Kapitel 21
Alina
Alina wollte eigentlich nur die kleine Runde durchs Dorf laufen.
Dann hätte sie sich sicher so weit abreagiert, dass sie nach einer Dusche zu Ben und Karen fahren konnte.
Sie brauchte menschliche Wesen, um ihren Groll abzuladen.
Und sie brauchte die aufgeschlossene, geerdete Schwägerin.
Doch als sie wieder bei ihrem Haus angekommen war, merkte sie, dass sie ihm noch lange nicht alles an den Kopf geworfen hatte.
Der Idiot!
Der eingebildete Fatzke!
Der überhebliche Aufreißer!
Der Stadt-Casanova mit seinen Prinzipien, die für die Damenwelt zu gelten hatten, aber nicht für ihn!
Was ging im Kopf eines Mannes wie ihm vor?
Sie hatte keine Ahnung!
Frauen schmachteten ihn an, sie hatte es im Hotel schon mitbekommen.
Er brauchte nur die Hand auszustrecken, schon hingen fünf Weiber daran!
Mindestens!
Doch er hatte nur Augen für sie gehabt, hatte von Sex exklusiv gesprochen.
Sie rannte und rannte und wusste schließlich nur, dass sie Männer nicht verstand, vielleicht auch nie verstehen würde.
Und ihn ganz sicher nicht!
Fuck!
Fuck!
Fuck!
Sie trat die Steine auf dem Weg so fest, dass sie sich die Zehen prellte.
Der Schmerz tat gut, lenkte sie ab.
Wovon?
Vom Schmerz in ihrem Herzen?
War sie verrückt?
Sie litt doch nicht unter Herzschmerz, nur unter Wut!
Weil sie seine Reaktion nicht verstand!
Weil sie gar nichts mehr verstand!
Als sie nach der langen Strecke durch die Felder wieder bei ihrem Haus ankam, war sie endlich ausgepowert genug, um nicht mehr an den Verrückten denken zu müssen.
Als sie in der Diele stand und nach Atem rang, sah sie, dass ihr Handy blinkte.
Das war sicher Karen gewesen, die wissen wollte, wie das Wochenende gewesen war.
Sie ließ sich im Wohnzimmer auf einen Sessel fallen, drückte auf den Knopf der Mailbox.
Wie elektrisiert fuhr sie hoch, als sie seine Stimme hörte.
Idiot! Ja, so könnte man ihn durchaus nennen.
Sie hörte die zweite Aufzeichnung, musste ein wenig lächeln.
War sie so schnell bereit, ihm zu verzeihen?
Never!
Dann bemerkte sie, dass sie auch Textnachrichten hatte.
Sie öffnete die erste.
Das war er wohl nicht gewohnt, der Herr Dr. Adrian Gedack, dass ein weibliches Wesen nicht innerhalb von Sekunden zurückrief.
Wenn er sich je überhaupt gemeldet hatte bei einer der Tussis!
Da fiel ihr ein, dass er ja verheiratet war!
Da wird er wohl doch etwas gefühlt haben!
Sie hatten nicht darüber gesprochen!
Hatten eigentlich überhaupt nicht über die Vergangenheit gesprochen.
Sie hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie von ihrer nichts erzählen wollte und von seiner nichts wissen wollte.
Aber so war doch der Deal gewesen!
Sex – sonst nichts!
Sie merkte, dass ihre Gedanken abgedriftet waren, konzentrierte sich auf das Handy, öffnete auch die zweite Textnachricht.
Und hatte verloren!
Baby! Damit hatte er sie gekriegt! Die Tränen begannen zu laufen, sie konnte nichts dagegen tun.
Das konnte ja lustig werden mit dieser Nicht-Beziehung!
Doch zu leicht wollte sie es ihm nicht machen!
Anrufen würde sie sicher nicht.
Sie tippte auf antworten und schrieb: In einer halben Stunde bin ich mit Duschen fertig! Dann kannst du dich ja noch mal melden!
Dann flog sie in ihr Badezimmer, wusste nicht, warum sie sich die heißeste Wäschegarnitur mitnahm, warum sie sich den kurzen Jeansrock mit dem knappen Oberteil zurecht legte.
Nein! Sie wusste es genau, aber sie hätte es sich nie eingestanden!
Adrian
Adrian hörte endlich auf zu hyperventilieren, als sein Handy vibrierte.
Mit zitternden Fingern öffnete er die Nachricht, stieß die Siegerfaust in die Luft.
Yep! Sie schickte ihn noch nicht in die Wüste, er hoffte es zumindest.
Patrick machte drei Kreuze. Er würde den Sonntag überleben, ohne zum Brudermörder zu werden.
Adrian sah auf die Uhr.
Eine halbe Stunde!
Anrufen?
Vergiss es, Baby!
Er schnappte sich seine Autoschlüssel und raste die Strecke zurück.
Unterwegs sang er jeden der Lovesongs im Radio mit. Er konnte zwar überhaupt singen, aber er liebte es trotzdem.
Hörte ja keiner zu!
Und sein Herz war ziemlich voll von all dem, was die Profis da im Radio so von sich gaben.
Halt die Klappe! fauchte er sicherheitshalber die Stimme an, die schon zum Lästern angesetzt hatte. Sie zog sich beleidigt zurück.
Ich habe Mist gebaut! Das muss ich jetzt wieder gut machen! Sonst ist die Lady eingeschnappt, und dann ist es mit dem Sex auch vorbei! erklärte er.
Und diesen Quatsch glaubst du selbst? Die Stimme musste sich hervorwagen. Schließlich war sie für sein Seelenheil verantwortlich.
Schon! antwortete er. Vielleicht?
Grinsend fuhr er weiter.
Er wusste doch selbst nicht, was das da in ihm war!
Woher hätte er es auch wissen sollen.
Außer mit seiner unsäglichen Noch-Ehefrau hatte er noch nie länger Zeit mit einer Frau verbracht, als zwei, drei Runden Sex gedauert hatten.
Er hatte noch nie mit einer Frau gefrühstückt, so viel gelacht, war noch nie händchenhaltend spazieren gegangen, außer mit Kathi! Aber da war er 15!
Er hatte noch nie eine Frau vermisst, kaum dass er mehr als einen Meter von ihr entfernt war!
Er hatte doch nicht die geringste Ahnung, was mit ihm los war, seit ein hübscher Käfer sich für das bedankt hatte, was sie ihm geschenkt hatte!
Er sah förmlich das Grinsen der Stimme vor sich.
Ja! So habe ich es seit dem ersten Mal empfunden: als Geschenk!
Er raufte sich die Haare. Und jetzt war er auf dem Weg zu ihr, ohne lange nachgedacht zu haben, was ihn dort erwartete!
Endlich war er vor ihrem Haus angekommen. Er sah auf die Uhr. Exakt 30 Minuten!
Er raste zur Haustüre und klingelte Sturm.
Augen zu und durch! sprach er sich selbst Mut zu.
Alina
Alina genoss die Wasserstrahlen auf ihrem Körper, genoss aber auch die Erinnerung an das letzte Mal, als sie mit ihm in der Dusche gewesen war, fühlte seine Hände, die immer wieder über ihre feuchte Haut geglitten waren, die bewundernden Blicke seiner wunderschönen grünen Augen. Immer, wenn er sie ansah, fühlte sie sich begehrenswert, eine für sie vollkommen neue Erfahrung.
Sie machte sich keine großen Gedanken über die Zukunft.
Wenn er weiter Zoff machen wollte, konnte er das ruhig machen.
Wenn er friedlich sein würde, auch recht.
Sie ließ es nicht mehr zu, dass ein Mann Macht über sie und ihr Leben bekam, das hatte sie in den letzten Stunden beschlossen.
Sie würde ihm nicht nach dem Mund reden, damit er sich besser fühlte.
Während des Wochenendes hatte es geklappt.
Sie hatten gut zusammengepasst.
Aber wenn er jetzt irgendwelche Allüren bekam, wenn er Mätzchen machen wollte, musste er sich dafür eine andere suchen.
Aber dieses „Hallo, Baby!" war schon süß gewesen.
Sie lächelte bei dem Gedanken, dass sie ihn süß fand!
Er würde sich herzlich bedanken!
Er weiß eben, welche Knöpfe er bei Frauen drücken musste!
Nicht nur im Bett!
Sie seufzte ihrem Spiegelbild zu, das sie ziemlich hübsch fand. Zergrüble doch nicht immer alles, Alina.
Es kommt, wie es kommt!
Wichtig war nur, dass sie sie selbst blieb!
Als sie gerade fertig angezogen war, läutete es Sturm.
Na! Wer hatte es denn so eilig? Heute am Sonntag? Sie sah zum Schlafzimmerfesterhinunter, sein Wagen parkte in ihrer Einfahrt.
Ihr Herz begann zu rasen.
Warum es das wohl tat?
Betont langsam ging sie nach unten, betont gelassen öffnete sie die Türe.
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