Kapitel 24
Alina
Alina war zunächst froh, dass sie alleine war.
Sie schlüpfte in ihren bequemen Jogginganzug, ließ sich aufs Sofa fallen. Sie zappte durchs Fernsehprogramm, blieb an einem Liebensfilm hängen.
Eine wunderschöne Frau und ein eher durchschnittlicher Mann waren ziemlich heiß zugange.
Sie grinste.
Da hatte sie schon einen Hübscheren an Land gezogen.
Ihr Herz flatterte ein wenig, als sie die letzten Tage vorbeiziehen ließ.
Und plötzlich merkte sie, dass sie ihn vermisste!
Fuck!
So war das nicht geplant gewesen!
Ein Flirt!
Ein Sex-Abenteuer!
Eine Affäre!
Aber nichts mit Vermissen, Sehnsucht haben, auf Anrufe warten, enttäuscht sein!
Dafür hatte sie noch nicht die Kraft!
Sie musste auf Abstand gehen!
Durfte sich nicht gleich wieder so vereinnahmen lassen!
Warum klammerte er aber auch so?
Er war doch gar nicht der Typ dafür!
Was hatte er da in der Bar für Töne gespuckt!
Damit war sie aber eins zu eins einverstanden gewesen!
Das war ihr richtig für sich vorgekommen!
Aber, dass er dann mit zu Ben und Karen gekommen war, war eigentlich schon zu weit gegangen!
Das war ihre Familie, sie wollte einen lockeren Abend mit den beiden verbringen.
Doch andererseits war es auch schön gewesen, mit ihm zusammen zu lachen, seine bewundernden Blicke auf sich zu fühlen.
Aber was würde dann kommen, wenn sie nicht die Bremse anzog?
Kochen für den Herrn, Wäsche waschen, putzen?
Vorschriften, wie sie sich zu kleiden hatte?
Kritik an dem, was sie sagte?
Außerdem arbeiteten sie zusammen!
Das hatte sie noch gar nicht bis zum Ende durchdacht!
Wie sollte das in Zukunft ablaufen?
Sie merkte, dass der Film schon lange zu Ende war, rappelte sich hoch, um ins Bett zu gehen.
Doch an Schlaf war nicht zu denken!
Sie wälzte sich von links nach rechts, von rechts nach links, versuchte zu lesen, verstand keinen einzigen Satz, der da stand.
Da meldete ihr Handy eine Textnachricht.
Adrian
Adrian zwang sich, auf der Fahrt nicht an das schöne Mädchen zu denken. Er wollte sicher nach Hause kommen. Patrick war noch wach, war überrascht, dass der Bruder die Nacht zu Hause zu verbringen gedachte.
„Hat sie dich rausgeschmissen?" fragte er süffisant.
Adrian schüttelte nur den Kopf, verzog sich in sein Zimmer, ließ sich auf das unbequeme Bett fallen.
Es wurde wirklich Zeit, dass Monika auszog.
Er brauchte wieder seine eigenen vier Wände!
Er würde den freien Tag morgen gleich dafür nutzen.
Da klopfte es kurz, Patrick sah nach ihm.
Adrian verdrehte die Augen.
War er schon so ein Jammerlappen, dass sich der große Bruder Sorgen um ihn machte?
„Was ist?" biss er ihn an.
„Das wollte ich dich fragen!" erklärte Patrick.
„Nichts ist! Wir hatten einen schönen Abend, und dann bin ich gefahren. In beiderseitigem Einverständnis!" blaffte Adrian.
„Einen schönen Abend? Oder einen heißen?" Der Bruder war lästig!
„Einen schönen! Wir waren bei ihrem Bruder und seiner Frau! Sie haben eine goldige kleine Tochter!" berichtete Adrian und ahnte die Kommentare schon, die Patrick loslassen würde.
Deshab hob er abwehrend die Hände, um sich die zu ersparen.
„Ich weiß, dass ich mich anhöre wie ein verliebter Trottel! Vielleicht bin ich der ja auch! Aber es ist schwierig mit ihr. Sie hat eine verdammt toxische Beziehung hinter sich, kämpft im Moment um ihre Freiheit, braucht sie wohl auch dringend!"
Patrick hob die Augenbrauen.
Damit hatte er jetzt nicht gerechnet.
Sein Bruder war verliebt, gestand es sich sogar ein, aber sie hielt ihn auf Abstand.
Gut! Öfter Mal etwas Neues! Sonst war die Lage immer andersherum gewesen.
„Was bedeutet das für dich?" fragte er ganz ohne Spott.
Adrian zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung! Ich muss ihr halt die Sicherheit geben, dass ich sie nicht verarsche! Dass ich nicht bin wie er war! Ich muss ihr halt Zeit lassen!"
„Und das kannst du?" fragte Patrick.
„Ich weiß es nicht! Ich hoffe es!" antwortete Adrian leise. „Ich meine, es ist ja nicht so, dass ich leide, oder dass sie mich quälen will! Sie kämpft schon auch, das merke ich. Ich bedeute ihr etwas, da bin ich sicher. Aber ihre Scheidung war einen Tag, bevor ich sie das erste Mal getroffen habe!"
Wie so oft in den letzten Tagen raufte er sich die Haare. „Ich weiß auch nicht, wie lange das anhält, das Verliebtsein! Wenn es dann plötzlich vorbei ist? Wir arbeiten ja schließlich zusammen!"
Patrick hatte direkt Mitleid mit dem jüngeren Bruder. Zum Glück war ihm dieser Zustand bisher erspart geblieben.
„Und wenn ihr einfach Tag für Tag auf euch zukommen lasst?" schlug er vor. „Ich meine, in die Zukunft sehen kann kein Paar, wenn es sich aufeinander einlässt! Geht einfach Schritt für Schritt."
Adrian sah den Älteren dankbar an, dafür, dass er sich nicht lustig über ihn machte, dass er im Gegenteil versuchte, das Chaos in ihm beherrschbar zu machen.
Doch wirklich geholfen hatten die Worte des Bruders auch nicht.
Er fand einfach keinen Schlaf.
Er sehnte sich nach ihrem Lachen, sein Körper sehnte sich nach ihrem.
Es war ihm schon klar, dass ihre bisherigen Treffen sehr sex-lastig gewesen waren.
Er grinste bei diesem Ausdruck, der ihm da in den Kopf gekommen war.
Aber das war eben alles, was er bisher von Frauen gewollt hatte.
Etwas anderes kannte er nicht.
Das war langsam in ihm gewachsen, dieses neue Gefühl.
Und er musste erst lernen, damit umzugehen.
Sie mussten reden, reden, reden – das hatte er schon begriffen!
Heute hatten sie es doch schon ganz gut hingekriegt!
Er musste ihr Sicherheit geben!
Aber Sicherheit worauf?
Wenn er doch keine Ahnung hatte, wie stabil diese neuen Gefühle waren!
Hatte er das nicht schon einmal gedacht?
Seine Gedanken rasten im Kreis.
Doch wahrscheinlich hatte Patrick recht.
Unwillig musste er das zugeben.
Sie mussten Schritt für Schritt gehen - wenn sie ihm die Chance dazu gab.
Er würde ihr jetzt texten, ihre seine Überlegungen mitteilen, dann konnte sie entscheiden, wie sie damit umging.
Hallo, Süße. An Schlaf ist nicht zu denken, deshalb müssen ein paar Dinge einfach raus. Ich hoffe du liest das, und du denkst darüber nach. In der Bar habe ich ein paar blöde Dinge gesagt, die ich gerne ungesagt machen würde. Oder auch nicht! Ich bin ein wenig durcheinander, auch, weil ich nun deine Vergangenheit kenne. Ich verstehe deine Ängste besser, auch deinen Wunsch nach Freiheit und Freiraum. Aber dem konträr gegenüber steht eben mein Wunsch, dich zu sehen, dich um mich zu haben. Bisher war es immer andersherum, und ich muss lernen, damit umzugehen. Wenn ich dir nun verspreche, dich in keiner Weise zu bedrängen, nicht eingeschnappt zu sein, wenn du mich wegschickst oder einen Tag für dich willst, dich um absolute Ehrlichkeit in dieser Sache bitte, wärst du dann bereit, diesem „uns" und diesem „wir", das dir so Angst macht, einen Chance zu geben?
Wärst du bereit, mit mir Schritt für Schritt zu machen auf einem Weg, den wir beide nicht kennen?
Er drückte auf „Senden", ohne die Worte noch einmal zu lesen. Er wollte nicht an Formulierungen arbeiten, wollte ehrlich seine Gedanken erklären. Fast schlagartig schlief er ein, bekam nicht mit, dass sein Handy vibrierte.
Alina
Alina schnappte sich ihr Handy.
Es ging schon auf zwei Uhr zu.
Wer schrieb denn da noch eine Nachricht?
Atemlos las sie, was Adrian geschrieben hatte.
Einmal, zweimal, dreimal!
Dann hatte sie endlich realisiert, was er ihr hatte sagen wollen.
Dass es genau das war, was sie hatte hören bzw. lesen wollte.
Dass er sie besser verstanden hatte als sie sich selbst.
Dass er einen Ausweg gefunden hatte.
Ohne noch lange nachzudenken, schrieb sie nur zwei Buchstaben: Ja
Danach konnte sie ohne Problem einschlafen.
Am nächsten Morgen wachte sie nach einem erholsamen Schlaf auf.
Ein Blick in den Kühlschrank zeigte ihr, was sie schon vermutet hatte: Gähnende Leere.
Also fuhr sie zum Supermarkt, kaufte zum ersten Mal seit langen wieder einmal mit gutem Appetit Lebensmittel.
Sie ließ sich ihr Luxusfrühstück schmecken, duschte ausgiebig, goss die Tomaten und den Salat, wanderte unschlüssig durch ihren Garten, hielt Ausschau, ob jemand von den Nachbarn zu sehen war, der Zeit hätte, etwas mit ihr zu plaudern.
Doch alle schienen in der Arbeit zu sein. Sie ging ins Haus, spülte unwillig das Frühstücksgeschirr, schaltete den Fernseher ein und gleich wieder aus, blätterte durch die Tageszeitung, saugte das Erdgeschoß, schnappte sich das Buch, das recht spannend war, legte es zurück auf den Tisch, seufzte tief.
Wahrscheinlich sollte sie joggen gehen.
Heute war das Wetter ideal.
Ob Adrian auch so gerne lief wie sie?
Sie könnte ihn ja einfach mal anrufen.
Sie hatten gar nichts ausgemacht.
War das jetzt blöd, wenn sie sich gleich am nächsten Tag meldete?
Würde er falsche Schlüsse ziehen?
Womöglich, dass sie ihn vermisste?
Egal! Sie würde es einfach versuchen!
Würde ganz unverbindlich klingen, so wie man eben einen Freund fragte, ob er etwas mit ihr unternehmen wollte.
Bevor sie noch mehr Ausflüchte fand, wählte sie seinen Kontakt.
Er hatte die Nummer gestern bei ihr eingespeichert, hatte ein Selfie dazu gemacht, auf dem er wirklich verdammt gut getroffen war, verdammt gut aussah!
Eine Maschinenstimme meldete, dass der Teilnehmer in einem Gespräch sei, dass sie aber gerne eine Nachricht hinterlassen konnte.
Bevor sie der Mut verließ, sagte sie so lässig wie möglich: „Hallo, Alina hier! Ich hätte Lust zu joggen! Läufst du auch?"
Nur Sekunden später hörte sie eine eigene Nachricht ab, lachte laut los.
„Hallo, Baby! Adrian hier! Ich hätte Lust zu joggen, vielleicht rennst du ja auch so gerne wie ich durch die Gegend? Dann könnten wir doch mal zusammen laufen!" Ihre Anrufe hatten sich wohl überschnitten!
Wie viele Zufälle es bei ihnen wohl noch geben würde?
Sie rief nicht gleich zurück, wollte ihm den Vortritt lassen.
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