Kapitel 30
Der erste Arbeitstag
Dann erlebten sie zum ersten Mal den Alltag.
Zwei müde Gestalten mit strahlenden Augen trafen sich im Bad, in der Küche, schafften es, sich lachend zwei Tassen Kaffee zu machen, zwei Brote zu schmieren.
Immer noch erst halb wach setzten sie sich in ihre Autos und fuhren hintereinander her bis zur Stadtgrenze, von da an in entgegengesetzte Richtungen.
Stefan, Alinas Assistent, schaltete das Licht aus. „Du strahlst genug! Da können wir Strom sparen!"
Er sah sie liebevoll an. „Noch immer der Gedack?"
Ihm waren schon Gerüchte zu Ohren gekommen von den beiden Cracks, zwischen denen ordentlich die Funken gesprüht hatten.
„Yep!" antwortete sie.
„Und der Typ aus dem Autohaus?"
In einer schwachen Minute hatte sie ihm in der Cafeteria von ihrem Abenteuer erzählt.
Nicht im Detail, nur in Andeutungen, aber er hatte mit seinen feinen Antennen für Gefühle schon gespürt, dass sie wegen des jungen Mannes hin und wieder geistig etwas abwesend gewesen war.
Doch dann hatte natürlich Dr. Gedack sie auf andere Gedanken gebracht.
Sie lachte laut, und er sah sie verwundert an.
„Das ist doch Ein- und Derselbe!" prustete sie.
„Wie jetzt? Muss ich das verstehen?" Stefan kam nicht mit.
„Der Autoverkäufer war Adrian Gedack! Seinem Vater gehört das Autohaus!" erklärte sie betont langsam.
Stefan ließ sich auf den Besucherstuhl fallen.
„Nein!" brachte er nur heraus.
„Doch!" bestätigte sie. „Und ich hatte nicht die geringste Ahnung, dass ich schon zwei Jahre mit ihm zusammenarbeite!"
Sie sah ihren Mitarbeiter streng an. „Aber das bleibt unter uns!"
Er wirkte direkt ein wenig beleidigt. „Alles, was du mir je erzählt hast, bleibt unter uns!"
Sie nahm ihn entschuldigend in die Arme. „Sorry! Aber du weißt doch, dass ich gute Kerle nicht gewohnt bin!" meinte sie entschuldigend.
Er schniefte theatralisch.
Auch von ihrer verkorksten Beziehung und Ehe hatte sie das eine oder andere angedeutet.
Er strahlte sie wieder mit seinen unglaublichen Augen, die so viele Frauenherzen zum Schmelzen brachten, an.
„Aber das wird sich jetzt schlagartig ändern!" war er sicher.
„Wenigstens eine Zeit lang!" stimmte sie halbherzig zu.
„Eine Zeit lang ist besser als nie!" antwortete er. „Eine Garantie gibt es sowieso nicht!"
Da meldete ihr Handy eine Textnachricht.
Sie musste lächeln, als sie den Absender las.
Noch immer stand da: Dr. Gedack, Entwicklung.
Doch der Text klang anders als vor dem Wochenende:
Hey, Baby! Die Werbeabteilung will uns beide heute Nachmittag sehen! Haben eine Überraschung, sagen sie. Ich hole dich gleich ab!
Lächelnd antwortete sie: Herr Dr. Gedack, ich bin des Autofahren mächtig. Vielleicht sollten Sie sich das endlich einmal merken!
Er: Das weiß ich nur zu gut! Aber so können wir vielleicht ein stilles Fleckchen finden und ein wenig rummachen!
Sie: In der Stadt? Am hellichten Tag? Du Lustmolch!
Er: Könnte sein, dass ich aus Versehen in die falsche Richtung fahre, bis zu einem sehr versteckten Parkplatz, du Lustmolchin! Zum Glück bin ich in fünf Minuten da! Meine Jeans bringt mich um!
Sie: Schreibst du im Auto? Das ist verboten und kann teuer werden!
Er: Ich fahre ein Auto, für das eine hochbegabte Informatikerin das Freisprech-Programm geschrieben hat, das wunderbar funktioniert!
Sie fuhr lachend ihren Computer herunter.
„Ich muss in die Werbeabteilung! Dr. Gedack holt mich ab!" erklärte sie Stefan und lief die Treppen hinunter, direkt in Adrians Arme.
„Na! Da hat es eine gewisse Schönheit aber eilig!" flüsterte er.
„Ich habe ein Date! Mit einem heißen Typen!" flüsterte sie zurück.
„Nicht gerade hilfreich!" stöhnte er und drückte gegen die Beule hinter seinem Reißverschluss. Der Kerl brachte ihn noch mal um!
Der Parkplatz, den er im Sinn hatte, war schnell erreicht, und doch schien die Fahrt unendlich lange zu dauern.
Auch das, was er als Rummachen bezeichnet hatte, dauerte länger als geplant.
Denn zuerst mussten sie sich unheimlich viel Zärtlichkeiten schenken, dann einen wilden Ritt hinlegen und sich zum Abschluss noch kräftig abschmusen.
„We are a little bit crazy!" erklärte sie lachend.
Ein Blick auf seine Uhr zeigte Adrian, dass sie schon eine Viertelstunde zu spät für den Termin dranwaren.
Wo war nur wieder die Zeit hingekommen?
„Sorry! Frau Dr. Arnheim musste noch etwas fertig machen!" entschuldigte sich Adrian beim Werbeteam.
Nämlich mich!
Nach allen Regeln der Kunst! fügte er in Gedanken dazu.
Dr. Lorenz schien Gedanken lesen zu können.
Vielleicht las er aber auch nur die Botschaften, die zwei verstrubbelte Haarschöpfe über strahlenden Augen und geschwollenen Lippen aussandten.
„Alles gut!" beruhigte er das Paar, das noch immer so tat, als wäre es keines.
Dann startete er voller Vorfreude die Spots, die sein Team aus den Aufnahmen des Vortrages der beiden zusammengeschnitten hatte und mit Werbeslogans unterlegt hatte.
Adrian war begeistert.
Alina war entsetzt.
„Was soll das?" fragte sie relativ scharf.
„Das ist die Werbekampagne, die demnächst auf allen Sendern laufen wird." erklärte Dr. Lorenz leicht verunsichert.
„Mit mir im Schlabbershirt und in Jeggins? Never ever!" Sie war stinksauer.
Alle Männerköpfe wandten sich ihr überrascht zu.
Die kluge Frau sah bezaubernd aus auf den Aufnahmen, sie kam vollkommen authentisch rüber, ihr hübsches Gesicht strahlte so überzeugend.
Ihre Kleidung war hipp und modern, stand ihr außerordentlich gut.
So manchem Mitarbeiter hatte sie schlaflose Nächte eingebracht!
Adrian verstand sie nicht so ganz.
„Willst du im kleinen Schwarzen und mit Highheels referieren? Das hier ist so natürlich, das bist zu hundert Prozent du, das ist glaubwürdig und echt! Außerdem siehst du entzückend aus!" Gut! Damit war das also auch raus, die Gerüchte waren bestätigt worden.
Alina sah ihn verunsichert an.
Er fand sie entzückend in Klamotten, für die die Ratte sie gelyncht hätte?
Okay! Damit hatte er sie natürlich!
Kurz sah sie die Ratte vor dem Fernseher sitzen, vielleicht mit der Tussi neben sich und ihr zuhören, wie sie mit Adrian das Modell vorstellte.
Er würde platzen!
Ihr Lächeln wurde breiter.
Ja!
Womöglich hatten die Typen recht!
Frauen mussten nicht immer durchgestylt und sexy auftreten.
Sie konnten auch im Schlabberlook überzeugend sein, wenn sie eine Message hatten!
„Na ja! Wenigsten sieht einer von uns beiden gut aus!" maulte sie noch ein wenig nach. „Dann machen wir das so! Ich bin sowieso in der Minderheit!"
Lautes Grölen und Trommeln belohnte sie für ihre Aussage.
Adrian wusste, dass ihr halbstreng gehütetes Geheimnis keines mehr war und küsste sie vor all den Werbefritzen.
Der Tumult wurde lauter, was ihn animierte, sie extra lange zu küssen.
Dr. Lorenz gab seinem Team das Zeichen, den Imbiss zu servieren.
„Langsam feiere ich mehr in dieser Firma als ich arbeite!" erklärte Alina so trocken, dass wieder alle lachen mussten.
Adrian ließ sie gar nicht mehr los, nicht, dass einer von diesen hippen Werbe-Typen sich Hoffnungen machte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro