44. Kapitel
Nach unserem amüsanten Abend voller Quidditch und schaukeln stehe ich am nächsten Tag gut gelaunt auf.
Diese Freude bleibt aber nicht lange, denn nach dem Frühstück soll ich zum Dunklen Lord.
Würde mich jemand fragen, ob ich nervös bin, hätte ich es geleugnet und gelächelt. Doch hat es nichts Gutes zu heißen, wenn der mächtigste Zauberer mit dir alleine reden will.
Es könnte alles passieren. Sachen, die ich mir nicht mal ausmalen möchte, so schlimm sind sie.
Aber an das, was meine Aufgabe sein wird, habe ich nicht gedacht. Wie auch? Welche 17-Jährige wäre darauf schon gekommen? Eine Todesserin hätte darauf kommen können, aber ich sehe mich immer noch nicht als eine.
Vor Nervosität ist mir schlecht und meine Beine zittern, dennoch richte ich mich auf und mit erhobenem Kinn betrete ich das Zimmer, wo ich erwartet werde. Hier war ich noch nicht. Aber es ähnelt den anderen Zimmer in diesem Haus. Prachtvoll, elegant, teuer und Slytherin.
"Da bist du ja, Alisson. Mir ist zu Ohren gekommen, dass du krank warst und nun wieder vollkommen gesund bist. Das ist ausgezeichnet, denn ich habe eine Aufgabe für dich", erklingt Voldemorts Stimme hinter mir, als ich mitten im Zimmer stehe.
Augenblicklich sträuben sich meine Armhaare.
"Und die wäre, Herr?", frage ich und drehe mich um.
Ich sehe dem Dunklen Lord nicht in die Augen, sondern überall sonst ins Gesicht. Auf die Nase nicht, denn sie ist ja nicht vorhanden.
"Du bringst nichtsnutzige Muggel um und als Beweis, dass du es vollbracht hast, möchte ich sozusagenen ein Souvenir. Ein Schmuckstück. Etwas wertvolles. Hast du das verstanden, Alisson?"
Mir bleibt die Luft weg. Was... ich... töten...
"Ja, Herr, ich hab's verstanden", versuche ich cool zu wirken, wobei ich nicht weiß, ob es mir gelingt.
Voldemort läuft bedrohlich auf mich zu. Ich kann seinen fauligen Atem riechen, so nah ist er mir. Trotzdem wende ich nicht den Blick ab. Ein Todesser bin ich und habe keine Angst vor meinem Meister.
"Falls du dir welche Missgeschicke leistest, dann kannst du dir denken, was mit dir passiert. Denn du bist schlau, Alisson und nicht dumm und naiv. Du gehorchst deinem Meister und tust das, was ich von dir verlange."
Jetzt auf gleich wird mir eiskalt. Es läuft mir kalt den Rücken hinunter, doch bleibe ich in meiner Rolle.
"Natürlich, Herr. Ich werde alles machen, was verlangt wird und das, ohne mit der Wimper zu zucken", wisper ich.
Zufrieden lächelt er und entlässt mich. Wie gelähmt gehe ich rauf in mein Zimmer und schließe mich dort ein. Ich lasse mich auf mein Bett fallen und atme den Duft der Bettwäsche ein. Irgendwie riecht er vertraut und lässt mich nicht vollkommen durchdrehen.
Unschuldige Muggel, die vom Krieg nichts wissen, soll ich umbringen. Ich, Jane Alisson. Weshalb Ich? Warum nicht ein anderer Todesser, ein Volltrottel? Es gibt doch genug von denen dort draußen, die sogar noch Spaß dran hätten. Aber doch nicht ich! Bei Merlins Unterhose, wie soll ich das bewältigen? Mir tut schon eine Mücke leid, wenn ich sie umbringe, und dann noch ein Mensch?
Meine Schreie werden von meinem Kissen gedämpft, welches ich an mein Gesicht gedrückt halte. Ich schreie so lange, bis meine Stimmbänder versagen und nur noch heisere Stille heraus kommt.
Das geht... das kann...
Noch nicht mal klar denken kann ich jetzt.
Nun laufe ich vor Panik im Zimmer von rechts nach links. Von links nach rechts. Und immer wieder zurück.
Meine Gedanken kreisen überall hin. An Sachen, an die ich nicht denken will. Schlechte und Schöne Dinge. An Dumbledore, der mich einst vorwarnte, was ich machen müsste.
Von Menschen töten war nie die Rede.
Weshalb habe ich mich auf das hier eingelassen? Warum wurde ich nochmal Todesser? Warum habe ich von Gut zu Böse gewechselt?
Wenn mich jetzt schon die vollkommende Panik ergriffen hat, wie soll es ablaufen, wenn es zur Realität wird?
Bitte, hilf mir jemand.
Irgendjemand.
Bitte.
Doch keiner kam, um mich zu retten.
Am nächsten Abend schreite ich im schwarzen Todesser Gewand die Straße entlang.
Es ist düster, nur die Sterne und der Mond bringen ein wenig Licht in die Dunkelheit. Doch bekommen sie das Triste aus meinem Herzen nicht weg.
Ich bin zielsicher. Das Haus mit der Nummer 13 wartet schon auf mich; die Bewohner warten schon auf mich.
Mir wurde gesagt, es wäre ein alter Mann, ganz ohne Familie. Keiner wird ihn vermissen. Wenn es so ist, dann wird es nicht so schlimm sein. Was denke ich da bloß? Egal, wen ich umbringe, es ist schlimm und man kann es nicht einfach unter den Teppich kehren und vergessen.
Das Wohnviertel hier in London ist schön. Es ist zum Glück außerhalb der Stadt, so werde ich nicht viel Aufsehen erregen. Ich werde einfach ins Haus spazieren und den alten Mann umbringen. Dann verschwinden und mich kräftig abwaschen. Morgen ist es vergessen, doch schon jetzt weiß ich, dass ich es nicht vergessen werde. Dass ich es niemals vergessen kann.
Hausnummer 13.
Meine geflochtenen Haare schwinge ich auf den Rücken. Gerne würde ich behaupten, dass ich bereit bin und doch bin es nicht. Ich bin nicht Voldemort, der das Töten genießt. Aber es gibt kein zurück. Entweder stirbt der Mann, oder ich. Obwohl es egoistisch ist, ist mein Leben mir wertvoller. Nur wegen einer Aufgabe meines Meisters, werfe ich nicht den Plan um, welchen Dumbledore und ich entworfen haben. Nicht jetzt, wo ich mitten drin stecke.
Auf leisen Sohlen betrete ich das Haus. Es ist vollkommen still. Niemand scheint zu Hause zu sein, doch weil es schon mitten in der Nacht ist, wird mein Opfer schlafen. Genau das, was ich auch machen sollte. Schlafen.
"Lumos", flüster ich.
Nun sehe ich, wo ich lang gehe, aber ich achte nicht auf meine Umgebung. Will sie nicht wahrnehmen. Möchte nicht das Leben meiner Opfer kennen lernen.
Zielstrebig gehe ich ins nächste Zimmer und dann ins nächste, bis ich das Schlafzimmer finde. Ich wurde nicht angelogen. Es ist ein alter Mann, der sorglos und friedlich in seinem Bett schläft. Wenn ich ihn töte, kann es für die Muggel aussehen, wie ein Tod an Altersschwäche.
Im Türrahmen bleibe ich stehen. Weiter möchte ich nicht ins Zimmer. Das, was gemacht werden muss, geht auch von hier.
Einatmen.
Ausatmen.
Einatmen.
Ausatmen.
"Nox", murmel ich.
Nun umgibt mich wieder die vollkommene Dunkelheit. Trotzdem schließe ich die Augen, als ich mit meinem Zauberstab dorthin ziele, wo er liegt.
"Es tut mir leid", sage ich.
Dann: "Avada Kedavra."
Völlige Leere in mir. Nichts spüre ich und dennoch so viel. Es ist nicht in Worte zu greifen.
Ohne die Augen zu öffnen drehe ich mich um und gehe den Flur entlang, bis ins Wohnzimmer. Erst dort traue ich mich wieder zu atmen und zu sehen.
Erschrocken mache ich einen Satz nach hinten. Vor mir sitzt eine kleine Katze, die mich mit ihren Augen anstarrt.
Ich knie mich hin, um das kleine niedliche Ding zu streicheln, doch faucht es mich nur an. Es weiß, was für eine furchtbare Tat ich begangen habe.
Erstmal lasse ich die Katze links liegen und widme mich meiner Aufgabe. Ein Souvenir muss ich noch finden. Als ob mein Opfer wusste, wonach ich suchen würde, hat er es mir heraus gelegt. Auf dem Küchentisch liegt eine Brosche. Sie ist prachtvoll. Sofort stecke ich sie mir in die Tasche und gehe zurück zu der Katze. Sie kann ich einfach nicht hier lassen. Alleine würde sie verhungern und verdursten.
Nicht lange muss ich überlegen, da nehme ich die Katze auf den Arm und laufe ins Freie. Das Kätzchen wehrt sich ununterbrochen. Kratzt mir ins Gesicht und auf die Hand. Doch verfolge ich meinen Plan weiter, trotz des Schmerzes.
Im gegenüberliegenden Haus horche ich, ob noch jemand wach ist. Denn dann müsste ich sofort verduften, aber es ist ruhig. Die Katze lasse ich auf den Boden nieder. Diese miaut lauthals und schaut mich mit ihrem riesigen Augen an. Auch wenn sie mich anscheinend nicht mag, würde ich sie gerne behalten. Sie einfach knuffig und süß.
So schnell wie ich gekommen bin, gehe ich auch wieder. Hoffentlich wird es der Katze hier gut gehen.
Wehmütig appariere ich zu den Malfoys, wo ich mich durch das Haus in mein Zimmer schleiche. Auf keinen Fall will ich jetzt noch jemanden treffen. Weder den Dunklen Lord noch Narzissa oder sonst jemand. Mir kann jeder gestohlen bleiben.
Doch als ich mein Zimmer betrete, wird mir die Ruhe nicht gegönnt.
"Was willst du denn schon wieder hier, Draco?"
"Ich habe gesehen, wie du zu dieser späten Stunde gegangen bist und mich gefragt, weshalb. Eigentlich hatte ich vor, nur kurz zu warten, aber dann bin ich eingeschlafen. Jetzt wollte ich aufstehen und mich in mein eigenes Bett legen. Deins ich bequemer, als meins. Irgendwie unfair, findest du nicht?", plappert Draco ein wenig verschlafen vor sich her.
Schlaftrunken steht er von meinem Bett auf und geht an mir vorbei, doch statt ganz zu verschwinden, hakt er nochmal nach.
Widerwillig antworte ich: "Ich hatte eine Aufgabe vom Dunklen Lord zu erledigen."
Schlagartig wird der Blonde wach.
"Was denn für eine Aufgabe?", will er wissen.
Ich seufze und entledige mich schon mal von meinen Schuhen.
"Das ist egal und nun geh zu Bett. Wenn ich mich nicht irre, wird jeden Moment die Sonne aufgehen. Heute haben wir noch ein Todesser treffen und ach, was weiß ich, was noch alles passieren kann. Wir befinden uns im Krieg. Dort ist alles möglich", murmel ich vor mir her.
Mitleidig sieht er mich an.
"Damit du eines weißt, und das sage ich dir als Freund und nicht als Rivale: Verkaufe deine Seele nicht, Jane, niemals. Dafür, hierfür ist sie es nicht wert."
Mit diesen Worten dreht er sich um und schließt die Tür. Und lässt mich verblüfft alleine.
Die Nacht habe ich kein Auge zu gemacht. Es war unmöglich. Immer, wenn ich versuchte, in den Schlaf zu fallen, spielten sich Szenen in meinen Kopf ab, die ich vergessen möchte. Einige waren aus meiner Kindheit oder meinem Schuljahr. Doch auch neue und sehr frische waren dabei, die mich vom Schlafen abhielten.
Und nun sitze ich am langen Tisch, mit dunklen Ringen unter den Augen, und warte auf den Dunklen Lord. Da fällt mir ein, dass ich ihm noch die Brosche geben muss. Aber eins nach dem anderen. Erst ist das Gerede dran, von dem Neusten der Neusten.
Und diesmal ist es etwas zum feiern.
Der Sturz des Ministeriums.
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