vii. warum ist es so schwer, die richtigen worte zu finden?
Chris
Direkt aus meinen Tagtraum gerissen, starre ich in die grünen Augen von Juliet, von denen ich immer noch schwärmen kann.
Grüne Augen sind die seltensten. Und auch die gefährlichsten.
»Juliet?«, frage ich leise.
Steht sie schon lange vor mir?
Am liebsten will ich im Erdboden versinken, so peinlich ist mir das. Doch das ist sicherlich nicht das Schlimmste, was ich in ihrer Gegenwart getan habe.
So wie sie zu schwängern und mich danach wie ein Arsch zu verhalten... Aber ich kann einfach nicht anders. Was mich nicht minder zu einem Arschloch macht.
Als wäre sie nervös, geht sie vor mir auf und ab, während ich auf ihrem Bauch starre, der durch das weiße, enge Shirt noch besser zur Geltung kommt.
Ist es nicht verrückt, wie Babys entstehen? Oder vielleicht werde auch nur ich so allmählich verrückt?
Juliet spürt meinen Blick und sofort legt sie ihre Hand auf ihren Bauch, als müsste sie das Baby vor mir schützen.
Muss sie das?
Schließlich bin ich der Vater. Okay, der Arschloch-Vater, der ihr ins Gesicht gesagt hat, dass ich das nicht kann. Es war einfach so ein Reflex – eine sehr lahme Ausrede, aber in dem Moment kamen mir diese Worte so schnell über die Lippen, dass ich nicht einmal richtig darüber nachdenken konnte.
»Was ist los?«
Innerlich gebe ich mir eine Ohrfeige, hebe meinen Blick von ihrem Bauch und sehe sie ausdruckslos an. Für sie mag es aussehen, als wäre ich arrogant, aber ich kann es nicht zulassen, dass sie den Zwiespalt mitkriegt, der zwischen mir herrscht.
Wieder tigert Juliet vor mir auf und ab, was mich noch nervöser macht, als ich sowieso bin. Aber ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen.
»Kannst du bitte still stehen bleiben?«
»Was?«, als hätte ich sie aus ihren Gedanken gerissen, hebt sie ihren Kopf und sieht mich wieder an.
»Wir können gerne reden, aber dann hör auf, mich so nervös zu machen«, spreche ich.
»Ich mach dich nervös?«, erwidert sie.
Leicht nicke ich.
»So wie du hier auf und ab gehst«, erkläre ich ihr.
»Oh«, macht sie einfach und lässt sich vor mir auf einen Stuhl gleiten. Sekundenlang sehen wir uns einfach an. Ich warte, bis sie endlich etwas sagt. Immerhin ist sie zu mir gekommen und nicht andersrum und dennoch kommt kein Wort über ihre Lippen.
»Also...?«, hake ich nach, nachdem sie immer noch nichts gesagt hat.
»Ich habe doch keine Ahnung...« Sie stützt ihren Kopf ab und unterbricht somit den Blickkontakt.
Leise seufze ich auf. Im Prinzip weiß ich, worüber sie reden will. Irgendwo will ich das ja auch. Aber auch mir wollen die Worte einfach nicht entweichen.
Warum ist das nur so schwer?
Warum ist es so schwer, die richtigen Worte zu finden?
Sie sind irgendwo in mir, ich kann sie vor meinen eigenen Augen sehen, doch sie verlassen mich nicht. Klammern sich an mich fest und lassen mich das Arschloch sein, das ich niemals sein wollte.
»Ich weiß, im Prinzip kennen wir uns nicht, aber es hat mich dennoch verletzt...«
Sie muss nicht aussprechen, ich kann mir auch so denken, was sie meint.
»Juliet, du musst mich einfach verstehen-«, die Worte kommen mir so schnell über die Lippen. Und würde mich meine Mutter oder eine meiner Schwestern jetzt hören, dann würden sie mich mit einer Pfanne jagen und vermöbeln. Verübeln kann ich es ihnen nicht, ich erkenne mich ja selbst nicht wieder.
Juliet
Warum fällt es mir so schwer, meine Gefühle auszudrücken? Warum kann ich ihm nicht einfach sagen, was mir durch den Kopf geht?
Es kann so einfach sein...
»Juliet, du musst mich einfach verstehen, ich war noch nie in dieser Situation-«
Er macht es einfach schlimmer. Mit jedem weiteren Wort, das er mir entgegenbringt.
»Natürlich, aber ich habe schon zehn Kinder von zwanzig verschiedenen Vätern zuhause«, knurre ich ihm entgegen.
Warum kann ich kein normales Wort mit ihm sprechen?
»Das geht nicht«, erwidert er trocken.
Am liebsten will ich explodieren, das Glas, das neben mir auf dem Tisch sitzt, auf ihn werfen, doch dann wäre er nass und die Erinnerung an unsere gemeinsame Nacht würde mich übermannen.
Es ist zum verrückt werden.
»Natürlich geht das nicht! Das war eine Hyperbel, ich habe einfach nur übertrieben, argh!«
»Gott, Chris, du machst mich einfach nur fertig.«
Chris
Plötzlich, als wäre sie wie ausgewechselt, wendet sie ihren Blick ab. Sie versucht es zu verstecken, doch ich habe das verräterische Glitzern ihrer Augen gesehen.
»Juliet, bitte...«
Bitte was?
Bitte lass es uns rückgängig machen? – Ich weiß, dass das nicht geht...
Bitte, lass uns vernünftig darüber sprechen? – Juliet versucht es, doch ich...
»Wein nicht...«
100 Punkte Evans. Wenn man einer Frau sagt, dass sie nicht heulen soll, dann hört sie bestimmt auf.
»Es tut mir leid«, schluchzt sie und schon lösen sich Tränen aus ihren Augen und benetzen ihre Wange.
Mein Herz zieht sich zusammen. Noch nie konnte ich eine Frau weinen sehen. Weder meine Mum, noch eine meiner Schwestern oder sonst irgendeine Frau.
Soll ich? Soll ich nicht?
Ich kann nicht still sitzen bleiben, versuchen auszublenden, dass die Hormone sie wahrscheinlicher nur noch verwirrter machen und vor allem so handeln lassen.
Meine Beine tragen mich schneller als ich denken kann. Vor ihrem Stuhl angekommen sinke ich auf die Knie und breite meine Arme aus.
Wie ein Welpe, der gerade etwas zerstört hat und auf unschuldig tut, sehe ich sie an. Mit dem Unterschied, dass ich alles, aber ganz bestimmt nicht unschuldig bin.
Es würde mich wundern, wenn sie sich wegdreht. Doch das tut sie nicht. Nein. Ihre grünen Augen leuchten durch die Tränen heller als je zuvor. Durch ihren Tränenschleier sieht sie mich an, bis sie sich von mir umarmen lässt.
Sie schmeißt sich regelrecht in meine Arme und ihr Duft umgibt mich und lässt mich für einen Moment diese Situation vergessen.
Ihr zierlicher Körper schmiegt sich gegen meinen. Presst sich regelrecht an mich, als wäre ich ihr Fels in der Brandung. Für diesen Moment bin ich für sie da – weil Henry es nicht sein kann.
»Ich habe mir immer eine Familie gewünscht...« Sie so nah an mir zu spüren, lockert auf einmal meine Zunge.
Sie schnieft und als Antwort streift meine Hand im gleichbleibenden Rhythmus über ihren Rücken.
»Eine Frau, die mich so liebt, wie ich sie liebe... Ein, zwei oder fünf Kinder, die mit unseren Hunden im Garten rumtollen. Eine ganz normale Familie halt...«
Das ist meine perfekte Ideologie einer Familie. Mein Traum, der sich seit meiner Kindheit geformt hat und sich seither nie verändert hat.
Immer noch rinnen Juliet Tränen hinunter, doch sie schafft es, sich ein Stück zu lösen, das wir uns ansehen können.
Wir sind einander so nah, dass ich ihren Atem spüren kann, der eine leichte Schokoladennote hat. Ich bin gewillt auf ihre Lippen zu schauen, aber ihre Augen ziehen mich in einen Bann, den ich einfach nicht entreißen kann – oder will.
»Chris, will das nicht jeder?«
Ihre Stimme ist leise und man hört heraus, dass sie gerade noch geweint hat. Die Tränen verlassen nicht mehr ihre Augen, dennoch sind ihre Wangen nass.
Meine Hand zuckt und am liebsten würde ich ihre Wangen trocknen. Doch ich habe schon eine Grenze überschritten, ich sollte es bei dieser belassen.
»Nein. Es gibt Menschen, die Karriere machen wollen. Die Familie steht für sie an zweiter Stelle.«
Ihre Mundwinkel zucken leicht und ich kann ihr ansehen, wie ihr Gehirn rattert.
Aber warum?
»Es gibt keine perfekte Familie«, spricht sie dann weiter.
Irgendwas an ihren Worten veranlasst mich dazu, sie urplötzlich loszulassen, als hätte ich mich verbrannt.
Es gibt keine perfekte Familie.
Es. Gibt. Keine. Perfekte. Familie.
»Mit der Einstellung bestimmt nicht«, erwidere ich leicht gekränkt. Warum fühle ich mich so? Warum will ich sie unbedingt vom Gegenteil überzeugen?
Sicherlich ist nichts perfekt, aber...
»Was hat das mit meiner Einstellung zu tun?«, faucht sie wieder. Die Traurigkeit aus ihren Augen verschwindet und das Temperament, das mir schon das ein oder andere Mal aufgefallen ist, kommt durch.
»Wenn man immer an das Schlechte glaubt, dass man nichts schaffen kann, dann schafft man es nicht. Glaubt man jedoch an das Gute-«
»Man kann das doch nicht vergleichen! Wie viele Familien, die von außen als ›perfekt‹ angesehen wurden, wurden zerstört, weil der Mann sie aus Eifersucht umgebracht hat. Kinder, die misshandelt wurden, dabei waren sie so eine ›perfekte‹ Familie«, höhnt sie.
Ich mustere die Frau vor mir. Wild funkeln mir ihre Augen entgegen, bereit für den Kampf.
»Juliet, du verstehst das nicht...«
Ihre Nasenflügel beben auf, dann atmet sie hörbar aus.
»Wie bitte? Ich verstehe das nicht?!«
Juliet ist sauer. Wirklich sauer und ich weiß nicht, warum gerade dieses Thema sie so sehr sauer macht.
Ich will mit den Augen rollen, doch ich kann es zum Glück noch zurückhalten. Andernfalls hätte ich nicht sagen können, wie Juliet darauf reagiert – ich tippe mal auf nicht so gut.
»Können wir es nicht einfach lassen?«, seufze ich genervt. Ich habe nicht die Kraft, das jetzt mit Juliet zu klären.
Ebenso genervt atmet sie aus, drückt mich mit ihren Handflächen von sich weg.
»Natürlich willst du darüber nicht reden, schließlich es ist das, was du am besten kannst: weglaufen.«
Ich erstarre.
»Du kennst mich nicht«, bringe ich zwischen zusammengepressten Zähnen heraus.
Warum eskaliert jedes Gespräch immer so? Haben wir nicht so gut angefangen?
»Und du mich nicht!«, faucht sie und steht etwas umständlich auf, weil ich immer noch vor ihrem Stuhl hocke. Ich mache ihr nach und überrage sie sofort. Dennoch funkelt sie mich wild an, zuckt nicht einmal bei meiner düsteren Miene.
Was tut sie nur mit mir?
Warum kann ich in der einen Sekunde nichts anderes, als auf ihre verführerischen Lippen starren, mir wünschen, sie endlich wieder kosten zu können und auf der anderen Seite will ich sie am liebsten auf den Mond schießen?
»Dann haben wir das ja geklärt!«
»Ja. Schön!«
»Okay, schön!«
Wütend schnaubt sie auf, dann dreht sie auf Absatz kehrt und wie ein perverser Spanner kann ich es nicht lassen, einen Blick auf ihren Hintern zu werfen. Doch der wütende Schwung, den sie im Lauf hat, lässt ihn nur noch erotischer erscheinen...
Vergesst nicht zu voten, wenn es euch gefallen hat.
danke (:
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