleid, in den Einkaufswagen zu packen. Gerade als Monica und Ross sich übereinander bei ihren Eltern ausließen, wurde die Haustür aufgeschlossen und sofort erfüllte die quasselnde Stimme meiner Mutter das Haus. Ich schwang meine Füße über das Polster und lief in den Flur, wo Matt meiner Mum sagte, wie schön unser Haus sei. Der Gute hatte gerade mal den Flur gesehen.
"Matthew!" Ich fiel ihm in die Arme und drückte ihn an mich. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an in der wir uns nicht gesehen hatten.
"Du wurdest anscheinend ziemlich vermisst.", sagte Mum lachend zu Matt. Ich nahm nur ein kurzes Nicken an meiner Schulter war. Seine Freude hier zu sein rannte mich ja beinahe um. Ich drehte mich zu Mum. "Können wir Pizza bestellen?" Sie nickte. "Ich lege euch Geld in die Küche, fragt Leys bitte, ob er auch was möchte. Ich hab noch eine kurzfristige Verabredung." Ihr mattes und gleichzeitig geheimnisvolles Lächeln brachte mich zum Nachdenken, während ich mit Matt nach oben ging. Er hatte bis auf die Begrüßung noch kein Wort mit mir gewechselt und dabei hatten wir uns Wochen nicht gesehen.
"Dein Zimmer. Aber du kannst auch bei mir schlafen, wenn dir dieser fremde Ort Angst macht." Früher hätte er gelacht, jetzt stellte er bloß seinen Koffer neben das Bett und schmiss seinen Rucksack auf die Tagesdecke.
"Matt, rede doch bitte mit mir.", bat ich ihn. "Danke." Er sah mich ausdruckslos an. Was hatte auch erwartet? Gemeinsam mit ihm dumme Videos aufnehmen, alberne Fotos machen oder einfach nur zusammen Filme schauen. Nichts würde wie früher sein.
"Weißt du was ich dachte, als du das hochgeladen hast?" Er ließ sich auf das Bett nieder und starrte seine Hände an. "Dass das nur ein beschissener Scherz ist. Aber sowas hättest du niemals gemacht." Er fuhr sich durch seine sowieso schon zerzausten Haare und schüttelte mit dem Kopf. "Und dann habe ich dich nicht erreicht. Niemand hat das. Cameron hat uns alle kontaktiert. Ich habe mit deiner Mutter telefoniert." Mir steckte ein Kloß im Hals, um ihn runterzuschlucken fehlte mir der Speichel. Ich setzte mich neben ihn.
"Ich habe dich für einen Moment gehasst. Und das abgrundtief." Er würdigte mich keines Blickes, was es mir nur noch erschwerte zuzuhören. "Als wären wir es nicht wert gewesen, das persönlich zu erfahren."
"Matt, nein. So war das nicht..."
"Nein? Seit wann weißt du es, huh?! Seit wann weißt du, dass du Krebs hast? Seit New York!" Er stand auf und blickte mich aus glasigen Augen an.
"Sag nicht, dass es nicht so ist. Wie konntest du es bloß so lange vor uns geheim halten? Vor deinen besten Freunden! Deswegen bist du früher abgereist! Deswegen hast du grundlos die Tour abgebrochen und Nash mit dir!" Seine Worte flogen mir nur so um den Kopf. Matt wischte sich übers Gesicht und drehte sich weg.
"Matt." Mir fehlten die Worte. Er hatte recht mit allem was er sagte. "Nein, Lilly." Endlich sah er mir in die Augen. "Nichts macht das wieder gut." Jetzt stand vor mir nur noch ein verschwommenes Abbild meines besten Freundes.
"Und wie lange willst du noch auf mich sauer sein?", fragte ich mit erstickter Stimme. "Bis ich tot bin?" Die Wahrheit, dass ich sterben würde aus meinen Mund zu hören war für mich fast schon absurd. "So wie ich gehandelt habe war falsch, das weiß ich. Aber ich konnte es einfach nicht mehr ertragen, dass sich die Leute über mich ihre Mäuler zerrissen haben. Alle dachten sie ich wäre schwanger oder haben irgendwelche dämlichen Hypothesen aufgestellt und diskutiert was los ist. Ich konnte das einfach nicht mehr.", schluchzte ich. Er schwieg.
"Ich habe Krebs. In meinem Kopf."
Nie hatte ich es gewagt laut auszusprechen. Aus Angst, dass mich diese einstehende Erkenntnis zu Boden reißen würde. Und genau das tat sie, doch Matt war da, der mich auffing und das wortwörtlich.
Wie wir wissen, ist das Leben wie eine Schachtel voller Pralinen. Und was ist, wenn man alle Pralinen aufgegessen hat? Man kauft sich eine neue Schachtel und ich tat dies nun schon zum zweiten Mal. Erst nach dem Tod meines Vaters und nun zu meinem eigenen Todesurteil.
Matt hatte erzählt, dass so gut wie alle meine sozialen Netzwerkaccounts gelöscht wurden. Twitter, YouTube, Vine. Instagram hatten sie mir gnädiger Weise gelassen, dafür hatte ich dort aber eine Kommentarsperre eingerichtet bzw. hatte das Matt getan. Wir schauten uns alte Bilder und Videos an, redeten über die besten Momente der Tour und aßen nebenbei Pizza. Ich zeigte ihm die Websites der Krankenhäuser und erklärte ihm, dass ich vorhatte nach New York zu gehen.
"Ich hab Angst.", sagte ich als wir auf den Overview klickten. Sofort schloss Matt das Fenster und klappte den Laptop. "Ich würde es bedenklich finden, wenn du die nicht hättest."
Es war gar nicht mal das Krankenhaus vor dem ich mich fürchtete, sondern viel mehr das was mich dort erwartete. Und die Behandlungsmethoden die ich letztens im Internet gefunden hatte, verstärkten meine Angst nur noch. Strahlentherapie, Chemo, OP.
Und spätestens mit einem festen Netz Millimeter über deinem Gesicht wird einem bewusst, dass man mehr als bloß die Arschkarte gezogen hatte. Ich konnte es ja kaum erwarten.
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Ich hoffe es hat euch gefallen, trotz der kurzen Länge? Sind die Kapitel zu kurz??
xx sunshinesupergirl
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