36 | Gabel
Der nächste Morgen kam, doch ich blieb im Bett liegen. Ich beobachtete Serafino, der seelenruhig auf der Luftmatratze schlief.
Das mein Vater mir verboten hatte, Kontakt zu Ayaz zu halten, reizte mich extrem. Ich wollte rebellieren und erst Recht zu Ayaz Nähe wieder aufbauen. Doch ich hatte erstmal anderes zu tun.
Ich erhob meinen Oberkörper und schnappte mir meine kleine Wasserflasche vom Nachttisch, um diese gezielt an Serafinos Kopf zu werfen. Dieser erschrak und stöhnte vor Schmerz, was diesen Morgen für mich schon sehr viel schöner wirken ließ.
"Au! Fuck! Was soll das?!" Er setzte sich auf und starrte wütend zu mir. Ich zuckte mit meinen Schultern. An irgendjemanden musste ich ja meine Wut rauslassen.
"War ausversehen."
"Ausversehen also?", wiederholte er mich und rieb sich seine Schläfe, während ich mich aus dem Bett erhob. Ich wollte zu meinem Kleiderschrank laufen, da stolperte ich aber über etwas und knallte beinahe gegen meine Tür. Im letzten Moment konnte ich mich mit meinen Händen abstützen. Fassungslos drehte ich mich um und erkannte Serafinos Bein, dass er mir mit Absicht gestellt hatte.
"Sehr erwachsen", kommentierte ich seine Aktion, woraufhin er zur Wasserflasche nickte.
"Das kann ich nur zurückgeben."
Meine Augen verdrehend, öffnete ich meinen Schrank und schnappte mir eine schwarze Jeans und ein rotes Tanktop.
"Was hat dein Vater mit dir besprochen?", hörte ich Serafino hinter mir. Als ich flüchtig zu ihm sah, stand er bereits und streckte sich einzig mit einer Boxershort am Körper.
"Ekelhaft", entkam es mir, wobei ich auf seinen Oberkörper zeigte. "Kannst du dir nicht etwas anziehen, um mir diesen Anblick zu ersparen?"
"Ich mache dir einen Vorschlag." Mit einem Grinsen hob er sein Shirt vom Boden auf. Anschließend trafen seine Augen auf meine. "Umso mehr ich nachts anziehe, umso weniger trägst du am Körper."
"Gut, dann schlaf von mir aus nackt, Arschloch!"
Ich wandte mich von ihm ab und verließ mein Zimmer. Sein dämliches Lachen machte mich wütend, sodass ich meine Tür hinter mir schloss. Kopfschüttelnd wollte ich zum Badezimmer, da hörte ich jedoch die Stimmen meiner Eltern aus dem Schlafzimmer heraus. Neugierig stellte ich mich vor die verschlossene Tür, um zu lauschen.
Du kannst ihr doch den Kontakt zu ihm nicht verbieten. Es sollte ihre Entscheidung sein, regte meine Mutter sich auf. Was mein Vater aber dann sagte, war für mich wesentlich interessanter. .
Ai, Anatra. Ich kenne sie. Umso mehr ich mich gegen Ayaz ausspreche, desto mehr wird sie rebellieren. Glaub mir, bald schon wird sie wieder in seine Arme wollen, alleine aus Trotz mir gegenüber. Sobald das passiert, kümmere ich mich um Serafino.
Also hast du nichts gegen ihre Beziehung?
Die Stimme meiner Mutter wirkte verblüfft, genau wie ich mich fühlte. Gespannt wartete ich auf seine Antwort.
Ich habe gegen jeden Mann etwas, der ihr zu nah kommt. Erst Recht, wenn er verheiratet ist. Solange er seine Ehe nicht auflöst, werde ich ihn auch nicht akzeptieren. Aber er ist mir lieber, als diese ganzen Idiotas, die sie sonst so angeschleppt hat.
Mit geweiteten Augen starrte ich die Tür an. Mein Vater hatte im Grunde nichts gegen Ayaz. Ihm ging es nur darum, dass er verheiratet war. Vermutlich aus dem Grund, weil er selbst wusste, wie es war, betrogen zu werden.
Eilig verschwand ich den Flur entlang und machte mich im Badezimmer für den Tag fertig. Es dauerte nicht lange, da suchte ich das Wohnzimmer auf, indem Enzo am Esstisch saß, während meine Brüder Playstation spielten.
"Guten Morgen", sprach ich laut in den offenen Raum. Enzo lächelte mir entgegen und rückte den Stuhl neben sich so, dass ich Platz nehmen konnte. Er legte die Zeitung beiseite und reichte mir ein Brötchen aus einem der Körbchen.
"Guten Morgen", erwiderte er mir. "Wie geht es dir?"
"Ganz gut", antwortete ich und schnitt mir das Brötchen auf. Mein Blick fiel dabei zur Fensterfront heraus zum Poolhaus. "Wann kommt Cecilio wieder?"
"Das weiß ich nicht", meinte mein Opa und sah ebenfalls kurz raus. "Wir wissen nicht mal, wo er hin ist."
"Vielleicht hatte er einfach keine Lust mehr auf den ganzen Stress hier." Malino kam an den Tisch und ließ sich mir gegenüber nieder. "Hätte ich genug Kohle, würde ich nach Hawaii fliegen und die Füße hochlegen."
"Dein Onkel würde uns niemals zurücklassen. Erst Recht nicht, wenn sich ein Bianchi in unserem Haus befindet", erklärte mein Opa und legte dabei plötzlich ein Lächeln auf. "Er hat sicher etwas wichtiges zu tun und ist schneller wieder da, als wir es begreifen können."
Wir frühstückten in Ruhe. Nach und nach kamen auch Elio, Antonio, Adamo und Stella an den Tisch. Meine Mutter erschien nur kurz, um uns bescheid zu sagen, dass sie sich mit Jennifer treffen und dann zum Rathaus fahren würde.
"Das ist echt spannend." Adamo verschränkte seine Arme und nickte zum Hausflur. "Immer wenn Serafino und Gino alleine oben sind, hab ich das Gefühl, gleich ein paar abgeschnittene Eier die Treppe runter purzeln zu sehen."
"Adamo!", mahnte mein Opa, doch dieser lachte nur und trank einen Schluck seines Orangensaftes. Auch Stella nahm ihr Glas, verzog aber ihr Gesicht, als sie daran roch.
"Ist der noch gut? Das riecht nach-"
"Wodka. Ist meiner." Adamo tauschte die Gläser, woraufhin Stella grinste. Mein Opa schüttelte den Kopf mit einem genervten Ausdruck. Ich amüsierte mich, genau wie meine Brüder. Adamo war mit Abstand der lustigste meiner Onkel. Auch wenn er sich eher verhielt, als wäre er in meinem Alter.
"Ich wünsche einen wunderschönen guten Morgen, Familia." Ich drehte mich nicht einmal zu Serafino um. Stattdessen sah ich zu meinem Opa. Er starrte auf seine Zeitung, wobei ich das Zittern seiner Hände bemerkte. Sicher ausgelöst vom Erscheinen meines Ehemannes.
"Kein Wunder, dass du eine neue Familie suchst", kam es von Adamo, der sich zurücklehnte und Serafino provokant musterte. "Immerhin haben wir deine Inzest Bastard Familie beinahe vollends ausgelöscht."
"Adamo", erwiderte Serafino ihm und nahm dabei ihm gegenüber Platz. "Entschuldige, aber bist du nicht eher der Typ dafür, dabei zu sein und scheiße zu labern. Ich glaube kaum, dass du überhaupt schießen kannst, wenn du immer damit beschäftigt bist, Nutten zu ficken."
Adamo lachte dreckig auf und lehnte sich wieder nach vorne.
"Du hast Recht. Dabei sein ist alles. Schade, dass ich nicht dabei war, als Ludo deinem Vater den Gnadenstoß gegeben hat. Er war sicher gut im Eier lutschen."
"Sicher nicht so gut Teddy."
Kaum hatte Serafino diese Worte ausgesprochen, sprang Adamo auf und nahm sich eine Gabel vom Tisch. Auch Serafino erhob sich, während wir anderen alle nervös die Situation beobachteten.
Adamo lief um den Tisch und wollte gerade die Gabel in Serafinos Seite rammen, da wich dieser aus und verdrehte Adamo den Arm. Er holte allerdings mit den Kopf aus und schlug diesen seitlich in Serafinos Gesicht. Sie Gabel fiel in dem Gerangel zu Boden.
"Padre!" Stella wollte schlichten und lief auf die Beiden zu. Malino hielt sie jedoch zurück. Elio schnappte sich Antonio und hob ihn auf seine Arme, um ihn aus der Situation zu nehmen. Sie verließen das Wohnzimmer und suchten den Garten auf.
"Du hässliches Stück scheiße!", schrie Adamo und bückte sich nach der Gabel, die er mit voller Wucht in Serafinos Oberschenkel rammte. Dieser schrie auf und schubste Adamo von sich. Ich schüttelte meinen Kopf und wandte meinen Blick zu Enzo. Dieser wirkte schlagartig leichenblass. Seine großen Augen trafen auf meine und er öffnete seine Lippen, um etwas zu sagen. Es kam jedoch kein Ton von ihm. Ich riss schockiert meine Augen auf und sprang auf, als er sich schweratmend an die Brust fasste.
"Opa!", entkam es mir panisch, wodurch die Aufmerksamkeit aller auf mich gelenkt wurde. Malino und Stella eilten genau wie ich zu Enzo. Dieser wank zwar ab, doch ich wusste, wie ernst die Lage war.
"Frische Luft", keuchte er und ich half ihm mit Hilfe von Malino auf, um ihn zur Terrassentür zu führen. Dort angekommen öffneten wir sie, sodass mein Opa einige Male tief durchatmen konnte.
"Stella. Komm mal bitte." Sie kam an meine Seite und hakte sich statt mir an Enzos Arm ein. Ich lief wütend zu Adamo und Serafino, die zwar aufgehört hatten, sich zu prügeln, aber immer noch bereit für den nächsten Schlag aussahen. "Habt ihr beide den Verstand verloren?!", brüllte ich sauer, da zog Serafino die Gabel aus seinem Oberschenkel. Er sagte nichts. Legte sie schweigend auf den Tisch neben uns.
"Ich den Verstand verloren?", regte Adamo sich auf. "Wir sollten den Bastard töten!"
"Nein!", widersprach ich Adamo. Er sah jedoch nicht so aus, als würde er mich ernst nehmen. Seine Augenbraue hob sich. "Das einzige, was du erreichst hast, ist, dass es Opa schlecht geht! Das Schlimmste daran ist, dass du sogar noch angefangen hast! Lass es gut sein!"
"Sie hat Recht." Mein Blick fiel zur Seite, wo ich meinen Vater erkannte. Er trat neben mich und nahm Adamo warnend ins Visier, ohne Serafino eines Blickes zu würdigen. "Wir fahren jetzt."
Adamo nickte und stieß Serafino noch an der Schulter, als er an diesem vorbei lief. Mein Vater ließ mich stehen, ohne ein Wort zu sagen und lief stattdessen zu Enzo. Ich folgte ihm mit meinen Blicken und war heilfroh, dass mein Opa wieder etwas Farbe ins Gesicht bekam.
"Du weißt, dass er angefangen hat. Trotzdem bist du wieder sauer auf mich, oder?", sprach Serafino hinter mir leise. Ich drehte mich zu ihm.
"Lass es gut sein. Ich hab andere Sorgen als dich."
Auch ich ließ ihn stehen und kümmerte mich um meinen Opa. Wir machten es uns im Garten auf den Liegen bequem, sodass nur noch Serafino im Wohnzimmer blieb. Mein Vater nahm mit Adamo auch noch Malino mit. Wohin sie fuhren, wusste ich nicht. Es war mir aber auch nicht wichtig.
"Es geht schon wieder." Enzo täschelte Elios Hand, der die gesamte Zeit neben ihm saß. Stella und ich standen nervös vor ihnen, während Antonio im hinteren Garten schaukelte. Es beruhigte mich zwar für den Moment, dass es Enzo besser ging. Bei dieser Familie war es aber nur eine Frage der Zeit bis zur nächsten Eskalation.
"Sicher? Du sollstest dich noch ausruhen."
"Ja, sicher", gab Enzo Elio zurück und erhob sich so schnell, dass ich bereits einen Schritt nach vorne machte, um ihn aufzufangen, falls etwas wäre. Er lächelte jedoch nur und sah fragend zu Elio herab. "Ich würde gerne zum Friedhof, um eure Großmutter zu besuchen. Würdest du mich begleiten?"
"Ja, natürlich", erwiderte Elio ihm, da fiel der Blick meines Opas nochmal zu mir.
"Yavuz steht vor der Tür, falls etwas sein sollte."
"Wir kommen bestens alleine klar, oder?" Ich richtete meine Augen auf Stella neben mir, die zustimmend nickte und ein gespieltes Lächeln auflegte.
"Sicher doch."
Die beiden liefen über den Steinboden zur Terassentür, woraufhin ich mich vor Stella stellte. Ich musterte sie und konnte nicht vermeiden, ihnen Bauch kurz ins Visier zu nehmen. Sie bemerkte es und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Wahrscheinlich fühlte sie sich unwohl. Ich wollte trotzdem nochmal mit ihr über alles reden.
"Willst du wirklich nicht nochmal darüber mit deinem Vater reden? Ich meine, ich verstehe dich, aber ich will nur, dass du dir zu hundert Prozent sicher bist."
"Ich bin mir mehr als sicher", erklärte Stella und ich ließ es mir nicht nehmen, sie fest in meine Arme zu schließen. Sie erwiderte die Umarmung und wir standen sicher lange Sekunden nur so da und genossen die Nähe und Vertrautheit.
"Wer hätte vor einigen Wochen gedacht, dass wir so enden würden", flüsterte sie über meine Schulter hinweg, da löste ich mich von ihr. Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände und legte ein aufmunterndes Lächeln auf.
"Wir enden noch lange nicht." Ich versuchte ihr Mut zu machen und blickte anschließend zur Fensterfront neben uns. Da die Sonne aber blendete, erkannte ich nur unser Spiegelbild. Ich drehte Stella an ihrer Schulter zum Fenster und legte meinen Arm um ihre Hüfte. "Merk dir diesen Anblick und glaub mir, dass wir irgendwann genau hier stehen und alles Schlechte hinter uns gebracht haben. Vertrau mir. Ich lasse nie wieder zu, dass dir sowas passiert."
Sie nickte betrübt, doch ich erkannte ein klitzekleines Lächeln auf ihren Lippen. Dies bewies mir, dass auch sie es überwinden würde, egal wie schwer es ihr vorkam.
"Kann ich dir denn irgendwie helfen?", wollte sie schließlich wissen, da schüttelte ich den Kopf.
"Ich kriege das hin. Immerhin bin ich mit Idioten aufgewachsen und wenn ich mit Malino fertig werde, dann auch mit Serafino."
Stella konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ich schubste sie leicht mit meiner Schulter an und lachte auf, bis die Terassentür aufging und Serafino zu uns rauskam.
"Hat eine Gabel dir nicht gereicht?", fragte ich amüsiert nach, da humpelte er auf mich zu, um sich neben uns auf der Liege niederzulassen.
"Verarztest du mich?"
"Du kannst mich mal", erwiderte ich ihm, da sah er an mir vorbei zu Antonio. Ich folgte seinem Blick, um anschließend in seine Augen zu sehen. Er wirkte ruhig und kalt. Fast so, als würde er gerade etwas gedanklich planen, was mir ein ungutes Gefühl im Magen auslöste. "Ich hole mal den Verbandskasten. Toni! Komm mit nach drinnen!"
Stella und Antonio folgten mir nach innen. Als ich dann das Büro aufsuchte, erklärte Stella, sich oben ausruhen zu wollen. Ich ließ ihr Ruhe und schickte auch Antonio in sein Zimmer. Alleine mit Verbandkasten machte ich mich wieder auf den Weg in den sonnigen Garten. Serafino hatte bereits seine Hose ausgezogen, sodass ich die blutende Wunde an seinem Oberschenkel erkennen konnte.
"Wenn du dich weiterhin täglich prügeln willst, nur zu. Aber glaub nicht, dass ich deine scheiß Krankenschwester bin." Ich ließ mich auf der Kante der Liege nieder und nahm etwas von dem Desinfektionsmittel, um es ihm auf die Wunde zu sprühen. Er verkrampfte, was mich amüsierte.
"Du fügst mir gerne Schmerzen zu. Also nur zu. Solange ich mich schlage, bringe ich meine Frau zum Lächeln. Das ist es mir wert."
Sofort drückte ich meine Finger in seine Wunde. Er umfasste mein Handgelenk und zischte, doch ich drückte meine Finger nur noch fester in seine offene Haut.
"Ich bin nicht deine Frau und ich werde es nie sein! Du bist Schuld, dass mein Opa beinahe einen Herzinfarkt bekommen hat und glaub mir, passiert einem aus meiner Familie etwas, ramme ich dir die nächste Gabel genau in deinen Hinterkopf!"
"Adamo", zischte Serafino. Ich ließ seine Wunde los und nahm mir einen kleinen Verband aus dem Kasten. "Er hat abgefangen. Das siehst du aber wieder nicht. Außerdem weißt du ganz genau, wie es läuft. Machst du das, was ich verlange, brauchst du niemals Angst haben, jemandem passiert etwas." Er lehnte sich vor und hob sein Bein leicht an, sodass ich den Verband drumlegen konnte. "Aber Nives", fügte er noch hinzu, wodurch ich ihn erneut ins Visier nahm. "Merke ich, dass du etwas gegen mich planst, wirst du es bitter bereuen."
"Ich plane dich seit Tag 1 umzubringen. Bereue ich jetzt etwas? Willst du mir wieder ein Bein stellen?"
Er lachte, woraufhin ich den Verband losließ. Ich wandte mich von ihm ab und packte alles wieder zusammen. Anschließend nahm ich neben ihm auf einer der anderen Liegen Platz und machte es mir bequem. Solange keiner der Erwachsenen zu Hause war, würde ich Serafino nicht aus den Augen lassen. Wir verbrachten den Vormittag also schweigend am Pool, bis ich die Stimme meiner Mutter aus dem Wohnzimmer hörte und wusste, es wäre Zeit fürs Mittagessen. Ich wollte mich gerade erheben, da hörte ich aber ebenfalls Ayaz Stimme und erstarrte.
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