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"#TRAY liegt am Boden", zitierte ich den neuesten Post unseres Schulblogs. Darunter lag ein ziemlich unvorteilhaftes Bild, wo ich wie ein Seestern meine Beine und Arme von mir gestreckt habe und Timo sich gerade abstütze. Ein Glück war mein Kleid lang genug, ohne dass man etwas sah, was verdeckt bleiben sollte.
Augenrollend steckte ich mein Handy wieder in meine Hosentasche.
Aufmerksamkeitsgeile Tratschtanten!
"Ich hasse diesen Pärchennamen, es erinnert mich zu sehr an das Wort Trash", sagte Timo und lief weiter mit mir über den Schulflur. Die Metallspinde waren alle in Gelb, da unsere Schulpsychologin Dr. Amber der Meinung war eine Farbe könnte uns soweit beeinflussen, dass wir uns glücklicher fühlen.
Ich hasse Gelb.
"Wenigstens haben die nur meinen Spitznamen verwendet, andernfalls wäre das wirklich Trash gewesen", kommentierte ich und stellte mir die möglichen Shipnamen vor.
Raymonde und Timo wäre eine Mischung gewesen, die ich nicht erleben wollte. Unter keinen Umständen!
Meine Eltern wirkten eigentlich immer ziemlich vernünftig, aber bei meiner Namensgebung schienen sie wohl einen kleinen Aussetzter zu haben.
Mit Ray war ich allerdings zufrieden, auch wenn es wie ein Name für einen Jungen klang. Aber alles ist besser als Raymonde!
Mein bester Freund neben mir lachte, während noch ein paar mehr Schüler aus dem Nebeneingang in die Flure strömten.
Es war jeden Tag wieder eine Herausforderung in den engen vollen Fluren nebeneinander Laufen zu können. Besonders wenn man so winzig war wie ich. Wenn man 1,50 Meter groß ist, kamen einem die anderen wie Riesen vor.
Meistens endetete dieser Versuch jämmerlich damit, dass ich irgendwo stecken blieb und Timo drei Meter weiter vorne ist. So wie auch jetzt. Ein etwas kräftigerer Schüler mit einem roten T-Shirt, bei dem Albert Einstein mir frech die Zunge raustreckte, versperrte mir den Weg. Er konzentrierte sich nicht auf mich und schob mich nur zur Seite, wodurch ich an ein Mädchen knallte.
Es war wieder so ein Moment, in dem ich mich fühlte wie ein Kaugummi in einem Kaugummiautomat. Von allen Seiten wird man zusammengequetscht, rechts ist jemand, links auch und einfach überall da, wo man lang möchte.
"Ich hätte beinahe die Feuerwehr gerufen, um dich daraus zu holen", scherzte er als ich wieder an seine Seine angekommen bin und mir angestrengt atmend ein paar von meinen braunen Locken aus dem Gesicht streichte.
Sich durch eine Ansammlung pubertierende Schüler zu kämpfen war anstrengender als jede Sportstunde bei meiner Sportleherin Mrs. Diles. Und wenn man bedachte, dass früher sogar einmal ziemlich bekannt im Frauen-Boxen war, sollte das echt etwas heißen.
"Das ist aber sehr großzügig Mr. Ich-sehe-zu-wie-meine-beste-Freundin-zerquetscht-wird."
Als Rache schlug ich ich ihm zweimal gegen den Arm. Aber in Anbetracht dessen, dass er deutlich trainierte war als ich und ich schon so manches Mal mit der Öffnung einer Flasche zu kämpfen hatte, würde mein kleiner Rachefeldzug wohl nicht die gewünschte Wirkung erzeugen.
"Besser du als ich", sagte er lachend und steuerte mit mir nach links zu unseren Kursräumen.
"Ja, dein zerknittertes Hemd würde auch so sehr darunter leiden", zog ich ihn auf. In den letzten Jahren habe ich kaum ein Kleidungsstück von ihm gesehen, welches nicht zerknittert war.
Um wieder auf das eigentliche Thema zurückzukommen, zog ich ihn an die Seite und fragte: "Sollen wir das mit dem Bild melden?"
Schließlich hatte keiner von uns sein Einverständnis gegeben und ich wollte "#TRAY" möglichst schnell wieder aus meinem Leben rauskapultieren.
"Das wird nicht viel bringen. Das weißt du doch. Die Leute da sind anonym und der Blog ist viel zu beliebt."
Ich nickte, es gab deutlich schlimmere Bilder. Obwohl ich in meinen Gedanken zu Sherlock mutierte um den Täter zu finden, der diese Fotos schießt und veröffentlicht.
"Und außerdem", Timo lehnte sich vor und wackelte mit beiden Augenbrauen.
"Vielleicht sieht es ja Catherine und sie möchte ihr Revier verteidigen."
"Und was soll deiner Meinung nach dann stattfinden? Dass sie sich auf mich schmeißt und meinem Messer attackiert?"
"Ein guter Frauenkampf ist immer schön anzusehen." Er zwinkerte mir zu.
Als wir uns wieder in Bewegung setzten und während wir weiter über sinnloses Zeug plauderten.
Als wir an meinem Kursraum angekommen waren, verabschiedete ich mich, da Timo jetzt Englisch hatte und nicht wie ich Geschichte.
"Bis, dann."
"Tschüß Raymonde", sagte er zum Abschied und grinste als ich ihm den Mittelfinger zeigte. Ich hasste diesen Namen.
Meine Klassenkameraden schenkten mir nur einen kleinen Funken Aufmerksamkeit, als ich den Raum betrat und das auch nur um zu sehen, ob ich eine Lehrkraft bin.
Was ich offensichtlich nicht war und sie sich wieder ihren Handys und Plaudereien widmeten.
Die Tische bildeten Viererreihen und ich saß ganz hinten.
An meinem Platz angekommen, legte ich meinen Rucksack auf den Stuhl neben mit ab. Denn dieser Stuhl blieb seit dem letzten Schuljahr frei, weil Freddy mehr Interesse an Spielkonsolen zeigte als an Mathe..oder Deutsch...oder generell die Schule.
So blieb er sitzen und der Sitzplatz konnte von meinem Rucksack in Beschlag genommen werden.
Der Rucksack war ziemlich neu und hatte genau den PMS 339-Grünton nach dem ich gesucht hatte. Da war ich auch ganz froh, dass er einen eigenen Sitzplatz bekam und nicht auf dem Boden liegen musste, auf dem schon zahlreiche Cola-Flaschen ausgelaufen sind.
Auch mein letzter Rucksack musste dran glauben. Es sah aus als hätte dieser ein Cafebad und danach einmal eine Safari-Tour durch den Abfluss unternommen.
"Guten Morgen!"
Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und sah zu Mrs. Cullen. Diese Frau konnte sich anschleichen, da wäre jeder Dieb neidisch.
Als ein paar Schüler ebenfalls ein Guten Morgen wiederholten, zeigte sie auf die Tür, wo ein Junge stand, den ich ebenfalls noch nicht bemerkt habe. Langsam machte ich mir echt Sorgen, über meine Konzentration.
"Das hier ist-" fing meine Lehrerin an und und ihr blonder Lockenkopf glänzte gelb im Licht. Doch der Unbekannte unterbrach sie.
"Ich bin Gabriel Even."
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