5 | Wein
Mit dem roten Kleid am Körper, stand ich auf dieser großen Terrasse. Das dunkle Holz wurde von einigen warmen Lichtern erhellt. Ich lauschte dem Rauschen des Meeres. Sah dabei in die Dunkleheit vor mir. Meine Gedanken brachten mich zu dem Abend am Strand, den ich mit Ayaz verbrachte. Ich zehrte nach den Erinnerungen mit ihm. Gleichzeitig drangen aber Bilder in meinen Kopf, wie er all diese Dinge auch mit seiner Frau tun würde. Wie er sie berührte. Ihr tief in ihre Augen blickte. Ihr all die schönen Sachen zu flüsterte, die er mir ins Ohr gehaucht hatte.
"Ist dir kalt?" Ich drehte mich zur gläsernen Terassentür. Man müsste meinen, dass Häuser am Strand klein gehalten wären. Dieses nicht. Es glich einer Festung, denn trotz der Dunkelheit entging mir nicht, dass Wachmänner am Strand umher liefen. Sie beobachteten mich, genau wie Serafino es tat.
Seine Augen schweiften über das Kleid an mir, welches sich perfekt an mich schmiegte. Faszination doch auch Hass spiegelten sich in Serafinos Ausdruck wieder. Er hielt eine weiße Decke in den Händen, mit der er langsam auf mich zu kam. Ich wollte ihn auf Abstand halten, also schüttelte ich auf seine Frage hin den Kopf und wandte mich von ihm ab.
Auf einem der vier Stühle ließ ich mich nieder. Vor mir auf dem langen Tisch standen allerlei Köstlichkeiten. Es duftete herrlich, jedoch überschlug sich mein Magen, wenn ich darüber nachdachte, wer sich mir gegenüber hinsetzte. Ein Fremder. Ein Bastard, der mich ausnutzen wollte, um meiner Mutter zu schaden.
"Ich habe das Kleid an", sprach ich mit einem gespielten Lächeln und lehnte mich dabei etwas vor, sodass seine gesamte Aufmerksamkeit mir galt. "Und wir essen zu Abend. Ich habe mich an alles gehalten. Wann darf ich gehen?"
"Wer sagt, dass ich dich wieder gehen lasse?"
"Du musst mich gar nicht gehen lassen. Ich finde den Weg auch alleine." Innerlich brodelnd erhob ich mich wieder, doch ich konnte keinen Schritt zur Seite machen, da stand plötzlich einer seiner Handlanger direkt vor mir. Ohne Ausdruck musterte er mich, während ich erneut zu Serafino blickte. Dieser legte ein amüsiertes Lächeln auf und zeigte auf den Stuhl hinter mir.
"Setzen."
"Und wenn nicht?", entgegnete ich ihm, da packte der Handlanger plötzlich meine Schulter und wollte mich auf den Stuhl drücken. "Nicht anfassen!", warnte ich ihn und stieß ihn von mir. Er umfasste aber sofort wieder meine Schulter. Da ich mich eingeengt fühlte, kochte meine Wut hoch. Mein Blick schweifte runter zum Tisch. Das Messer des Hauptgangs fiel mir ins Auge. Ich zögerte nicht und schnappte es mir. "Wenn du mich nicht sofort los lässt, ramme ich dir dieses Messer direkt in die Kehle!"
Der Handlanger blickte zu Serafino, was ich ihm gleich tat. Dieser hob eine Augenbraue und machte mit seiner Hand eine Geste, woraufhin der Gorilla von mir abließ. Ich wandte mich direkt an Serafino, während ich das Messer anhob.
"Lass mich jetzt gehen, oder soll ich es dir in die Kehle rammen?" Provokant machte ich einige Schritte auf ihn zu. Er bleib jedoch sitzen, ohne auch nur den Anschein zu machen, so etwas wie Angst zu empfinden. Seine Augen lagen auf meinen. Sein Brustkorb hob und sank in einem beständigen Rhytmus.
"Du wirst mich nicht töten." Mit einem Grinsen auf den Lippen, faltete er seine Hände auf dem Tisch vor sich. Er lehnte sich etwas vor, um mich genaustens zu beobachten. Ohne auf seine dämliche Aussage einzugehen, schritt ich weiter auf ihn zu, bis ich genau vor ihm zum Stehen kam.
"Achja? Bist du dir da sicher?", hauchte ich leise, woraufhin er sich in seinem Stuhl wieder zurücklehnte.
"Ich bin mir noch nie bei etwas sicherer gewesen." Dieser Bastard brachte mich tatsächlich dazu, ein Schmunzeln aufzulegen. Er schätzte mich vollkommen falsch ein. Das war sein Fehler, nicht meiner.
Ruckartig lehnte ich mich über ihn. Mit einer Hand umfasste ich seine Schulter. Mit der anderen drückte ich die Klinge des Messers seitlich an seinen Kehlkopf.
"Denkst du immer noch, ich würde es nicht tun?"
Ich presste die Klinge noch fester an seine Haut. Er schluckte. Sah weiterhin ohne jegliche Emotion zu mir auf. Fasziniert beobachtete ich, wie die scharfe Klinge bereits seine Haut zerschnitt. Eine ganz feine, rote Linie entstand.
"Ich denke es nicht", flüsterte er, wonach ich meinen Blick von seinem Hals nahm und wieder in sein Gesicht richtete. "Ich weiß, dass du es nicht tust."
Meine Hand begann zu zittern, doch ich ließ nicht von ihm ab. Innerlich zog ich die Klinge bereits seinen Kehlkopf entlang, um ihm beim Sterben zuzusehen. Äußerlich stand ich gelähmt da. Ich konnte es nicht. Nicht, weil ich Angst hatte ihn zu töten. Es ging um mich. Ich würde nie wieder nach Hause kommen, sollte ich diesen Bastard töten.
Während Serafino weiterhin ruhig da saß und zu mir aufsah, blickte ich zur Seite zum finsteren Strand. Mehrere Wachmänner blickten neugierig zu uns. Sie waren bereit, mich zu erledigen, sollte ich auch nur eine falsche Bewegung machen. Da ich meine Eltern wiedersehen und mein Leben nicht leichtsinnig beenden wollte, löste ich meinen Griff um Serafinos Schulter. Auch das Messer zog ich zurück, um es wütend zu Boden zu schmeißen.
"Ich wusste es", sprach Serafino, doch ich ignorierte ihn und lief zurück zu meinem Stuhl, um mit Magenschmerzen Platz zu nehmen. Kaum trafen sich unsere Blicke wieder, wünschte ich, es doch getan zu haben. Sollte es doch mein Leben kosten. Hauptsache diesem Bastard würde sein Grinsen vergehen.
"Du weißt gar nichts."
Schweigend sah ich einer Haushälterin zu, die aus dem Haus kam und ein neues Messer an meinen Teller legte. Anschließend verteilte sie von allem etwas auf unseren Tellern. Keinen Finger musste ich rühren, genauso wenig wie Serafino.
Es stresste mich unglaublich, dass er die gesamte Zeit über nur mich ansah. Er war aufdringlich. Kaum auszuhalten. Ich wich ihm deswegen aus und nahm den dunklen Himmel über uns ins Visier.
"Probier den Wein", hörte ich seine Stimme und verdrehte meine Augen, ehe ich wieder zu ihm blickte. Er nickte der Frau neben uns zu, die mir einen Schluck Rotwein in mein Glas goss.
"Ich trinke keinen Wein."
"Du trinkst Wein", entgegnete er mir und da ich einfach nur meine Ruhe wollte, probierte ich einen Schluck und legte ein fieses Grinsen auf.
"Widerlich, genau wie du", beschrieb ich den Geschmack und stellte das Glas wieder ab. Serafino machte darauf eine Handbewegung und die Frau öffnete eine weitere Flasche.
"Probier den. Er wird dir gefallen."
"Wieso sollte er mir gefallen?"
"Er kommt aus der Türkei", lächelte er, doch ich spannte bereits wieder meinen gesamten Körper an. Wut und Hass drangen in meinen Verstand.
"Ich möchte keinen Wein!", zischte ich, um gleichzeitig mein Glas zur Hand zu nehmen. Ich warf es neben uns zu Boden, sodass die Frau einen Schritt zurückwich und ängstlich zu Boden starrte.
"Gut. Dann lass uns essen." Er nahm seine Gabel zur Hand und begann zu essen. Zu meiner Erleichterung ignorierte er mich, was ich ebenso bei ihm tat. Ich ließ es mir schmecken, da ich keine Ahnung hatte, wann ich erneut zu einer Mahlzeit kommen würde. Erst, als wir den Hauptgang hinter uns gebracht hatten, stand Serafino plötzlich auf und kam auf mich zu. Da ich das Gefühl bekam, er wolle mir etwas antun, wollte ich mich ebenfalls erheben. Er schüttelte jedoch kaum merklich den Kopf und lehnte sich genau vor mir an den Tisch.
"Mein Vater war kein schlechter Mensch", fing er an, wobei ich desinteressiert zu ihm aufsah. Seine Beine kamen leicht an meine, was ich aber über mich ergehen ließ. "Aber es waren schlechte Menschen, die ihn getötet haben. Getötet, um ihn dann wie ein Tier die Klippen runterzuschmeißen."
"Niemand tötet jemanden einfach so. Es gibt immer Gründe."
"Hattest du bei Madrisa Gründe?", fragte er, was meine Atmung zum stocken brachte. Wie lange ließ dieses Arschloch schon meine Familie beschatten. "Hattest du nicht", sprach er weiter und legte zwei Finger unter mein Kinn, um dieses etwas anzuheben. Sofort schlug ich seine Hand beiseite.
"Du sollst mich nicht anfassen!"
"Und wenn doch?!", wollte er mit kalter Stimme wissen und legte seine Finger erneut um mein Kinn, um mich nah vor sein Gesicht zu ziehen. "Denkst du, ich nehme Rücksicht darauf, dass du nicht angefasst werden willst? Denkst du, mein Vater wollte sterben?! Denkst du, meine Familie wollte sterben?!", wurde er lauter und drückte dabei fest zu, sodass ich vor Schmerz zischte. "Keiner von ihnen hat sein Schicksal gewählt. Deine Familie hat ihnen das auferlegt! Deine Mutter hat meinen Vater -"
"Halt den Mund!", wurde auch ich lauter. Ich schlug seine Hand weg und erhob mich, wodurch wir uns fast auf Augenhöhe befanden. "Meine Mutter würde niemals jemandem etwas antun!"
Er grinste plötzlich, was mich nur noch wütender machte.
"Es ist wirklich bedauerlich, wenn man bedenkt, wie du aufgewachsen bist und wie wenig du doch weißt."
"Ich weiß genug!"
"Nicht im Ansatz."
Wir fixierten uns voller Hass. Am liebsten wäre ich ihm an die Gurgel gesprungen. Er wandte sich jedoch schnell wieder von mir ab und lief zur Tür zurück, um an ihr nochmal mit dem Rücken zu mir inne zu halten.
"Zieh das Kleid aus. Du wirst in dein Zimmer gebracht."
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