25 | Wahrheit
Elegant stellte ich mich vor Serafino auf. Er spuckte noch einmal Blut, um anschließend zu mir aufzusehen. Trotz der Verletzungen legte er ein amüsiertes Lächeln auf. Dies zeigte mir zu gut, dass er immer noch an seinem Plan festhielt. Er empfand keine Angst, da es ein Papier gab, das ihn vor dem sicheren Tod bewahrte.
"Ich habe gehofft, du würdest mit mir alleine sein wollen", sprach er und nickte kaum merklich zu meinem Vater, der neben mir an der Wand lehnte. "Schick ihn weg und wir können wieder zusammen spielen. Du willst es doch auch."
"Du verfickter-", wurde mein Vater lauter. Er wollte auf ihn zu, jedoch hob ich meine Hand und blickte mahnend zu ihm rüber.
"Mein Kampf", erklärte ich erneut, woraufhin mein Vater zwar in seiner Bewegung stoppte, allerdings immer noch bereit dazu wirkte, das Messer mitten in Serafinos Herz zu bohren. Sicher kostete es ihn alle Selbstbeherrschung, sich in dieser Situation rauszuhalten. Doch er wusste ebenso, dass er es tun musste. Sonst würde ich mich nie weiter entwickeln können. "Wir haben lange genug gespielt", gab ich Serafino selbstbewusst zurück . Anschließend ging ich auf ihn zu, um meine Finger sanft unter sein Kinn zu legen. Ich hob seinen Kopf an, sodass er mir genau in meine Augen sehen musste. "Jetzt wird es Ernst, liebster Ehemann."
Während ich die Präsenz meines Vaters hinter mir spürte, durchflossen mich verschiedene Gefühle beim Anblick von Serafino. Einerseits wollte ich ihm wehtun. Ihm unendliche Schmerzen dafür zufügen, mich aus meinem Leben gerissen und mich zur Frau genommen zu haben. Andererseits versuchte ich mich in ihn hineinzuversetzen. Er kämpfte für eine Sache, für die ich ebenso kämpfen würde. Nur war seine Wahrheit eine große Lüge.
"Du hattest Recht", begann ich und hob sein Kinn noch etwas weiter an. Vorsichtig fuhr ich mit meinem Daumen über die lange Schnittwunde auf seiner Wange. Er zischte, als ich fester zudrückte, sodass ich damit aufhörte. "Meine Mutter hat deinen Vater wirklich getötet, doch nicht grundlos und kaltblütig, so wie du es behauptet hast."
"Ach ja?", entkam es ihm mit bebender Stimme. "Du willst mir also jetzt erklären, dass es gerechtfertigt war?"
"Ja", stimmte ich zu, doch er riss seinen Kopf zur Seite und lachte auf, als hätte ich einen schlechten Witz erzählt.
"Manipulativ..." Er spuckte mir diese Worte grinsend entgegen, um anschließend noch meinen Vater wütend ins Visier zu nehmen. "Ihr alle seid Marionetten und denkt, ihr würdet euren Ruf selbst bestimmen können. Doch er eilt euch voraus!"
Mein Vater trat neben mich und blickte genau wie ich herab zu Serafino.
"Ich weiß, warum der Krieg zwischen unseren Familien angefangen hat. Ich weiß alles", erklärte er mit dunkler Stimme, aus der ich reinsten Wahnsinn heraus hörte. "War es nicht so, dass du als Erster Blut vergossen hast?" Er nahm meinen Vater ins Visier, der dazu aber kein Wort sagte. Er starrte Serafino ausdruckslos an und umfasste das Messer in seiner Hand fester. "Du hast meine Tante getötet. Ihr einen sauberen Kopfschuss verpasst. Darauf folgte mein Onkel Aldo. Ihr dachtet wohl, ihr wärt unbesiegbar, doch Mauro hat das Gegenteil bewiesen."
"Du bist ein toter Mann, du Bastard!" Mein Vater wollte auf ihn los, doch ich stellte mich dazwischen und blickte wütend zu ihm auf.
"Lass ihn ausreden!"
"Nives! Geh mir aus dem Weg!"
"Nein", setzte ich mahnend nach. Mein Vater bebte vor Zorn, doch ich schüttelte auf seinen Blick hin den Kopf. "Ich möchte seine Sicht der Dinge hören. Entweder hörst du ihm zu, oder du gehst."
Er atmete tief durch, da sprach Serafino hinter mir weiter. Natürlich provozierte er meinen Vater, denn ihm konnte es egal sein, getötet zu werden. So oder so, würden wir bestraft werden und leiden. Ob er mein Ehemann blieb - oder ob wir eine Blutrache durchleben müssten. Er hatte gewonnen. Schach Matt.
"Weißt du, warum dein Vater meine Tante erschossen hat?" Mein Blick schweifte zurück zu Serafino. Ein finsteres Grinsen legte sich auf seine Lippen. Ich starrte ihn abwartend an, während mein Vater erneut auf ihn zu wollte.
"Halt bloß deine Fresse!", warnte er, jedoch ließ Serafino sich nicht abhalten.
"Sie wurde erschossen, weil sie den Mann geliebt hat, der eine Affäre mit deiner Mutter hatte."
Mein Vater holte aus und gab Serafino einen Schlag in den Magen. Ich riss ihn am Arm zurück.
"Hör endlich auf!", schrie ich, doch er boxte erneut in seine Seite.
"Was ist hier los?" Cecilio kam zu uns in den Keller. Hilfesuchend blickte ich zu ihm. Er starrte uns für einen Moment an, um die Situation einzuschätzen. Erkannte dabei, dass ich meinen Vater von Serafino losreißen wollte, da dieser immer wieder auf ihn einschlug. Als er verstand, was genau vor sich ging, trat er sofort an uns heran. "Gino!", entkam es ihm, ehe er mir half, meinen Vater zurückzuziehen. "Es reicht!"
Er umfasste die Arme meines Vaters, wodurch das Messer zu Boden fiel. Anschließend zog er ihn einige Schritte von Serafino weg. Dieser lachte auf, obwohl ihm Blut aus dem Mund tropfte.
"Diesen Krieg hat dein Vater angefangen, Nives. Und das nur, weil deine Mutter Dario zuerst gefickt hat."
"Ich bringe dich um!", brüllte mein Vater, während ich nicht glauben konnte, was Serafino da sagte. Cecilio riss meinen Vater mit sich weiter weg, doch dieser wehrte sich und konnte sich noch einmal befreien. Er wollte sich wütend nach dem Messer bücken, doch ich handelte schneller als er und nahm es an mich, um es hinter meinem Rücken zu verstecken.
"Gib mir das Messer!", verlangte er und sah mich so zornig an, dass ich einen Schritt zurückwich. So hatte ich ihn wirklich noch nie gesehen. "Gib es mir und das Alles hat ein Ende! Ich bringe erst ihn um und danach jeden einzelnen Bastard der vorhat unserer Familie zu schaden!"
Mein Blick fiel flüchtig an meinem Vater vorbei. Ich sah genau in Ceis Augen. Er nickte kaum merklich, woraufhin auch ich nickte. Wir verstanden uns in dem Moment blind und er packte sich erneut meinen Vater, um ihn mit Gewalt mit sich aus dem Keller zu ziehen.
"Cei! Lass mich sofort los!", hörte ich meinen Vater brüllen, doch Cecilio ließ ihn nicht mehr los, sodass ich mich kurze Zeit darauf alleine mit Serafino in diesem Keller befand.
"Endlich sind wir alleine", entkam es Serafino röchelnd, der sich auf dem Stuhl nach vorne beugte. Er sah zu Boden und hustete, während er immer wieder schmerzverzerrt aufstöhnte.
"Und das war dein Ziel? Deswegen musstest du meinen Vater so provozieren? Nur, um mit mir alleine zu sein?"
"Ich will nur, dass du die ganze Wahrheit erfährst."
"Deine Wahrheit ist nicht meine Wahrheit."
"Es gibt nur eine Wahrheit, und die lässt deine Familie echt schlecht dastehen."
"Also willst du mir erzählen, dass meine Mutter etwas mit Dario hatte? Das soll ich dir glauben?"
"Frag sie, wenn du mir nicht glaubst. Ich bin nicht derjenige, der Geheimnisse vor dir hat, so wie jeder andere."
"Ich glaube dir nicht. Meine Mutter, sie würde niemals meinen Vater betrügen."
"Vielleicht heute nicht mehr. Damals war sie aber eine seiner Nutten." Fassungslos weiteten sich meine Augen bei seiner Offenbarung. Ich versuchte zu verstecken, wie sehr es mich schockierte. Es gelang mir jedoch nicht. Immer weitere Fragen breiteten sich in meinem Verstand aus und keine einzige schien mehr Sinn zu ergeben. Meine gesamte Vergangenheit wurde von ihm in Wanken gebracht. Kaum vorstellbar, was er erzählte und doch, hatte er keinen Grund mich zu belügen.
Ich drehte mich von ihm weg und überdachte alles, was ich je von meiner Mutter über meine Kindheit erfahren hatte. Sie behauptete, meinen Vater beim Einkaufen kennengelernt zu haben. Serafino gab mir eine neue Auffassung ihrer Ehe. Alles gelogen. Meine Erinnerungen lösten sich in Rauch auf. Da gab es so vieles, das keinerlei Sinn ergab. Wieso nur, ließen sie mich so lange mit solchen Lügen aufwachsen? Um mich zu schützen? Vor was? Vor der Wahrheit, die ihrer Meinung nach sowieso keine Rolle mehr in der Zukunft spielen würde. Doch sie holte uns ein. Ihre Vergangenheit schickte mich in eine Ehe, die mich noch sehr viel mehr, als nur eine Unterschrift kosten würde.
"Ich würde dich niemals belügen."
"Sei still", warnte ich Serafino, ohne ihn dabei anzusehen. Weiterhin stand ich mit dem Rücken zu ihm da und starrte an die graue, kahle Wand vor mir.
"Niemals würde ich vor dir Geheimnisse haben."
"Du sollst leise sein! Hör auf zu reden!"
"Ich verheimliche dir meine Vergangenheit nicht! Ich hab dir alles offen gelegt und habe weder eine heimliche Ehefrau, noch lasse ich mich von kleinen Mädchen erpressen, wodurch du ihn Gefahr geraten würdest! Nichts von mir ist vorgespielt!"
"Serafino!", entkam es mir überfordert. Ich wandte mich wieder ihm zu und sah herab in seine Augen, die meine gefangen hielten. "Kein Wort mehr! Ich will kein Wort mehr hören!"
"Du musst es aber hören!", erwiderte er mir. "Du denkst ich bin der Böse? Nein, das bin ich nicht! Ich habe dich nicht angefasst. Habe dir nicht wehgetan. Niemals würde ich dich in einem Keller festbinden und foltern. Auch deinen Bruder habe ich gehen gelassen. Merkst du nicht, dass ich nicht so gnadenlos handle, wie deine Familie? Sie haben meinen Vater getötet! Sie haben-"
"Dein ach so toller Vater hat meine Mutter vergewaltigt! Wusstest du auch davon?!"
"Niemals", widersprach er mir. "Das sind Lügen! Lügen, um ihre Gewalt zu rechtfertigen! Meine ganze Familie ist gestorben wegen deinen Eltern. Weil dein Vater keine Grenzen kennt. Genauso wenig wie dein Onkel, der nicht nur meine Familie, sondern auch seine drei Ehefrauen hingerichtet hat. Das ist es, was ihn ausmacht. Wusstet du, dass er seiner eigenen Mutter das Herz rausgerissen hat?! Man hört so einiges, wenn man in unseren Kreisen Nachforschungen über die Familie Mancini anstellt."
"Du bist ein dreckiger Lügner!"
"Ach, ist das so?" Seine Augen funkelten gefährlich auf. Er nickt kaum merklich zum Gang neben uns, der nach draußen führte. "Geh. Frag deine Eltern und dein Onkel nach der Wahrheit. Ich warte hier mit einem reinen Gewissen, denn ich weiß, dass ich die Vergangenheit im richtigen Licht sehe. Ich lasse mich nicht blenden, denn ich bin kein kleines Mädchen, das durch die Besessenheit zu ihrem Vater alles andere ausblendet."
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