Kapitel 7
„Wuhu!", rief Ted ihr lachend zu und pikste ihr in die Seite. „Na – was schaust du so mies gelaunt?"
Amelia verdrehte leicht genervt die Augen und seufzte.
Lisa, Neville, Ted und sie waren an diesem Sonntag in Hogsmeade unterwegs. Die vier Freunde gingen die schneebedeckte Straße entlang und diskutierten über geeignete Weihnachtsgeschenke – Neville für seine Großmutter, Lisa für ihre große Familie, Ted für seinen Bruder und seine Eltern und Amelia für Luna. Leider hatte sie noch keine Ahnung, was sie ihrer besten Freundin schenken sollte, war aber guter Dinge.
Mit Neville hatte sie sich heute besonders intensiv unterhalten, da er sechs Jahre lang in Harrys Stufe gegangen war und mit ihm Seite an Seite gegen Lord Voldemort gekämpft hatte. Leider hatte er auch keinen Kontakt zu Harry mehr, seit er auf diesem komischen Außeneinsatz in Russland stationiert war.
Missmutig schritt sie die lange Straße entlang und versuchte ihre schlechte Laune zu ergründen. Eigentlich hätte alles perfekt sein müssen – sie war mit ihren Freunden unterwegs, es war Sonntag und abgesehen vom kalten Wetter, schien die Sonne auf ihre Haut und wärmten sie ein wenig. Gestern hatte sie endlich ihre Antworten bekommen und Professor Snape war ehrlich zu ihr gewesen.
Beim Abendessen gestern, hatte Lisa sie mit Szenen aus dem „unglaublichen Quidditch Spiel" bombardiert und ihr bestimmt hundert Mal vorgeworfen, dass es die schlechteste Entscheidung von ihr gewesen war, sich depressiv auf ihr Zimmer zurück zu ziehen. Gryffindor hatte gegen Slytherin gewonnen, was Lisa und Neville euphorisch wirken ließen, Ted hingegen bei diesem Thema schmerzlich seinen Mund verziehen ließ.
„Müssen wir wieder darüber sprechen?!", sagte er dann griesgrämig und hielt sich die Ohren zu.
Amelia war froh über Teds Anwesenheit, auch wenn er sie manchmal ein wenig nervte. Seine ständigen Fragen „Geht es dir gut, Ame?" nervten sie – auch wenn sie tausendmal beteuerte, dass es ihr gut ging, so ließ er nicht locker. Auch Lisa fragte oft, ob denn alles okay sei, doch Amelia blieb verschlossen.
Von ihrem Besuch bei Professor Snape hatte sie natürlich nichts erzählt – was würden sie wohl dazu sagen?
Schlecht gelaunt kickte sie ein wenig Schnee von ihrer Schuhspitze. Das Wetter machte einen wirklich depressiv.
„Hat einer Lust, in die „Drei Besen" zu gehen und ein leckeres Butterbier zu trinken?", fragte Lisa plötzlich und beäugte Amelia skeptisch. „Da ist es warm und wir können danach immer noch Geschenke aussuchen gehen."
Ted klatschte begeistert und stupste Amelia an, die sich zu einem Lächeln zwang. Neville nickte nur und nahm Lisas Hand.
Zusammen schritten sie den Berg wieder hinauf und bogen nach links ein, in das Gasthaus die „Drei Besen". Es war ordentlich gefüllt, fast jeder Schüler oder Zauberer, der sich in Hogsmeade an diesem Sonntagnachmittag aufhielt, trank wohl grade ein Butterbier im Gasthaus.
Lisa schaute sich um und entdeckte erleichtert einen Tisch in einer der hintersten Ecken.
„Da!", rief sie und lief schnell auf den Tisch zu, aus Angst, er könnte ihr vor ihren Augen weggeschnappt werden.
Sie setzten sich an den Tisch – Ted und Neville auf eine Bank, Amelia und Lisa auf die gegenüberliegende. Die Jungen schauten auf die Wand, während die Mädchen die Tür und den restlichen Raum im Überblick hatten.
An der Bar saßen ein paar vereinzelte Hexen und Zauberer und starrten ins Leere, während die Tische mit Schülern und diversen Lehrern besetzt war.
Amelia zog sich ihre Jacke aus und die anderen taten es ihr gleich. Ted hatte ein schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt an und einer legeren, hellgrauen Jeans. Neville trug einen Pullover und eine Hose, Lisa einen hübschen Blazer mit einem rosafarbenen Top und einer engen Hose. Amelia dagegen trug ein dünnes, eng anliegendes Sweatshirt und eine einfache Röhrenjeans. Trotz des vielen Schnees, trug sie ihre heißgeliebten Chucks, die sie von ihren Großeltern zu ihrem fünfzehnten Geburtstag geschenkt bekommen hatte.
Der Raum war stickig und düster und der Sauerstoffgehalt war wohl auf fast null gesunken. Die vier Schüler begannen eine Unterhaltung über diverse Fächer und ihre Abschlussprüfungen und machten sich Gedanken über ihre Fortgeschrittenen Kurse. Neville hatte Kräuterkunde gewählt, Lisa Zaubertränke und Ted und Amelia Verteidigung gegen die dunklen Künste.
„Meine Güte – wie lange dauert das denn noch!", beschwerte sich Lisa plötzlich und suchte mit ihren Augen den Raum ab. „Wann kommt denn bitte mal eine Bedienung?"
Neville grunzte und schüttelte den Kopf.
„Nun sei doch nicht so ungeduldig!", meinte er beschwichtigend und fing sich einen bösen Blick ein.
„Wir warten nun schon fünfzehn Minuten, Nev!", erwiderte sie säuerlich und schnaubte. „Aber war ja klar, dass du wieder an mir rumzumäkeln hast!"
Er schaute sie nur an und ließ ein wenig die Schultern hängen, sodass er Amelia fast ein wenig Leid tat. Lisa war oft ganz schön aufbrausend.
„Ich frage mal nach.", sagte sie daraufhin und Neville blickte sie dankbar an.
„Danke, Ame.", meinte Lisa nur und begann nun ein Gespräch mit Ted, der schon etwas genervt über die ständigen Zankereien der beiden war.
Amelia stand nun auf und begab sich an die Bar, wo eine dicke Frau hektisch ein paar Gläser mit Butterbier füllte. Sie hatte mehrere Warzen im Gesicht und ihr grau, meliertes Haar kräuselte sich in ihrem Gesicht und immer wieder pustete sie die einzelnen Strähnen gestresst aus ihrem Gesicht.
„Sabby! Sabby! Wo bleibst du bloß!", schrie sie in ein Hinterzimmer und haute einen neuen Butterbierkrug an. „Diese blöden Teenager!"
Vorsichtig gesellte sich Amelia neben eine in schwarz gekleidete Person und hielt sich an der Bar fest. Ungeduldig trommelte sie mit den Fingern auf den Tisch.
„Ähm – entschuldigen Sie. Miss?", rief sie in die Richtung der Frau, wurde aber geflissentlich ignoriert.
Neben ihr hob die Person plötzlich ruckartig ihren Kopf und drehte sich zu ihr um.
Amelia erschrak ganz fürchterlich – dort saß Professor Snape, über einem Glas Butterbier hängend und erschöpft. Seine Ränder unter den Augen sahen gruselig aus und sein pechschwarzes Haar ergänzte seine legere, dunkle Kleidung perfekt.
„P-Professor S-Snape.", stotterte sie überrascht und hob die Augenbrauen.
Er starrte sie an und seufzte.
„Amelia.", flüsterte er leise, als er sich wieder seinem Glas widmete.
Sie schaute ihn verlegen von der Seite aus an und biss sich auf die Unterlippe.
Die Frau hinter der Bar kam nun auf sie zu und sprach sie barsch an.
„Was willst du?", fragte sie mürrisch und arbeitete mit den Händen weiter.
„Vier Butterbier, bitte.", sagte Amelia möglichst freundlich und die Frau schnaubte.
„Butterbier, Butterbier! Habt ihr Gören nichts anderes im Kopf, als Bier?", meinte sie abfällig und grunzte. „Diese bescheuerten Gören, wie Sie-,"
„Es ist gut, Mathilda.", sprach Professor Snape ruhig, aber bestimmt und die Frau grunzte.
„Jaja, Severus.", schüttelte sie den Kopf und holte vier Biergläser hervor.
„Bringen sie die an den Tisch?", fragte Amelia zaghaft und fing sich einen mörderischen Blick ein.
„Wenn du schon mal hier bist, kannst du ja auch wohl warten! Sehe ich so aus, als ob ich euch Gören hinterher laufen würde?", blaffte sie Amelia an und diese verdrehte die Augen.
Meine Güte, was war der denn über die Leber gelaufen?
„Mach dir nichts draus – das ist Mathildas Art. Nimm es nicht persönlich.", meinte Snape und Amelia lächelte.
Zögerlich lächelte er zurück.
„Und – ähm, was machen Sie hier?", fragte sie nach einer Weile, als sie neben ihm auf einem Barhocker Platz genommen hatte und auf ihr Butterbier wartete.
„Ich würde sagen, dasselbe wie du.", nickte er in ihre Richtung und trank noch einen Schluck Butterbier. „Aber ich werde jetzt gehen."
Entschlossen stand er auf und warf sich eine schwarze Jacke über.
„Amelia.", nickte er ihr nur zu, als er zwei Galleonen auf den Tisch legte, sich umdrehte und durch die Tür im eisigen Schnee verschwand.
Irgendwie fühlte sich Amelia komisch – in ihr zog sich alles zusammen, die Situation von ihm geduzt zu werden und ihn auch außerhalb von Hogwarts anzutreffen, beunruhigten sie ein wenig. Wieso genau, wusste sie nicht. Aber als sie ihn gesehen hatte, spürte sie eine merkwürdige Veränderung.
Sollte sie ihm nachgehen? Vielleicht könnten sie nochmal gemeinsam miteinander sprechen? Wollte er das überhaupt?
Trank er nun etwa, weil sie ihn an Lily erinnerte? War es ihre Schuld? Ging es ihm überhaupt gut? Weiterhin beunruhigt huschte ihr Blick zu ihren drei Freunden. Das beunruhigteste war aber eher, dass sie sich überhaupt darüber Gedanken machte.
Schnell schritt sie auf sie zu und schnappte sich ihre Jacke.
„Was machst du denn?", fragte Lisa sie ungläubig und riss sich aus einem Gespräch mit Ted und Neville, die grade über einzelnen Szenen des Quidditch Spiels diskutierten.
„Ich muss los. Habe total vergessen, dass ich noch zu Professor McGonagall muss.", meinte sie entschuldigend und hasste sich dafür, ihre Freunde anzulügen. Aber die Wahrheit würde wohl wesentlich schlimmer sein, als diese kleine Notlüge.
„Wie?", fragte Ted erstaunt und gleichzeitig enttäuscht. „Soll ich dich begleiten?"
„Nein, nein.", sagte Amelia hastig und nickte den Dreien zu. „Wir sehen uns im Schloss!"
Und damit rauschte sie aus dem „Drei Besen" und die schneebedeckte Straße empor. Schnell erblickte sie ihren Professor – die pechschwarze Kleidung tat sich deutlich von der schneeweißen Umgebung ab.
Sie rannte ihm hinterher und blieb keuchend einige Meter vor ihm stehen.
„Professor Snape.", rief sie japsend nach Luft und dieser drehte sich erstaunt um.
Fragend ging er auf sie zu.
„Was machst du denn hier, Amelia?", fragte er sie und seine Augen beobachteten das nach Luft ringende Mädchen, welches nun vor ihr stand.
„Ich dachte mir – w-wir könnten vielleicht nochmal reden.", presste sie mühevoll heraus und lächelte. „Ei-n-en Mo-ment."
Sie musste wirklich mehr Sport treiben.
„Amelia.", schüttelte Snape den Kopf und schmerzlich blickte er sie an. „Was willst du denn noch bereden?"
„Ich dachte...Sie hätten vielleicht Lust...ein wenig zu plaudern.", meinte sie nach einer Weile und zitterte. Die Jacke die sie trug, war wirklich zu dünn.
„Ist dir kalt?", fragte Snape plötzlich und schaute sie besorgt an.
„Naja – wenn wir hier noch länger stehen, wird es wohl immer kälter.", fröstelte sie und ihre Stimme zitterte leicht.
Snape zog wortlos seine schwarze Lederjacke aus, schritt auf Amelia zu und legte ihr die Jacke über die Schultern. Erstaunt zog sie sie fest und blickte ihn an.
„Aber dann hast Du – oh, nein, scheiße.", schüttelte sie verärgert den Kopf, ihn schon wieder geduzt zu haben, aber die Situation verwirrten sie." Dann wird ihnen doch kalt?"
„Ist schon gut.", sagte er nur unschlüssig und stand nun vor ihr. Der Anblick war einfach nur unglaublich. Sie war so wunderschön, dass sich in Snape alles zusammenzog. In dem Weiß sah sie aus wie ein Engel.
„Was ist denn mit deinen Freunden?", fragte Snape nur fragend und mit hochgezogenen Augenbrauen, als keiner der beiden etwas sagte.
„Ähm – also...die trinken Butterbier.", meinte Amelia nur und zuckte die Schultern. „Ich dachte mir, Sie und ich...könnten vielleicht ein wenig reden. Über meine Mutter oder...eben nicht."
Snapes Herz machte einen Satz und sein Atem stockte.
„Gott...", schüttelte er verzweifelt den Kopf und ließ den Blick nicht von ihren Augen.
Sie sah ihn fragend an.
„Na gut.", seufzte er schließlich widerwillig und gemeinsam schritten die beiden Richtung Schloss.
„Ist Ihnen wirklich nicht kalt?", fragte Amelia nach einer Weile des Schweigens und Snape verneinte.
„Nein. Ich mag die Kälte.", antwortete er ruhig und seine Mundwinkel zuckten.
„Oh Mann, ich hasse die Kälte!", sagte sie laut und fröstelte. „Sie ist so...kalt!"
Snape konnte nicht anders und lachte über ihre Aussage und kurz darauf stimmte sie mit ein.
„Ja, kalt ist die Kälte.", lächelte er und Amelia grinste. „Und, wo wollen wir uns nun hinsetzen?"
Er schaute sie von der Seite aus fragend an und steckte seine Hände in seine Hosentaschen.
„Also...vielleicht wieder in Ihr Wohnzimmer? Da ist es zumindest warm.", antwortete Amelia vorsichtig und wartete seine Reaktion ab.
Snape stockte und riss sich zusammen.
„Klar.", sagte er mit brüchiger Stimme und presste die Lippen aufeinander.
Gemeinsam gingen die beiden schweigend die restlichen Meter bis zum Schloss und Snape war froh, keinem Lehrer zu begegnen – vor allen Dingen nicht Professor McGonagall, deren Worte in seinem Kopf hallten. „Und denk dran Severus, sie ist nicht Lily."
Sie schritten die Kerker Treppen hinunter und Amelia zog seine Jacke aus und hielt sie ihm hin.
„Danke.", lächelte sie ihn an und er nickte. Er schloss mit einem Schwenker seines Zauberstabes die Tür auf und ließ ihr den Vortritt.
Lächelnd stieg sie die Stufen herab und Snape blieb einen kurzen Moment vor der Tür stehen und schloss die Augen. Er sog scharf nach Luft und raufte sich die Haare. Das hier war nicht Lily. Das war Amelia. Und Amelia war SEINE Schülerin. Nichts anderes.
Er hoffte so sehr, er könnte sich beherrschen und zweifelte nun erneute an seiner Selbstbeherrschung.
Seufzend schritt er die Treppe hinab und betete zu einer höheren Macht, dieses Gespräch schnell hinter sich bringen zu können.
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